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Alais

Bewertungen

Insgesamt 192 Bewertungen
Bewertung vom 24.03.2025
Was das Leben dir schenkt
Dunbar, Lucy Claire

Was das Leben dir schenkt


ausgezeichnet

Eine zauberhafte künstlerische Hausapotheke
Das so zart und poetisch wirkende Buchcover war mir gleich sehr sympathisch und dennoch ging ich mit gewissen Vorurteilen an dieses Buch heran, da mir die junge Autorin ziemlich viel, womöglich zu viel zu versprechen schien. Doch ich habe mich in ihr gründlich getäuscht - die Autorin und Zeichnerin Lucy Claire Dunbar hatte es in ihrem Leben bisher nicht leicht und ist daran gewachsen, was ihrem Werk trotz all der vordergründigen Niedlichkeit der Bilder auch Tiefe verleiht.
Es geht um die ganz großen Themen im Leben - vor allem um die Liebe, aber auch um Mut, Freundschaft, Trauer, Erkrankung, Selbstfürsorge ... Kurze Texte begleiten Zeichnungen, von denen eine wunderschöner als die andere ist und die Gefühle und Stimmungen so vermitteln, dass sie tief ins Herz gehen. Es gibt viele einfallsreiche Details zu entdecken und immer wieder finden sich in den Bildern ein kleines Mädchen, ein Hündchen und eine Maus. Es ist aber durchaus kein Kinderbuch, sondern scheint mir für Groß und Klein gleichermaßen geeignet zu sein und kann sicher viele verschiedene Herzen berühren. Ich mache gerade eine schwere Zeit durch und fühlte mich von diesen Zeichnungen sanft in den Arm genommen und tatsächlich ein wenig getröstet.
Positiv beeindruckt haben mich die deutsche Übersetzung und die grafische Gestaltung - aus eigener Berufserfahrung weiß ich, wie viel mehr Platz deutsche Übersetzungen im Vergleich zu englischen Originaltexten einnehmen. Dies hätte hier, wo die Texte oft Teil der Bilder sind, schnell zum Problem werden können, aber Texte und Bilder passen stets harmonisch zusammen.
Manche dieser Texte haben Kalenderspruchniveau, andere beeindrucken durch tiefsinnige Erkenntnisse, Güte und beruhigende Wirkung - die Autorin weiß genau, was viele Menschen belastet und welche Worte ihnen guttun.
Es ist ein einfach wundervolles Buch, das sicherlich ein Lächeln ins Gesicht vieler seiner Leser:innen zaubert und in einer gut sortierten Hausapotheke als Trost und Ermutigung für schwere Zeiten nicht fehlen sollte.

Bewertung vom 11.03.2025
Die Bibliothek der Wahren Lügen
Cañadas, Jesús

Die Bibliothek der Wahren Lügen


gut

Modernes Fantasymärchen über die Kunst des Geschichtenerzählens:

Der Junge Oskar hat es im Leben nicht leicht - sein Vater ist tot, Hektor, den neuen Mann im Leben seiner Mutter, kann er nicht ausstehen und in der Schule wird er gemobbt. Das Verhältnis zu seiner Mutter ist ein wenig seltsam, dafür liebt er seine zauberhafte kleine Schwester sehr. Da erhält er plötzlich die einzigartige Chance, bei einem von ihm bewunderten Autor in die Lehre zu gehen. Doch dort eröffnet sich ihm nicht nur eine neue Welt, sondern er hat auch vielfältige Abenteuer zu bestehen ...

Was mir gleich gefiel: Oskar ist ein ganz normaler Junge, der ein bisschen unperfekt ist und in seine Heldenrolle erst hineinwachsen muss bzw. sie zunächst sogar ablehnt. Und die kleine Schwester wird nicht klischeehaft als nervig dargestellt, das Geschwisterverhältnis ist tatsächlich sogar harmonisch und sehr liebevoll.

