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Benutzername: 
Marlibu
Wohnort: 
Köln
Über mich: 
Leseratte, Bücherwurm, Buchsammlerin. Ich liebe Bücher.

Bewertungen

Insgesamt 2 Bewertungen
Bewertung vom 22.12.2023
Rein in die Komfortzone!
Butler, Kristen

Rein in die Komfortzone!


sehr gut

Raus aus selbstgemachtem Stress, rein in mehr Selbstakzeptanz und Gelassenheit

Einleitung
Kristin Butler ist Life Coach, Speaker und die Gründerin von »Power of Positivity« , lebt in Carolina und hat das Buch "Rein in die Komfortzone!" geschrieben.

Das Covers ist in frischen, fröhlichen Farben. Die einzelnen Kapitel bauen in mehreren Unterkapiteln logisch aufeinander auf und vertiefen das Thema Stück für Stück. Ein ganzes Kapitel widmet sie dem ursprünglichen Komfortzonen-Modell und erweitert es durch ihren eigenen Ansatz. Ihr Schreibstil ist persönlich, locker und emotional. Sie verknüpft Theorie immer wieder mit den eigenen Erfahrungen und die ihrer Klientinnen und gibt ihren LeserInnen viele praktische Übungen an die Hand.

Die Hauptthese, die Frau Butler vertritt ist, dass wir uns grundsätzlich wohl und behaglich fühlen müssen, um unser volles Potenzial ausschöpfen zu können. Sie will dafür ihre LeserInnen an die Hand nehmen und ihnen einen Weg aufzeigen, wie das gelingen kann.
Sie schreibt in ihrer Einleitung sinngemäß: Ich will, dass du alles vergisst, was man dir je über die Komfortzone gesagt hat. Ich will ... dass du dir endlich ein Leben erschaffst, was du liebst. Hier wird bereits deutlich, welche Haltung sich durch das gesamte Buch zieht. Ihr Ansatz ist aus eigener leidvoller Erfahrung entstanden. Sie schreibt heute aus der Perspektive einer Frau, die sich von alten Glaubensmustern und Überzeugungen frei gemacht hat und dieses Wissen an ihre Leserinnen weitergeben will.

Mein persönlicher Eindruck:
Kristin Butler legt sich mit einer ganz bestimmten Szene von Coaches an, die sich Selbstoptimierung und kontinuierliche Leistungssteigerung auf die Fahnen geschrieben haben. Der Begriff der Komfortzone wird da negativ verwendet. Rein in die Komfortzone wirkt diesbezüglich zunächst provokativ, erweckt aber auch einen falsche Eindruck.

Ich bin deshalb zunächst mit einiger Skepsis an das Buch herangegangen.
Das Komfortzonen-Modell veranschaulicht die einzelnen Seins-Zonen und wo und wie Veränderung passiert. Im Modell werden die einzelnen Zonen nicht bewertet. Nichts anderes beschreibt Frau Butler in ihrem Buch Schritt für Schritt.

Der Titel des Buches ist m.E. deshalb etwas unglücklich gewählt und bezieht sich nur auf einen Schritt ganz am Anfang des Veränderungsprozesses. Die Autorin plädiert letztendlich genauso für den Weg der kleinen Schritte, für das Erspüren wo ich stehe und wo ich hinwill, für mehr Selbstfürsorge und Selbstakzeptanz und vieles mehr. Verbunden mit uns selbst, erleben wir mehr Freude, Wohlgefühl, Sinnhaftigkeit und innerer Sicherheit, was uns dann befähigt, einen kleinen Schritt weiter zu gehen. So passiert Veränderung ohne Überforderung.

Ihre Kritik am Komfortzonen-Modell kann ich deshalb nicht ganz nachvollziehen. Es ist am Ende eine Feinheit in der Wahl der Worte und wie ich etwas interpretiere. Sie verbindet ihre Erfahrungen und verallgemeinert sie. Das Modell ist aber lediglich hilfreich beim Verstehen von Verhalten und Befinden.
Was ich dann aber sehr spannend fand war, dass die Autorin durch ihren Ansatz das ursprüngliche Modell erweitert hat. Sie beschreibt sehr gut, was in dieser mittleren Zone, wo ich mich gut fühle, eigentlich konkret passiert und warum das erst einmal gut und richtig ist. Warum wir das brauchen und es uns langfristig weiterbringt.
Mir wurde plötzlich klar, warum wir diese Zone so gern aufsuchen und was am Ende eigentlich das Problem ist. Wir sind kulturell sehr stark darauf konditioniert uns anzustrengen und zu leisten. Wollen Erwartungen anderer erfüllen, um anerkannt zu sein. Faulheit, Bequemlichkeit, sich das Leben leicht machen, wird abgelehnt. Das erzeugt Schuldgefühle und Scham, wenn wir uns dem Diktat verweigern.
In diesem Punkt etwas geradezurücken, finde ich wunderbar. Kristin Butler schafft ein Bewusstsein dafür.

Letztlich ist es für mich ein Buch für mehr Akzeptanz. Damit hat sie bei mir offene Türen eingerannt. Ich halte das für eine der wichtigsten Haltungen, wenn es um nachhaltige Veränderung geht.

Fazit:
Es ist ein Buch was für Menschen geschrieben ist, die sich auf dem Weg zu mehr Selbst-Akzeptanz befinden. Die sich im täglichen Stress, Erwartungen und Anforderungen verloren haben und sich nicht mehr mit sich selbst verbunden fühlen. Es ist sehr wohlwollend und positiv geschrieben. Die Autorin rüttelt auf und macht Mut. Es ist ein leidenschaftliches Plädoyer für mehr Leichtigkeit, Behaglichkeit und Wohlgefühl und dafür uns wieder mehr mit uns selbst zu verbinden. Aus dieser Haltung heraus können wir dann Träume und Visionen verfolgen ohne auszubrennen. Kristin Butler sagt dem alten Narrativ - Nur ein schweres Leben ist ein gutes Leben den Kampf an. Das finde ich super.

