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Chrystally

Bewertungen

Insgesamt 23 Bewertungen
Bewertung vom 07.10.2024
Medusa / Mythen der Monster Bd.1
Marsh, Katherine

Medusa / Mythen der Monster Bd.1


sehr gut

Das Cover verrät noch nicht viel, außer, dass ein Mädchen mit einer Laterne durch Venedig mit seinen Gondeln schleicht. Und das Buch startet auch erstmal woanders, nämlich in Avas „ganz normaler“ Schule, in der sie sich mit den ganz normalen Ärgernissen eines Teenager-Mädchens herumschlägt: die Freundinnen pubertieren, und in der Schule herrscht Alltagssexismus. Aber Avas Ärger bricht sich in neuer Form Bahn, und damit startet ihr Leben im Internat, in dem ihr Lieblingsthema – die griechische Mythologie – zum Leben erwacht.
Ich hatte viel Spaß beim Lesen des Buchs. Die Charaktere sind glaubhaft und die Protagonisten sympathisch und überzeugend in ihren Freuden und Nöten. Leider ist die Grenze zwischen den Helden und ihren Antagonisten etwas überdeutlich gezogen, hier hätte ich mir mehr Schattierungen zwischen gut und böse gewünscht. Die Szenen sind lebendig und mitreißend erzählt, die Dialoge wirken meist spontan und natürlich, außer wenn etwas zu viel mythologischer Hintergrund in die Unterhaltungen eingebaut war. Insgesamt fand ich die Handlung spannend und die Autorin hat an vielen Stellen geschickt die mythologischen Hintergründe eingearbeitet, um die Handlung voranzutreiben (z.B. wie sich das genetische Erbe der Schüler*innen auf unterschiedliche Weise Bahn bricht). Dabei zeigt sie ihr tiefgehendes Wissen, sodass das Geschehen trotzdem nicht vorhersehbar ist. Auch ihre Ideen, wie die mythologischen Beziehungen zwischen den Sagengestalten gewesen sein könnten, fand ich ziemlich raffiniert. Ich glaube, mich in griechischer Mythologie halbwegs auszukennen, trotzdem bin ich über manche Gestalten und Hintergründe gestolpert. Auch wenn es ein Glossar gibt, glaube ich, dass vor allem Menschen Spaß an diesem Buch haben, die schon einigermaßen bewandert in griechischer Mythologie sind, sonst ist die Geschichte möglicherweise eine sehr beliebige Ansammlung an fantastischen Gestalten. Für meinen Teil hatte ich jedoch großen Spaß an den neuen Ideen und dem neuen Blickwinkel.
Neben dem Abenteuer der Protagonistin berührt das Buch auch interessante Themen wie die Frage, wie Menschen von den Versäumnissen ihrer Vorfahren betroffen sind und wie deren Errungenschaften ihnen helfen können, wie man sich selbst findet und über sich hinauswächst. Hiervon können gerade junge Leser*innen sicher profitieren. Viel präsenter ist jedoch das Thema Sexismus – unter den Schüler*innen, Lehrer*innen und Sagengestalten. Ich finde es richtig und wichtig, dass Kinder jeden Geschlechts darüber lesen und sich Gedanken machen. Die Beobachtung, welche Rolle Frauen in der Mythologie spielen, haben mich zum Nachdenken angeregt. Leider war das Problem für mich an manchen Stellen etwas zu sehr im Fokus, sodass es von der Handlung abgelenkt hat, und der Wunsch, Frauen und Mädchen zu bestärken, schlug bei den Figuren bisweilen in Schwarzweißmalerei in die andere Richtung und eine Abwertung fast aller männlichen Figuren um. Das fand ich schade und ich halte es für kein hilfreiches „Gegenmittel“ im Kampf gegen Sexismus.
Trotzdem habe ich das Buch mit großem Spaß gelesen und gebe eine Leseempfehlung für Fans griechischer Mythologie.

