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Havers
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Vaihingen an der Enz
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Top100-Rezensent und Buchflüsterer

Bewertungen

Insgesamt 151 Bewertungen
Bewertung vom 15.01.2025
Mein Schwaben
Klink, Vincent

Mein Schwaben


ausgezeichnet

Mit Vincent Klink bin ich bereits durch Paris (Ein Bauch spaziert durch Paris), Venedig (Ein Bauch spaziert durch Venedig) und Wien (Ein Bauch lustwandelt durch Wien) flaniert. Habe eigene Reiseeindrücke im Nachhinein Revue passieren oder mich von dessen sehr persönlichen Impressionen inspirieren und offenen Auges durch die Städte führen lassen. Mit „Mein Schwaben kehrt der Sternekoch im Ruhestand nun aber den touristischen Hotspots den Rücken und schaut sich stattdessen nicht nur in seiner, sondern seit Studienzeiten auch in meiner Heimat um. Und da gibt es unendlich viel zu entdecken.

Landschaftliche Highlights wie die Wacholderheiden der Schwäbischen Alb oder das Donautal rund um Sigmaringen. Urzeitfunde aus der Vogelherdhöhle bei Niederstotzingen, wie das 3,7 cm kleine Mammut, die älteste Tierdarstellung der Menschheitsgeschichte, mittlerweile in die geschichtsträchtige Uni-Stadt Tübingen umgezogen. Außergewöhnliche Kunstwerke, zu finden in Kirchen, aber auch in der Stuttgarter Staatsgalerie. Kritische Köpfe, die wir kennen, Schiller, Wieland und, nicht zu vergessen, die schwäbischen Tüftler und ihre bahnbrechenden Erfindungen.

Klinks verbindet in diesem lesenswerten Buch seine Ausfahrten ins Umland nicht nur mit allerlei Wissenswertem um die Kulturgeschichte Schwabens, sondern taucht auch tief in die schwäbische Seele ein, die für Außenstehende auf den ersten Blick zwar bruddelnd daherkommen mag, aber herzensgut ist und viel mehr als Kehrwoch‘ und Häusle bauen zu bieten hat.

Daneben ist dieses Buch, für alle, die sich dafür interessieren, eine wahre Fundgrube für Ausflugstipps. Und neben Futter für den Kopf gibt es natürlich auch jede Menge Empfehlungen für den Magen, falls einem unterwegs der Hunger plagt, was durchaus vorkommen mag. Deshalb werden sowohl in den Texten als auch im Anhang empfehlenswerte Gasthäuser genannt. Aber auch wer lieber selbst kocht, wird hier fündig, denn unter dem Titel „Sonntags Brötle und Salätle“ gibt es zum einen einen Überblick darüber, was die schwäbische Küche ausmacht und wo ihr Ursprung zu finden ist, zum anderen stellt Vincent Klink die Klassiker vor und liefert auf 25 Seiten die passenden Rezepte dazu.

Ein rundum gelungenes Buch nicht nur für Schwaben, vollgepackt mit wissenswerten Informationen zu Ländle, Leuten und Historie, präsentiert mit knochentrockenem Humor. Also genau so, wie wir es von ihm kennen und erwartet haben. Bleibt mir nur noch zu sagen: „Danke, Herr Klink, ma hots lesa könna!“

Bewertung vom 12.01.2025
Umlaufbahnen
Harvey, Samantha

Umlaufbahnen


ausgezeichnet

Der erste Satz: „So einsam sind sie in ihrem um die Erde kreisenden Raumschiff und gleichzeitig einander so nah, dass ihre Gedanken, ihre individuellen Mythologien, bisweilen zusammenfinden“.

Eine Raumstation. An Bord vier Astronauten, zwei Kosmonauten. Ein internationales Team aus Neulingen und alte Hasen auf engstem Raum, jede/r mit einer individuellen Aufgabe betraut. Beobachtungen, Experimente, Forschung in der Petrischale. Schwerelosigkeit und ihre Auswirkungen, lang- und kurzfristig. Jedes Ergebnis dokumentierend.

