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Benutzername: 
Ronya
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SH

Bewertungen

Insgesamt 14 Bewertungen
12
Bewertung vom 29.01.2024
Der Stich
Winter, Thilo

Der Stich


gut

Die Grundidee für dieses Buch fand ich ausgesprochen reizvoll, und auch dass Winter neben dem Thema der Genmanipulation weitere Themen wie Flucht oder den Umgang der Menschheit mit der Umwelt allgemein aufnimmt, habe ich als Pluspunkt empfunden.

Die Geschichte startet vielversprechend, man ist von Anfang an mitten im Geschehen, und es passiert ziemlich viel. Gleich zu Beginn wird eine Reihe von Figuren eingeführt, und es wird auch schnell deutlich, wo unsere Sympathien und Antipathien liegen sollen. Die gelungene Beschreibung der real existierenden Schauplätze lässt diese vor dem inneren Auge lebendig werden. Wissenschaftliche Hintergrundinfos sind geschickt in die Handlung eingewoben und – so weit ich das als Laie beurteilen kann – gut recherchiert. In einem mitreißenden Erzählstil baut Winter zügig einen Spannungsbogen auf und hält diesen zunächst gekonnt, was bei mir anfänglich zu der Bereitschaft führte, das ein oder andere Klischee, mit dem die Geschichte aufwartet, wohlwollend in Kauf zu nehmen.

Leider verliert sich dieser Spannungsbogen im weiteren Verlauf zuerst in immer abstruseren Handlungssträngen und verpufft schließlich in einer beinahe banalen Auflösung und einem im Zeitraffer erzählten Ende. Meine hiervon verursachte Enttäuschung konnte auch das lesenswerte und informative Nachwort nicht mehr wettmachen, so dass es insgesamt nur für eine mittelmäßige Bewertung reicht.

Bewertung vom 18.01.2024
Songs of Emerald Hills / Irland-Reihe Bd.1
Stehl, Anabelle

Songs of Emerald Hills / Irland-Reihe Bd.1


gut

Dieses Buch erzählt nicht nur eine Liebesgeschichte, es ist auch wie ein Liebesbrief an Irland. Die Beschreibung der grünen Insel macht Lust darauf, diese selbst einmal zu besuchen, und es sind einige interessante Informationen über das Land und seine Geschichte geschickt in die Erzählung hineingewoben. Man merkt, dass die Autorin hier ihre echte Begeisterung einfließen lässt.

Das ist ein echter Pluspunkt, und auch die Betrachtung des gesellschaftlichen Umgangs mit dem Thema Trauer hat mir gut gefallen. Meine Begeisterung über die Geschichte selbst fällt leider deutlich schwächer aus. Die Protagonisten Caroline und Connor, immerhin in ihren Zwanzigern, verhalten sich doch so einige Male eher wie Teenager. Wiederholt gibt es Kommentare zu ihrer Gefühlswelt, die wohl ihren Entwicklungsprozess verdeutlichen sollen, mich auf Dauer aber eher genervt haben - da hätte ich lieber noch etwas mehr über die eine oder andere Nebenfigur erfahren. Auch die mehrfache Beschreibung ihrer körperlichen Reaktionen aufeinander hätte ich persönlich nicht gebraucht; da ich jedoch weiß, dass das in diesem Genre momentan quasi Bedingung für eine Veröffentlichung ist, kann ich es der Autorin wohl nicht anlasten. Von einer Szene abgesehen ist der erotische Inhalt glücklicherweise recht knapp gehalten.

Absolut unverständlich ist mir allerdings der Patzer in Bezug auf Carolines Familienverhältnisse. Da wird an einer Stelle behauptet, sie habe keine Geschwister, obwohl sowohl in der Handlung vorher als auch hinterher mehr als einmal von ihrer Schwester Lena erzählt wird. Mir ist schleierhaft, wie das sowohl der Schriftstellerin passieren kann, welche die Figuren immerhin erdacht hat, als auch dann noch im Lektorat übersehen werden kann. Da hat die Aufmerksamkeit, die sich in Bezug auf das wunderbare Setting völlig gelohnt hat, wohl nicht mehr so ganz für die Charaktere und die Handlung gereicht.