Bewertung vom 07.10.2024
Monoloco (eBook, ePUB)
Blum, Susann

Monoloco (eBook, ePUB)


weniger gut

Ich habe lange gezögert, diese Rezension zu schreiben. Der Grund ist, dass „Monoloco“ von Susann Blum einige wirklich schöne Aspekte beinhaltet, ich insgesamt aber nicht mit dem Buch warm geworden bin. Angezogen hat mich als allererstes das zauberhafte Cover, das sphärische Türkis und das surreale Motiv. Auch der Plot hat mich neugierig gemacht: Was passiert an diesem Abend in der Bar zwischen den beiden Cliquen? Und wovor und wie können sie den verschwundenen Freund retten? Tatsächlich fand ich die Geschichte dann auch größtenteils spannend und ich habe mitgefiebert. Die Figuren, vor allem die Frauen, waren sympathisch und jede als Charakter überzeugend. Auch der biografische Hintergrund der Autorin gibt dem Buch einen besonderen Reiz
Leider gab es einige Wermutstropfen: Zum einen hat mich vieles der Handlung einfach im Detail nicht überzeugt. Schon dass Mailyn „ganz aus Versehen“ eine sehr anzügliche SMS an eine Nummer aus ihrem Telefonbuch schickt, weil sie einen Text an die falsche Stelle kopiert, fand ich furchtbar konstruiert, und so ging es leider weiter. Das Barkonzept mit den „Mutproben“ fand ich total wirr und unglaubwürdig, tiefsinnige Konversationskartenfragen passen einfach nicht zu einer Tikibar. Plötzlich sind die sich gerade noch fremden Menschen in einer tiefgründigen, höchst persönlichen Unterhaltung, ohne dass nachfühlbar wird, was diese plötzliche Offenheit ausgelöst hat. Diese Entwicklung hat mir gefehlt. Dazu kam die Eindimensionalität von Mailyns Partner und ihrer Beziehung. Und was ist eigentlich genau der „Zufall“, der im Untertitel beschworen wird?
Neben diesen inhaltlichen Aspekten fand ich leider auch den Schreibstil unprofessionell. Handys wurden in konsequentem Teenie-Sprech als „Phone“ bezeichnet, und in den Dialogen wechselten Beschreibungen („sagte“, „warf ein“…) mit neutralen „Regieanweisung“ vor den Aussagen („Sam:“) – anderen Leser*innen ist das bestimmt egal, mich persönlich hat es gestört – da erwarte ich mehr Eleganz von Text.
Insgesamt ist die Geschichte voller guter Ideen, das Buch bleibt aber deutlich hinter seinem Potenzial zurück.

Bewertung vom 12.08.2024
Wieso? Weshalb? Warum?, Band 43: Wir schützen die Tiere
Erne, Andrea

Wieso? Weshalb? Warum?, Band 43: Wir schützen die Tiere


gut

Zur Wieso-Weshalb-Warum-Reihe muss man nicht viel sagen, Kinder lieben sie und als Eltern ist man froh über die kindergerechten Erklärungen für komplizierte Fragen. Leider blieb dieses Buch in Teilen hinter meinen Erwartungen zurück.
Dieses Buch ist, wie seine Vorgänger, gewohnt solide in der Verarbeitung. Es gibt viele Klappen, bei denen sich die Autoren immer wieder neues einfallen lassen, sodass das Konzept durch die vielen unterschiedlichen Richtungen, Formen und Größen, Vorher-Nachher-Bildern und Detailbetrachtungen nicht langweilig wird. Kinder erforschen verschiedene Bereiche (Wald, Meer, Polartiere, Insekten, Haustiere, Nutztiere, gefährdete Arten…). Leider kommt es dabei bisweilen zu Redundanzen, weil z.B. gefährdete Arten eben im Meer oder Wald leben.
Die Illustrationen sind realistisch, aber nicht langweilig; kindgerecht, aber nicht künstlich; und lebhaft, aber nicht visuell überladen, und laden so zum Entdecken ein. Meist ist jedoch jede einzelne Tierart beschriftet – das ist für das Thema unerheblich und lenkt ab.
Mein größter Kritikpunkt ist der Text. Dieser ist nicht immer logisch aufgebaut, auch da Textteile hinter den Klappen stehen und so nicht flüssig vorgelesen werden können. Immer wieder sind Informationen eingemischt, die nichts mit dem Thema zu tun haben und teils sogar in anderen WWW-Büchern enthalten sind (welche Pflanzen nachts blühen, dass Fischereischiffe den Fang an Bord verarbeiten). Auch das lenkt vom Thema ab. Wiederholt finden sich Begriffe wie „biologisch angebaut“, die Kinder nicht ohne Erklärung verstehen, die aber auch nicht erläutert werden. Und an einigen Stellen hat der Text grammatikalische Fehler – das darf in einem gedruckten Buch m.E.n. nicht passieren.
Ziel des Buches ist es ja auch, Kindern ihren Handlungsspielraum beim Thema Tierschutz aufzuzeigen. An einigen Stellen ist dies gut umgesetzt. Sie erfahren, was Regierungen und Organisationen in Sachen Tierschutz tun, und erhalten an gegebener Stelle Infos, was sie selbst tun können. Frustrierend finde ich allerdings Hinweise wie „schau beim Einkaufen, welche Produkte mithilfe von Insekten entstanden sind“ – das ist für ein Kind nicht machbar und schafft Frustration.
Kinder werden sich allerdings an vielen der genannten Punkte nicht stören, auch unseres blättert gern in dem Buch. Daher trotzdem eine Leseempfehlung für alle, die über die beschriebenen Makel hinwegsehen können.