Vierundzwanzig Stunden, ein Tag und eine Nacht, getaktet in sechzehn Umlaufbahnen, von denen jede neunzig Minuten dauert. Eineinhalb Stunden in Dauerschleife, in denen die Sonne auf- und untergeht. Völlig losgelöst in grenzenloser Unendlichkeit, den Blick gerichtet auf Mutter Erde lassen wir uns treiben.

Samantha Harveys „Umlaufbahnen“, ausgezeichnet mit dem Booker Prize 2024, setzt sich aus individuellen Reflexionen und Beobachtungen zusammen, die in weiten Teilen völlig unspektakulär daherkommen. Gespeist aus Gegenwärtigem und Vergangenem. Den Aufgaben, die es täglich zu erledigen gilt, den Gefühlen, die bei den Blicken aus den Fenstern geweckt werden, aber auch den persönlichen Erinnerungen, Erfahrungen und Sehnsüchten. Manchmal profan, aber über weite Strecken all jene Punkte thematisierend, die die Existenz des blauen Planeten gefährden und dessen Schutz geradezu unumgänglich einfordern. Sehen Dunkel und Licht, Wetterphänomene und eine Welt ohne Grenzen, spüren Hilflosigkeit, persönliche Betroffenheit aber auch wissenschaftliches Interesse. Tauchen ein in die Köpfe der Besatzung, folgen deren Fluss der Gedanken, teilen und würdigen staunend ihre Beobachtungen.

Ganz großes Kino. Lesen!

Bewertung vom 29.12.2024
Ihr kennt mich nicht
Héraclès, Julie

Ihr kennt mich nicht


ausgezeichnet

Ein Augenblick, für immer festgehalten von Robert Capa. Ein Foto, das unter dem Namen „La Tondue de Chartres“ (Die Geschorene von Chartres) um die Welt geht:

16. August 1944. Eine junge Frau, die Stirn gebrandmarkt mit einem Hakenkreuz, der Kopf kahlgeschoren, in den Armen ihr Kleinkind. Eine aufgebrachte Menschenmenge, die sie erbarmungslos durch die Straßen ihrer Heimatstadt Chartres treibt.

Wer war Simone Touseau? Und was hat sie in einer Zeit, in der die Menschen unmissverständlich in die Kategorien Freund und Feind eingeteilt wurden, dazu bewogen, sich mit einem deutschen Soldaten einzulassen? Dieser Frage geht Julie Héraclès in ihrem mehrfach prämierten Roman „Ihr kennt mich nicht“ nach, in dem sie uns durch Simones Augen auf diese unsichere Zeit und die öffentliche Meinung blicken lässt, die schlussendlich zu deren Verurteilung und öffentlichen Demütigung geführt hat.

Héraclès wertet und verurteilt nicht, hält die Position einer neutralen Beobachterin, die die Licht- und Schattenseiten ihrer Protagonistin im Blick hat und diese in ihrer Komplexität beschreibt. Mit der gebotenen Objektivität richtet sie ihren Blick auf die junge Frau, deren Streben nach Freiheit jenseits der Konventionen. Intelligent, sprachbegabt und fasziniert von der Ideologie der Besatzer, arbeitet sie mit ihnen ab 1941 zusammen, wird zu deren Übersetzerin. Zudem hat Simone noch eine Liebesbeziehung mit einem deutschen Soldaten, und als sie Anfang 1943 Mitglied in der französischen PPF wird, der Partei, die zur Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten aufruft, wird sie bereits hinter vorgehaltener Hand der Kollaboration bezichtigt. Ihr Geliebter fällt bei seinem Einsatz an der Ostfront, das gemeinsame Kind kommt im Mai 1944 zur Welt.

