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Sophia

Bewertungen

Insgesamt 25 Bewertungen
Bewertung vom 31.01.2025
Die Abende in der Buchhandlung Morisaki
Yagisawa, Satoshi

Die Abende in der Buchhandlung Morisaki


sehr gut

Takako kennt man bereits aus dem ersten Band "Die Tage in der Buchhandlung Morisaki". Sie hat nun einen Partner und ist aus dem Antiquariat ihres Onkels in eine eigene Wohnung gezogen. Doch sie kehrt immer wieder gerne zu ihrem Onkel Satoru, ihrer Tante Momoko und dem Antiquariat Morisaki zurück. Momoko ist leider erneut erkrankt und so wird Takako erneut im Antiquariat gebraucht. Gemeinsam mit den Kunden schafft es Takako, gerade Satoru wieder Mut in dieser schwierigen Zeit zu machen.

Der erste Band der "Bücherliebe in Tokio"-Reihe hat mir bereits gut gefallen und ich war gespannt, wie Takakos Geschichte weiter erzählt wird. Man kann den zweiten Band sicherlich auch alleine lesen ohne den ersten Band zu kennen. Das Cover ist erneut schön gestaltet, diesmal dominieren dir Farben Gelb bis Rot.
Die erste Hälfte zieht sich leider für mich in die Länge, es wird detailliert aus Takakos Alltag beschrieben, dadurch plätschert die Handlung oft dahin und man muss sich beim Lesen zwingen, mit den Gedanken nicht abzuschweifen. Die Handlung nimmt wieder Fahrt auf, als Momokos Krankheit bekannt wird. Leider mit einem schwierigen Thema wachsen die drei wieder stärker zusammen.
Der Erzählstil ist ungewöhnlich, aber gut und einfach zu lesen und passend zur japanischen Kultur. Die Kunden und ihre Eigenheiten werden erneut, wie im ersten Band auch, detailliert beschrieben, manchmal war mir das ein wenig zu viel an einigen Stellen.

Das Buch kann man mit seinen knapp 250 Seiten gut zwischendurch lesen, es beschreibt die Liebe und Kraft der Bücher und wie wir füreinander einstehen können. Der erste Band hat mir jedoch etwas besser gefallen, nichtsdestotrotz ist "Die Abende in der Buchhandlung Morisaki" eine schöne Geschichte für alle Buchliebhaber.

3,5/5 Sternen

Bewertung vom 29.01.2025
Woman in Cabin 10
Ware, Ruth

Woman in Cabin 10


sehr gut

Lo Blacklock arbeitet für ein Reisemagazin und soll an Stelle ihrer Chefin an der Jungfernfahrt eines exklusiven Luxuskreuzfahrtschiffes teilnehmen. Wenige Tage zuvor wird jedoch bei ihr zu Hause eingebrochen und sie kommt mit dem Schrecken davon - sie kam nicht zu Schaden, war aber in der Wohnung als es passiert ist. Sie betritt das Schiff somit mit gemischten Gefühlen. Unter den Passagieren sind einige Journalisten und auch der Eigentümer und seine Frau selbst. In der ersten Nacht hört Lo, wie etwas ins Wasser geworfen wird - oder jemand, es muss etwas Schweres wie ein menschlicher Körper gewesen sein. Die Kabine neben ihr, von der aus sie das Geräusch hört hat, ist allerdings leer. Beim Einchecken hatte sie jedoch noch eine junge Frau gesehen, auf deren Dasein nun nichts mehr hindeutet. Wurde sie über Bord geworfen? Sie informiert das Schiffspersonal, doch niemand glaubt ihr und der Albtraum beginnt.

