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Lillith
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Bewertung vom 30.09.2024
Frau Morgenstern und das Vermächtnis
Huwyler, Marcel

Frau Morgenstern und das Vermächtnis


ausgezeichnet

Der 6. Band der unvergleichlichen Reihe um die unvergleichliche Violetta Morgenstern

Frau Morgenstern im Alleingang...

Vorab: Man kann das Buch eventuell für sich allein lesen, jedoch würde ich dieses Mal allerdringendst empfehlen, die Vorgänger auch zu lesen, denn nie gab es mehr Rückverbindungen als dieses Mal! Selbst als eingefleischte Leserin der Reihe musste ich ein paar Mal scharf nachdenken und hatte ein „Achja!Erlebnis“ nach dem anderen. Auch wenn alles im Verlauf erklärt wird, so entgehen dem Neuleser doch viele Details. Aber wahrscheinlich wird sowieso fast jeder Leser, einmal angefixt, mehr von Frau Morgenstern lesen wollen und somit ist der Hinweis beinahe überflüssig...

Doch nun zum aktuellen Fall.
Zu den Hintergründen der Protagonisten erkläre ich hier nichts – dazu lest einfach Band 1-5.

Nachdem der letzte Band mit einem Cliffhanger endete, der sich gewaschen hatte, beginnt dieser Neue mit einem ebenso aufregendem Szenario.

Doch dann – Szenenwechsel: Frau Morgenstern und ihr auf mysteriöse, aber plausible Weise wiederbelebter platonischer Liebhaber Maurice sind nun auf Gozo, wo sie ihren Ruhestand genießen... und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie dort noch heute...
Wirklich?? Natürlich nicht.

Violetta leidet zunehmend unter den Zeichen des Alterns – wie etwa störrische Gesichtshaare und Hörgeräte, die allerdings manchmal auch von Nutzen sein können. Sie ist nicht unbedingt unglücklich, aber eine gewisse gepflegte Langeweile ist ihr anzumerken. Deshalb zögert sie nicht, als ihr ehemaliger Arbeitgeber in der Person ihres verhassten Ex-Chefs Meyer um ihre Hilfe bittet. Für Meyer allein hätte sie sich vielleicht nicht gleich auf den Weg gemacht – aber es betrifft Miguel. 
Dieser hat im Alleingang und ohne staatliche Legitimation gekillt, das geht natürlich gar nicht. Zudem verrät er mit keinem Sterbenswörtchen,was ihn zu der Tat getrieben hat und so ist es nur eine Frage der Zeit, dass er gemäß den Vorschriften des Ministeriums „Tell“ eliminiert werden wird.

Frau Morgenstern übernimmt nicht nur die Recherche sondern auch das panzerähnliche Fahrzeug von Miguel (köstliche Szenen!) und begibt sich im Alleingang auf die Suche nach Schluneggers Motiv. Dazwischen kämpft sie mit ihren üblichen Methoden darum, ihr altes Haus wiederzubekommen und hat mit ganz unüblichen Gefühlen zu tun, denn auch Gilbert taucht wieder auf.
Welche Lösung wird ihr wohl da einfallen, „torn between two lovers“ wie es in einem alten Song von 1976 heißt??

Zunächst musste ich mich erst einmal wieder einlesen, fand die überbordende Verwendung von Wortspielereien und Wortkreationen, für die ich die Serie so sehr liebe, dieses Mal fast ein wenig „drüber“ - aber ich war wohl nur entwöhnt, denn bald hatte er mich wieder gepackt, der Morgenstern-Virus, der dazu führt, dass man durch das Buch fliegt, sich einmal mehr wundert über die aberwitzigen Einfälle des Autors und sich eigentlich auf jeder Seite Worte anstreichen möchte, die es nicht gibt, die aber so wahnsinnig bildhaft sind und immer perfekt zur Handlung passen...zum Beispiel „sie zehenspitzelte“. Ich liebe diesen virtuosen Umgang mit der Sprache!!

Etwas gefehlt hat mir dieses Mal das Zusammenspiel der beiden so gegensätzlichen aber sich doch so nahestehenden Protagonisten, denn Miguel kommt umständehalber erst sehr spät ins Spiel.

Frau Morgenstern gelingt es natürlich schließlich und endlich doch, hinter die Gründe von Miguels scheinbar sinnlosem Mord zu kommen – schließlich kennt sie ihren Pappenheimer, äh, ihren Schlunegger, wie kein anderer Mensch.

Beim spannenden Show-Down arbeiten beide dann doch wieder zusammen.

Der Epilog lässt vermuten, dass es sich um den Abschluss der Reihe handelt. Das wäre einerseits sehr betrüblich, denn mir würden die verbalen Spitzfindigkeiten gepaart mit Schwyzer Begriffen zukünftig fehlen.
Andererseits könnte ich mit diesem Ende – sollte es denn eines ein- auch durchaus leben.
Im Gegensatz zum letzten Band kann man hier, nach atemlosem Lesen, einfach Durchschnaufen und sich freuen!

Mit leichten Abstrichen bin ich bei 4,5 *, was natürlich 5* ergibt.

Eine 100 % Leseempfehlung gebe ich dagegen für die gesamte Reihe. Wer Frau Morgenstern nicht kennt hat eine der besten Reihen verpennt, die es auf dem deutschsprachigen Markt für Freunde von skurrilen Geschichten mit viel Sprachwitz und schwarzem Humor gibt. Und sollte dies das Ende sein, so lese ich nächstes Jahr einfach wieder Band 1 – bin schließlich auch fast in Violettas Alter, da kann man bereits Gelesenes durchaus wieder neu entdecken!
Danke für die sechs Bände, Herr Huwyler!