Bewertung vom 25.09.2023
Nie gut genug
Curran, Thomas

Nie gut genug


sehr gut

Perfektionismus - der neue Zeitgeist
Psychologe Thomas Curran hat ein Buch mit dem Titel „Nie gut genug - Die fatalen Folgen des Perfektionismus und wie wir uns vom Selbstoptimierungsdruck befreien können“ im September 2023 bei Rowohlt vorgelegt. Er beschreibt Ursachen und Folgen, die ein permanentes Höher, Weiter, Besser und damit nie genug, für uns bedeuten. Es gibt nichts Gutes am Perfektionismus, sagt er. Die Gründe lägen in einer Kultur, deren Wirtschaft sich grenzenloses Wachstum, extreme Leistungsanforderungen und überbordendem Konsum auf die Fahnen geschrieben hat. Eine ganze Gesellschaft erschöpft sich. Um das zu belegen, hat er eine Studie mit 40.000 jungen Menschen durchgeführt, bei denen ein alarmierender Anstieg von Perfektionismus in den letzten 30 Jahren zu verzeichnen ist.

Der Fokus liegt eindeutig auf kulturellen Normen. Diese geht der Autor Kapitel für Kapitel durch. Sein Schreibstil ist immer wieder sehr persönlich. Wirkt manchmal autobiografisch und oft wie ein Roman. Er führt in den Begriff Perfektionismus ein und differenziert drei Formen, auf die er sich später immer wieder bezieht. So manche Überschrift spielt auf etwas Bekanntes an, das auf Perfektionismus hinweist. Was uns nicht umbringt, macht uns... von nichts kommt...
Erst ganz am Ende schreibt er über den Einfluss von Erziehung. Er sieht sie lediglich als einen Aspekt. Mir gefällt das gut.

Mein Eindruck
Sein Buch beginnt er mit einer persönlichen Wahrnehmung. Er beschreibt sehr detailliert eine perfekte Werbewelt, so wie wir sie allerorts, täglich inhalieren und setzt eindrucksvoll seine Beobachtung einer als unperfekt erlebten Realität dagegen. Das gibt einen Vorgeschmack auf das, wie er das Thema angeht - nämlich in Verbindung zu eigenen Erfahrungen. Mich nimmt der dabei sofort mit. Warum aber wird der Eine perfektionistisch wird und der Andere nicht.

Das Streben perfekt zu sein unterscheide sich deutlich von Gewissenhaftigkeit und dem Bedürfnis, etwas richtig gut machen zu wollen. Letzteres mache Spaß und erfülle uns. Perfekt zu sein hingegen nicht. Es sei schlicht nicht möglich und setze uns unter Druck, der in eine Abwärtsspirale führe. Deshalb gäbe es für ihn auch keinen gesunden Perfektionismus. Auch mich hat diese Koppelung schon immer gestört. Ich fand sie falsch. Etwas was mich stresst und krank macht, kann nicht gesund sein.
In einer Konsum- und Leistungsgesellschaft liegt der Fokus vor allem auf dem, was wir nicht haben, aber doch zu brauchen scheinen. Der Autor verbindet eindrücklich, die Bedingungen unter denen wir in einer Konsumkultur leben und verbindet sie mit dem was wir glauben sein zu müssen, um zu bestehen. Er sagt, Perfektionismus sei keine "individuelle Besessenheit - es sei eine ausgesprochen kulturelle". Es sei die Art und Weise wie wir die Welt gelernt haben zu sehen und das sei zu einer Art Weltanschauung geworden. Perfektionismus stellt für ihn eine Bewältigungsstrategie dar, um in einer Welt klarzukommen, deren Fetisch Wachstum sei. Er sei keine Persönlichkeitseigenschaft, so wie viele glauben.

Am Ende zeigt er auf, welchen Weg er gewählt hat, um sich aus einem zu hohen Anspruch an sich selbst und andere zu befreien. Seine Lösung klingt im ersten Moment verblüffend einfach, dann aber ahnt man schnell, dass das nur ein längerer Prozess sein kann. Ein Weg aus Bewusst-Werdung, Selbst-Beobachtung, Austausch und Verbindung mit anderen und viel, viel Übung. Der Autor selbst ist diesen Weg gegangen und ein lebendes Beispiel dafür, dass es gelingen kann.

Fazit und was ich für mich mitnehme:
Ein spannendes, wichtiges und lesenswertes Buch mit einem fokussierten Blick auf gesellschaftliche Normen und Werte, denen wir uns fraglos unterwerfen. Beim Lesen wird mehr als deutlich, dass Perfektionismus eine fatale Bewältigungsstrategie darstellt, die uns unter enormen Druck und Stress setzt und uns gleichzeitig nicht dient. Wir dienen vielmehr einer Wirtschaft, die auf permanentes Wachstum setzt und in deren Profitstreben wir lediglich ein kleines Rädchen im Getriebe sind.
Wir opfern unsere Gesundheit und Vitalität, beuten uns selbst, andere und den Planeten aus und werden zunehmend inhumaner. Sich dem zu entziehen ist kein leichtes Unterfangen und wir werden dabei immer wieder Rückschläge erfahren. Das gehöre dazu und gilt es zu akzeptieren. Mich hat das Buch sehr nachdenklich gemacht. Ich kann es nur empfehlen zu lesen. Es öffnet einem wirklich die Augen und stimmt einem gleichzeitig milder mit sich selbst.