Einiges erscheint von Anfang an nicht ganz logisch oder seltsam, was daran liegen mag, dass Oskar als Erzähler nicht unbedingt hundertprozentig zuverlässig ist. Auf jedoch eher wunderbare Weise mysteriös wird die Erzählung, als Oskar bei dem Autor Bruma ankommt, der in einer gruseligen burgähnlichen Villa wohnt - die perfekte Kulisse für ein Gruselmärchen und tatsächlich tauchen bald die ersten Monster auf ...

In dieser Erzählung verwischen sich zunehmend die Grenzen zwischen Realität und Fiktion. Das ist spannend, hat mich aber auch manchmal ein bisschen verwirrt. Gefreut habe ich mich im weiteren Verlauf über das Erscheinen von Melodie, der mit Abstand süßesten Fantasyfigur, die mir je begegnet ist.

Es fällt mir sehr schwer, dieses Buch zu bewerten, da es mich einerseits faszinierte und zum Träumen brachte, über die Kunst des Geschichtenerzählens nachdenken ließ und mit einigen tollen Charakteren begeisterte. Die Erzählung ist abenteuerlich und wendungsreich und enthält wunderbare Sätze für meine Zitatesammlung. Andererseits hat es mich auch ein wenig enttäuscht, da mir zu viele Fragen nicht beantwortet wurden, und ich mir erhofft hatte, dass vieles Unlogische wenigstens am Ende einen überraschenden Sinn ergibt - wenn dies der Fall war, habe ich es leider nicht verstanden ...

Sehr schade, aber dennoch für mich ein spannendes Leseerlebnis und das verpackt in eine wirklich atemberaubend schöne bibliophile Ausgabe.

Bewertung vom 12.02.2025
Frau Hempels Tochter. Roman
Berend, Alice

Frau Hempels Tochter. Roman


ausgezeichnet

Ein lebensfroher Roman mit starken Frauenfiguren

In geschmackvoller Gestaltung mit rotem Lesebändchen präsentiert der Reclam-Verlag mit diesem Buch ein Romanjuwel aus dem Jahr 1913. Es stammt von einer Schriftstellerin, die einst als Bestseller-Autorin große Erfolge feierte und dann leider durch die Nazizeit, in der ihre Bücher verboten wurden, viel zu lange in Vergessenheit geriet. Für diese Wiederentdeckung ist es definitiv nicht zu spät - durch die Leichtigkeit der Erzählweise, den funkelnden Humor und den liebevollen Blick der Autorin auf die verschiedenen Handlungsfiguren ist dem Roman sein hohes Alter kaum anzumerken.

Im Zentrum steht die Portiersfamilie Hempel: Mutter, Vater und Tochter Laura, fleißige Menschen in einfachen Verhältnissen, wobei besonders die Mutter mit ihrem zupackenden Wesen und ihrer Lebensweisheit beeindruckt. Um sie herum entfaltet sich ein buntes Kaleidoskop weiterer Handlungsfiguren von Schaustellern über einen Schutzmann bis hin zur verarmten Grafenfamilie. Es geht um schwere Arbeit und große Träume, Trauer und Erwachsenwerden, Verliebtheit und Neuanfänge, Hoffnung und Zusammenhalt, vor allem aber um die kleinen Glücksmomente im Leben.

Kleine Glücksmomente bieten auch die so wunderbar formulierten Sätze der Autorin mit ihren farbenfrohen Bildern, dem feinen Blick für die Besonderheit des Augenblicks und oft auch mit sehr viel Humor, der das Lesen zu einem großen Spaß macht. Dabei wird das Leben mit seinen Herausforderungen, Ungerechtigkeiten und Schicksalsschlägen keineswegs besser dargestellt, als es ist. Nur befinden wir uns in diesem Roman in einer Zeit, die gerade noch unbelastet durch die Weltkriege und den Hass und die Verbrechen der Nazizeit war, und die so auch ein bisschen Weltflucht bietet, die mir gerade sehr willkommen ist.

Im hinteren Teil des Buches werden noch ein paar heute nicht mehr verwendete Begriffe erläutert und ein lesenswertes Nachwort bietet einige Informationen über das bewegte Leben von Alice Berend.

