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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
DanielBartelsHof
Wohnort: 
Hamburg

Bewertungen

Insgesamt 4 Bewertungen
Bewertung vom 31.07.2024
Einen Tee bitte!
Eskapo, Komo

Einen Tee bitte!


sehr gut

Hinter dem unscheinbaren Titel verbirgt sich weit mehr als ein "Teebuch"!
Viel zu viele Stellen sind eigene Lebenserfahrung, dazu noch schön formuliert. Damit bekommt der Leser wichtige Erkenntnisse so elegant serviert, dass Gefahr besteht sie im Textrauschen zu überlesen.
Beispiele:
S. 36 Schön!: "Du musst Deinen Weg alleine gehen, Du kannst ihn aber nie alleine finden"
S. 38 Schön!: "Es war abhängig davon, wer vor dem Tresen stand, ein Chinese oder ein Westler, ein Europäer oder ein Amerikaner. Zum Leidwesen der Russen, wurden sie auch als Westler angesehen. Die einzigen, die aus der Reihe fielen, waren die Inder, die die Chinesen kannten, sie waren ihre Nachbarn. Sie nahmen sie höflich, aber mit Humor auf den Arm, was die Chinesen zur Freude der Inder meistens nicht merkten."
S. 115 Schön!: "Die Hoffnung war ein 'vielleicht' das 'Vielleicht' derer, die das 'Nein' vermieden, die das Negative vermeiden, die das Negative vermeiden, weil es den (das) Gegenüber ohne Hoffnung hinterlässt."
Die wichtigste eigene Erkenntnis aus dem Text betrifft den Charakter des Schmeckens, der sogar auf Hören und Riechen übertragbar ist: Schmecke ich (den Tee) um im Hier und Jetzt die Aromen bewusst wahrnehmend zu erkunden, oder schmecke ich, um die Erinnerung an Geschmäcker aus schönen Zeiten mit angenehmen Gefühlen und schönen Geschehnissen aufzurufen?
Danke, danke, dafür!

Bewertung vom 31.07.2024
Hast du uns endlich gefunden
Selge, Edgar

Hast du uns endlich gefunden


gut

Wie nannte er das Werk? "Biografische Fiktion"? Einerseits gut zu lesen, trotz der etwas ermüdenden Einseitigkeit, Ichbezogenheit hauptsächlich in Bezug auf das große Trauma: Der prügelnde Vater, mit dem er aber auch lachen kann. Ob dessen sexuelle Versuche bei den älteren Brüdern weiterkamen, bekommt der Leser nicht heraus. Sollen Krieg, juristische Bildung, musikalisches Talent den Familientyrannen, der sich hinter völkisch geprägter Erziehungsideologie versteckt, entschuldigen? Anfangs mehr in Kindersprache, als später. Natürlich kann der vorletzte Sohn der Eltern stolzes Mitmachen nicht beschreiben, aber er hätte erzählen können, was seine Brüder darüber wussten. Passend dazu die Magenstiche der Mutter, deren Leben in einem schwachen Moment die Wendung in die persönliche Sackgasse nimmt. Aber ab wann erkennt sie die, regelmäßig einmal im Jahr?
Trotz wertvoller Stellen, meist flapsig formuliert, wirkt alles fragmentarisch, darstellend, ohne Antworten, Deutungen, Festlegungen - butterweich.
Gelungen ist die Musikbeschreibung zu Dvoraks Cellokonzert, das Werner übt, aber vielleicht auch nur weil ich es gut im Kopf habe.
Wie immer spart die scheinbar gepflegte Offenheit auch Dinge aus, über die man trotz aller freimütiger anderer Erzählungen nichts verlauten lässt. Da wirkt Scham. Warum manchmal ehrlich, aber bei anderen Schilderungen nicht?
So sehr diese Selbsterkenntnis mutig und soweit sie bewundernswert ist, sowenig ist es literarisch, zu sehr wird die Fiktion durch Realismus verwischt.
Der Verkauf lebt natürlich von der Fernsehbekanntheit und die harmlose, unkritische Nennung von Coronamaßnahmen, ist ein weiterer Hinweis auf Feigheit, unter der seine Eltern nicht litten.
Vielleicht liegt da der direkte Wert? Die Elternart des "damals kann nicht alles falsch gewesen sein", gibt ihm keine Idee, von dem, was in der alten Bundesrepublik mit Grundgesetz, freier Meinungsäußerung und öffentlich-rechtlichem Rundfunk auch nicht falsch gewesen sein kann, er aber ohne Rührung aufgegeben hat.
Eine Feigheit im Mut der Bekenntnis, wie soll man bewerten? Also kein Vergleich zu Juli Zeh, was weiteren Punktabzug in Sachen Glaubwürdigkeit ergibt.

