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Urte Köhler

Bewertungen

Insgesamt 73 Bewertungen
Bewertung vom 12.11.2024
Neun Tage Wunder
Moninger, Kristina

Neun Tage Wunder


gut

Eine in sich stimmige und von den Charakteren folgerichtig angelegte Liebesgeschichte. Aber dennoch bin ich mit der Geschichte nicht richtig warm geworden. Das mag daran liegen, dass Anni ein gutes Stück jünger ist als ich und ich eine solche Situation anders angehen würde. Das würde schon damit anfangen, dass ich der Meinung bin, man sollte seinem Partner derart wichtige Dinge aus der eigenen Vergangenheit nicht verschweigen. Liebe verträgt Geheimnisse, aber hier ist eine Differenzierung nötig. Annis Tage mit Lukas haben etwas Magisches und warum sollte man diese Erfahrung nicht mit seinem neuen Lebenspartner teilen?
Nun ist es so, dass Geheimnisse in so vielen Liebesromanen ein wesentlicher Teil des Plots sind und die Basis für Lebenserfahrung des Protagonisten sind. Außerdem erzeugen sie Spannung.
Einige Figuren dieser Geschichte sind meiner Meinung etwas dürr in der Ausprägung geraten, wie z.B. Claire (Ex-Frau des einen männlichen Helden) und Michael (Freund von Annis Freundin).
Lukas selbst bewegt sich fast komplett in einer undurchsichtigen Wolke, er bleibt bis zum Höhepunkt wenig greifbar.
Was mir aber gefallen hat, war die Reaktion von Lukas auf das Verhalten von Anni. Hier hatte ich wirklich das Gefühl es mit realen Menschen zu tun zu haben, konnte die Verhaltensweisen nachvollziehen. Leider muss Anni durch ein Komplott dazu gebracht werden, sich mit Lukas zu treffen. Eigener Antrieb wäre besser gewesen.
Ein lebensnahes Bild auf sich selbst zeigt Anni nach ihrem Treffen mit Lukas. Und daran kann man gut sehen, was zehn Jahre Getrenntsein eben doch ausmachen können.
Insgesamt ein lesenswertes Buch, welches durch frische, witzige Dialoge besticht. Die Selbstreflexion der Protagonisten könnte tiefer gehen, aber das ist vielleicht etwas viel verlangt.