Eine Lektüre, die voller Leichtigkeit und gleichzeitig sehr tiefgründig ist und mir große Freude bereitet hat!

Bewertung vom 01.02.2025
Snehild - Der Ruf der Unterwelt (eBook, ePUB)
Vedsø Olesen, Anne-Marie

Snehild - Der Ruf der Unterwelt (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Fantastisch ausgestaltete Abenteuererzählung, starke Prota und eine ganz besondere, poetisch verdichtete Erzählweise:
Diese Erzählung entführt in eine archaische Fantasywelt, die von Gewalt, Magie und Machtkämpfen geprägt ist und in der neben furchterregenden Fabelwesen auch die Götter der nordischen Mythologie zu finden sind. Im Mittelpunkt steht die Seherin Snehild, die am Hof des attraktiven, aber zunehmend paranoiden Königs Aslak durch einen Anschlag in Gefahr gerät und sich auf eine lange gefahrvolle Reise begeben muss ...
Ich brauchte ein bisschen Zeit, um mich auf diese sehr besondere, poetisch verdichtete Erzählweise einzulassen. Sehr viele Namen mit ungewohntem Klang, Ereignisse und Zusammenhänge aus diesem Band und rückblickend erwähnt auch aus dem ersten Band (den ich nicht gelesen habe) stürmten auf mich ein. Dazu kam, dass ich anfangs keinen guten Zugang zu Snehild fand, die auf mich nicht sehr sympathisch wirkte, da sie, als König Aslak eine Sklavin immer wieder misshandelte und vergewaltigte, untätig blieb, anstatt ihren Einfluss auf ihn zu nutzen. Dafür, dass sie eine Seherin ist, fand ich es ein wenig enttäuschend, dass sie die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse am Königshof nicht mehr in Frage stellte. Aber mein Verhältnis zu ihr und zur Geschichte änderte sich zum Glück bald, die abenteuerliche und ereignisreiche Handlung packte mich und Snehild bekam Gelegenheit, sich zu entwickeln und doch noch als Heldin zu beweisen ... Letztendlich gefiel es mir schließlich sogar sehr gut, dass Snehild nicht als in allem perfekt und vorbildhaft dargestellt wird.
Für einige andere scheinbar kleine Nebenfiguren entwickelte ich hingegen sehr schnell Gefühle - und es gibt eine ganze Reihe faszinierender Gestalten in diesem Buch zu entdecken ... Der Verlauf der Erzählung war für mich überhaupt nicht vorhersehbar, ich verfolgte gebannt und atemlos die Geschehnisse und schlug auch, da ich mich in der Götterwelt überhaupt nicht auskenne, einiges nach und konnte dabei feststellen, dass die Autorin sich bei den Göttergestalten erfreulich stark an den "echten" Mythen orientiert hat.
Unbedingt erforderlich halte ich allerdings eine Triggerwarnung, denn diese archaische Welt der nordischen Mythologie hat auch sehr viel Abstoßendes und Vergewaltigung und andere Formen der Gewalt sind keine Seltenheit. Auch wenn ich verstehen kann, dass die Autorin davon ausging, dass Lesende sich bei der Erwähnung der nordischen Göttenmythen auf so etwas gefasst machen, es ist gerade der selbstverständliche und kaum kritische Umgang damit in dieser Welt, der problematisch ist.
Sprachlich ist die Erzählung hingegen sehr klar, elegant und wirkte auf mich so federleicht und zugleich würdevoll-erhaben, wie ich nur die Bücher von Marion Zimmer Bradley in Erinnerung habe. Die deutsche Übersetzerin mit dem passenden Nachnamen Rabenfeder hat eine ganz großartige Arbeit geleistet. Und die Autorin beeindruckte mich mit ihrem Talent, ihre Erzählung mit Naturbeschreibungen und Bildern auszustaffieren, die ich nie als langweilig, sondern als ebenso fesselnd und spannend wie die Action-Handlungen empfand.
Eine absolut faszinierende, bildstarke Erzählung - ideal geeignet, um die echte Welt um sich herum für eine Weile zu vergessen!