Dies ist mein erster Roman von Ruth Ware, aber sicher nicht der Letzte trotz ein paar Schwächen. Der Anfang zieht den Leser direkt ins Geschehen als man live miterlebt wie bei Lo eingebrochen wird. Die Panik wird sehr gut deutlich und man merkt direkt, dass etwas nicht stimmt, gerade so wenige Tage vor der Schiffsfahrt. Auch auf dem Schiff stimmen einige Dinge nicht und beim Lesen wird einem bereits mulmig zumute. Ruth Ware erzeugt hier eine beklemmende Stimmung, die vom fesselnden Erzählstil unterstrichen wird. Die erste Hälfte hat mich komplett überzeugt und ich musste weiter lesen, weil die Geschichte eine unglaubliche Sogwirkung entwickelt.
Dann jedoch lassen die Handlung und Spannung nach und die Geschichte entwickelt sich für mich zunehmend unrealistischer und vorhersehbarer. Auch das Ende konnte mich dann nicht mehr wirklich überzeugen.

Trotz allem hat Ruth Ware einen tollen Thriller geschrieben, der in einem tollen, aber auch beklemmenden Setting spielt. Ich empfehle das Buch trotzdem gerne für Thrillerfans.

3,5/5 Sternen

Bewertung vom 27.01.2025
Das Leben ist eins der Härtesten
Becker, Giulia

Das Leben ist eins der Härtesten


sehr gut

Es geht um vier sehr unterschiedliche Charaktere, die alle eins gemeinsam haben: sie haben Probleme. Silke kämpft mir ihrem Ex-Mann, der aus der Versenkung wieder auftaucht. Willy-Martin hat eine scheinbar tolle Frau kennengelernt, muss sich aber nun mit einem sabbernden Hund herum ärgern. Renates Hund Mandarine-Schatzi ist in einer Punica-Flasche gestorben und sie tröstet sich nun mit Teleshopping-Einkäufen. Und Frau Goebel sieht sich mit ihrem immer näher rückenden Tod konfrontiert. Die vier kennen sich mehr oder weniger gut, aber sie beschließen, den Problemen für ein paar Tage zu entfliehen und fahren ins "Tropical Islands", einer Hotelanlage ähnlich den "Center Parcs". Aber auch dort machen die Probleme nicht halt und der Zusammenhalt des ungewöhnlichen Vierergespann wird mehr als ein Mal auf die Probe gestellt.

Ich hatte zuvor den neuesten Roman "Wenn ich nicht Urlaub mache, macht es jemand anderes" von Giulia Becker gelesen und war sehr begeistert, weswegen ich auch den Debütroman von ihr lesen wollte. Das Cover finde ich fast schon unscheinbar und wenig aussagekräftig, es passt aber nach dem Lesen insgesamt zur Geschichte.
Die vier Hauptpersonen werden allesamt sehr überspitzt dargestellt, an manchen Stellen war es mir ab und zu ein wenig zu viel des Guten, z.B. Willy-Martins Niesattacken. Trotzdem kommt im Roman auch immer wieder Kritik an unserer Gesellschaft vor, vor allem das Thema Einsamkeit wird gut integriert und auf eine humorvolle Erzählweise eingebunden. Auch "Gadget-Stefan" repräsentiert sehr gut einen Teil unserer Gesellschaft: immer mehr zu wollen, andere zu beeindrucken und sich an materiellen Dingen zu messen. Die Geschichte zeigt auf, was am Ende für uns alle zählt: Freundschaft und Zusammenhalt, so unterschiedlich auch jeder mit seinen Eigenheiten und Macken sein mag.

Mir hat der Roman sehr gut gefallen mit ein paar wenigen Schwächen, er eignet sich sehr gut zum Zwischendurch-Lesen, man muss oft laut auflachen beim Lesen und trotzdem kommt auch die Gesellschaftskritik nicht zu kurz.

Bewertung vom 23.01.2025
Der ehrliche Finder
Spit, Lize

Der ehrliche Finder


sehr gut

Jimmy ist ein elfjähriger Junge, der gemeinsam mit seiner Mutter in Bovenmeer wohnt. Vor einem Jahr zog Tristan mit seiner Familie in die Stadt, die vor dem Krieg im Kosovo durch ganz Europa auf der Flucht war. Jimmy ist ein intelligentes Kind, das aber eher ein Außenseiter ist. Daher macht er sich zur Aufgabe, Jimmy Niederländisch beizubringen und sein bester Freund zu werden. Jimmy sammelt außerdem leidenschaftlich gerne Flippo-Kärtchen, die Chipstüten beiliegen. Als Tristans Familie die Abschiebung droht, schmieden Tristan und seine ältere Schwester einen gefährlichen Plan und brauchen dafür Jimmys Hilfe.