Bewertung vom 15.09.2024
Tage mit Milena
Burseg, Katrin

Tage mit Milena


weniger gut

Ein hochaktuelles Thema unserer Zeit wird zum Anlass genommen, die Heldin des Romans in einen Konflikt mit einem Vorfall in ihrer Vergangenheit zu stürzen. Das ist grundsätzlich ein guter Plot. Klimakleber, Letzte Generation und Klimaaktivisten sind ein Thema unserer Zeit und somit etwas, mit dem sich viele identifizieren können.
Der Konflikt der Heldin ist in einem ähnlich brisanten Umfeld angesiedelt, allerdings knapp 40 Jahre früher. Die Hausbesetzerszene in der Hamburger Hafenstraße. Auch das hat viele Gemüter damals erhitzt.
Bindeglied ist eine junge Frau, die sich auf die Straße klebt und unsere Heldin spontan dazu bringt, sich neben sie zu setzen. Das bringt alles ins Rollen.
Die Heldin wird von ihren Erinnerungen in die Vergangenheit gesogen und ein emotional unverarbeiteter Konflikt bricht auf. Das führt dazu, dass sie aus ihrem Alltag ausbricht und zusammen mit der jungen Frau eine Reise antritt, die schließlich zur Konfliktlösung führt.
Das Alltagssituationen zu Schlüsselerlebnissen werden können, kommt vor. Ein Déja vu und die Erinnerungen fließen, gute wie schlechte.
Was mich allerdings daran stört, ist die Heftigkeit, mit der Konflikt aus der Vergangenheit an die Oberfläche drängt. Inzwischen sind fast 40 Jahre ins Land gegangen. Die Heldin geht auf die sechzig zu und da soll etwas, das so lange her ist, derart Wellen schlagen? In den vergangenen 40 Jahren soll es keine Situation gegeben haben, die ebenso als Trigger hätte fungieren können? Und was ist mit der in den Jahren angesammelten Lebenserfahrung?
Es liest sich manchmal, als hätte die Heldin keine emotionale Reife in den 40 Jahren gewonnen. Als wäre es gefühlt gestern gewesen. Das ergibt für mich keinen Sinn. Und auch, dass ihr Ausbruch aus dem Alltag keine Konsequenzen für ihre Ehe hat und ausschließlich auf umfassendes Verständnis stößt, ist verwunderlich. Eine gute Ehe trägt das möglicherweise, aber das zieht Gespräche nach sich. Hierfür hat die Geschichte keinen Raum. Es hätte aber zumindest in die Schlussseiten eingeflochten werden müssen. Der Ehemann wird damit zu einer faden, schwachen Person degradiert. Was zu Beginn der Geschichte so gar nicht der Fall gewesen ist.
Auch die Parallelen zwischen der Freundin der Heldin in der Hafenstraße (Milena) und der jungen Frau in der Gegenwart muten konstruiert an. Das Menschen in gesundheitlichen Extremsituationen extrem handeln können, ist nachvollziehbar. Aber das unsere Heldin in beiden Situationen mit einer kranken Mitstreiterin agiert, ist seltsam.
In diesem Roman habe ich die emotionale Dichte der Helden, die ich aus anderen Romanen der Autorin kenne, vermisst. 40 Jahre sind eine lange Zeit, die viel Einfluss auf den Entwicklungs- und Reifeprozess eines Menschen haben. Die Reaktion der Heldin scheint mir weit überzogen und unglaubwürdig.

Bewertung vom 23.04.2024
Das Echo der Gezeiten (eBook, ePUB)
Frank, Rebekka

Das Echo der Gezeiten (eBook, ePUB)


sehr gut

Das Echo der Gezeiten zieht sich durch die Geschichte, wie ein dunkelroter Faden. Gerade die Gezeiten sind es, die schicksalhaft auf die beiden starken Frauen im 17. und im 20. Jahrhundert wirken. Im 20. ist das Echo des 17. noch nicht verhallt.
Beide Frauen haben in ihren Jahrhunderten mit extremen Vorurteilen und nicht vorhandener oder mangelnder Gleichberechtigung zu kämpfen, um sich irgendwie Gehör zu verschaffen und sich einen unabhängigen, selbständigen Platz im Leben zu erobern. Schon die Probleme, mit denen Tilla 1963 zu kämpfen hat, muten heute altmodisch an, auch wenn sie bis heute nicht vollständig ausgemerzt worden sind. Auch heute noch stoßen Frauen an Grenzen, die von Männern oder der Gesellschaft gesetzt werden.
Mutig kämpfen sie für ihre Ideen und Träume.
Nes Dorn, die Heldin im historischen Teil des Romans, muss allerdings einen sehr viel höheren Preis zahlen, um wenigstens Rache üben zu können. Zu sehr ist sie Aberglauben, Macht, mangelnder Bildung und gesellschaftlichem Druck ausgeliefert. Doch sie steht zu ihren Überzeugungen und lässt sich nicht unterkriegen.
Tilla Puls im 20. Jahrhundert kriegt es mit überholten, gesellschaftlichen Normen zu tun, die es Männern leicht machten, Frauen in die zweite Reihe (oder als ihr Anhängsel ohne Namen) zu drängen. Wollten sie Erfolg haben, mussten sie zäh sein und vor allem aus dem Leitbild der Ehefrau am heimischen Herd ausbrechen. Zu der Zeit war eine Ehe das Ende jedweder Ambitionen einer Frau auf Selbständigkeit oder eigene Entscheidungen.
Insofern ist auch der moderne Teil des Romans heute schon historisch. Die Gleichberechtigung der Frau hat in den letzten 60 Jahren enorme Fortschritte gemacht, die einer Frau im 21. Jahrhundert der westlichen Welt eine Unabhängigkeit ermöglichen, die sie noch nie gehabt hat.
Rebekka Frank schafft es in ihrer Geschichte, gesellschaftlichen Wandel zu beschreiben und weibliche Schicksale darin zu verknüpfen, die dem heutigen Leser vor Augen führen, was alles in Sachen Emanzipation erreicht worden ist. Unter anderem auch, weil es Frauen wie Nes und Tilla gegeben hat.