Bewertung vom 11.10.2024
So Let Them Burn
Cole, Kamilah

So Let Them Burn


ausgezeichnet

Die Fantasywelt in diesem Roman, der den Start einer neuen Reihe darstellt, bietet einen spannenden Mix aus vertrauten Fantasy-Elementen und Neuem, überschäumender Fantasie und Themen, die viele von uns Menschen bewegen, gerade mit Blick auf das aktuelle Kriegsgeschehen in der realen Welt. Die Autorin hat sie sorgfältig ausgestaltet mit faszinierender Magie, furchteinflößenden Drachen, undurchschaubaren Göttern, Ahnengeistern (sogenannten „Astralen“) bis hin zu Draken, riesigen drachenähnlichen Kriegsmaschinen aus Schuppenstein, die über eine an KI erinnernde Intelligenz verfügen.

Worum es geht: Um zwei Schwestern, Faron und Elara, die eine tiefe Geschwisterliebe verbindet und die durch die unfreiwillige Auserwählung Elaras als Drachenreiterin eines befeindeten Reiches auf gegnerische Seiten geraten. Faron gilt als das „Empyreische Kind“, eine Rolle, die ihr die Macht verliehen hat, mit der Hilfe von Göttern ihr Land San Irie zu retten, aber auch die Kindheit geraubt hat, was sich manchmal in ihrem, um es vorsichtig auszudrücken, nicht immer ganz vernünftigen Verhalten niederschlägt. Mir wuchs sie mit ihrem ungestümen Wesen und heftigen Gefühlen aber gleich genauso ans Herz wie ihre ältere Schwester Elara, die bewundernswert mutig ist und doch im Vergleich zu Faron geradezu sanftmütig wirkt. Faron und Elara verbindet eine manchmal schwierige Freundschaft mit der ebenfalls noch jugendlichen Königin Aveline und dem geflüchteten Reeve Warwick, dessen Vater niemand anderes als der Herrscher des feindlichen Reiches ist.

Sie alle sind starke, vielschichtige Charaktere, die unterschiedliche Einblicke und Projektionsflächen bieten. Sehr schnell wird erkennbar, dass der Erzählung auch eine ebenso spannende Vorgeschichte vorausgeht, und die Hauptfiguren aufgrund eines Krieges sehr jung bereits in verantwortungsvolle Rollen schlüpfen und schwierige Entscheidungen treffen mussten. Durch die Entwicklungen in dieser Erzählung geraten sie erneut in Ausnahmesituationen, bei denen es nicht nur darum geht, sich zu beweisen, sondern auch immer wieder darum, sich selbst, die eigenen Vorstellungen und den gewählten Weg zu hinterfragen … Nicht ganz plausibel erschien mir, dass die Elterngeneration der jungen Hauptfiguren, abgesehen von einer eher finsteren Ausnahme, zu einem großen Teil nur kurze Auftritte hatte und kaum eine Rolle im Leben ihrer Kinder zu spielen scheint.

Ich glaube, dass sich dieses Buch je nach Blickwinkel auf verschiedene Weisen lesen und erleben lässt. Mein Fokus lag vor allem darauf, mitzuerleben, wie die verschiedenen Figuren über sich hinauswachsen oder gerade auch nicht immer ganz perfekt sind und mit den von ihnen begangenen Fehlern umgehen, was manchmal ermutigend und manchmal tröstend sein kann. In einer zunehmend bedrohlichen Welt, in der sich Menschen durch den Klimawandel und all seinen Folgen wie zum Beispiel Krieg aller Voraussicht nach Herausforderungen werden stellen müssen, die ihren Eltern erspart blieben, brauchen wir alle, glaube ich, Geschichten mit starken Handlungsfiguren, die Mut machen. Und trotz aller Fantasy-Elemente und der Möglichkeit, Abstand vom Alltag zu gewinnen und in eine faszinierende erfundene Welt einzutauchen, finden sich in dieser Erzählung auch Themen, die unsere Gesellschaft beschäftigen – neben Krieg auch Unterdrückung, Kolonialismus, Vorurteile, Rassismus …

Besonders mochte ich aber an diesem Roman, dass Geschwisterliebe und Freundschaft in ihm eine mindestens ebenso wichtige Rolle wie die romantische Liebe spielen, wobei letztere auch nicht vernachlässigt wird. Und den kleinen Einblick in Gespräche mit den Drachen, der überrascht und zugleich die Drachen sogar noch mysteriöser erscheinen lässt.