Ich hatte zuvor noch nichts von Lize Seit gelesen, aber das Cover sowie der Klappentext haben mich direkt angesprochen. Das Buch ist nicht allzu dick, aber der Autorin gelingt trotz der Kürze eine spannende und kindgerechte Geschichte über Freundschaft und deren Grenzen, auch die Themen Krieg und fremd sein in einem neuen Land werden thematisiert.
Das Buch beruht auf wahren Begebenheiten und das macht es nochmal spannender und nahbarer. Jimmy wächst einem sofort ans Herz, bereits auf den ersten Seiten erfährt man Einiges über sein Sammelfieber der Flippo-Kärtchen, akribisch reinigt, sortiert und katalogisiert er die Kärtchen und arbeitet bereits an einem zweiten Album für Tristan. Jimmy ist ein typisches Außenseiterkind, das ein großes Herz besetzt und seine Umgebung genau und aufgeweckt wahrnimmt. Man verfolgt die Freundschaft von ihm und Tristan, an einigen Stellen dachte ich jedoch auch, dass Jimmy immer etwas mehr in die Freundschaft investiert. Tristan hat eben auch viele andere Probleme in seinem noch jungen Leben: Schüchternheit, weil er die Sprache anfangs noch nicht gut beherrscht, Angst vor einer Abschiebung und seinen Platz in einer Großfamilie zu finden.

Das Buch beginnt ruhig und unspektakulär, im Verlauf baut sich ein Spannungsbogen auf, dessen Ende mich nur teilweise überzeugen konnte. Es hat mich ratlos und nachdenklich zurück gelassen, was von der Autorin wahrscheinlich so gewollt ist. Da Jimmy aus seiner Sicht erzählt, verfolgt man das Geschehen aus seiner kindlich-naiven Sicht, was ich passend für die Zielgruppe ab 14 Jahren finde.
Ich finde das Buch sehr lesenswert, weil es auf wenigen Seiten viel für eine kindgerechte Geschichte bietet, aber trotzdem hat mir beim Lesen die Bindung vor allem zu Tristan und seiner Familie etwas gefehlt, was auch an der Kürze der Geschichte liegen kann. Auch als Schullektüre kann ich mir das Buch gut vorstellen, da es viel Diskussionspotenzial bietet und aktueller ist denn je.

Bewertung vom 22.01.2025
Hey guten Morgen, wie geht es dir?
Hefter, Martina

Hey guten Morgen, wie geht es dir?


sehr gut

Juno ist Performance-Künstlerin und lebt mit ihrem Ehemann Jupiter in Leipzig. Jupiter ist schwer krank, sitzt im Rollstuhl und verbringt seine Tage komplett zu Hause. Er kann sich kaum mehr als ein paar Schritte mit dem Rollator durch die enge Altbauwohnung bewegen. Juno schafft den Spagat zwischen der Krankheit ihres Mannes, Geldsorgen, ausbleibenden Jobangeboten und Einsamkeit meist recht gut, nur nachts fühlt sie sich oft allein. Deshalb flüchtet sie sich, sobald Jupiter schläft, in die Welt der Online-Love-Scammer - Männer aus ärmeren Ländern, die mit falschen Fotos vorwiegend ältere Frauen anschreiben um an Geld zu kommen. Juno weiß um diese ausgeklügelten Betrügereien, schreibt mit den Scammern und kann in den Chats sein, wer immer sie möchte- mal verheiratet, mal jünger, mal Partymaus. Eines Tages schreibt sie Benu aus Nigeria an. Schnell enttarnt sie ihn als Scanner, aber anders als die anderen wendet er sich nicht ab, sondern schreibt weiter mit ihr, nun mit wahrer Identität. Er schenkt ihr ein wenig Hoffnung in ihrem trüben Alltag. Auch hier erfindet sie ein neues Leben, sie ahnt aber, dass sie selbst vor der Realität fliehen möchte.

