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A. Jürgens

Bewertungen

Insgesamt 91 Bewertungen
Bewertung vom 19.05.2013
Ich liebe dich, aber heute nicht
Hauptmann, Gaby

Ich liebe dich, aber heute nicht


weniger gut

Bei der Lektüre von Ich liebe dich, aber nicht heute kam mir eine Redewendung in den Sinn: Wenn es dem Esel zu wohl wird, geht er aufs Eis.

Genau das macht Liane, aus deren Sicht die Geschichte erzählt wird. Gut aussehend, beruflich erfolgreich, privat ein gern gesehener Gast bei Freunden. Doch weil ihr in ihrer Beziehung mit Marius ein wenig das Kribbeln abhandengekommen ist, beschließt sie etwas dagegen zu unternehmen.

Setzt sie auf mehr Spontanität? Romantik? Liebesurlaub? Reizwäsche? Rollenspielchen? Nein, obwohl Hauptmann Liane durchaus recht klar beschriebene Sex-Abenteuer erleben lässt. Vielmehr sollen sich Marius und Liane andere Partner suchen, sich verlieben und sich gegenseitig davon berichten. Wirklich betrügen können sie sich so nicht. - Wer es braucht, kann damit glücklich werden. Auch wenn die Idee an sich natürlich den Stolperstein birgt, dass derjenige, der sich verliebt, gar nicht in die alte Beziehung zurück will.

Es gibt noch einen weiteren Erzählstrang, in dem Liane durch einen dummen Zufall ins Visier skrupelloser Verbrecher gerät. Doch keine Angst, die Autorin hat nicht das Genre gewechselt - der Fokus liegt auf Lianes Versuch, Prickeln in ihr Leben zu bekommen.

Bedauerlicherweise kam keine wirkliche Spannung oder Lesespaß auf. Auch die erwähnten Sex-Abenteuer sind nicht so prickelnd beschrieben, dass sie zum schnelleren Umblättern animieren. Insgesamt erscheint der gesamte Roman zu distanziert. Wirkliche Gefühle konnte ich weder bei Liane noch bei Marius, der recht rasch auf Lianes Plan eingeht, entdecken. Positiv zu erwähnen ist jedoch, dass Liane nicht völlig aus der Luft gegriffen wirkt. Auch ihre Idee dürften reale Paare schon vorgelebt haben. Doch greifbarer macht das Hauptmanns Hauptfigur nicht. Zu den übrigen Beteiligten ist zu sagen, dass sie eher unscheinbar bleiben, sind sie doch allenfalls schmückendes Beiwerk für Lianes Egotrip. Emotionen kann man durch die Art der Beschreibung als LeserIn nicht miterleben und bleibt außen vor. Ich weiß zwar, dass die Hauptfigur vom Bodensee nach England, von dort ganz spontan nach Italien und zurück an den See, kurz nach Ibiza und wieder zurück an den See flattert, doch mitgerissen hat sie mich nicht. Zu trocken gestaltete sich in diesem Zusammenhang teils auch die Beschreibung der Handlungsorte. Der zweite Erzählstrang wirkt im Hinblick auf Lianes Verhalten schlicht unglaubwürdig. Gerät sie in Panik? Das sollte man annehmen. Doch bei Liane hält die Panik gerade mal so lange vor, bis sie sich daran erinnert, dass sie doch etwas erleben möchte. Ihre amourösen Abenteuer scheinen nicht nur wichtiger als ihre Arbeit oder ihre Beziehung zu sein, ihr Leben an sich nimmt den gleichen Stellenwert ein.

Die Intention hinter der Aktion erscheint verwaschen. Hauptmanns Beschreibungen lassen Liane wie jemanden wirken, der nichts mit sich anzufangen weiß. Angst hat etwas zu verpassen, ohne wirklich verzweifelt darüber zu sein. Angesichts der Retourkutsche von Marius sollte man annehmen, dass es da mehr zu schreiben gäbe. Allerdings beschreibt die Autorin so einiges wesentlich ausführlicher, als das klärende Gespräch zwischen Liane und ihrem Partner, bevor sie das Ende rosarot angehaucht ausklingen lässt.