Bewertung vom 16.01.2024
Stunde um Stunde
Fox, Candice

Stunde um Stunde


sehr gut

Vielschichtig und wendungsreich

Bei diesem Buch habe ich anhand der Inhaltsangabe mit Vielschichtigkeit gerechnet, schließlich wird dort schon erwähnt, dass neben dem Kriminalfall die Hintergründe der ermittelnden Personen eine Rolle spielen. Trotzdem hat mich die Fülle der Ereignisse in der Geschichte dann doch überrascht. Da wird in diverse menschliche Abgründe geblickt, und es mangelt nicht an Konflikten.

Die Charaktere sind überwiegend lebendig gezeichnet, wie im wirklichen Leben hat jeder von ihnen sein Päckchen zu tragen und wird davon beeinflusst. Mit der jungen gescheiterten Polizeianwärterin Lynette und dem deutlich älteren Undercover-Polizisten Charlie hat die Autorin ein interessantes Ermittlerduo geschaffen, und es deutet sich am Ende an, dass es weitere Fälle für die beiden geben könnte.

Die Geschichte wird wendungsreich erzählt, garniert mit reichlich Gewalt und derber Sprache. Das ist in manchen Szenen durchaus passend, insgesamt hätte beides meiner Ansicht nach aber um einiges sparsamer verwendet werden können. Die Handlung habe ich nicht immer als völlig plausibel empfunden, was mich im Gesamtzusammenhang aber nicht gestört hat. Mehr als einmal wurde ich völlig überrascht, vorhersehbar war für mich kaum etwas.

„Weniger ist mehr.“ ist hier auf jeden Fall nicht das Motto, die Story wäre durchaus auch ohne den einen oder anderen Nebenschauplatz ausgekommen. Aber ich bin trotzdem gut unterhalten worden, es gab in meinen Augen keine Längen, und ich würde einen Folgeband definitiv lesen.

Bewertung vom 07.01.2024
Die Postbotin
Schneefuß, Elke

Die Postbotin


gut

Nicht ganz rund

Berlin im März 1919. Der Krieg ist zuende, die überlebenden Männer kehren zurück und sollen mit Arbeit versorgt werden, unter anderem bei der Reichspost. Um dies zu ermöglichen, sollen die Frauen, welche in den Kriegsjahren den Betrieb als Aushilfen am Laufen gehalten haben, gekündigt werden. Die junge Regine ist eine von ihnen und möchte sich nicht damit abfinden. Ihre Freundin Evi muss derweil damit zurechtkommen, dass sie von ihrem Liebhaber abserviert wurde, ihr Bruder noch nicht aus dem Krieg heimgekehrt ist, obwohl sie überzeugt davon ist, dass er noch lebt, und ihre Eltern keine Stütze sind, um die Lasten des täglichen Lebens zu schultern.

Der Roman ist abwechselnd aus der Sicht von Regine, Evi und etwas seltener auch aus der von Evis Mutter Bernardine geschrieben. Der Fokus liegt auf den Bemühungen dieser drei Frauen, das Leben zu meistern, diese sind erzählerisch zwar in die politische Situation eingebunden, letztere bildet aber lediglich den Rahmen, nicht den Schwerpunkt.