Simone Touseau hat ein Leben voller Widersprüche gelebt, war eine Frau mit Ecken und Kanten, die sich nicht brechen ließ, unbeirrt ihren Weg ging. Ihr Schicksal war kein Einzelfall, sondern steht stellvertretend für die „L’Épuration sauvage“, während der nicht nur politische Kollaborateure kurzerhand liquidiert sondern auch unzählige Frauen, die Beziehungen zu den Besatzern unterhielten, kahlgeschoren durch die Straßen der französischen Dörfer und Städte getrieben wurden. Ein dunkles Kapitel der Geschichte, das Julie Héraclès mit ihrem Roman in Erinnerung ruft. Lesen!

Bewertung vom 11.12.2024
Ottolenghi Comfort (deutschsprachige Ausgabe)
Ottolenghi, Yotam;Goh, Helen

Ottolenghi Comfort (deutschsprachige Ausgabe)


ausgezeichnet

In „Comfort“, Yotam Ottolenghis neuem Kochbuch, dreht sich diesmal alles um Wohlfühl-Rezepte, die mit den Aromen, für die dieser Ausnahmekoch steht, einmal mehr für Geschmacksexplosionen sorgen.

Aber was ist ein Wohlfühl-Essen? Auf diese Frage gibt keine allgemeingültige Antwort, denn jede/r, abhängig vom kulturellen Hintergrund und persönlichen Erfahrungen, wird sie anders beantworten. Ganz gleich ob Pasta, Frittiertes oder Süßes, es sind in erster Linie individuelle Erinnerungen, die wir mit den gefüllten Tellern verbinden. Nicht nur an Orte, sondern vor allem an Menschen, die diese Gerichte zubereitet oder mit denen wir sie genossen haben.

Seine langjährigen Mitarbeiterinnen schwelgen mit ihm in Erinnerungen aus der Kindheit oder von Reisen und steuern gleichfalls ihre eigenen Wohlfühl-Rezepte bei, die aber, wie es nicht anders zu erwarten war, durch ungewöhnliche Zutaten, oft aus dem Gewürzregal oder Vorratsschrank, einen besonderen Kick erhalten.

Wie gewohnt gibt es viele Rezepte, bei denen Gemüse die Hauptrolle spielt. Ich habe bisher die in Butter geschmorten Kohlrabi mit Oliven-Chimichurri sowie den im Backofen gerösteten Spitzkohl mit Miso-Butter nachgekocht. Und was soll ich sagen? Eine absolute Geschmacksexplosion, die diese Alltagsgemüse auf eine ganz neue Stufe hebt und die Vorfreude auf die anderen Gerichte schürt, die ich mir markiert habe.

Die Rezepte sind durchgehend einfach nachzukochen. Sie benötigen manchmal etwas mehr Zeit, aber das lässt sich verschmerzen, wenn das Ergebnis so lecker wie hier ist. Und auch die Beschaffung der Zutaten sollte kein Problem sein, sind diese doch üblicherweise in gut sortierten Supermärkten oder türkischen Lebensmittelgeschäften erhältlich.

Schaut es euch an, blättert es durch, lasst euch inspirieren und merkt, wie euch der Mund wässrig wird. Für mich ist „Comfort“ ohne Zweifel das Kochbuch des Jahres, und ich empfehle es nachdrücklich zur Anschaffung.

Bewertung vom 10.12.2024
Wir finden Mörder Bd.1
Osman, Richard

Wir finden Mörder Bd.1


gut

Richard Osman ist der Autor einer erfolgreichen, vierbändigen Cozy Crime-Reihe, in der vier Bewohner einer Seniorenresidenz auf Verbrecherjagd gehen, um Abwechslung in ihren Alltag zu bringen. Liest sich nett und ist unterhaltsam, keine Frage. Aber dann wird die anfangs liebenswerte Vierergruppe leider permanent erweitert, so dass nicht nur die Anzahl der an den Ermittlungen beteiligten Personen stetig wächst, sondern auch noch zahlreiche, meist uninteressanten Nebenhandlungen in die jeweiligen Fälle eingeflochten werden. Höhepunkt bzw. Tiefpunkt dieser Entwicklung war dann der vierte Band, der mich absolut nicht überzeugen konnte und für ständiges Augenrollen meinerseits beim Lesen verantwortlich war.