Nach Bekanntwerden des Gewinners des Deutschen Buchpreises 2024 war ich sehr gespannt auf den Roman. Bereits das Cover ist sehr gut und ungewöhnlich gestaltet. Es spiegelt mit den Abbildungen der Götter Juno und Jupiter perfekt den mythologischen Bezug der Namen wider, im Gegensatz dazu steht die plakative gelbe Schrift.
Die Personen im Roman tragen alle Namen der griechischen Mythologie, die ihre Eigenschaften gut wiedergeben: Juno als Göttin der Ehe und Fürsorge, Jupiter als den größten Planeten des Sonnensystems und viele mehr. Dieser Bezug hat mir sehr gut gefallen.
Martina Hefter zeichnet Juno sehr gut als fürsorgende Ehefrau, die den Alltag vermeintlich perfekt im Griff hat. Wir erfahren aber auch von ihrer Einsamkeit, ihrer Angst vor der Zukunft und Jupiter zu verlieren. Die Ausgangslage bietet viel Potenzial für einen tollen Roman, trotzdem lässt die Geschichte nach einem tollen Start für mich etwas nach. An manchen Stellen hat mir schlicht die Handlung gefehlt. Die Aneinanderreihung von Tagen spiegelt zwar perfekt die Leere und Eintönigkeit in Junos Leben wider, aber es fehlte mir manchmal an Spannung.
Die Dialoge zwischen Juno und Benu haben mir dafür sehr gut gefallen, Juno schreibt hier mit viel Witz und Schlagfertigkeit. Auch die Alltagsroutinen Junos, allen voran das Einkaufen, zeigen diese Leere.
Der Erzählstil ist leicht und gut verständlich, man findet sich gut in die Geschichte hinein. Auch als Theaterstück kann ich mir das Buch gut vorstellen, es bietet viel Aktionspotenzial für die Schauspieler und das Bühnenbild.

Für mich hat der Roman den Deutschen Buchpreis insgesamt teilweise zu Recht bekommen, allerdings fehlt mir die Spannung und Handlung, vieles bleibt offen und der Roman tritt ab der Hälfte auf der Stelle. Mit den Bezügen zu Geschichte und Mythologie müsste man sich wahrscheinlich nochmal intensiver befassen, vieles wird dann wahrscheinlich mehr Sinn ergeben und man kann tiefer in die Geschichte eintauchen. Von mir gibt es trotzdem eine Empfehlung für eine stille Geschichte, die ihren Zauber für mich allerdings nicht komplett entfalten konnte.

3,5/5 Sternen

Bewertung vom 21.01.2025
Das Loch
Oyamada, Hiroko

Das Loch


sehr gut

Asahi und ihr Mann leben in der Stadt, wo beide auch arbeiten. Zu Beginn der Geschichte wird der Mann jedoch versetzt und es bietet sich an, in sein Geburtsdorf zu ziehen. Dort wohnen auch Asahis Schwiegereltern und sie bieten dem jungen Paar an, in das Haus nebenan zu ziehen. Beide willigen ein, auch wenn Asahi ihren Job in der Stadt aufgeben muss. Ihre Kollegin beneidet sie um das neue Leben als Hausfrau, Asahi ist einerseits froh, dem schlecht bezahlten Teilzeitjob zu entfliehen, andererseits fehlt ihr auch die Arbeit und eine Aufgabe. Die Hausarbeit füllt sie nicht aus, ihr Mann kommt meist nach Mitternacht nach Hause. Sie beginnt, sich die Umgebung anzusehen und bemerkt dort eines Tages ein seltsames Tier, dem sie folgt. Sie fällt bei dieser Suche in ein Loch, aus dem sie nicht mehr alleine heraus kommt. Zum Glück kommt eine Nachbarin vorbei und hilft ihr heraus. Ab diesem Tag passieren allerdings immer mehr seltsame Dinge sowohl in Asahis Leben als auch in ihrer Umgebung...