Bewertung vom 12.08.2024
Kleine Monster
Lind, Jessica

Kleine Monster


ausgezeichnet

Der Klappentext von „Kleine Monster“ fasst zwar die Geschichte zusammen, wird der Tiefe und Intensität des Buchs jedoch nicht gerecht – Jessica Lind spielt brillant mit den Erwartungen der Lesenden und taucht tief Pias dunklen Gedanken. Schon nach wenigen Seiten hatte mich die Geschichte gefesselt, und ich konnte nicht anders, als das Buch bis spät in die Nacht fertigzulesen.
Interessant fand ich, dass das Geschehen nach dem verkorksten, ausweglos scheinenden Schulvorfall gar nicht so detailliert dargestellt wird. Die einzelnen Episoden, über Monate verteilt, zeigen eine Entwicklung, die ich so nicht erwartet hatte, die aber absolut stimmig war. Viel gewichtiger ist jedoch, dass sie ausreichend Gelegenheit geben, in die Gedankenwelt von Pia einzutauchen – wie sie das Geschehen erlebt, die Veränderung in der Beziehung zu ihrem Mann und ihrem Sohn, wie sie ihr Erziehungsverhalten hinterfragt (als bindungsorientierte Eltern fühlt man sich oft ertappt), welche Erinnerungstüren sich auftun und wie sich immer klarer zeigt, welche Altlasten die vermeintlichen Wahrheiten unserer Herkunftsfamilien sein können.
Absolute Leseempfehlung für Menschen, die in Grautönen denken und Liebhaber raffinierter Psychogramme.

Bewertung vom 15.01.2024
Diamantnächte
Rød-Larsen, Hilde

Diamantnächte


sehr gut

Das Cover von „Diamantnächte“ von Hilde Rød-Larsen mit seinem irisierenden Farbspiel hat mich persönlich sofort angezogen, und der Inhalt hat mich auch neugierig gemacht.
Es geht um Agnete, die sich – ganz für sich – ihrer Vergangenheit und erlebten schwierigen Beziehungen stellt, indem sie sich zwingt, sich zurückzuerinnern. Anfangs ist sie noch ambivalent und vermeidet die Erinnerung – dieser Teil las sich entsprechend zwar schön geschrieben, aber eben oberflächlich und bisweilen etwas langatmig. Doch dann nutzt Agnete (und Rød-Larsen) einen Kunstgriff, der auch als Psychotherapietechnik genutzt wird: sie geht auf Abstand, ändert die Namen – und plötzlich sprudelt die Erzählung und nimmt an Fahrt auf, und wir begleiten sie durch die Erinnerungen an eine aufregende, aber auch schmerzvolle Zeit ihres Lebens. Diese Erzähltechnik fand ich kurz verwirrend, dann aber sehr elegant und stimmig. Über diese Brücke schafft Agnete auch wieder, den Bogen zu sich zu schließen, und erzählt dann mit neuer Tiefe von sich selbst weiter, bis sie im Hier und Jetzt ankommt.
Am Ende des Buchs bleiben jedoch Fragezeichen bei mir zurück. Denn Agnete stellt sich zwar einer schweren Erinnerung und ihrem eigenen Verhalten, verfolgt auch dessen Vorläufer bis in ihre Kindheit – es bleibt jedoch offen, wieso sie schon früh bestimmte Eigenarten entwickelt hat. So endete die Selbsterfahrungsreise, ohne ganz ans Ende (bzgl. den Anfang) zu gelangen.
Ansonsten fand ich das Buch stimmig und stimmungsvoll und gebe eine Leseempfehlung für alle Menschen, die psychologisch interessiert sind und für solche, die ein Vorbild brauchen, wie man an der Ehrlichkeit sich selbst gegenüber wachsen kann.