Vielleicht hat der Autor ja ähnlich empfunden, und er hat sich deshalb eine Pause vom Donnerstagsmordclub verordnet, um Abstand zu gewinnen und ein neues Projekt in Angriff zu nehmen? Verständlich wäre es, aber leider ist es allzu offensichtlich, dass er das Risiko gescheut hat, etwas Neues zu wagen und deshalb mit „Wir finden Mörder“ zwar das Team und den Ort geändert hat, aber ansonsten auf ausgetretenen Pfaden wandelt, denen er allerdings noch eine gehörige Portion Absurdität verpasst hat.

Kurz die Eckdaten: Drei Personen stehen im Mittelpunkt der Handlung. Amy Wheeler, ihres Zeichens Personenschützerin, Rosie D’Antonio, ihre Klientin und achtzigjährige Autorin sowie Steve, ein pensionierter, verwitweter Kommissar und Amys Schwiegervater, der sich die Zeit mit Pub Quiz-Runden vertreibt, bis er von seiner Schwiegertochter in einer heiklen Angelegenheit um Hilfe gebeten wird. Ab diesem Zeitpunkt ist’s mit der Ruhe vorbei und es beginnt eine Mörderjagd rund um den Globus.

Wer zählt die Orte, nennt die Perspektiven? Von beidem viel zu viel und völlig überzogen. Und wenn die Handlung ins Stocken gerät, kommt dann eine banale, gewollt witzige Bemerkung, so dass ich mich eher als Zuschauerin in einer Comedy-Veranstaltung denn als Leserin gefühlt habe.

Nichtsdestotrotz sehe ich durchaus Potenzial für die Reihe. Der Autor sollte sich auf seine Stärken besinnen, die da sind: sympathische Protagonisten mit glaubhafter Backstory, eine gradlinige, glaubhafte Story und die Beschränkung der Handlungsorte. Und wenn schon Humor, dann aber bitte augenzwinkernd und trocken, wie wir es von den Engländern gewohnt sind. Sonst wird das, zumindest für mich, nix.

2,5 von 5 / aufgerundet auf 3

Bewertung vom 06.12.2024
Italien
Molcho, Haya

Italien


gut

Gleich vorweg, ich hatte hohe Erwartungen an „Italien: Food. People. Stories“ der vier Molcho-Brüder Nuriel, Elior, Nadiv und Ilan, die sich auf die Fahnen geschrieben haben, „verschiedene Kulturen durch außergewöhnliche kulinarische Erlebnisse zusammenzubringen“ und deshalb mittlerweile unter dem Kürzel NENI nicht nur 14 Restaurants in europäischen Städten betreiben, sondern auch schon zahlreiche Kochbücher veröffentlicht haben. Die Besonderheit der Rezepte liegt dabei meist in der Verbindung von Regionalküche verbunden mit dem levantinischen Erbe der Familie. So auch hier, dachte ich zumindest.

Nun also eine Reise durch Italien, und die Route sieht vielversprechend aus. Von Friaul-Julisch Venetien über die Toskana und Rom in den Mezzogiorno, die Amalfi-Küste und Apulien bis hinunter nach Sizilien.

Und damit fängt das Problem an, denn das Buch mit seinen 227 Seiten ist zweigeteilt. In der ersten Hälfte (bis Seite 115) berichten sie über Köche, Restaurants und Erzeuger, die sie auf ihrer Reise gezielt aufgesucht bzw. mehr oder weniger zufällig getroffen haben, wobei die Hintergrundinformationen eher uninteressant sind und die kulinarischen Besonderheiten der Regionen nicht im Zentrum stehen. Dazu kommen Unmengen meist großformatiger Fotos, die zwar nett anzuschauen sind, aber eher in das Fotoalbum der Familie gehören. Das eine oder andere Rezept ergänzt zwar diese Berichte, ist aber weitgehend uninteressant, wenn man sich bereits intensiver mit der italienischen Küche beschäftigt hat.