Lebendige, spritzige Dialoge könnten die eine oder andere Länge übertünchen, doch die sucht man meist vergeblich. Öfter findet man zähe Überlegungen, Plattitüden und pseudo-philosophische Schwafeleien. Ein Buch, in dem sich blasse Charaktere in der seicht vor sich hinplätschernden Handlung eher treiben lassen als agieren. Irgendwie hatte ich meine anderen Hauptmann-Romane unterhaltsamer und peppiger in Erinnerung.

© 2013 Antje Jürgens

3 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.05.2013
Ein unsittliches Angebot / Blackshear Bd.1
Grant, Cecilia

Ein unsittliches Angebot / Blackshear Bd.1


sehr gut

Mit Grant bietet der Egmont LYX Verlag eine weitere Autorin auf, die mit nicht ganz so konventionellen Figuren und genretypischen Klischees aufwartet, wie LeserInnen historischer Liebesromane es hierzulande gewöhnt sind. Aktuell geht es um die erst 21jährige, frisch verwitwete Martha Russells. Der trotz des Altersunterschiedes überraschende Tod ihres Ehemannes stellt sie vor ein Problem. Ohne Erben steht sie mit nahezu nichts da, denn die beweglichen wie unbeweglichen Besitztümer, einschließlich ihrer Mitgift, gehen größtenteils an ihren Schwager. Der ist den Dienstboten im Haus nur allzu gut bekannt und nicht nur bei Martha löst seine bevorstehende Ankunft Beklemmung aus. Statt sich brav in das sich daraus für sie ergebende Los zu fügen, beschließt Martha zu einem nicht ganz ehrlichen Mittel zu greifen. Da sie nicht in guter Hoffnung ist, muss sie es schnellstmöglich werden. Und so ist sie bereit, dem wegen seiner Eskapaden in London auf den Landsitz seiner Familie verbannten Bonvivant Theophilus Mirkwood, Geld gegen seinen hoffentlich fruchtbaren Samen zu bieten.

Schon damit dürfte klar sein, dass Martha nicht zu den naiv-hilflosen Weibchen gehört, die dieses Genre für gewöhnlich zieren. Einerseits wirkt sie steif, spießig und verklemmt. Andererseits zeigt sie sich kämpferisch, fast besessen. So stolz, dass sie lieber Probleme in Kauf nimmt, als klein beizugeben. Sie hat keine schwärmerisch-romantischen Wünsche, denn die Ehe mit ihrem verstorbenen Mann hat ihr die gründlich ausgetrieben, sofern sie überhaupt je vorhanden waren. Entsprechend sachlich, ja fast lieblos gestalten sich die Treffen mit Theo, obwohl dieser durchaus bereit ist, mehr daraus zu machen. Mehr als einmal verpasst ihm Martha einen emotionalen Dämpfer und stellt seine Verführungskünste auf eine harte Probe. Die Beschreibung der heimlichen Treffen wirkt manchmal etwas unbeholfen, aber nicht unwirklich. Gerade durch das Weglassen romantischer Details, Zärtlichkeiten oder durch die nüchternen Gedanken Marthas wird der Zeitdruck und das Dilemma deutlich, in dem sie steckt. Unmerklich und in kleinen Details merkt man, dass Gefühle ins Spiel kommen, die die Affäre jedoch nicht kitschig verkomplizieren.

Genau dadurch wirkt dieser Handlungsstrang nachvollziehbar echt. Romantik hätte hier unpassend weich gezeichnet gewirkt. Und so sollte, jeder der Wert darauf legt, eindeutig die Finger von Grants Debüt lassen. Andererseits: Obwohl ich eigentlich etwas gänzlich anderes erwartet hatte, war ich von dem Roman keineswegs enttäuscht. Vielmehr wurde ich angenehm überrascht.

