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Sofonisba
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Speyer

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Bewertung vom 25.06.2022
Eine Frau muss schweigen können
Schraut, Sylvia

Eine Frau muss schweigen können


ausgezeichnet

Ein Kaufmann wird 1865 in Mannheim erschlagen. Eine Mannheimer Bürgerin klärt den Mord auf: Helene Wolf ist 25 Jahre jung, Ehefrau eines wohlhabenden Kaufmanns und Mutter zweier kleiner Kinder, die alle Register zieht, um ihre Familie vor einem handfesten Skandal zu beschützen.
Die verheiratete Cousine ihres Mannes hat nämlich mit einem Maler angebandelt. Der gerät unter Mordverdacht und die Cousine in Gefahr aussagen zu müssen.
In einer Zeit, in der bürgerliche Frauen zwar einen Haushalt gut führen und eine Zierde der Familie sein sollen, sind Helenes Handlungsspielräume begrenzt. Zugang zu öffentlichen Ämtern hat sie nicht und damit auch nicht zu wichtigen Informationen. Aber in ihren Kreisen kennt man sich: So bildet sich um sie bald ein kleiner Kreis verschwiegener Frauen. Sie zapfen mit vermeintlich naiven Fragen das Wissen ihrer Männer oder Brüder an, begleiten Helene bei Damenausflügen, die in Wirklichkeit den gemeinsamen Recherchen dienen und informieren sich gründlich über Rechtsfragen.
Sylvia Schraut, die Autorin weiß, wovon sie schreibt. Geschichtswissenschaft war ihr Beruf: So erfährt man en passant, wie ein bürgerlicher Haushalt im 19. Jahrhundert zu führen war, wie lange man mit der Eisenbahn von Mannheim nach Berlin brauchte, wie Arbeiterbewegung und Frauenbewegung die Hauptstadt erreichten,
welche finanziellen Sorgen eine Kaufmannsfamilie durch den Krieg Preußens gegen die übrigen deutschen Staaten hatte und taucht unmerklich in eine Zeit ein, in der die Eisenbahnen gerade erst und die Glühbirne noch nicht erfunden war – vom Wahlrecht für Frauen ganz zu schweigen.
Vergnüglich und informativ zugleich: ein gelungener Kriminalroman und bei Weitem nicht nur ein Regionalkrimi !