Nun zu Kapitel 2, überschrieben mit Hayas Cucina. Auch hier sind im Wesentlichen die Klassiker-Rezepte aufgeführt, die man so oder so ähnlich in jedem Italien-Kochbuch finden kann. Keine Spur von besonderen levantinischen Einflüssen, weder bei den Zutaten noch bei den Gewürzen (btw. das bekommt Yotam Ottolenghi um Klassen besser hin). Positiv ist hierbei lediglich, dass die Zutaten in jedem Supermarkt erhältlich sind und die Gerichte keine besondere Herausforderung an Können und Erfahrung darstellen und somit auch von weniger versierten Hobbyköchinnen und -köchen zubereitet werden können. Ergänzt werden die Rezepte, die in die klassische italienische Speisenfolge (Antipasti, Primo, Secundo, Dolci) eingeteilt sind, durch einige Grundrezepte wie Pesto, Brühe, Vinaigrette und die Herstellung von Brotbröseln. Wer’s braucht...

Bewertung vom 04.12.2024
Das Tagebuch im Waschsalon der lächelnden Träume
Kim Jiyun

Das Tagebuch im Waschsalon der lächelnden Träume


sehr gut

„Jeder braucht seinen eigenen Ozean, in dem er sich ausweinen kann. In Yeonnam-dong gibt es ein kleines Meer, in dem weiße, schäumende Wellen Tränen und Kummer fortspülen.“ (S. 295)

Buchhandlung, Restaurant, Lädchen, Café, Keramikwerkstatt...und nun also ein Waschsalon. Kim Jiyuns Debüt „Das Tagebuch im Waschsalon der lächelnden Träume“ reiht sich nahtlos in die Reihe der Romane aus dem asiatischen Raum ein, in denen Menschen in ihrem Alltag nicht nur unverhoffte Hilfe an unspektakulären Orten bekommen, sondern durch kleine, unverhoffte Wunder auch zu persönlichem Wachstum angeregt werden.

Jiyun nimmt uns mit nach Seoul in den Stadtteil Yeonnam-dong. Dort befindet sich der Binggul-Binggul-Waschsalon, ein unspektakulärer Ort mit einem heimeligen Duft von Baumwolle und Bernstein, der seine Magie aus dem hellgrünen Tagebuch bezieht, das dort auf dem Tisch liegt. Woher kommt es, wer hat es dort deponiert oder wurde es einfach nur vergessen? Niemand weiß es.

Die unterschiedlichsten Menschen des Viertels nehmen es in die Hand, blättern durch und lesen die Einträge. Und manch eine/r nutzt es auch, um sich Kummer von der Seele zu schreiben. Banale Zeilen wechseln sich mit Einträgen von Menschen ab, die existenzielle Probleme haben, mit ihrem Leben hadern und sich in persönlichen Krisensituationen befinden. Einsamkeit, Geldprobleme, beruflicher Stillstand, familiäre Krisen, all das treibt die Kunden des Waschsalons um, bringt sie an den Rand der Verzweiflung, lässt sie nicht nur auf tröstende Worte von Unbekannten hoffen, die ihre Zeilen kommentieren, sondern dann und wann durch ihr Eingreifen auch kleine Alltagswunder und somit positive Veränderungen bewirken können.

Eine Familie, die sich ihre Wohnung nicht mehr leisten kann. Ein Straßenmusiker, der von einer Musikerkarriere träumt. Eine Drehbuchschreiberin, die endlich den großen Wurf landen möchte. All diese Einzelschicksale verbinden sich im Lauf des Romans zu einer runden Geschichte, zusammengehalten von dem älteren Herrn Jang, einem Apotheker im Ruhestand, der durch seine hilfsbereite Art zum Dreh- und Angelpunkt dieser Gemeinschaft wird, obwohl er eigene Probleme mit seinen geldgierigen Sohn hat.