Bewertung vom 19.12.2023
Büchermenschen
Vernet, Stéphanie;de Cussac, Camille

Büchermenschen


gut

„Büchermenschen“ zeigt und erzählt, durch wie viele Hände ein Buch geht, bis es von der ersten Idee bei den Leserinnen und Lesern ankommt. Die Aufmachung ist definitiv ein Blickfang: bunte Illustrationen, der beschnittene Einband und die Schweizer Bindung, die ich persönlich vorher noch nie in der Hand hatte. Allein das macht das Buch zu einem kleinen Schatz.
Jede der 10 miteinbezogenen Personengruppen wird auf zwei Doppelseiten beschrieben. Dabei mischen sich allgemeine Tätigkeitsbeschreibungen mit Anekdoten und Beispielen. Auch wenn nicht jede Personengruppe im gleichen Umfang dargestellt werden kann, hätte ich es spannend gefunden, auch über die anderen Parteien innerhalb des Verlags zumindest kurz etwas zu erfahren, sie werden jedoch bei den Lektor:innen nur aufgelistet. Die Tätigkeiten der Beteiligten sind ebenfalls oft Auflistungen und ich konnte mich oft nicht so richtig in ihren Berufsalltag hineinfühlen. Inhaltlich würde ich das Buch nicht als Kinderbuch einstufen, weil es sehr viele Fachausdrücke beinhaltet, abstrakte Konzepte (wie den Rhythmus eines Layouts) behandelt und oft ins Detail geht, aber die größeren Zusammenhänge (die man als Erwachsene ungefähr kennt) wenig deutlich werden. Ich würde das Buch also eher einem Teenager als einem Grundschulkind in die Hand drücken.
Was mich gestört hat, war, dass die Illustrationen nur in wenigen Fällen einen Mehrwert zum Text liefern, aber in Relation zum klein gedruckten Text sehr viel Raum einnehmen. Die Bilder sind für sich genommen interessant (auch wenn ich persönlich die Farbgebung als zu unruhig empfinde) und es gibt viel zu entdecken, sie stehen eben nur eher neben dem Text als in klarem Bezug dazu.
Für mich eine schöne Idee, die leider den gewünschten Spagat zwischen Bilder- und Sachbuch nicht so richtig hinkriegt.

Bewertung vom 26.07.2023
Das Glück der Geschichtensammlerin
Page, Sally

Das Glück der Geschichtensammlerin


ausgezeichnet

Janice lebt im Hintergrund – während sie ihrer Arbeit als Reinigungskraft und ihrem Alltag nachgeht, ist sie diejenige, die sich die Geschichten der anderen anhört, und auch von ihrem Mann und ihrem Sohn erfährt sie keine Beachtung. Doch plötzlich ist da dieser Busfahrer, und eine neue Arbeitgeberin, und Janice muss sich entscheiden, ob sie aus dem Schatten tritt…

Sally Page hat eine redliche Protagonistin geschaffen, wie sie wohl jeder kennt: die gute Seele, die sich um alle und alles kümmert, hier und da auch ehrliche Anerkennung bekommt, aber es klaglos hinnimmt, wenn sie schlecht behandelt und ignoriert wird. Und die man gerne mal schütteln möchte, warum sie das mit sich machen lassen. Dabei ist Janice kein Klischee, sondern ein glaubhaftes Individuum mit regem geistigem Innenleben und oft auch schönen und berührenden Begegnungen mit anderen, vielseitigen, interessanten und bisweilen schrägen Personen. Und erfreulicherweise stoßen ihr die Veränderungen nicht einfach zu, sondern Janice trifft einige neue Entscheidungen, die Bewegung in ihren eingefahrenen Alltag bringen. Die emotionalen Turbulenzen, in die sie diese Veränderungen stürzen, und auch der weitere Verlauf der Geschichte sind glaubhaft. Umso mehr habe ich mich über das in vielen Aspekten unerwartete Happy End gefreut. Der Schreibstil gleitet mühelos dahin und zaubert in wenigen, einfachen Worten eindrucksvolle Szenen. Das gilt besonders auch bei den kleinen Geschichten, die Janice über andere Menschen sammelt und die umso schöner sind, wenn man hinten im Buch liest, dass Sally Page hier aus wahren Begebenheiten schöpft.

