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Benutzername: 
bluechoco
Wohnort: 
Leipzig

Bewertungen

Bewertung vom 12.07.2013
Nachtzug nach Lissabon
Mercier, Pascal

Nachtzug nach Lissabon


weniger gut

"Wenn es so ist, dass wir nur einen kleinen Teil von dem leben können, was in uns ist – was geschieht mit dem Rest?" ...

Daraus spinnen wir Tagträume, Geschichten, Spekulationen, und daraus werden Romane gemacht - Autoren schicken Helden auf die Reise, um an ihrer Stelle die nicht gelebten Leben zu erkunden. Und als Leser hat man die Chance, voyeuristisch und ohne ertappt zu werden, in diese Leben hineinzusehen - wenn es denn etwas spannendes zu sehen gibt.

Hier begibt sich nun ein nicht mehr ganz junger Mann auf die Reise, bei der vordergründigen Handlung geht es tatsächlich um eine Reise, aber nicht das Abenteuer, das man nach dem Klappentext erwarten würde, dazu läuft bis auf den spannenden Anfang alles zu glatt, alle Personen tauchen genau da auf, wo sie gebraucht werden, es gibt einfach sehr wenige Überraschungen. Aber gut, vielleicht ist das nebensächlich, wenn man davon ausgeht, daß die Handlung nur weiteren Inhalt transportiert.
Dieser besteht in einem Buch des fiktiven Autors de Prado, das den Helden Gregorius so beeindruckt, daß er sofort die Sprache lernt und nach Lissabon reist, um mehr über de Prado zu erfahren und so ist es vor allem auch dessen Geschichte.

Welcher Autor wünscht sich das nicht:
Ein begnadeter Autor sein, als Goldschmied der Worte bezeichnet werden, von allen für die fabelhafte Sprache gelobt werden.
Der Gedanke, dass sowohl die hochgelobten Texte als auch das lobende Publikum aus einundderselben Feder stammen, hat mich ein wenig schmunzeln lassen.

Diese Texte nun, hochkompliziert, ausschweifend, voll von Metaphern, beschäftigen sich mit den ganz großen Themen der Menschheit, dem Sinn des Lebens, dem eigenen Ich, dem Tod, und das so pathetisch, dass einige von den Sätzen schön eingerahmt, an der Wand eines gediegenen Wohnzimmers hängen könnten.
Neben dem ausladenden Bücherregal voller Klassiker, versteht sich.

Und das war es dann auch schon. Irgendwie bleibt es bei den "Großen Fragen", für meinen Geschmack viel zu allgemein und die aufwendige Formulierung macht es nicht besser.
Ich liebe Metaphern, wenn sie etwas treffend ausdrücken, einen Begriff oder eine Beschreibung verdeutlichen. Aber wenn sie hergenommen werden, um einunddasselbe wieder und wieder und nochmal auf andere Weise auszudrücken, dann ist es mir zu überladen.

Mein Fazit:
Ich fand es sehr anstrengend, das Buch zu lesen. Ich habe mich gezwungen, bis zum Ende durchzuhalten, immer in der Hoffnung, daß noch irgendwo ein besonderer Gedanke, etwas inspirierendes kommt, aber für mich leider nicht.
Die Handlung für meinen Geschmack zu wenig überraschend, die Figuren sind für mich nicht lebendig geworden.
Die Gedanken über den Sinn des Lebens, für mich war da einfach nichts neues.
Dass sich Lebenswege, ändern, kreuzen, neu entschieden werden, und welche merklichen oder unmerklichen Einflüsse es geben kann, wenn man darüber noch nie nachgedacht hat, mag es eine Bereicherung sein, mir war es zu wenig.

Als Unterhaltung zu wenig Spannung, als Inspiration zu wenig Inhalt, und die Sprache, man muß das mögen, aber leider nicht mein Geschmack.

4 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.