Wer einen schönen, leichten Feel good-Roman sucht, der das Gefühl von Gemeinschaft, Zusammenhalt und Mitmenschlichkeit in diesen rauen Zeiten stimmig transportiert (inklusive der gemeinsamen Verfolgung eines Betrügers), ist mit „Das Tagebuch im Waschsalon der lächelnden Träume“ bestens bedient und sollte hier zugreifen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.11.2024
Der Mutter-Tochter-Mörder-Club
Simon, Nina

Der Mutter-Tochter-Mörder-Club


gut

Wenn ihr auf der Suche nach neuem Lesestoff seid, schaut ihr euch auch manchmal die Empfehlungen von englischsprachigen Buchclubs an? Ich schon, weil ich immer auf der Suche nach Büchern bin, die noch nicht übersetzt sind.

Klassiker und anspruchsvolle Lektüre findet man in „The Queen’s Reading Room“, „Richard and Judy’s Book Club“ konzentriert sich auf Neuerscheinungen und stellt querbeet aktuelle Romane und Krimis/Thriller vor. Aber dann gibt es ja auch noch „Reese Witherspoon‘s Book Club“, in dem leichte Unterhaltung, nach der mir manchmal auch der Sinn steht, zu finden ist. Allerdings habe ich schon mehrfach die Erfahrung gemacht, dass die dortigen Empfehlungen mit Vorsicht zu genießen sind, da sie bei mir eher selten ins Schwarze treffen, was mich aber nicht daran hindert, dann doch zu dem einen oder anderen empfohlenen Buch zu greifen. Auch „Der Mutter-Tochter-Mörder-Club“ war ein solcher Fall, beworben als „Cosy Crime mit Witz und starken Frauen“. Leider sollten sich aber meine Erwartungen bestätigen.

Lana Rubicon ist eine erfolgreiche Unternehmerin aus L.A., hat nach der Trennung von Mann und Tochter ein Immobilienimperium aufgebaut. Der Kontakt zu ihrer Tochter Beth kocht seither auf Sparflamme, aber es gibt Situationen im Leben, in denen man vertraute Menschen um sich herum benötigt. In Lanas Fall ist das die Krebsdiagnose mit nachfolgender Chemotherapie. Und so lässt sie sich dazu überreden, zu Beth, ausgebildete Krankenschwester, und deren Tochter Jack in das verschlafene Küstenstädtchen zu ziehen. Langeweile pur für die rekonvaleszente Lana.

Doch das Blatt wendet sich, als ihre Enkelin Jack bei einer ihrer Bootstouren eine Leiche entdeckt. Bei der Obduktion stellt sich heraus, dass der Mann keines natürlichen Todes gestorben ist. Die Ermittler haben keine weiteren Anhaltspunkte, sind aber auch wenig engagiert, und so bleibt es nicht aus, dass plötzlich Jack zur Hauptverdächtigen wird. Diese Situation weckt den Columbo weckt in Lana und Beth, war das Anschauen dieser TV-Serie doch eine ihrer wenigen Gemeinsamkeiten während ihrer familiären Vergangenheit. Und ganz im Stil des verhuschten Detektivs machen sich die Frauen daran, Jacks Unschuld zu beweisen und den wahren Mörder dingfest zu machen.