Das Cover hat mich direkt zum Buch gezogen und auch der Klappentext verspricht Einiges. Ich habe bereits mehrere Bücher von japanischen Schriftsteller/innen gelesen und war gespannt auf die Autorin, die ich zuvor noch nicht kannte. Ich gehe allerdings etwas enttäuscht aus der Geschichte raus.
Der Erzählstil ist nüchtern, es wird aus der Ich-Perspektive Asahis erzählt. Sie reiht die Ereignisse aneinander, was einerseits gut die Eintönigkeit und Langeweile in ihrem Leben widerspiegelt, anderseits auch keine Spannung erzeugt, sodass ich mich beim Lesen dabei ertappt habe, abzuschweifen. Die Ausgangslage ist vielversprechend und es werden auch gut das Rollenbild und die Erwartungen in Japan an eine Frau eingebunden: die Frau folgt dem Mann, sie soll sich nicht auflehnen und ihre Hausarbeit erledigen. Asahi schafft es nicht, daraus auszubrechen oder sich mit der Situation zu arrangieren. Vielmehr flüchtet sie sich in eine Fantasiewelt und als Leser verfolgt man die Ausmaße, die diese Welt in ihrem Leben annimmt.
Das Buch spielt zwischen Realität und Fantasie, Traum und Wirklichkeit. Stets schwingt auch eine Unheimlichkeit und Gefahr mit beim Lesen. Ich habe jedoch schlecht in die Geschichte hineinfinden können, mich hat die Geschichte nicht wirklich abgeholt.

Das Buch regt zum Nachdenken an, es bleiben aber auch viele Fragen offen. Es hätte auch noch etwas ausführlicher sein können, auf den knapp 120 Seiten bleibt für mich vieles auf der Strecke. Das Buch ist nichts für die breite Masse, wer aber japanische Autor/innen schätzt und Geschichten zwischen Traum und Wirklichkeit mag, ist mit "Das Loch" sicherlich gut bedient.

3,5/5 Sternen

Bewertung vom 20.01.2025
Die Nacht der Bärin
Mohn, Kira

Die Nacht der Bärin


ausgezeichnet

Jule flüchtet zu ihren Eltern, nachdem sie sich heftig mit ihrem Freund gestritten hat. Sie sucht Abstand zu ihm und hofft, bei ihren Eltern die Ruhe und Zeit zu bekommen, die sie gerade braucht. Als eine Nachricht vom Tod Jules Großmutter mütterlicherseits eintrifft, wundert sie sich, denn sie hat nie Kontakt zur Großmutter gehabt. Auch ihre eigene Mutter Anna hat sie nie erwähnt. Die beiden machen sich auf, das Haus der Großmutter auszuräumen. Dabei entdecket Jule Familiengeheimnisse, die ihre Mutter lieber in der Vergangenheit lassen würde und die trotzdem bis in die Gegenwart reichen.