Die Erzählung ist durchaus lesenswert und vermittelt einen glaubhaften Eindruck der Sorgen, Nöte und Hoffnungen der Menschen, insbesondere der Frauen, in der beschriebenen Zeit. Regines Geschichte hat mich dabei mit Abstand am meisten interessiert, während Bernardine mir eher auf die Nerven gegangen ist. Außerdem hatte ich hin und wieder den Eindruck, dass möglicherweise einige Textpassagen dem Lektorat zum Opfer gefallen sind, ohne dass die verbliebenen ausreichend angepasst wurden – da wird Bezug genommen auf Gespräche, die nicht (oder „offstage“) stattgefunden haben, Beziehungen verändern sich ohne nachvollziehbaren Grund, und Vermutungen tauchen quasi aus dem Nichts auf. Ein paar Seiten mehr hätten die Geschichte aus meiner Sicht „runder“ werden lassen können.

So bietet sie zwar durchaus unterhaltsamen Lesestoff, bleibt aber leider hinter den Erwartungen zurück, welche durch die Leseprobe bei mir geweckt wurden, und es reicht insgesamt nur für drei Sterne.

Bewertung vom 01.01.2024
Good Inside - Das Gute sehen
Kennedy, Becky

Good Inside - Das Gute sehen


sehr gut

Grob gesagt gliedert sich dieser Ratgeber in zwei Teile. Im ersten erläutert Dr. Kennedy zunächst die Prinzipien, die ihren Ansätzen zugrunde liegen. Von besonderer Bedeutung sind hierbei die Betrachtung aller Beteiligten als grundsätzlich gut, die Akzeptanz, dass mehrere unterschiedliche Wahrheiten nebeneinander bestehen können und das Verständnis von Verhaltensweisen als Symptome der zugrundeliegenden Gefühle.

Im zweiten Teil werden diverse Situationen aus dem Erziehungsalltag anhand dieser Prinzipien betrachtet und Handlungsmöglichkeiten unterbreitet.

Auch wenn für mich viele der hier als innovativ angepriesenen Ansätze nicht grundlegend neu waren, empfand ich es doch als hilfreich, sie mir in kompakter Form ins Gedächtnis rufen zu lassen. Manchmal profitiert man eben auch davon, an Dinge erinnert zu werden, die man eigentlich schon weiß. Und gerade die Sichtweise, dass es nicht primär um das Verhalten, sondern die dahinterstehenden Gefühle geht, ist in meinen Augen gesamtgesellschaftlich betrachtet durchaus noch nicht der Regelfall.

Die Beschäftigung mit verschiedenen Situationen im zweiten Teil ist klar und übersichtlich strukturiert. Es werden jeweils unterschiedliche Vorschläge gemacht, von denen ich den ein oder anderen sicher ausprobieren werde für die Bereiche, die unsere Familie betreffen. Hier habe ich die Reaktionen der Kinder in den Fallbeispielen aber doch einige Male als zu einfach empfunden.

Insgesamt sind die Werbeversprechen, dass hier etwas völlig Neues präsentiert würde, in meinen Augen ziemlich dick aufgetragen. Dennoch finde ich die Kombination aus Vermittlung der Grundlagen und einem „Katalog“ von Handlungsvorschlägen durchaus gelungen und denke, dass viele Erziehende von der Lektüre profitieren können.

Bewertung vom 18.12.2023
Der Achte Tag
Salerni, Dianne K.

Der Achte Tag


sehr gut

Rund um seinen 13. Geburtstag wird Jax' Leben völlig auf den Kopf gestellt. Gerade erst hat er seinen Vater verloren und musste gegen seinen Willen zu dem nur wenige Jahre älteren Riley ziehen, der ein Fremder für ihn ist, und nun erfährt er auch noch, dass er ein „Wechsler“ ist, ein Mensch, der einen zusätzlichen achten Tag erlebt. Außerdem gibt es neben den „Normalen“, die in der bekannten Sieben-Tage-Woche leben, auch noch Personen, die nur am achten Tag existieren. Eine solche ist Evangeline, das Mädchen im Nachbarhaus. Zusätzliche Details und Informationen bekommt Jax erst nach und nach, und schon bald steckt er mitten in einem gefährlichen Abenteuer, das er nur bruchstückhaft überblickt …

Ich bin erstaunt, dass die englische Originalversion dieses Romans bereits seit fast 10 Jahren existiert und die Geschichte erst jetzt für den deutschsprachigen Markt entdeckt wurde. Umso besser, dass es endlich dazu gekommen ist.