Versprochen wurde ein Kriminalroman, aber leider trifft diese Genre-Zuordnung nur in Ansätzen zu, da eigentlich durchgängig die Spannung fehlt. Ursache dafür ist die Konzentration der Autorin auf die Beziehungen innerhalb der Familie, insbesondere auf die Spannungen, die innerhalb dieser Dreierkonstellation auftreten. Mutter-Tochter, im Doppelpack, da gibt’s natürlich einiges an ungelösten Konflikten aus der Vergangenheit. Dies wird auch immer wieder gerne speziell von Autorinnen thematisiert. Aber Nina Simon betrachtet auch die allmähliche Wiederannäherung von Lana und Beth durch die Sorge um Enkelin/Tochter. Der Krimihandlung hingegen kommt so nur eine Nebenrolle zu. Man könnte nun einwenden, dass es den einen oder anderen Plot-Twist gibt. Stimmt, aber erfahrene Krimileserinnen können die eingestreuten Hinweise entsprechend interpretieren, so dass Überraschungen weitestgehend ausbleiben.

Bewertung vom 11.11.2024
Finsteres Herz / Die Toten von Marnow Bd.2
Schmidt, Holger Karsten

Finsteres Herz / Die Toten von Marnow Bd.2


ausgezeichnet

In der Silvesternacht 2006 wird ein Safe House am Hohensprenzer See zum Zentrum eines blutigen Massakers. Frank Elling und Lona Mendt, die beiden KHKs der Kripo Schwerin, die wir in „DieToten von Marnow“ bereits kennengelernt haben, haben sich dort mit weiteren Kollegen einquartiert, um drei Kronzeugen in einem Fall von Menschenhandel zu schützen. Das geht allerdings gründlich schief, denn als sie den vermeintlich für deren Überführung zur Staatsanwaltschaft Zuständigen die Tür öffnen, bricht die Hölle los. Die Attentäter schießen um sich, töten sowohl zwei Beamte als auch zwei der drei Zeugen und verletzen Elling und Mendt lebensgefährlich. Unverletzt überlebt lediglich Sarah, das zwölfjähriges Mädchen aus Bulgarien, die voller Panik die Flucht ergreift.

Elling und Mendt sind dem Tod näher als dem Leben, werden notoperiert und anschließend ins künstliche Koma versetzt, können also weder zu dem Anschlag noch zu den Hintergründen dieses Falls befragt werden, geschweige denn ihn weiterbearbeiten.

Hagen Dudek vom LKA und Maja Kaminski, Letztere erst kürzlich bei der Bundespolizei in Rostock angekommen, werden mit dem Fall betraut und sollen auf Anweisung der Staatsanwaltschaft nicht nur Licht ins Dunkel bringen sondern auch die flüchtige Sarah ausfindig machen. Doch es soll sich bald herausstellen, dass einer der beiden seine eigene Agenda hat. Fragt sich nur, wer im Hintergrund die Strippen zieht und warum…

Holger Karsten Schmidt ist ein erfahrener Drehbuchschreiber, der weiß, wie man die passenden Stilmittel einsetzt, um das Interesse der Zuschauer bzw. Leser zu wecken und hoch zu halten. Ausgangspunkt der Geschichte ist die Schießerei am Silvesterabend. Allerdings behandeln die folgenden Kapitel nicht nur die späteren Dudek-Kaminski Ermittlungen, sondern betrachten im Detail auch den Elling-Mendt Fall und die Recherche vor diesem Zeitpunkt. Das mag auf manche Leser zunächst befremdlich wirken, stellt sich aber im Nachhinein als äußerst gelungenes Mittel dar, um daraus einen hochspannenden Fall zu weben, der zu keinem Zeitpunkt überkonstruiert wirkt. Im Gegenteil. Fall und Privates, Vergangenheit und Gegenwart, Action und Reflexion, gepaart mit kritischen Blicken auf gesellschaftliche Problemfelder, der beiläufige, oft mit einer gehörigen Portion Ironie gespickte Humor („Asperg? Wo ist das?“ „Muss man nicht wissen, ist alles traurig da.“ ->Ts, ts, ts) und nicht zuletzt die Sorge um das Schicksal von Frank Elling, Lona Mendt und Sarah, all das hält nicht nur Tempo und Spannung hoch, sondern sorgt dafür, dass „Finsteres Herz“ alles hat, was ich von einer raffinierten Lektüre erwarte. Für mich einer der besten Thriller des Jahres, bitte mehr davon!