Nebenbei gibt es jedoch auch noch einen zweiten Handlungsstrang, der Marthas Alltag umfasst. Modern im Denken will sie manchmal fast zu verbissen die Welt verbessern. Praktisch und nüchtern stellt sie sich ihrem Problem ebenso wie ihrem Alltag. In dem sie bemüht darum ist, die Lebensbedingungen der kleinen Leute zu verbessern; sie zu bilden und den Wunsch nach Veränderung in ihnen erwachen zu lassen. Damit infiziert sie Zug um Zug auch Theo, der dann beginnt, sein bisheriges Leben infrage stellen.

Grants Schreibstil ist sprachlich der damaligen Zeit angemessen. Obwohl manches (Marthas Reformwillen betreffend) fast zu modern wirkt, entstand durch die bildhaften Beschreibungen ein Sittengemälde vor meinem inneren Auge, mit authentisch wirkenden Handlungsorten und nachvollziehbar agierenden, glaubwürdigen Figuren. Sehr schnell tauchte ich in die Geschichte ein. Ein Manko sind kleinere Längen, doch die fallen nicht allzu sehr ins Gewicht und Ein unsittliches Angebot lässt sich leicht lesen. Ein unterhaltsames und gelungenes Debüt, dem ich vier von fünf Punkten geben möchte. Die untypische Darstellung der beiden Hauptfiguren weckt bei mir die Lust auf weitere Romane der Autorin.

© 2013 Antje Jürgens

5 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.05.2013
Hochzeitsküsse / Dackel Herkules Bd.4
Scheunemann, Frauke

Hochzeitsküsse / Dackel Herkules Bd.4


gut

In den vorherigen Bänden der Reihe um den 4beinigen Frauenversteher landete der für die Jagdhundzucht ungeeignete Dackel Herkules zunächst im Tierheim, woraus Caro ihn rettete. Doch Caros damaliger Freund hasste Hunde und war auch sonst in den Augen des krummbeinigen Vierbeiners recht unsympathisch. Zusammen mit dem Kater Herr Beck gelang es Herkules, Thomas zu vertreiben. Allerdings weinte sich Caro die Augen nach ihm, weshalb ein neuer Mann her musste. Was nicht ganz einfach war, denn die Geschmäcker von Herkules und Caro lagen nicht gerade auf einer Wellenlänge. Dennoch schaffte es der einfallsreiche Dackel, sein Frauchen mit dem Tierarzt zu verkuppeln. Doch bald schon tauchte die Ex von Marc für Probleme und Herkules verliebte sich zusätzlich in eine Hündin. Die war zwei Köpfe größer als er und übersah ihn geflissentlich trotz seiner glühenden Verehrung. Und sobald Caro und Marc sich reproduzierten, war mit dem kleinen Henry weiterer Ärger vorprogrammiert. Dackelherzen sind groß und Henry passt da zwar durchaus rein. Doch als sich Herkules beispielsweise als Retter in der Not bei einer vollen Windel übte, stieß er bei seinem Frauchen auf kein allzu großes Verständnis.

Auch in Hochzeitsküsse macht sich Herkules seine eigenen, durchaus ernsten aber nicht immer allzu ernst zu nehmenden Gedanken zu dem Geschehen um ihn herum. Dieses Mal wollen Caro und Marc heiraten. Als wären die beiden mit dem Baby, Caros Wunsch wieder arbeiten zu gehen und dem Alltag im Allgemeinen nicht genug gestresst, droht auch die von ihnen gewünschte Feier im intimen Kreis dem pompösen Planungswillen von Caros Schwiegermutter zum Opfer zu fallen. Während Herkules wieder einmal auf seine Art versucht, seinem Frauchen aus der Patsche zu helfen, kämpft er nach wie vor mit den Schmetterlingen in seinem Bauch. Allerdings kommt er der von ihm angebeteten Hündin Cherie nicht wirklich näher und die oberschlauen Ratschläge des Katers Herr Beck helfen auch nicht weiter. Abgesehen davon ist er mit seinem Liebeskummer nicht alleine. Doch Herkules wäre nicht Herkules würde er nicht dafür sorgen, dass sich alles zum Guten wendet.

Wie gehabt erfahren die LeserInnen alles aus Herkules Sicht und dürfen an seinen Gedankengängen ebenso teilhaben wie an seinen analytischen Gesprächen mit dem Kater Herr Beck. Beide sind erneut stellenweise sehr vermenschlicht und gleichzeitig auf ihre tierische Art niedlich bis süß.