Ich hatte von Kira Mohn zuvor noch nichts gelesen, aber da das Cover so grandios gestaltet ist und der Klappentext bereits viel verspricht, habe ich gerne zu dem Buch gegriffen. Trotzdem hatte ich mir vom Klappentext her etwas anderes unter der Geschichte vorgestellt; einen typischen Roman mit Familiengeheimnissen - ich wurde jedoch mehr als positiv überrascht!
Die Geschichte wird in abwechselnden Kapiteln von Gegenwart und Vergangenheit erzählt. Zunächst lernt man Jule besser kennen, die vor ihrem Partner "flüchtet", weil er gewalttätig geworden ist. Sie ist hin und her gerissen ob sie seinen Beteuerungen und Entschuldigungen, es käme nie wieder vor, Glauben schenken kann. Sie ist zu aufgewühlt und verwirrt, als dass sie weiter machen kann wie bisher.
Kira Mohn erzählt schonungslos und trotzdem emphatisch von dem wichtigen Thema der häuslichen Gewalt - sowohl in der Gegenwart als auch in der Vergangenheit vor dreißig Jahren. Es gelingt ihr unglaublich gut, die Zerrissenheit Jules darzustellen und gleichzeitig auch die Isolierung, die häusliche Gewalt auslöst, in der Vergangenheit dazustellen. Man ahnt von Anfang an, dass etwas Schreckliches passiert sein muss, sowohl bei Jule als auch ihrer Mutter Anna und deren Schwester Maja. Mit viel Gefühl beschreibt die Autorin die "Hölle", in der Anna und Maja als Kinder aufgewachsen sind. Es hat mir fast das Herz zerrissen, wie Maja sich mit ihren damals zwölf Jahren in eine Fantasiewelt voller Elfen flüchtet um dem Grauen zu Hause zu entgehen. Stets herrscht eine bedrohliche Atmosphäre und man fürchtet sich selbst, was als Nächstes passieren wird. Ich war entsetzt über die Ausmaße, die deutlich werden und was häusliche Gewalt bei den Opfern anrichtet. Genau deshalb ist es so wichtig, auf dieses Thema aufmerksam zu machen - damals wie heute passiert häusliche Gewalt hinter verschlossenen Türen und die Opfer trauen sich selbst nicht, zur Polizei zu gehen und sind sich oft zu spät bewusst, dass sie aus diesem Teufelskreis nicht mehr ausbrechen können.
Beim Nachwort der Autorin sind mir fast die Tränen gekommen. Man merkt beim Lesen, dass sie eine sehr persönliche Geschichte geschrieben hat und auf dieses wichtige Thema aufmerksam machen möchte. Vor allem aber, nicht wegzuschauen und sich Hilfe zu suchen bevor es zu spät ist.

Von mir gibt es eine unbedingte Leseempfehlung für ein so wichtiges und leider immer noch sehr aktuelles Thema, das hör beschrieben wird. Auch wenn das Buch oft nicht leicht zu lesen ist und einiger Triggerwarnungen bedarf - es lohnt sich!

Bewertung vom 17.01.2025
Mein Mann
Ventura, Maud

Mein Mann


ausgezeichnet

Die Protagonistin hat alles um glücklich zu sein: einen Mann, mit dem sie seit fünfzehn Jahren verheiratet ist, zwei wohlerzogene Kinder, ein schönes Haus und einen Teilzeitjob als Lehrerin. Doch sie ist unzufrieden. Sie glaubt, dass ihr Mann sie nicht genug liebt und beginnt immer mehr an seiner Liebe zu ihr zu zweifeln. Ihre Gedanken und Handlungen drehen sich immer mehr um ihren Mann und sie entwickelt eine fast schon krankhafte Intensität, mit der sie ihm beweisen möchte, wie sehr sie ihn liebt. Am Ende greift sie zu radikalen Mitteln um ihren Mann auf die Probe zu stellen.

Das Cover finde ich sehr gut gearbeitet, ich bin ein Fan von gemalten Portraits auf Covern.
Die Protagonistin sowie die gesamte Familie bleiben namenlos, lediglich die Namen der Nebenfiguren wie Freunde und Arbeitskollegen werden genannt. Sie beschreibt eine typische Woche unterteilt in die einzelnen Tage. Jedem Tag weist sie eine Farbe sowie Eigenschaften zu, die für sie die Stimmung und Ereignisse an diesen Tagen kennzeichnen.
Zunächst braucht es etwas um in die Geschichte hineinzufinden, aber man gewöhnt sich schnell an der sehr gut gestalteten Erzählstil. Am Anfang wirkt ihr ganzes Verhalten noch "normal", an manchen Stellen übertrieben, aber durchaus hinnehmbar. Im Verlauf der Geschichte wird jedoch ihre Obsession und ihr krankhafter Zwang, immer noch perfekter sein zu wollen, immer deutlicher. Ihre Gedanken kreisen nicht nur den ganzen (!) Tag um ihren Mann sondern sie vergleicht sich auch stets mit anderen: mit ihrer Freundin, bei der sie sich selbst äußerlich klar im Vorteil sieht, aber auch die Ehe der Freundin wird mit ihrer eigenen verglichen.
An vielen Stellen im Buch konnte ich nur mit dem Kopf schütteln, weil die Protagonistin mir immer fremder wurde. Ich habe mich auch immer wieder ertappt, wie ich versucht habe herauszufinden, welche Störungen bzw. psychische Krankheiten bei ihr diagnostiziert werden könnten. Oft war es aber auch schlichtweg lustig beim Lesen, z.B. wie sie sich auf dem Sofa hinsetzen soll, wenn ihr Mann nach Hause kommt.