Nachtrag: Die Verfilmung wird voraussichtlich ab dem 07.12.24 in der ARD Mediathek verfügbar sein, zum TV-Sendetermin habe ich leider nichts gefunden.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.11.2024
Die Himmelsstürmer / Herrliche Zeiten Bd.1
Prange, Peter

Die Himmelsstürmer / Herrliche Zeiten Bd.1


gut

Peter Prange bleibt auch in „Herrliche Zeiten“, Auftaktband der Himmelsstürmer-Dilogie, dem Konzept treu, das wir von seinen früheren Romanen kennen. Historische Ereignisse bilden den Hintergrund der Handlung und werden mit den individuellen Biografien bekannter oder fiktiver Persönlichkeiten verbunden, deren Leben und Handeln stellvertretend für den Zeitgeist der Epoche stehen.

1871, der Deutsch-Französische Krieg ist vorbei, man kann wieder nach vorne schauen. Es ist eine Zeit des Umbruchs, der Erneuerung. Aufbruchsstimmung macht sich in Europa breit, und in dem böhmischen Kurort Karlsbad treffen drei junge Leute aufeinander, die diese Veränderungen stellvertretend repräsentieren und ein Teil der neuen Zeit sind. Das Trio besteht aus (dem fiktiven) Paul Biermann, einem Bauingenieur aus Berlin (der maßgeblich am Bau des Kurfürstendamms beteiligt sein wird), dem Franzosen Auguste Escoffier, einem ambitionierten Nachwuchskoch (der nicht nur in Frankreich sondern auch in England seine Spuren hinterlassen und die Organisation der Profiküche revolutionieren wird), der als einer der ersten Kochbuch-Autoren und als Begründer der Haut-Cuisine gilt, und schließlich ist da noch Vicky, die siebzehnjährige Engländerin aus gutem Hause, die zwar kein besonderes Talent, dafür aber einen berühmten Verwandten vorzuweisen hat, nämlich Joseph Paxton, den Konstrukteur des Crystal Palace, der anlässlich der ersten Weltausstellung in London errichtet wurde.

In den folgenden dreißig Jahren begleiten wir ihre Lebenswege, die sich immer wieder, mal mehr, mal weniger intensiv, kreuzen und untrennbar mit der europäischen Geschichte verbunden sind. Allerdings wollte bei mir der Funke nicht wirklich überspringen. Zu beliebig und vorhersehbar sind die Berührungspunkte der drei Freunde. Sie haben sich mit ihrem Leben arrangiert. Natürlich gibt es das eine oder andere Drama, was bei dieser Konstellation zu erwarten ist. Genau, es ist zu erwarten, ergo sind Überraschungen Mangelware, hat man alles schon vielfach gelesen. Tja, und auch die zeitgeschichtlichen Referenzen fand ich über weite Strecken eher nichtssagend in dieser Story verarbeitet. Der Bau des Kurfürstendamms, um nur ein Thema zu erwähnen, das lang und breit behandelt wurde. Wen interessiert das? Mich jedenfalls nicht. Lediglich der Handlungsstrang, der sich mit Escoffier beschäftigte, hat bei mir Interesse geweckt. Aber um dieses Thema zu vertiefen, greife ich dann doch lieber zu einer Biografie, die diese erdachten privaten Verwicklungen ausspart.

Ein Roman über Freundschaft, über Völkerverständigung? Ein Plädoyer für Europa? Vielleicht war das die Intention des Autors, war aber leider nicht überzeugend. Herausgekommen ist eine trockene, vorhersehbare, oberflächliche Story, die zudem noch viel zu konventionell, langatmig und behäbig erzählt wird, woran auch die Kapitel aus wechselnder Sicht leider nichts ändern konnten. Die Fortsetzung werde ich mir ersparen.