Bewertung vom 31.07.2024
Tschudi
Kühsel-Hussaini, Mariam

Tschudi


weniger gut

Was war für den Kauf entscheidend? Die Erinnerung an das Portrait der Angela von Tschudi von Max Slevogt, denn von daher war mir der Name ja bekannt (Max Slevogt - Die Berliner Jahre S. 42/43). Damit war natürlich auch die Hoffnung verbunden, etwas über Slevogt zu lesen. Nun, das bekam ich, aber das war weder wesentlicher Teil der Erzählung, noch inhaltlich plausibel. Welche Bedeutung der Berliner Markt für Slevogt hatte, lässt sich an den Sammlungsschwerpunkten erkennen: Saarbrücken, Mainz, Hannover. Also kein Grund ihm dieses kriecherische Verhalten anzudichten. Im impressionistischen Stil versucht die Autorin im verschwommenen Bild genug Kontur hervortreten zu lassen, dass die Geschichte "Tschudi als Neuerer" spürbar wird. Also startet die Autorin den Versuch seine Sprachschöpfungen für diese Meisterwerke auf ihre Geschichte zu übertragen. Leider gelingt das nicht, die Prosa ist überladen mit vorgeformter zeitgenössischer Bildhaftigkeit, die manchmal um ihrer selbst Willen überfabuliert wirkt. Stellenweise sind zudem die Bilder nicht stimmig, aber wir haben wieder eine Erfolgsautorin (kurze Kapitel, kurze Sätze) und es wird auf den ersten Seiten klar, dass es sich weder kunstgeschichtlich, noch in der Beschreibung der Personen um ein bedeutendes Werk handelt. Einigermaßen originell ist noch die Verwendung des Berliner Dialekts.
Ginge das Buch aus einem Bildungsansinnen hervor, oder ginge es darum jemandem Malerei nahezubringen, dann gäbe es vom Verlag eine Website, mit seitengenauen Fotos der besprochenen Werke. Das alles ist nicht die Intention. Hier will jemand durch die ziselierte Sprache als besonders zur Kenntnis genommen werden.

Bewertung vom 31.07.2024
Planck oder Als das Licht seine Leichtigkeit verlor
Schroeder, Steffen

Planck oder Als das Licht seine Leichtigkeit verlor


gut

Dass Plancks Sohn Erwin in die Kreise des 20.07.1944 involviert war, wusste ich nicht. Dass Erwins Frau mit Sauerbruch zusammen arbeitete, auch nicht. Von den komplizierten Familienverhältnissen bei Einsteins, hatte ich bereits gehört.
Es ist wieder Zeitgeist historische Romane zu schreiben, wieder Romanbiografien historischer Persönlichkeiten (z.B. Lichtspiel, Tschudi, Die Dirigentin), weil der Autor damit alle zeitgenössischen Fragestellungen unbeantwortet lassen kann.
Warum aber hier der mögliche physikalische Erzählstrang komplett fehlt, ist unverständlich oder hat der Autor als Schauspieler die Verfilmbarkeit im Sinn?
Ausgehend von der Frage, warum die Physik seit Einstein und Planck keine wesentlichen Fortschritte gemacht hat, trotz oder wegen der immer größeren Maschinen, die sie dafür bauen? Das könnte eine spannende Geschichte erzählen! Die reine Verfeinerung der Messmethoden ersetzt nicht die Kreativität zu grundsätzlich neuem Denken, sondern produziert auch das Problem, dass in dem immer dichteren Daten-Rauschen die Erkennbarkeit des Signals nur mit großer Unschärfe als Forschungsergebnis interpretiert werden kann. Siehe auch Herrn Higgs und sein Bosom.