Das Buch ist kontrovers, beim Lesen habe ich immer wieder geschwankt zwischen Mitleid und Unverständnis, es geht aber zu jeder Zeit eine unglaubliche Sogwirkung von der Geschichte aus. Man kann ihr Verhalten absolut nicht nachvollziehen, aber man ist auch gleichsam fasziniert und angezogen von dieser Frau. Durch ihre subjektive Erzählweise bleibt mir der Mann, um den sich ja eigentlich alles dreht, stets unnahbar.
Die Gesellschaftskritik, die das Buch vermittelt, wird hier hervorragend und überspitzt dargestellt: die Nachteile einer konservativen Ehe, die Abhängigkeiten darin und Manipulation. Auch das Ende konnte mich überzeugen, da es so ganz anders ausgeht als ich gedacht hätte.

Von mir gibt es eine klare Empfehlung für das Buch, ich kann mir das Buch auch sehr gut zum Lesen in einem Buchclub vorstellen, weil es viel Diskussionspotenzial bietet.

Bewertung vom 16.01.2025
Aus Sternen und Staub
Klune, T. J.

Aus Sternen und Staub


ausgezeichnet

Nate Cartwright flüchtet sich in eine Hütte in Roselend, Orlando, die er von seinen Eltern geerbt hat. Er hat niemanden mehr in seinem Leben und weiß nicht weiter. Seine Eltern sind tot, sein Bruder möchte nichts mit ihm zu tun haben und er hat seinen Job als Journalist verloren. Er entschließt sich, eine Auszeit zu nehmen und in der Hütte, die abgelegen vom nächsten Dorf liegt, in Ruhe zu überlegen, wie es weiter gehen soll. Er war ewig nicht dort, nach seinem Coming-Out haben seine Eltern ihn verstoßen. Die Hütte müsste demnach schon länger verlassen sein, doch als er dort ankommt, trifft er auf einen Mann, Alex, und ein kleines Mädchen, das sich Artemis Darth Vader nennt. Die beiden verstecken sich dort und nach und nach kommt heraus, warum die beiden auf der Flucht sind. Die Geschichte klingt so unglaublich, dass sie sich kein Mensch ausdenken könnte. Als es gefährlich für alle drei wird, entscheidet sich Nate kurzerhand mit den beiden zu fliehen. Er muss sich entscheiden: will er in sein altes und kaputtes Leben zurück oder lässt er sich auf ein verrücktes Abenteuer ein?

Von T. J. Klune hatte ich bereits "Mr. Parnassus' Heim für magisch Begabte" gelesen und war restlos begeistert. Und auch bei diesem Buch wurde ich nicht enttäuscht. Das Cover ist typisch für den Autor und wirkt harmonisch mit seinen zueinander passenden Farben.