Insgesamt ein Schatz von einem Buch, das einen in die Höhen und Tiefen der menschlichen Existenz mitnimmt und ein warmes Gefühl im Bauch hinterlässt. Beherzte Leseempfehlung für Fans von „Die Eleganz des Igels“ und „Miss Harris und ein Kleid von Dior“.

Bewertung vom 26.07.2023
Porträt auf grüner Wandfarbe
Sandmann, Elisabeth

Porträt auf grüner Wandfarbe


sehr gut

Gwen wird von ihrer Tante zu einer Reise in die ehemalige Heimat ihrer Familie mitgenommen und deckt im Gespräch mit Familienmitgliedern und dem Lesen in alten Dokumenten die schwierige Freundschaft zwischen der leiblichen und der Ziehmutter ihrer Mutter auf.
Elisabeth Sandmann erzählt zwei Geschichten: die der Freundinnen Ella und Ilsa, die ungleicher nicht sein könnten und trotzdem Zeit ihres Lebens über Kriege und familiäre Verwicklungen hinweg miteinander verbunden sind. Und die von Gwen, die diese gemeinsame Geschichte 70 Jahre später ans Tageslicht holt. Der Erzählstil ist atmosphärisch und emotional, dabei jedoch immer elegant und nie undifferenziert oder überladen. Ich konnte die Handlungsorte und Protagonistinnen vor meinem inneren Auge sehen, so lebendig, wie Sandmann von Räumen, Stoffen, Kleidungsstücken und Essen erzählt, und mich in die Figuren einfühlen, insbesondere wenn sie selbst von den Entwicklungen überrannt schienen.
Die mutige Ella aus einfachen Verhältnissen, die es dank starker Fürsprecherinnen schafft, sich die Welt zu eröffnen, kann man überhaupt nicht nicht mögen. Und auch die exaltierte Ilsabe kann man auf ihre eigene verschrobene Art verstehen. In der aufgedeckten Familiengeschichte ist es bisweilen gar nicht so einfach, den Überblick zu behalten – da hilft auch das Lesezeichen mit einer Auflistung der wichtigsten Charaktere nicht, ich habe mir tatsächlich irgendwann einen Stammbaum gemalt, auf dem ich immer wieder gespickt hab. Das macht die Geschichte jedoch nicht weniger fesselnd, und auch wenn man manches voraussehen kann, bleibt es bis zuletzt spannend und die Schicksale der Beteiligten berührend. Eingebettet werden sie in zeitgeschichtliche Zusammenhänge, über die man dadurch auch nochmal manches (wieder) lernt. Das meiste erfahren wir aus den Tagebüchern von Ella – hier fand ich es schade, dass Sandmann die Chance nicht genutzt hat, Ella selbst erzählen zu lassen, sondern die Geschichte aus der dritten Person erzählt. Viel lieber hätte ich es aus Ellas Feder erfahren, wie sie die Geschehnisse erlebt hat.
Die Handlung rund um Gwen, die die Familiengeschichte aufdeckt, fand ich im Wesentlichen auch schön zu lesen. Man leidet mit in ihren Drang, endlich Klarheit über die Fragezeichen zu ihrer Vergangenheit zu bekommen, und die Begegnungen mit ihren differenziert gezeichneten Verwandten und Freunden waren glaubwürdig darin, wie Gwen um Antworten ringen musste. Aus wie vielen Winkeln plötzlich Dokumente, Fotos etc. auftauchen, oder wie Gwen rein zufällig auf einen ziemlich alten Katalog stößt, der sie auf eine entscheidende Fährte führt, das fand ich allerdings überzogen, genau wie der kitschige Epilog, den es für meinen Geschmack nicht gebraucht hätte – das beides hat meine Lesefreude getrübt.
Insgesamt jedoch eine bewegende Familiengeschichte mit ungekünsteltem Fokus auf verschiedene beeindruckende Frauen und einem tollen Schreibstil, von dem ich gerne mehr lesen möchte. Aufgrund der Komplexität klare Leseempfehlung für Menschen, die Familien- und Detektivgeschichten gleichermaßen mögen.