Bewertung vom 09.04.2024
The April Story - Ein wirklich erstaunliches Ding
Green, Hank

The April Story - Ein wirklich erstaunliches Ding


ausgezeichnet

11:07

Ein wundervoller Roman über den Sog von Social Media und die Macht von Zusammenhalt.
Die Möglichkeiten dessen, was auf dieser Welt möglich sein könnte, wenn die Menschen zusammen halten, ist im Zeitalter von Digitalisierung und Social Media beinahe unbegrenzt. In dieser Geschichte werden die Vor- aber auch die Nachteile, die Social Media Plattformen haben gezielt am Schicksal einer Person aufgezeigt.
Die Menschen auf der Erde werden mit einer gigantischen Roboterskulptur konfrontiert und zwar an insgesamt 64 verschiedenen Orten. Die junge Frau April May wird dazu auserkoren, "Carl" (wie er bald genannt wird) der Welt zum ersten Mal zu präsentieren. Daraufhin nehmen die Ereignisse ihren Lauf. Der Hype bleibt aber nicht oberflächlich, sondern entpuppt sich als geistige Herausforderung an die Menschheit. Das Internet wird zur Plattform, auf der die Rätsel um Carl gelöst werden. Und zwar nicht von einer einzelnen Person, sondern als gebündeltes Wissen Vieler.
So zieht sich das Miteinander der Menschen über alle Grenzen hinweg wie ein roter Faden durch das Buch.
Auch Gut und Böse sind dabei nicht weit. In diesem Zwiespalt wird der enorme Einfluss von Social Media auf das Verhalten von Menschen über deutlich. Gerade April May ist davon nicht ausgenommen, reflektiert sie doch in inneren Monologen immer wieder die Veränderungen, die sie an sich selbst feststellt, seit sie zum Star des Carl Hypes geworden ist. Die Gratwanderung, sich selbst treu zu bleiben, ist schwierig. Fragen nach dem Umgang mit Berühmtheit und deren Einfluss auf den Umgang anderer mit berühmten Personen werden gestellt und am Spiegelbild von April May beantwortet.
Dieser Roman zeichnet sich durch ein sehr hohes Maß an Empathie, Psychologie und Fragen nach dem Einfluss der modernen Welt/Digitalisierung auf die heutigen Generationen aus.
SPOILER:
Die Vorstellung allerdings, dass es eines außerirdischen Anstoßes bedarf, um die Menschheit in ihrer Gesamtheit aufzurütteln und an althergebrachte moralische und ethische Maßstäbe zu erinnern, mutet seltsam an.
Ist es denn so schlecht um unsere Gesellschaft bestellt, dass erst Außerirdische, die nach eigenen Angaben die Menschheit wunderschön finden, nötig sind, uns die Augen zu öffnen?

