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Benutzername: 
Shesgotthebook
Wohnort: 
München

Bewertungen

Insgesamt 3 Bewertungen
Bewertung vom 07.11.2022
Lügen über meine Mutter
Dröscher, Daniela

Lügen über meine Mutter


ausgezeichnet

Eines vorweg: Dieses Buch ist bis jetzt mein absolutes Jahreshighlight! Es macht wütend, es ekelt an, du willst es schütteln damit diese Geschichte aufhört und zugleich fesselt es dich so sehr, dass du es nicht aus der Hand legen kannst.
Wir befinden uns mitten in den 80er Jahren in einem "Kammerspiel namens Familie". Der Vater empfindet die Mutter als "zu" dick. Deshalb wird er in der Gesellschaft nicht geachtet, erst recht nicht befördert und was er nicht alles sein könnte, wenn sie endlich mal nicht mehr so dick wäre. Diese Autofiktion beinhaltet so viele Ungerechtigkeiten, dass man mit dem Aufzählen gar nicht mehr hinterherkommt. Körperliche Degradierung, Finanzielle Ausbeutung, ungleich verteilte (gelinde gesagt) Care-Arbeit, Objektifizierung der Frau, toxische Männlichkeit on point und und und. Es ist krass und kaum auszuhalten, dennoch nicht übertrieben geschrieben. Die Autorin schafft es diese Tragödie teilweise aus Sicht der 8-jährigen Tochter, teilweise aus der Perspektive des Erwachsenen-Ich perfekt zu inszenieren. So perfekt, dass man am Ende gar nicht mehr weiß, ob das jetzt ein autobiographischer oder ein fiktiver Teil der Geschichte ist, den man da gerade mit angehaltenem Atem gelesen hat.

"Lügen über meine Mutter" hat es vollkommen zurecht auf die Shortlist geschafft. Meiner persönlichen Meinung nach hat es so einen großen Erfolg, da diese Ungerechtigkeiten bei jedem von uns irgendwo ins Schwarze treffen. Nicht zuletzt deswegen ist ein viel zitiertes Zitat genau dieses hier: "In dem Kammerspiel mit Namen Familie wird das Kind nicht selten zum Blitzableiter der Kräfte, denen die Frau im Patriarchat unterworfen ist." Autsch. Das hat gesessen.

Bewertung vom 17.10.2022
Die Ewigkeit ist ein guter Ort
Noort, Tamar

Die Ewigkeit ist ein guter Ort


gut

Eine junge Frau glaubt an Gott. Allein diese Tatsache ist das Versprechen eine tolle Geschichte zu werden. Selbst wenn man nicht gläubig ist. Denn was bewegt einen Menschen heutzutage noch an Gott zu glauben? Die Protagonistin kann sich auf unerklärliche Weise eines Tages nicht mehr an die Worte des 'Vater Unsers' erinnern. Sie leidet unter "Gottesdemenz". Meiner Meinung nach ein wahnsinnig spannender Ansatz. Aber leider nimmt der Roman danach nicht mehr wirklich an Fahrt auf. Es geht zurück in die Heimat, ein Verstorbener wird betrauert, in der Beziehung kriselt es (natürlich, sonst wäre es ja nicht dramatisch genug) und zu allem Überdruss geht es sehr viel um MotorradsteilwandfahrerInnen und einen Vogel. Für meinen Geschmack viel zu viel in ein Buch gepackt. Dabei kann die Autorin gut mit Sprache umgehen. Sie besitzt Wortwitz und gutes Timing, aber der Inhalt wirkt manchmal etwas deplatziert. Schade! Denn nach der Leseprobe war ich äußerst angetan!

Bewertung vom 14.10.2022
Eine Feder auf dem Atem Gottes
Nunez, Sigrid

Eine Feder auf dem Atem Gottes


ausgezeichnet

Sigrid Nunez Werke schlummern schon seit einiger Zeit in meinem Bücherregal. Umso mehr habe ich mich auf Ihr Erstlingswerk "Eine Feder auf dem Atem Gottes" gefreut. Und was soll ich sagen: Wow! Was für ein Debüt! Nunez beschreibt autobiographisch ihre Kindheit zwischen den Tumulten einer deutschen Mutter, die sich immer in ihre Heimat zurücksehnte und ihrem immer schweigsamen Vater. Faszinierend wie sie hier die Entwicklungen ihrer Eltern scharfsinnig beobachtet und noch klüger wiedergibt. Als kleines Mädchen flüchtet sie sich in die Welt des wundersamen Balletts und als großes Mädchen in die der Männer. Da ich selber als Kind getanzt habe, haben mich vor allen Dingen hier ihre Beschreibungen wahnsinnig berührt. Was diese Frau mit Sprache schaffen kann ist einfach nur bewundernswert. Klug, melancholisch und bestechend offen. Ich bin jetzt auf jeden Fall großer Nunez Fan!