Wenn ich eine Buchreihe beginne, möchte ich sie auch fertiglesen. Und da macht Scheunemanns charmant-pfiffiger und eigenwilliger Dackel keine Ausnahme. Allerdings: So niedlich ich Herkules auch im vierten Buch finde, bin ich dennoch froh, den vorläufig letzten Band in Händen zu halten.

Warum? Es ist gut möglich, dass ich in letzter Zeit zu viele Scheunemann- und/oder Hertz-Romane gelesen habe und momentan einfach von deren Schreibstil übersättigt bin. So etwas passiert mir manchmal. Tatsächlich ließ mich die einfach gehaltene, lockere und frische Sprache ebenso wie die recht banale Handlung in raschem Erzähltempo auch dieses Mal schnell durch die Seiten fliegen. Sie bot also wie gehabt und durchaus entspannende Unterhaltung. Wortwitz und Schlagfertigkeit halfen mir dabei über kleinere Längen hinweg. Doch obwohl etliche Passagen für hochgezogene Mundwinkel oder Lacher sorgten, wirkten andere fast zu klamaukartig, um wirklich witzig zu sein. Passierte etwas Neues? Nicht wirklich, auch wenn sich einige Dinge geändert haben (die anstehende Hochzeit, während im Band davor beispielsweise das Baby kam).

Insgesamt erschien mir der vierte Band etwas zu abgeflacht. Dennoch ist der Roman ein netter Lesequickie mit einem niedlichen Hauptcharakter. Der allein kann aber nicht alles herausreißen, weshalb dieses Mal der Funke irgendwie nicht so richtig auf mich übersprang. Und so gibt es nur drei von fünf Punkten für Scheunemanns Hochzeitsküsse.

© 2013 Antje Jürgens

Bewertung vom 05.05.2013
Ziemlich beste Freundinnen
Ruppert, Astrid

Ziemlich beste Freundinnen


sehr gut

Nicht zum ersten Mal findet man in einem Ruppert-Roman gegensätzliche Charaktere. In Ziemlich beste Freundinnen gibt es die überaus durchorganisierte und ebenso konservative wie perfekte Ärztin, Ehefrau und Mutter Konstanze, die neben Familie und Arbeit auch das Gartenunkraut oder ihr Bindegewebe im Griff hat. Und dann noch die menschlich-herzliche Jacqueline, die sich improvisierend durchs Leben kämpft und immer mal wieder auf die Nase fällt, die drei Kinder mit vier Minijobs durchbringt. Es gibt noch ein paar andere Figuren, die mal mehr mal weniger beleuchtet werden. Der Fokus liegt allerdings auf Konstanze selbst.

In zahlreichen Kapiteln erlebt man das Geschehen abwechselnd aus der Sicht von Jacqueline, Konstanze oder deren Ehemann. Die Perspektivwechsel bieten Raum für unterschiedliche Emotionen und sorgen dafür, dass sich die Geschichte rasch entwickelt.

Chaos meets Konzept, dank eines Buchungsfehlers. Denn die beiden vordergründig unterschiedlichen Frauen landen in ein und demselben Zimmer einer Rehaklinik. Während Kassenpatientin Jacqueline sich den Gegebenheiten anpasst und sich fast wie im Urlaub fühlt, hat die energisch auf ihr Einzelzimmer pochende Konstanze ein Problem mit ihrer stets gesprächsbedürftigen kumpelhaften Zimmergenossin, die ihr weder gesellschaftlich noch intellektuell betrachtet das Wasser reichen kann. Als wäre das alles nicht schon schlimm genug, muss sie auch noch eine emotionale Achterbahnfahrt in Kauf nehmen, als sich der attraktive Theo für sie interessiert. Während Konstanze noch überlegt, ob sie ihrem Mann treu sein soll, ihre Ehe einen Rettungsversuch wert ist oder sie sich einfach in eine Affäre stürzen soll, stellt sie fest, dass sie und Jacqueline dann doch ein paar Gemeinsamkeiten haben. Nach anfänglichem Zickenkrieg entwickelt sich dank eines Blicks hinter die scheinbar so klaren Kulissen eine Freundschaft und in diesem Zusammenhang ein sanfter Roman um das Thema Freundschaft und Liebe.