Es wird überwiegend aus der Sicht von Jax erzählt, zum Teil aber auch aus der von Evangeline. Dadurch tappt man als Leser*in die meiste Zeit mit Jax im Dunkeln, lernt gemeinam mit ihm dazu und sieht auch die anderen Charaktere überwiegend aus seiner Perspektive. Er ist eine liebenswerte Figur, manchmal sehr reif für sein Alter, manchmal erstaunlich naiv.

Die Handlung verbindet unsere realistische Gegenwart mit fantastischen Elementen, die von der Artussage inspiriert sind. Gelegentlich hatte ich den Eindruck, dass ich der Geschichte besser folgen könnte, wenn ich vertrauter mit der Sage wäre, wirklich notwendig war das aber nicht. Einige altmodische Komponenten fand ich im modernen Kontext nur bedingt plausibel und gerade zum Höhepunkt hin waren die fantastischen Elemente für meinen Geschmack etwas dick aufgetragen. Insgesamt hat das dem Lesegenuss jedoch nicht geschadet.

Es ist keine fröhliche Geschichte, was angesichts des Settings nicht weiter überrascht. Während es anfangs jedoch durchaus humorvolle Passagen gibt, wird die Stimmung im weiteren Verlauf immer ernster und bedrohlicher. Da es sich um den ersten Teil einer Trilogie handelt, bleiben am Ende natürlich Fragen offen, es gibt aber erfreulicherweise keinen klassischen Cliffhanger. Ich freue mich auf die nächsten Bände im kommenden Jahr.

Bewertung vom 13.12.2023
Die Zuckerbäckerin von Cold Creek Valley / Cold Creek Valley Bd.2
Jones, Mona

Die Zuckerbäckerin von Cold Creek Valley / Cold Creek Valley Bd.2


gut

Bei diesem Buch handelt es sich um einen zweiten Band, der jedoch auch gut gelesen werden kann, wenn man den ersten nicht kennt. Hier wird die Geschichte von Chiara und Gabriel weitererzählt, die sich im ersten Roman kennen und lieben gelernt haben. Chiara ist von Hamburg in Gabriels Heimat Cold Creek Valley gezogen, wo sie eine Wohnung auf dem Hof seiner Eltern bewohnen und als Aushilfe in einer Bäckerei bzw. als Arzt arbeiten.

Letztendlich geht es in der Geschichte einfach um eine Beziehung, die sich nach der ersten Hochphase im Stress des Alltags bewähren muss, eine Situation, die in jeder Partnerschaft irgendwann entsteht. Als erschwerende Faktoren kommen hier eine hohe Arbeitsbelastung bei beiden Beteiligten und Chiaras besondere Situation als Ausländerin und Neuzugang in einer bestehenden Gemeinschaft hinzu. Da das allein wohl nicht besonders ergiebig gewesen wäre, um eine Geschichte zu erzählen, gibt es zusätzlich noch ein paar Probleme, die durch Missverständnisse und mangelnde Kommunikation entstehen. Garniert wird dieser Mix mit Familienmitgliedern, deren wohlmeinende Aktionen nicht immer das gewünschte Ergebnis zeigen und Nebenfiguren mit weniger freundlichen Motiven.

Das alles ist schnell gelesen, ziemlich vorhersehbar und gewürzt mit Klischees wie etwa einer erstaunlich hohen Anzahl umwerfend gut aussehender Menschen, Frauen, die sich völlig offensichtlich an vergebene Männer heranmachen. Insgesamt ist das Geplänkel aber durchaus unterhaltsam, auch wenn mir insbesondere Chiaras Naivität und mangelnde Kommunikationsfähigkeit zwischendurch doch sehr auf die Nerven gegangen sind.