Bewertung vom 20.02.2024
Die Halbwertszeit von Glück (eBook, ePUB)
Pelt, Louise

Die Halbwertszeit von Glück (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Hat Glück überhaupt einen objektiv messbaren Wert? Und wenn ja, wie schnell halbiert dieser sich?
Diese Fragen kann sich der geneigte Leser stellen, während er dieses wahrlich lesenswerte Buch durch sein Kopfkino laufen lässt.
Wundervolle, real anmutende Figuren kämpfen mit ihrem persönlichen Unglück und kommen (folgerichtig?) zu dem Schluss, im Leben jede Berechtigung auf Glück/Glücklich sein verspielt zu haben. Jahre gehen ins Land, bis die Figuren genug Lebenserfahrung gesammelt haben um zu erkennen, dass Glück kein verbrieftes Recht von Dauer ist; das Leben so angelegt ist, dass Glück flüchtig ist. Jeder hat immer wieder Glücksmomente, fühlt diese Leichtigkeit des Seins, möchte die ganze Welt umarmen und tanzend die Schönheit des Daseins preisen.
Glück äußert sich aber auch in Zufriedenheit oder der Abwesenheit von Unglück. Glück ist vielfältig und individuell.
Jede der drei Frauen durchläuft eine Phase ihres Lebens, in der sich Dinge neu justieren, altes unbrauchbar wird und der Blick auf neue Realitäten ausgerichtet wird. Das fällt unter erwachsen werden und Lebenserfahrung sammeln. Sie lernen, dass Schuldgefühle zwar schwer wiegen, aber absolut niemandem helfen und keinen Einfluss auf den eigenen Lebensweg haben sollten. Das ist mitunter eine Mammutaufgabe, die diese drei Frauen - jede auf ihre Art - mit Bravour meistern.
Der Autorin gelingt es, ihren Figuren echte Gefühle einzuhauchen und den wirklich schwierigen Umgang damit erleben zu lassen. In einer Sprache, die den Leser mitten ins Geschehen stellt und nicht als außenstehenden Betrachter.
Ein wunderbares Buch über das Leben.

Bewertung vom 26.11.2023
Eine halbe Ewigkeit (eBook, ePUB)
Kürthy, Ildikó von

Eine halbe Ewigkeit (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Eine wundervolle Geschichte, in der sich eigentlich jede Frau Mitte 50, die Kinder hat und verheiratet ist, wiederfindet.
Ihre Schilderungen über die Begleiterscheinungen des Alltagslebens mit Kindern sind treffend und absolut wahr. Die Formulierung der vorübergehend verminderten Lebensqualität während der Nachwuchs sich durch die Pubertät kämpft ist zwar sehr hart, entbehrt aber leider nicht seine Grundlage. Verbunden mit dem Eintauchen in die Wechseljahre kann das schon mal zu einem hormonellen Supergau führen.
Der Wunsch nach Flucht und einem wie auch immer gearteten anderen, neuen Leben taucht da schon mal am Horizont auf und je nach Stimmungslage können die Hormone anstehende Entscheidungen ziemlich einseitig beeinflussen.
Ildikó von Kürthy gelingt es auf anschauliche, gefühlsmäßig aufgeladene Art und Weise den Leser abzuholen und in das Drama des Lebens Mitte 50 einzubinden. Die Menschen, die die Autorin/Protagonistin in dieser Phase des Lebens kennenlernt, bilden einen bunt zusammengewürfelten Haufen, der ähnliche Erfahrungen gemacht hat, aber einen sehr unterschiedlichen Hintergrund hat und dadurch anders geprägt worden ist.
Viele offene Fragen des Lebens finden auf einmal Antworten, die so ganz anders ausfallen, als die Autorin/Protagonistin es sich gedacht hat. Plötzlich fallen Belastungen ab, Lebenserfahrungen und Kommunikation weisen den Weg in die kommenden Jahre, kleine Veränderungen bringen eine ganz neue Dynamik in den bisher eingefahrenen Alltag und öffnen neue Perspektiven.
Die Frage nach Veränderungen, Gewohnheiten und Bequemlichkeit bekommt einen anderen Stellenwert als noch 25 Jahre früher.
Diese Geschichte ist eine Homage an das Leben, seine Vielfältigkeit und an das, was jeder für sich daraus macht.

Bewertung vom 29.09.2023
Between Us - Die große Liebe kennt viele Geheimnisse (eBook, ePUB)
McFarlane, Mhairi

Between Us - Die große Liebe kennt viele Geheimnisse (eBook, ePUB)