Gut, wer schon etwas von der Autorin gelesen oder gesehen hat, weiß, dass sie leichte Unterhaltungsromane schreibt, die man zwischendurch verschlingen oder einfach zum Abschalten lesen kann. Prompt stattet Ruppert ihre beiden weiblichen Hauptfiguren mit jeder Menge Klischees und Vorurteilen aus. Störend wirkt dies jedoch nicht, denn die Autorin geht dabei teils humorvoll-schlagfertig vor. Letzteres allerdings nicht durchgängig, was etwas schade ist. Auch ansonsten setzt Ruppert auf einen bereits bewährten Aufbau. Sprich, die an und für sich recht einfache Handlung, wird mit teils überspitzten Details ausgeschmückt und ist durch den lockeren Schreibstil der Autorin größtenteils leicht lesbar. Das wiederum tröstet ebenso wie der bis zum Schluss weniger vorhersehbare Handlungsstrang um Konstanze über die eine oder andere Vorhersehbarkeit Jacqueline betreffend hinweg.

Da ihre menschlich-echt wirkenden Figuren mit allerlei Alltagsproblemen und nachvollziehbaren Sorgen kämpfen, lässt Ziemlich beste Freundinnen Raum für eigene Überlegungen und zeigt das leicht nicht immer und unbedingt ein anderes Wort für seicht sein muss.

Entspannend-unterhaltsamer Lesespaß mit sympathischen Charakteren für zwischendurch. Einige kleinere Längen und eine gewisse Vorhersehbarkeit sorgen für einen Punkteabzug, weshalb ich vier von fünf Punkten für Rupperts Roman vergeben möchte.

© 2013 Antje Jürgens (AJ)

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.05.2013
Besser leben mit dem Tod
Jung, Susanne;Bleuel, Nataly

Besser leben mit dem Tod


ausgezeichnet

Der Schutzumschlag des Buches ist schlicht gehalten. Er zeigt ein weißes Kissen auf weißem Grund, eine einzelne rote Rose. Friedlich u. liebevoll wirkt dieses bescheidene Motiv u. steht damit eigentlich im krassen Kontrast zum Thema an sich. Immerhin wird durch den Tod eine Person aus unserem Leben gerissen; für so manchen bricht dadurch eine Welt zusammen. Andere sind erleichtert, weil eventuell ein langer Leidensweg beendet wurde. Doch egal ob so oder so, ohne einen adäquaten Abschied fällt die eigentliche Trauerarbeit schwer. Ohne Akzeptanz ist sie unmöglich.

Auch der Schreibstil der Autorin ist schlicht. Allerdings nur im Sinne von sehr gut nachvollziehbar, denn tatsächlich vermittelt Susanne Jung den Inhalt ihres Buches niveauvoll. Sie gestaltet ihn sehr praxisbezogen. Nicht unbedingt philosophisch-anspruchsvoll, dafür aber ebenso anrührend wie achtungsvoll, verständnisvoll wie kritisch. Jung weiß, wovon sie schreibt. Nicht nur, weil sie selbst eine schmerzhaften Verluste erlitt. Auch weil sie einen Beruf ausübt, der nicht ganz gewöhnlich ist. Ursprünglich lernte sie, wie man Bilderrahmen vergoldet. Über eine ehrenamtliche Sterbebegleitung kam sie im Laufe der Jahre jedoch in ein Bestattungsinstitut. Was sie dort erlebte, war nicht das, was sie sich unter einem würdigen Abschied vorstellte. Und so machte sie sich einige Jahre danach als Bestatterin selbstständig.