Die mir vorliegende, geradezu enthusiastisch gestaltete Buchausgabe, die eine inspirierende, positive Energie vermittelt, stellt die perfekte Hülle für diese ungewöhnliche Erzählung dar. Neben den stilvoll geschmückten Kapitelüberschriften und einem farbenprächtigen Farbschnitt, begeisterte mich als Kartenfreak ganz vorne eine mit einem Drachen verzierte Karte im mittelalterlichen Stil, die einen Überblick über diese Fantasy-Inselwelt bietet.

Mir hat das Lesen dieser Drachenfantasy-Erzählung große Freude bereitet und ich warte nun voller Ungeduld auf die Gelegenheit, den Folgeband zu lesen.

Bewertung vom 06.08.2024
Der Verdacht / Ein mörderisches Paar Bd.2 (2 MP3-CDs)
Wolf, Klaus-Peter

Der Verdacht / Ein mörderisches Paar Bd.2 (2 MP3-CDs)


ausgezeichnet

Krimispannung mit passender musikalischer Begleitung und wunderbarer Situationskomik:
"Der Verdacht" ist ein geradezu irreführend normal wirkender, harmloser Titel für das regelrechte Krimikomödienspektakel, das sich dahinter verbirgt. Zu erwarten sind jede Menge Action, böse Verdächtigungen und Maskeraden, Irrungen und Wirrungen sowie eine ganze Reihe von Mörder:innen und Möchtegern-Mörder:innen. Dabei aber auch einige ernstere, beklemmendere, aber feinfühlig erzählte Passagen.
Worum es geht: Ein hohes Kopfgeld ist auf den untergetauchten, unter falschen Namen lebenden Serienkiller Dr. Sommerfeldt ausgesetzt. Und sogar bei der Polizei gibt es einige, die ihn gerne tot sehen würden und dafür auch zu Schritten bereit wären, die sich eigentlich nicht mit einer Tätigkeit bei der Polizei vereinbaren lassen sollten. So gerät der charmante Serienkiller und Buchautor mit eigenem Fanclub in große Gefahr ... und die Schubladen "Gut" und "Böse", "Recht" und "Unrecht" werden munter durcheinander gewirbelt.
Was mir besonders gefiel: Dass Klaus-Peter Wolf allen seinen Figuren viel Aufmerksamkeit und Respekt entgegenbringt, auch wenn sie nur einen kurzen Auftritt oder eine Nebenrolle haben. Außerdem begeisterten mich die Situationskomik, lustige, kleine Details wie beispielsweise ein James-Bond-würdiger Rollstuhl und unaufgeregte Anspielungen auf aktuelle gesellschaftliche Themen. Gelungen fand ich auch, dass die besonderen Möglichkeiten eines Hörbuchs durch eine musikalische Einleitung und zum Schluss mit dem Song "Ostfriesentango" passend zur Geschichte genutzt wurden. Vorgetragen wird der Song von der Sängerin Bettina Göschl mit ihrer wunderbaren Stimme, die es zum Glück nicht nur als Figur in den Ostfriesenkrimis, sondern auch "in echt" gibt.
Auch war es für mich etwas Besonderes und geradezu ein luxuriöses, privilegiertes Gefühl, diese Geschichte vom Autor höchstpersönlich vorgelesen zu bekommen. Klaus-Peter Wolf spricht ruhig, erzählt sorgfältig, mit Bedacht und bringt dabei die ausgeprägten Charaktere seiner Figuren und den feinen Humor seiner Erzählung hervorragend zum Vorschein.
Vorkenntnisse aus den vorherigen Bänden sind meiner Meinung nach nicht unbedingt erforderlich. Auch mir fehlt leider noch der Vorgängerband, das hat sich jedoch nicht bemerkbar gemacht. Aber natürlich war es für mich als Fan der Ostfriesenkrimis besonders schön, Bekannte wie die patente Frauke oder den irgendwie immer wieder unmöglichen und dennoch liebenswerten Rupert wiederzutreffen.
Eine sympathische, spannende und leicht schräge Ablenkung vom Alltag!