Wer richtig große Gefühle oder eine Story mit Tiefgang sucht, sollte sich anderen Titeln zuwenden, aber für eine leichte Liebesgeschichte mit Happy End ist man hier durchaus gut bedient.

Bewertung vom 13.12.2023
Kein guter Mann
Izquierdo, Andreas

Kein guter Mann


sehr gut

Ich hätte es ahnen können … Schon nach der Leseprobe war ich überrascht, da ich die gelesenen Seiten nicht recht mit dem Klappentext in Verbindung hatte bringen können. Da hatte ich aber noch die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass das Gelesene nur eine lange Einleitung zur tatsächlichen Erzählung war. Außerdem hatte mich der unterhaltsame Stil überzeugt, das Buch lesen zu wollen.

Das habe ich auch keineswegs bereut, ganz im Gegenteil, aber ich habe etwas völlig anderes erwartet. Versprochen hatte ich mir eine Geschichte, die sich vor allem um Ben und Walter und ihren Austausch dreht. Tatsächlich ist dieser Teil eher eine Art Rahmenhandlung, innerhalb der sich nach und nach Walters Vergangenheit entfaltet und Stück für Stück berichtet wird, wie er an den Punkt gekommen ist, an dem er heute ist. Auch seine gegenwärtige Situation nimmt mindestens ebenso viel Raum ein wie Bens.

Das alles liest sich leicht und flüssig, der humorvolle Unterton, der sich in der Absurdität der ersten Seiten noch findet, tritt jedoch mehr und mehr in den Hintergrund. Es geht um die Frage nach der Schuld, darum, was einen „guten Mann“ ausmacht, um gute Absichten, die nicht immer das gewünschte Ergebnis erzielen, um die zerstörerische Kraft von Gerüchten und davon, dass diesen oft vorschnell Glauben geschenkt wird, ...

Walter ist ein facettenreicher Protagonist, und durch die schrittweise Enthüllung seiner Geschichte hat sich mein Blick auf ihn immer mal wieder ein wenig verändert, auch wenn ich einzelne Verhaltensweisen bis zum Schluss nicht recht nachvollziehen konnte. Andere hingegen, die im ersten Moment vielleicht merkwürdig anmuteten, waren im Licht neuer Kenntnisse dann durchaus schlüssig.

Am Ende bleibe ich mit reichlich Stoff zum Nachdenken zurück und kann sagen: Wer einfach nur leichte Unterhaltung möchte, macht um dieses Buch besser einen Bogen. Auf der Suche nach einer guten Geschichte, die nachklingt, wird man hier jedoch fündig.

Bewertung vom 09.12.2023
The Beautiful Fall - Die vollkommen irritierende Kettenreaktion der Liebe
Breakey, Hugh

The Beautiful Fall - Die vollkommen irritierende Kettenreaktion der Liebe


gut

Die Idee einer Liebesgeschichte im Zusammenhang mit periodischer Amnesie kannte ich bereits aus zwei sehr unterschiedlichen Filmen, der romantischen Komödie „50 erste Dates“ und dem Liebesdrama „Remember Sunday“; die Thematik war also kein völliges Neuland. Da in beiden Filmen das Vergessen jedoch täglich eintritt und nicht wie im Roman erst nach mehreren Monaten, habe ich durchaus erwartet, dass die Geschichte anders sein würde – wie anders sie war, hat mich dann aber doch überrascht.