Von ihren eigenen Erfahrungen mit Verlusten u. Abschied u. ihren Umgang damit, erfahren LeserInnen eingangs des Buches. Offen erzählt Jung von jahrelanger Verdrängung u. Trauerbewältigung. Nach ihren Ausführungen dazu, wie sie Bestatterin wurde, widmet sie sich dann Todesfällen, die andere erlebt haben. Sie schreibt vom Abschied von einem Kind, das nie leben durfte. Von einem Jugendlichen, der sich das Leben nahm. Von einem Mann, der durch seinen letzten Willen seiner Witwe fast die Möglichkeit zum Abschiednehmen nahm. Von einer Organspenderin. Das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus Jungs Erfahrungsschatz. Er umfasst 800 Bestattungen, die aber natürlich nicht alle erwähnt werden. Was jedoch erwähnt wird, sind bürokratische Hürden, die es nicht nur im Rahmen individuell gestalteter Bestattungen zu nehmen gilt. Unaussprechliches, das ausgesprochen werden sollte. Gefühle, die zugelassen werden sollten. Und Jungs Wünsche für Veränderungen der hierzulande geläufigen Sterbe- u. Bestattungskultur.

Einfühlsam geht sie auf den Unterschied zwischen Verstorbenen u. Toten ein. Das mag seltsam klingen. Dass es ihn tatsächlich gibt, weiß ich jedoch aus eigener Erfahrung u. kann nur bejahen, was die Autorin dazu schreibt. Ihre Überlegungen, warum der Tod in den letzten Jahrzehnten dermaßen distanziert in Angriff genommen u. zunehmend tabuisiert wurde, sind nachvollziehbar logisch. Jung hebt hervor, wie wichtig es ist, die Möglichkeit für einen bewussten Abschied anzubieten, unterstreicht aber auch die Bedeutsamkeit, diese Möglichkeiten zu nutzen. Ihre Anschauung des Lebens u. (des untrennbar damit verbundenen) Lebensendes vermittelt sie trotz der Omnipräsenz des Todes ebenso sensibel wie sachlich u. durchweg lebendig. Empathisch u. unaufgeregt offenbart sich so Stück für Stück eine versöhnliche Fürsprache für ihn, mehr jedoch noch für das bewusste Leben.

Ein sehr persönliches Buch, das ich gerne empfehle. Es wirkt tröstlich u. informativ. Nicht nur für diejenigen, die gerade einen Todesfall beklagen. Auch für jene, die sich mit der eigenen Endlichkeit auseinandersetzen. Dass Susanne Jung mehr als eine konventionelle Bestatterin ist, durfte ich beim Abschied eines Freundes erleben. So sensibel, wie sie die Hinterbliebenen tröstend begleitete, vermittelt sie in ihrem Buch tatsächlich, dass Abschied nehmen gelernt sein will u. man besser lebt, wenn man den Tod nicht verdrängt. Einfach weil er zu unserem Leben gehört.

© 2013 Antje Jürgens (AJ)

Bewertung vom 05.05.2013
Aeternum
Bottlinger, Andrea

Aeternum


sehr gut

Im Debütroman von Bottlinger öffnet sich mitten in Berlin ein riesiger Krater. Niemand kann sich erklären, wie er zustande kam, oder abschätzen, was noch alles passieren wird. Natürlichen Ursprungs ist er nicht. Doch nicht nur die Menschheit versucht herauszufinden, was es damit auf sich hat. Auch miteinander verfeindete Dämonen u. Engel tun ihr Möglichstes. Zu diesem Zweck wählen sie je einen Abgesandten, der der Sache auf den Grund gehen soll. Schon bald begeben sich der Engel Jul u. die Magierin Amanda in die Tiefen, während weiter oben alles eskaliert.

Wer streng gläubig ist, wird evtl. ein Problem mit dem haben, was sich nach u. nach temporeich herauskristallisiert, es gar blasphemisch finden. Abgesehen davon, dass, wie bei anderen Autoren, Engel u. Dämonen nicht automatisch gut oder böse sind, muss sich Bottlingers weibliche Hauptfigur an jemanden heranwagen, der außerhalb menschlicher Reichweite ist. Gott selbst (und symbiotisch der Teufel) hat mit den Vorfällen zu tun. Deshalb droht die Welt unterzugehen; kommt es zu einem blutig-tödlichen Kampf zwischen Dämonen u. Engeln. Für diese sind Menschen nur Kollateralschäden.