Bewertung vom 10.06.2024
Das verborgene Leben der Farben
Imai Messina, Laura

Das verborgene Leben der Farben


sehr gut

Laura Imai Messina hat mit dieser Liebeserzählung ein ganz besonderes Buch geschaffen, das die Freude an der Vielfalt der Farben weckt. Schön zu spüren ist ihre Liebe zur japanischen Kultur, in der die ursprünglich italienische Autorin seit ihrem dreiundzwanzigsten Lebensjahr lebt. Es ist ein stilles, behutsam erzähltes Buch mit ganz viel Gefühl.
Wovon die Autorin erzählt: Mio und Aoi, zwei äußerst sensible Kinder mit Außenseitertendenzen wachsen zu recht unterschiedlichen, aber äußerst sensiblen Erwachsenen heran und begegnen einander ... Die Autorin berührt dabei auch Themen wie Achtsamkeit, Farben und Pflanzen, Werden und Vergehen, Vielfalt und Lebensfreude. Und, und das hat mich besonders fasziniert, beide junge Menschen wuchsen in Familien auf, die durch ihre berufliche Tätigkeit Menschen in entscheidenden Momenten ihres Lebens begleiten.
Zwischen den Kapiteln fügt die Autorin einige Auflistungen und andere Zusatzinformationen ein, die die Erzählung ausstaffieren und oft bereichern, mit denen ich aber nicht immer etwas anfangen konnte, beispielsweise auf Seite 80 mit der Angabe des japanischen Titels des Buches, das Aoi im vorangegangenen Kapitel im Zug las. Als Sprachenfreak habe ich mich zwar sehr über die Angabe auf Japanisch gefreut, in diesem Fall aber eine Übersetzung in Klammern vermisst, da ich leider nur wenige Worte Japanisch spreche. Die Bedeutung anderer japanischer Wörter hingegen erschließt sich gut aus dem Kontext und sie werden zudem in einem hilfreichen Glossar am Ende des Buches erläutert. Darüber hinaus enthält der Anhang Mios Farbnotizbuch mit betörenden Beschreibungen verschiedener Farbtöne. All dies gab mir das Gefühl, dass die Autorin sehr viel Liebe in ihr Buch und seine Ausstattung hat einfließen lassen, und das bescherte mir eine sehr schöne Leseerfahrung, wenn ich mich auch, wie so oft bei Liebesgeschichten, mehr für das Umfeld der beiden Liebenden und ihre individuelle Geschichte als für ihre Beziehung zueinander begeistern konnte.

Bewertung vom 06.05.2024
Die Gabe der Lüge / Karen Pirie Bd.7
Mcdermid, Val

Die Gabe der Lüge / Karen Pirie Bd.7


sehr gut

Mörderische Schreibwelten

Ein spannender Krimi bietet eine Auszeit vom Alltag, die Lesende mit dem wohligen Gefühl genießen können, dass es sich nur um Fiktion handelt und am Ende in der Regel wie im Märchen das „Böse“ besiegt wird und der oder die Schuldige ins Gefängnis wandert. Doch was, wenn das Gelesene auf geradezu verstörende Weise real existierenden Personen und Gegebenheiten ähnelt? Genau dieses beklemmende Gefühl bekommt eine Bibliothekarin, die den Nachlass eines verstorbenen Schriftstellers sichtet und in einem unvollendeten Manuskript deutliche und beunruhigende Parallelen zum Fall Lara Hardie, einer jungen vermissten Frau, erkennt. Sie entschließt sich, den ihr bekannten Kriminalbeamten Jason aus Karen Piries Team zu kontaktieren …

