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Benutzername: 
Petra U.
Wohnort: 
Königswinter

Bewertungen

Insgesamt 2 Bewertungen
Bewertung vom 23.12.2022
Isengrim
Görg, Christoph

Isengrim


ausgezeichnet

Wie ermittelt man einen Mord im Mittelalter?

Das ist gar nicht so einfach. Fingerabdrücke: unbekannt, moderne Pathologiemethoden: Fehlanzeige, DNA Analyse: kein Denken dran.
Das alles ist aber kein Hindernis für den Zeitreisenden Niki Wolff. Der Abiturient aus unserer Zeit konnte schon in zwei Büchern (Troubadour und Reliquiae) sein Geschick unter Beweis stellen, sich in schwierigen Situationen zu behaupten. Die Freunde, die er im Laufe der Romane gewinnt, und auch seine Verlobte, die Bademagd Engeltrud, wissen nichts von seiner Herkunft und wundern sich nur manchmal über die merkwürdigen Dinge, die Niki von sich gibt. Seinen Lebensunterhalt verdient Niki als Troubadour, der moderne österreichische Lieder singt, die nicht unbedingt verstanden werden, aber musikalisch beim Publikum sehr gut ankommen.
Jetzt steht Niki vor seiner größten Herausforderung. Die beste Freundin und Kollegin von Engeltrud wurde bestialisch ermordet. Die Bevölkerung glaubt an die Wiederkehr des Isengrimms (Werwolfs), der schon viele Jahre zuvor für die Ermorderung junger Frauen verantwortlich gemacht wurde. Aber auch ein realer Schuldiger ist schnell ausgemacht: der Jude Mendel, vor dessen Haustüre die tote Bademagd gefunden wurde. Niki glaubt nicht an Mendel als Schuldigen und macht sich mit der Hilfe des Stadtwächters Bruno, seinem zukünftigen Schwager Betram und weiteren Freunden auf die Suche nach dem wahren Mörder. Dabei gerät er selbst unter Verdacht und ins Gefängnis und auch seine Verlobte Engeltrud gerät ins Visier des wahren Isengrimms.
Hätte ich nur wenige Zeichen zur Verfügung, wäre mein Fazit des Romans: kurzweilig mit spannendem Twist, flott geschrieben und die perfekte Lektüre für LiebhaberInnen von historischen Romanen und Science Fiction.
Hier sind wir schon bei einer interessanten Kombination, die theoretisch für eine der beiden Genre Fans unbefriedigend sein könnte. Fans von historischen Romanen fehlt eventuell die historische Präzision, was Sprache, soziales Gefüge und soziales Verhalten angeht. So ist die Figur der Engeltrud sehr modern angelegt, eine junge Frau, die nicht auf den Mund gefallen ist und sich in der Welt zu behaupten weiß. Fans von Science Fiction kommt wahrscheinlich der Aspekt der Zeitreise viel zu kurz. Wenn man aber beides mag, dann kommt man hier voll auf seine Kosten und es stören auch die kleinen Brüche nicht. Interessant wäre es, ob der Autor nicht auch damit ein Ziel verfolgt. Während in den ersten beiden Romanen, dass Thema der Zeitreise einen kleinen Platz in der Handlung erhält, fällt es hier vollkommen heraus. Für mich persönlich ist es so immer noch nicht klar, ob es wirklich eine Zeitreise gibt oder das ganze nur ein Komatraum ist. Ich kann nur empfehlen, die ersten beiden Bände selbst zu lesen, um sich selbst ein Bild zu machen.
Was mir von Anfang an gut gefallen hat, ist, dass Niki sich mit Hilfe von sehr unterschiedlichen Freunden gut in das Mittelalter einlebt. Der Freundeskreis könnte in seiner Zusammensetzung nicht bunter sein. Zwei Adelige, die Söhne und die Tochter des Schmieds, eine Bademagd und ihr etwas tumb wirkender Bruder Bertram, der Bulle genannt wird. Ob es im Mittelalter je seine solche Freundesgruppe gegeben hätte, bezweifele ich. Trotzdem stört es nicht und es macht eher Spaß zu sehen, wie die unterschiedlichsten Talente zur Lösung des Mordes beitragen. Vor allem Bertram macht hier besonders viel Freude. Ist er in den ersten beiden Bänden eher noch der schweigsame schwerfällige, aber sanftmütige Mensch, so zeigt sich hier, dass Bertram über eine außergewöhnliche Beobachtungsgabe verfügt, die Niki immer wieder bei der Interpretation von Indizien hilft.
Alles in allem kann ich das Buch nur weiterempfehlen. Ich selbst freue mich auf einen vierten Band aus der Reihe.

Bewertung vom 30.12.2020
Mit Lampenfieber und Musik
Sonn, Heike

Mit Lampenfieber und Musik


sehr gut

Eine Frau emanzipiert sich von ihrer dominanten Mutter und dem Ehemann, der über ihr Leben bestimmt. Eine Frau wird erwachsen und nimmt ihr Leben selbst in die Hand.
Ein Sujet, dass nicht neu ist. Aber wie kann es auch? Ist dieses Thema doch ein fester Bestandteil im Leben von uns allen. Jeder muss seinen oder ihren eigenen Weg finden, um ein glückliches erfülltes Leben zu führen.
Im Roman „Mit Lampenfieber und Musik“ von Heike Sonn wird dieses Thema mit humorvollem Augenzwinkern angegangen.
Die Heldin der Geschichte, Tessa, ist Ende Zwanzig, aber steht immer noch unter der emotionalen Fuchtel ihrer Mutter. Obwohl diese in Spanien lebt, will sie über Tessas Lebensweg bestimmen. Zwar hat sich Tessa von ihrem untreuen Ehemann getrennt, aber auch dieser dominierte jeden Aspekt in ihrem Leben. Für ihn war Tessa nur das schmückende Beiwerk an seiner Seite, die außer hübsch aussehen und die perfekte Gastgeberin sein, nicht viel zu melden hatte.
Mit wenig Selbstbewusstsein und keinem konkreten Ziel für sich selbst trifft Tessa durch Zufall auf den Sänger Ben und dessen jüngeren Bruder Andy. Ben und Andy sind Mitglieder der Familienband Tyscon, die mich als gebürtige Kölnerin an die Kelly Family erinnert haben. Eine große laute Familie mit unterschiedlichen Charakteren, von offen fröhlich bis verschlossen introvertiert. Und Tessa mittendrin, die sich erst der Chance gegenüber verschließt, ihr Herz dem bunten Völkchen zu öffnen und für sich eine neue Zukunft zu finden. Über viele Stolpersteine, die mir oft genug ein Lachen entlockt haben, gelingt es Tessa über ihren Schatten zu springen. Zwar hätte ich sie manchmal schütteln können, weil sie sich immer wieder in ihr Schneckenhaus zurückzieht, obwohl sie nur die Hand ausstrecken muss, um ihr Glück zu greifen.
Der Roman macht Spaß und ist die richtige Lektüre für einen gemütlichen Nachmittag, wenn draußen trübe Stimmung herrscht oder für den nächsten Sommer als Urlaubslektüre.