Bewertung vom 28.06.2023
Der Fluch der magischen Pfote / Cosmo Zauberkater Bd. 1
Rosslow, Barbara

Der Fluch der magischen Pfote / Cosmo Zauberkater Bd. 1


ausgezeichnet

Kater Cosmo kann zaubern, obwohl Tiere das sonst nicht können, und das impulsive Zaubermädchen Aywa kriegt ihre Magie nicht unter Kontrolle. Als Cosmo Aywa als Tiergefährte zugeteilt wird, sind beide erstmal wenig begeistert. Aber als sie ihre gegenseitigen Stärken kennenlernen, werden sie ein echtes Dreamteam, das auch im Angesicht höchster Gefahr zusammenhält.
Die Illustrationen haben für mich den Ausschlag gegeben, dieses Buch zu lesen. Vor allem Aywa und ihre Zauberereltern finde ich richtig niedlich, kleine Detailgrafiken lassen vor meinem inneren Auge ganze Szenen entstehen, ohne die eigene Phantasie einzuschränken, und Cosmo ist auf den Bildern genauso ein knuddeliger Rabauke wie in der Geschichte. Die dezenten Glitzerapplikationen auf dem Cover geben dem Buch nochmal zusätzliches Flair. Eine Landkarte auf der ersten Doppelseite hilft, sich zurechtzufinden.
Die Geschichte hat mir gut gefallen. Aywa, ihre Familie und Cosmo mochte ich nicht nur auf den Bildern, Aywa bringt mit ihren lustigen Flüchen bestimmt die meisten Kinder zum Lachen. Die Lehrkräfte und die anderen Tiergefährten sind individuell und besonders, die Figuren gehen angenehm über Klischees aus Zaubereigeschichten hinaus. Wie jede Zauberwelt hat die Welt von Cosmo ihre eigenen Regeln und Gesetzmäßigkeiten, und bisweilen fragt man sich hier (vielleicht auch nur als Erwachsener) nach dem Warum (z.B., dass nur die Gefährten-Tiere in Häuser dürfen, oder nach welchen Kriterien die Schüler*innen ausgewählt werden), aber insgesamt ist alles stimmig. Den Anfang fand ich ein bisschen langatmig, aber als Cosmo erstmal im Tiergefährtentrainingslager ist und Flughörnchen Cliff kennenlernt und Aywa die Schulzusage hat, nimmt das Buch ordentlich an Fahrt auf, und zum Schluss wird es richtig spannend.
Insgesamt ein phantasievoller, spannender Lesespaß. Leseempfehlung für Kinder, die noch zu jung für Harry Potter sind, und ihre Eltern.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.06.2023
Wo du mich findest
Barns, Anne

Wo du mich findest


gut

Die Icherzählerin in Anna Barns‘ Roman „Wo du mich findest“ hat es gerade nicht leicht – zwei Todesfälle in ihrem nahen Umfeld, und in ihrer Beziehung ist die Luft raus. Verständlich, dass ihr Unterbewusstsein in ihren Träumen aus der flüchtigen Begegnung mit einem Fremden ein zweites, glückliches Leben erschafft. Und auch verständlich, dass sie diesen Mann finden möchte.
Das Thema hat mich angesprochen und das Buch lies sich zügig durchlesen. Die Entwicklung der Protagonistin Sophie fand ich durchaus nachvollziehbar, die Auseinandersetzung mit ihrem Ehemann und wie die Suche nach dem Fremden ausgeht, angenehm realistisch. Die Geschichte außenrum fand ich allerdings zu rosarot – die perfekte Ferienwohnung, in die sich Sophie zurückzieht, die herzliche Vermieterin und die exzentrische Künstlerin, mit denen Sophie sofort tiefschürfende Gespräche führt, kamen mir unrealistisch vor, und was Sophie betreibt, um wieder zu sich zu finden, liest sich wie eine Checkliste „psychische Gesundheit“ mit einem massiven Anteil Konsum. Auch hat mir der Schreibstil nicht so zugesagt. Bei Belanglosigkeiten geht er mir zu sehr ins Detail (wer trug welche Klamotten, wo liegt welches Zimmer, die Lebensgeschichte von Nebencharakteren…), aber da, wo es mich wirklich interessiert hätte (wie redet man über eine verstorbene Freundin mit deren Mutter?) werden ganze Begegnungen in wenigen Sätzen abgehandelt. Zudem habe ich mich immer wieder gefragt, warum Sophie auf Biegen und Brechen eine Beziehung zu diesem Mann aufbauen will, obwohl die Chancen, ein gutes Paar zu werden, trotz romantischer Träume nicht höher sind als bei einem x-beliebigen anderen…
Insgesamt fand ich das Buch ok, aber es hat mich nicht vom Hocker gerissen. Leseempfehlung für Rügen-Fans und Menschen, die vorbehaltlos an Träume glauben.