sehr gut

Mhairi McFarlane mal anders. Reifer irgendwie.
Die Figuren sind nach altbewährter Art wunderbar angelegt und in sich stimmig. Sie ergänzen sich wunderbar mit dem Charakter der Heldin, der in diesem Roman erstmalig umfassend Raum für innere Reflexion gegeben wird. Ein Vorgang, der in den vorherigen Romanen weniger ausgeprägt war.
In ihrer Geschichte arbeitet die Autorin erschreckend realistisch heraus, wie jemand jahrelang in einer Beziehung leben kann, der Meinung ist, alles sei bestens, um dann festzustellen, dass ein wesentlicher Charakterzug des Partners all die Jahre im Verborgenen blieb. Nach und nach kommt die Wahrheit ans Licht, durch Gespräche mit Freunden, Sätze, die scheinbar harmlos sind, aber doch ein immenses Gewicht haben. Die Protagonistin Roisin dröselt die Zusammenhänge auf, angestoßen von der Tatsache, dass sie das Gefühl hat, ihre Beziehung hat sich verändert, seit ihr Partner Joe auf der Erfolgsschiene fährt. Und das ziemlich rasant.
Unterstützung erhält sie dabei von ihrem langjährigen Freund Matt aus der Clique, der schon seit längerem Zielscheibe des Spotts von Joe geworden ist. Deshalb hat er Abstand und kann Joes Charakter klar erkennen.
Was mir an dem Roman besonders gut gefallen hat, ist die Tatsache, dass die Helden nicht um den heißen Brei herumreden, sondern die Fakten/Gefühle deutlich aussprechen und den anderen damit konfrontieren. Nichts ist in meinen Augen schlimmer und langweiliger zu lesen, als Helden, die um ihre Gefühle herumeiern, meinen, sich nie wieder im Leben verlieben zu dürfen und den anderen in die Flucht zu schlagen, wenn sie sich trauen, zu ihren Gefühlen zu stehen.
Das ist hier zum Glück nicht der Fall und deswegen ist diese Liebesgeschichte so erfrischend und ehrlich. Es hat wohl auch mit dem Alter der Helden (und Autorin?) zu tun. In den Dreißigern ist man schon etwas abgeklärter im Umgang mit der Liebe und nicht mehr so grenzenlos naiv und unerfahren wie in den Zwanzigern.
Eine wunderbar ehrliche und realitätsbezogene Geschichte, die verdeutlicht, dass manchmal die Dinge des Lebens im Umbruch sind, aber wenn man zu sich selbst und seinen Gefühlen steht, steht man nicht allein da.

Bewertung vom 26.08.2023
Der Glanz der Zukunft. Loulou de la Falaise und Yves Saint Laurent (eBook, ePUB)
Marly, Michelle

Der Glanz der Zukunft. Loulou de la Falaise und Yves Saint Laurent (eBook, ePUB)


gut

Ein Buch über eine Frau, die man durchaus beneiden kann. Nicht unbedingt für ihre Freundschaft mit Yves Saint Laurent, sondern für ihre heute in der Art nicht mehr mögliche Karriere. Kein abgeschlossener Bildungsweg mit zwangsläufig daraus folgender Karriere, sondern Umwege über Bekanntschaften, Freunde und Wegbegleiter, die es Loulou de la Falaise möglich gemacht haben, dass zu tun, was ihr gefällt und vor allem das, worin sie gut ist: Mode. Nicht das Entwerfen, sondern das stimmige Kombinieren von Kleidungsstücken und Accessoires. Ganz nebenbei erhält der Leser Einblick in die zum Teil schrillen Teile und farbenfrohe Bekleidung der Zeit.
Damit einher geht ein Sittengemälde der 60er und 70er Jahre des 20. Jahrhunderts. Wer in der Zeit groß geworden ist, kann einen Hauch des Lebensgefühls noch erahnen, das Wilde der 60er und der Aufbruch des Feminismus. Aber leider auch Drogen und zerbrechende Existenzen.
Die Figur des Yves Saint Laurent kommt für meinen Geschmack etwas zu dünn rüber. Als Leser kann man erahnen, was für eine fragile Seele der Designer war. Manchmal hätte ich mir mehr Tiefe gewünscht. Das hätte ein interessantes Spannungsverhältnis zwischen beiden Persönlichkeiten - de la Falaise und Saint Laurent - gegeben, welches jetzt lediglich an der Oberfläche kratzt.
Insgesamt ist die Romanbiografie ein lesenswertes Buch, wobei meiner Meinung nach das Sittengemälde im Vordergrund steht und damit die Möglichkeiten einer jungen Frau, in dieser Zeit ihren Platz im Leben zu finden.