Plakativ wurde die Hintergrundatmosphäre von Bottlinger geschaffen. Berlin erschien klar vor meinem inneren Auge, obwohl ein Großteil der Geschichte unterirdisch spielt. Hinzu kommen gut herausgearbeitete, echt wirkende Charaktere mit Stärken aber auch Schwächen. Das tröstet darüber hinweg, dass Bottlinger sich bei der Beschreibung teils an bekannten Bildern orientiert. Große, hell gekleidete, weißblonde Engel erfüllen ihre Aufgabe mit himmlischer Konsequenz u. Flammenschwertern. Dämonen wenden Magie an, wirken abschreckend hässlich, Frucht einflößend, gierig, vordergründig berechnend u. falsch.

Doch Bottlinger erzählt nicht einfach nur eine Variante von Gut gegen Böse, bei der es nur einen Gewinner geben kann. Darauf deutet schon das Cover hin. Die sich berührenden Umrisse zweier geflügelter Gestalten wirken als Einheit. Genau wie Gott u. der Teufel, Gut u. Böse, Licht u. Dunkel, Engel u. Dämonen, Gebot u. Tabu, Glaube u. Wissen, Macht u. Ohnmacht. Sie könnten augenscheinlich alleine für sich bestehen, benötigen aber den anderen, um wirklich zu wirken. Eine Trennung? Unmöglich. Vordergründig kämpfen Amanda u. Jul um die Rettung der menschlichen Welt. Tatsächlich geht es um Begreifen u. Einsicht, um Erkenntnis. Um Fühlen u. Mitgefühl. Über den eigenen Schatten zu springen. Freundschaft u. Vertrauen zuzulassen. Toleranz u. eigenständiges Denken u. darum, Konsequenzen aus diesen Überlegungen zu ziehen, weil eigentlich alle in einem Boot sitzen, das zu sinken droht.

Dabei kommen sich die beiden Hauptfiguren näher, obwohl jede eine eigene Motivation hat, ein eigenes Ziel verfolgt. Amanda will ihren Bruder retten, Jul seine Flügel zurück. Wer auf eine richtige Liebesgeschichte hofft, tut das vergebens. Dazu werden die beiden viel zu häufig in blutige Kämpfe verwickelt. Die sind in Fülle u. Ausführlichkeit ein Manko, sorgen für kleinere Längen. Den Lesespaß verdarben sie mir aber nicht. u. die Geschichte zwischen den beiden fügt sich harmonisch in das Geschehen ein.

Bottlinger wechselt fließend die Perspektiven, lässt ihre LeserInnen mal aus Amandas u. dann wieder aus Juls Sicht am Geschehen teilhaben. Die Autorin webt die Schöpfungsgeschichte aus der Sicht eines Engels ein u. eine schlüssige Überlegung für gesellschaftlich-religösen Umbrüche der Vergangenheit ein. Der Roman fußt auf Mythen monotheistischer Religionen, überfrachtet ist die Geschichte damit jedoch nicht. Stattdessen verknüpft die Autorin geschickt Mythen mit Realität u. fantastischen Elementen zu einem spannend-faszinierenden Debüt. Das bietet Unterhaltung. Anreize zum Nachdenken u. Raum für Fantasie. Ich möchte 4 von 5 Punkten vergeben.

© 2013 Antje Jürgens (AJ)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.04.2013
Die Beute
Ford, Jaye