Mit dieser ungewöhnlichen Ausgangslage beginnt Karen Piries siebter Fall, der zudem noch unter äußerst ungewöhnlichen Umständen stattfindet: der frühen Phase der Pandemie, als es noch keine Impfstoffe gab und in Schottland ein sehr strenger Lockdown mit Ausgangssperre herrschte. Äußerst spannend war für mich als Bücherfan das Setting: die Literaturwelt mit den angehenden oder bereits etablierten Autor:innen, dem Archivmaterial aus dem Nachlass eines Schriftstellers, einem Schreibkurs und Schreibwettbewerb. Da kommen unwillkürlich Fragen danach auf, wie Menschen zu Schriftsteller:innen werden, wie ein Werk entsteht und ganz besonders natürlich die Frage nach dem Verhältnis zwischen Fiktion und Realität, eine Frage, die angesichts des Vermisstenfalls eine ganz besondere Brisanz gewinnt.

Mir gefiel sehr, dass über das geheimnisvolle unvollendete Manuskript, das die Ermittlungen von Piries und ihrem Team in Gang setzt, nicht nur geredet wird, sondern dass McDermid sich auch die Mühe gemacht hat, es selbst zu verfassen und in voller Länge zu präsentieren. Das ist ihr sehr gut gelungen – der Schreibstil unterscheidet sich spürbar und ich hatte so tatsächlich den Eindruck, dass ich den Text eines anderen Menschen lesen würde. Es handelt sich um eine eiskalte Morderzählung, packend und erschreckend angesichts der Anmaßung und völligen Empathielosigkeit des Täters. Doch bezieht sie sich auch auf reale Geschehnisse? An diesem Punkt gingen meine Spekulationen in alle Richtungen. Hier hatte mich McDermid ganz gepackt und meine Fantasie angeregt – allerdings so sehr, dass ich hinterher vom tatsächlichen Ausgang dieses Kriminalromans leider etwas enttäuscht war.

Nicht enttäuscht und wie bei den anderen Büchern von ihr aufs Neue begeistert haben mich: ihre zwischen den Zeilen spürbare Liebe zu den Menschen (ungewöhnlich im Thrillergenre, wo ich manchmal den Eindruck habe, die Autor:innen würden detaillierte blutige Schilderungen diverser Grausamkeiten förmlich genießen) und ihre engagierte und zugleich schottisch-gemäßigte, sensible Art, diverse aktuelle Themen in ihre Erzählungen einzubinden.

Engagiert, bodenständig und zupackend – so wirkt auf mich die Hauptfigur Karen Pirie, die neben ihrer Arbeit auch schon mal mutige und unorthodoxe Wege geht, um einem Menschen in Not zu helfen, und ähnlich wie sie stelle ich mir auch die Autorin vor. In diesem Roman wuchs mir Karen regelrecht ans Herz. Dass wir Leser:innen auch die private Seite der Ermittlerteammitglieder kennenlernen, erscheint mir in vielen anderen Krimis überflüssig, zu dieser Reihe jedoch passt diese menschliche Seite hervorragend.

Ganz hat McDermid das Potenzial, das diese Geschichte bot, leider nicht ausgeschöpft, aber was sie geliefert hat, war ein kniffliger und herrlich mysteriöser Fall mit überzeugender Auflösung.