Bewertung vom 05.08.2023
Die Erfindung des Lächelns (eBook, ePUB)
Hillenbrand, Tom

Die Erfindung des Lächelns (eBook, ePUB)


gut

Die berühmte Meinung über das Lächeln der Mona Lisa ist auch in diesem Roman vielfältig. Es steht nicht im Zentrum der Betrachtungen, und doch lässt sich jeder der Betrachter zu einer Meinung darüber herab.
Ich bin in dieses Buch mit aufgeregten Erwartungen gestartet, die zum großen Teil auf die Lektüre der kulinarischen Krimis um Xavier Kieffer beruhen.
In der Erfindung des Lächelns kommt zwar wieder Hillenbrands hervorragende Fähigkeit, eine verzwickte Geschichte zu stricken zum Einsatz, doch sind die Verwicklungen mitunter etwas weitschweifig und nur am Rande für den Verlauf der Geschichte notwendig. Nichtsdestotrotz ist die Geschichte ungemein spannend und absolut lesenswert.
Gut recherchiert, lernt der Leser eine Menge über die Epoche und das Alltagsleben der Protagonisten.
Auch das bekannte Personen in den Aufklärungsfall verwickelt sind, gibt der Geschichte eine interessante Note, versucht man doch, sein eigenes Wissen über sie mit den Handlungen im Roman zu verbinden. Was mir bei Picasso nicht ganz gelingen wollte. Seine Persönlichkeit stellte ich mir anders vor.
Über das Ende des Buches kann der Leser verwundert sein. Das Nachwort schließlich gibt ein wenig Aufschluss über den Ausgang der Geschichte. Das macht nichts, wie der Leser feststellen wird, wenn er das Nachwort gelesen hat. Ich will hier nichts vorweg nehmen.
Insgesamt ist es ein gut zu lesendes, spannendes Buch mit teilweise skurrilen Charakteren und lustigen Begebenheiten, so nach dem Motto, die besten Geschichten schreibt das Leben selbst. Und Tom Hillenbrand verpackt sie in eine wunderbare Krimi-Story.

Bewertung vom 12.06.2023
Sommertage im Quartier Latin / Paris und die Liebe Bd.1 (eBook, ePUB)
Martin, Lily

Sommertage im Quartier Latin / Paris und die Liebe Bd.1 (eBook, ePUB)


gut

Wäre die Seine ein plätscherndes Bächlein, dann würden sich die Story und der Fluss durch Paris ähneln.
Leider hat die Seine aber so gar nichts von einem Bächlein, sodass die Sommertage im Quartier Latin zwar in der lauen Luft träge vergehen, jedoch nichts Mitreißendes an sich haben.
Die Geschichte, gewebt wie ein duftiges Stück Voile, fesselt den Leser nicht durch die spröde, teilweise nicht nachvollziehbare Selbstfindung der Heldin Lola, sondern durch die federleichte Stimmung in den Zeilen, die den Leser unmittelbar auf den Place de la Contrescarpe verfrachtet, vor sich ein Pain au chocolat und einen Kaffee.
Diese Stimmung ist es, die etwas Magisches auf den Leser ausübt und ihn das Buch zu Ende lesen lässt. Über die holprigen, unbeholfenen Entwicklungsschritte Lolas ist man dann bereit, hinweg zu sehen. So manches Mal habe ich bei den Überlegungen der Heldin gedacht: wie doof kann man sein?
Wer die Liebe nicht erkennt, die ihm vor die Füße fällt und mutig danach greift, der hat etwas Wichtiges nicht verstanden: sie als Geschenk anzunehmen. Dafür braucht es keine Ahnen, die einem mit Briefen auf die Sprünge helfen, keine Parallelen zu irgendwas. Dafür braucht es gesunden Menschenverstand und Mut. Garantien hat das Leben nicht vorgesehen.
Dennoch ist das Buch zu empfehlen, für Leser, die sich aus ihrer eigenen Welt wegträumen wollen. Ein Sommerabend in Paris ist dafür wie geschaffen.