Die Beute


sehr gut

Nach einem Beinaheunfall landen Jodie und ihre Freundinnen später als erwartet an ihrem Zielort. Unfrieden und eine miese Stimmung drohen die Wochenendplanung zu zerstören. Corinne kann kaum laufen, da sie sich in den Knöchel verstaucht. Hannah nimmt Jodie übel, dass sie auf paranoide Art versucht, allen das Wochenende zu verderben. Denn Jodie fühlt sich nahezu von der ersten Minute an permanent beobachtet. Sie warnt immerzu, wird jedoch nicht ernst genommen. Letzteres liegt auch daran, dass Louise prompt ausplaudert, was sie ihr anvertraut. Dabei wollte sie es keinesfalls allen erzählen, was sie vor Jahren erleben musste. Die seelischen und körperlichen Narben davon zeichnen Jodie bis in die Gegenwart. Eigentlich glaubte sie Flashbacks und Panikattacken mit Therapie, Selbstverteidigungskursen und einer gesunden Portion Misstrauen im Griff zu haben. Doch so, wie ihre Freundinnen nach Louises Indiskretion an ihren momentanen Wahrnehmungen zweifeln, muss sich auch Jodie selbst fragen, ob sie nicht einfach hysterisch überreagiert.

Parallel dazu lernt man gleich eingangs den Expolizisten Matt kennen, der den Wagen der Frauen abschleppt und schnell Interesse an Jodie bekundet. Auch seine Vergangenheit ist nicht perfekt und er leckt in seinem Heimatort seine psychischen Wunden, die auch durch die Erinnerung an einen ungelösten Fall wieder aufgerissen werden.

Der Thriller wäre natürlich keiner, wenn da nicht mehr hinter den Vorkommnissen stecken würde. Jodie, Louise, Corine und Hannah geraten in Lebensgefahr, weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort sind. Die Inhaltsangabe verrät ja schon die beiden Fremden, die ihre eigenen Ziele verfolgen und vor Mord nicht zurückschrecken.

Bereits auf Seite zwei geschieht der Beinaheunfall und danach geht alles Schlag auf Schlag, sodass die Charaktere nahezu nebenbei vorgestellt werden. Nachdem sowohl Jodie als auch Matt von Erinnerungen an ihre Vergangenheit eingeholt bzw. zusammen mit den anderen von den aktuellen Ereignissen überrollt werden, erfährt man in kleinen Atempausen auch Näheres über Jodies Freundinnen, über verlorene Träume, ihre Launen und Schwächen, aber auch über Stärken und Wünsche. Auch Matts Angehörige oder die beiden Fremden werden kurzzeitig beleuchtet. Wobei Atempausen etwas andeutet, was so nicht gegeben ist. Die Geschichte ist nicht wirklich atemberaubend. Sanft, aber konsequent gestrafft würde ich den Spannungsbogen eher bezeichnen. Dadurch wirkt auch die sich nebenbei allen anfänglich negativen Tendenzen zum Trotz zwischen Jodie und Matt überaus dezent anbahnende Romanze nicht unpassend.

Die Planung des Wochenendes, die dramatischen Erinnerungen und die Verbreche - diese Handlungsstränge sind gut proportioniert. Überhaupt setzt Ford nicht auf blutige Gewaltexzesse, wie man sie häufig in Romanen oder Filmen findet. Dennoch wirkt gerade dadurch bedrohlich, was bedrohlich wirken soll, und man fragt sich unwillkürlich, wie die Sache ausgehen wird.

Die Charaktere handeln größtenteils nachvollziehbar und wirken echt. Sie sind keine Übermenschen, sondern kämpfen skrupellos oder verzweifelt ums Überleben oder sind dem Geschehen hilfslos ausgeliefert.

Es gibt gewisse Vorhersehbarkeiten, die das Lesevergnügen aber nicht sonderlich schmälern. Das Ende ist allerdings etwas zu weich gezeichnet, was vermutlich eingefleischte Hardcore-Thriller-Fans wirklich stört. Ford bewahrt ihren handelnden Opfern Menschlichkeit und lässt sie Schuldgefühle angesichts der Auswirkungen ihres Tuns empfinden. Aber auch Verständnis und bereitwilliges Verzeihen für offenkundiges Versagen.

Eher ein Roman für Frauen. Und auch nur für solche, die nicht ständig von einem neuen Verbrechen lesen wollen, das den Atem raubt und ängstlich die Fenster überprüfen lässt. Wer das aber nicht braucht, wird mit Die Beute kurzweilig und durchaus spannend unterhalten. Ein gelungenes Debüt, das Lust darauf macht, mehr von Jaye Ford zu lesen.

2013 Antje Jürgens (AJ)

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.