Die Leseprobe hatte mich sehr angesprochen. Der weitere Verlauf zog sich dann ein wenig durch Wiederholungen und einen sehr starken Fokus auf die Dominosteine. Das besserte sich, als Julie mehr Anteil an der Handlung bekam, und mit dem für mich völlig überraschenden Plottwist hätte es grandios werden können – wurde es aber leider nicht. Julie blieb mir seltsam fremd, was sich vielleicht dadurch erklären lässt, dass die Geschichte aus Roberts Perspektive erzählt wird. Aber auch Roberts Gedanken und Handlungen konnte ich an vielen Stellen bestenfalls im Kern nachvollziehen. Obwohl ich ihm als Erzähler ja quasi in den Kopf schauen konnte, kamen Umschwünge in seinen Ansichten für mich mehrfach völlig aus dem Nichts. Zum Ende hin zog es sich außerdem wieder ziemlich.

Letztendlich dreht sich der Roman in meinen Augen einerseits um die Frage, was einen Menschen zu dem macht, was er ist, andererseits darum, was jemand im Kampf um die Liebe bereit ist zu tun. Hierzu finden sich durchaus interessante Gedanken, zum Teil auch sprachlich sehr schön verpackt, aber insgesamt bleibt bei mir eine Unzufriedenheit damit zurück, wie die Charaktere diese Fragen für sich beantwortet haben, so dass mich die Geschichte leider nicht recht begeistern kann und es nur für eine mittlere Bewertung reicht.

Bewertung vom 05.12.2023
Das Gemälde
Brooks, Geraldine

Das Gemälde


sehr gut

1850 wird in Kentucky ein Hengstfohlen geboren, aus dem eines der bedeutendsten Rennpferde aller Zeiten werden wird. Der versklavte Junge Jarrett, der bei der Geburt anwesend ist, wird dieses Pferd sein ganzes Leben lang begleiten und Höhen und Tiefen mit ihm erleben. Mehrfach kreuzt sich der Weg der beiden mit dem des Malers Thomas J. Scott, der das Pferd wiederholt auf die Leinwand bringt.

Eines dieser Bilder wird 1954 der Kunsthändlerin Martha Jackson zum Kauf angeboten.

In 2019 schließlich trifft der Kunsthistoriker Theo zufällig auf eines der Gemälde und die Wissenschaftlerin Jess ähnlich zufällig auf das Skelett des Pferdes.

In diesem zeitlichen Gerüst webt die Autorin eine Geschichte, welche die des Rennpferdes ist und doch deutlich darüber hinausgeht. Es geht um Pferderennen, aber auch um Sklaverei, den Amerikanischen Bürgerkrieg und Rassismus in der heutigen Zeit. Geraldine Brooks hat bekannte Fakten genommen und diese gekonnt durch Fiktion ergänzt. In einem ausführlichen Nachwort mit Personenverzeichnis kann man bei Interesse erfahren, welche Elemente in welchen Bereich gehören.

Trotz der Vielzahl an Personen, über die sie erzählt, gelingt es der Autorin, diese zum Leben zu erwecken und herauszuarbeiten, was sie antreibt oder zurückhält. Dabei werden diverse Themen berührt, die zum Teil nicht unbedingt „massentauglich“ sind, aber ganz gleich, ob es um den Pferderennsport, die Kunst oder das Präparieren von Knochen ging, ich hatte immer das Gefühl, dass der Text nach gründlicher Recherche entstanden ist, ohne dass ich als Leserin ohne entsprechende Vorkenntnisse durch die Informationen erschlagen worden wäre.

Die Zeitsprünge werden gezielt eingesetzt und ergänzen sich, um die Geschichte nach und nach zu entfalten. Innerhalb der einzelnen Zeitebenen geschehen die Dinge weitgehend chronologisch, so dass der Wechsel zwischen den Jahrhunderten ohne große Verwirrung möglich ist.

Ich habe diesen nicht ganz dünnen Roman innerhalb einer knappen Woche gelesen, habe dazu gelernt, mich berühren und schockieren lassen und kann eine klare Leseempfehlung aussprechen für alle mit Interesse an Pferden, Geschichte, Politik oder schlicht und einfach guter Erzählkunst.

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