Bewertung vom 09.03.2024
Ein seltsamer Ort
Yoshimoto, Banana

Ein seltsamer Ort


sehr gut

Wer sich gerne auf etwas Ungewöhnliches einlässt, wird an diesem Buch viel Freude haben. Es geht um zwei Schwestern, ein geheimnisvolles Schloss mit einem ebenso geheimnisvollen Gutsherrn, um Verlust, Trauer, neue Wege - und um Aliens.
Der Schreibstil ist schön, elegant, nichts Außergewöhnliches, aber der Inhalt ist eine Herausforderung. Ich fühlte mich beim Lesen wie in einem bizarren Traum. Als verwirrend empfand ich unter anderem, dass mir gerade die realistischeren Elemente der Erzählung im Vergleich zu den fantastischen Elementen irgendwie seltsam vorkamen. Erzählweise und Dialoge wirkten manchmal auf mich etwas altbacken, dann aber immer wieder frisch, kühn und unerwartet, dabei fast ein bisschen kindlich.
Ich hatte das Gefühl, die Autorin schrieb ein sehr persönliches Buch, in das sie all das reinpackte, was sie bewegt, fesselt und bezaubert, ohne sich um Genregrenzen oder Erwartungen ihrer Leserschaft zu scheren, was mir sehr gefiel. Sie bezeichnet ihren Roman auch als eine Hommage an den klassischen Gruselfilm Phantasm und es hat sich für mich gelohnt, über diesen im Internet ein wenig zu recherchieren. Darüber hinaus enthält das Buch Anspielungen zu verschiedenen Werken der japanischen Kultur, wobei der Diogenes-Verlag bzw. die Übersetzerin die Lesenden sorgfältig mit den notwendigen Informationen versorgen, sodass Lesende wie ich, die nur wenige japanische Werke kennen, nicht im Nachteil sind.
Die Charaktere wirkten auf mich herzerweichend naiv, poetisch, märchenhaft, aber dadurch manchmal leider auch ohne Tiefe. Die meisten von ihnen prägt eine positive Grundeinstellung und irgendwie gleichen sie einander trotz äußerlicher Unterschiede sehr. Es ist nett und süß, von solchen Leuten zu lesen und darüber, wie liebevoll und versöhnlich sie miteinander umgehen, eine durchaus bewundernswerte Verhaltensweise, mein zynisches Ich aber musste ab und zu amüsiert und ungläubig den Kopf schütteln.
Im Großen und Ganzen war es für mich eine schöne, etwas verträumte und verspielte Geschichte, die ich trotz aller Seltsamkeit sehr gerne las.

Bewertung vom 09.03.2024
Fensterbrettgarten
Haßler, Deike

Fensterbrettgarten


ausgezeichnet

Dieses wunderbare Buch für Fensterbankgärtner:innen ist innen wie außen in heiteren, sonnigen Farben gestaltet und genauso freundlich fühlte ich mich vom Text an die Hand genommen. Deike Haßler hat einen sehr angenehmen, lockeren Schreibstil, der dafür sorgt, dass sich das Buch trotz der Fülle an Informationen leicht liest. Sie duzt ihre Leserinnen und Leser, ermuntert sie und verbreitet eine positive Stimmung.
Ohne Garten und ohne Balkon bleibt mir gar nichts anderes übrig, als meine Fensterbänke zu bepflanzen, und ich hatte vorher schon einiges ausprobiert. Dennoch gelang es diesem Buch, meinen Horizont noch einmal stark zu erweitern - die Möglichkeiten eines Nutzgartens auf dem Fensterbrett sind wirklich erstaunlich!
Die Autorin gibt viele praktische Tipps von der Befestigung von Pflanzgefäßen an Fensterbänken bis hin zur Gewinnung von Samen aus geernteten Tomaten für die nächste Pflanzrunde und stellt eine ganze Reihe geeigneter Pflanzen für die Fensterbrettbepflanzung im Porträt vor, unterteilt nach Pflanzen für Außenfensterbretter und Pflanzen für Innenfensterbretter. Angesprochen werden vielfältige Themen wie Microgreens, Topfgröße, Vermehrung, vertikale Pflanzsysteme und vieles mehr. Besonders gefielen mir auch der Aussaat- und Erntekalender sowie die zahlreichen Abbildungen und das kleine Glossar am Ende.
Für mich war dieses Buch ganz wunderbar, da ich viel lernen und auch einige von mir eingeschlagene, leider falsche Wege korrigieren konnte. Es lässt sich gut in einem Rutsch lesen, eignet sich durch die praktische Übersicht und ein Register aber auch zum Nachschlagen einzelner Themen.
Ein sympathisches und wertvolles Buch für alle, die sich eine grüne Oase auf ihrem Fensterbrett wünschen!