Der Einstieg in die Geschichte fällt leicht, man begleitet Nate auf der Autofahrt zur Hütte. Am Anfang konnte man ihn als Charakter noch nicht wirklich greifen und er war weder sympathisch noch unsympathisch. Im Verlauf der Geschichte taut er jedoch auf, man erfährt von den Ereignissen in seinem Leben, die ihn negativ geprägt haben. Immer mehr lernt er, Vertrauen aufzubauen und Nähe zuzulassen.
Zunächst plätschert die Geschichte vor sich hin, gerade der Anfang erscheint langatmig. Nach knapp hundert Seiten allerdings wird es immer spannender und die Geschichte nimmt, typisch für den Autoren, immer mehr an Fahrt auf. Gerade Artemis Darth Vader ist so ein faszinierender Charakter, dass man weiter lesen muss, was es mit ihr auf sich hat. Die Geschichte, die Alex und sie Nate erzählen, klingt zu unglaublich um wahr sein zu können. Man begleitet die drei auf ihrer Flucht und je kurioser die Geschichte wird, desto mehr MUSS man einfach weiter lesen. Das Ende hat mich demnach auch voll begeistert und ich bin froh, auch in diesem Roman ein so tolles und wunderbares Buch gefunden zu haben. T. J. Klune greift auch hier erneut das wichtige Thema der Queerness auf und verarbeitet es wie selbstverständlich in seinem Roman.

Von mir gibt es eine große Empfehlung für dieses wunderbare Buch! 4,5/5 Sternen

Bewertung vom 14.01.2025
Notiz an mich: Alles wird gut
Steindor, Sabine

Notiz an mich: Alles wird gut


ausgezeichnet

Sabine Steindor hat mit "Notiz an mich: Alles wird gut" einen wunderbaren und sehr persönlichen Ratgeber geschrieben, der viel mehr ist als ein reines Sachbuch.

Bereits das Cover zieht den Blick auf sich und wirkt harmonisch und elegant. Auch der Titel ist persönlich und spricht den Leser sofort an mit seiner Prägnanz.
Die Autorin beschreibt in verschiedenen Kapiteln, was zur Überforderung im Leben führen kann, wie man dies erkennt und vor allem, wie man sich selbst helfen kann, der Überforderung die Stirn zu bieten. Abgerundet wird jedes Kapitel mit Übungen, die jeder für sich ausprobieren und verinnerlichen kann Auch beim Lesen fallen die kleinen Blumenillustrationen und die toll gestalteten Bilder auf, die das Buch so ästhetisch und ruhig wirken lassen. Ein besonderes Highlight sind für mich die immer wieder eingestreuten "Reminder" und "Notizen an mich". Sie bringen liebevoll auf den Punkt, was man sich selbst immer wieder sagen kann und fördern so einen achtsameren Umgang mit sich selbst. Die Autorin geht auf verschiedene wichtige Themen ein und besonders gut finde ich die Einleitung und Aufforderung, zunächst eine "Bestandsaufnahme" zu machen, bevor man sich auf eine Lösung fokussiert.

Generell liest sich das Buch, als würde man sich mit einer guten Freundin über das Thema unterhalten und Sabine Steindor schreibt sehr persönlich von ihren Erfahrungen und hat damit meinen Respekt - man darf sich eben nicht verstecken sondern muss sein Leben in die Hand nehmen. Man merkt beim Lesen direkt, dass dieses Buch ein "Herzensprojekt" ist und die Autorin viel Recherche und Mühe in die Arbeit daran investiert hat. Durch die persönliche Ebene, in der sie den Leser anspricht, wird sich jeder an der ein oder anderen Stelle wieder finden können und etwas für sich mitnehmen können.
Ein Mini-Kritikpunkt sind für mich die Kapiteleinteilungen in der ersten Hälfte des Buches, hier hätte man eventuell etwas mehr zusammen fassen können. Dies tut dem Buch allerdings keinen Abbruch und ist Kritik auf hohem Niveau.

Man lässt sich mit dem Buch auf eine Reise zu sich selbst ein und Sabine Steindor bietet mit dem Buch den passenden Begleiter dafür an. Ich kann das Buch jedem empfehlen, der auch öfters Überforderung in seinem Leben spürt, egal in welcher Form. Auch als Geschenk kann ich mir das Buch, auch wegen der tollen Illustrationen, sehr gut vorstellen. Unbedingt lesen!