Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Tante_fluffi

Bewertungen

Insgesamt 25 Bewertungen
Bewertung vom 23.02.2025
Vor hundert Sommern
Fuchs, Katharina

Vor hundert Sommern


gut

Zu viele Themen auf einmal

"Vor hundert Sommern" von Katharina Fuchs erzählt die Geschichte einer Familie aus Sicht der Frauen über einen Zeitraum von 100 Jahren. Der Roman beginnt im Jahr 2024 mit Anja und ihrer Tochter Lena und springt dann immer wieder zurück in die Vergangenheit, um die Geschichte von Anjas Großtante Clara zu erzählen, beginnend im Jahr 1924. Inspiriert wurde die Autorin dabei von der wahren Geschichte genau dieser Großtante Clara, was das Buch für mich gleich noch viel interessanter macht. Stark sind vor allem die Rückblenden aus Claras Sicht und die Erzählung aus dem Berlin vor 100 Jahren zur Situation der Frauen in einer politisch angespannten Zeit. Es ist immer wieder spannend, in diese Zeit einzutauchen. Nicht richtig abgeholt haben mich leider viele Kapitel der Gegenwart. Hier habe ich die Dialoge oft konstruiert empfunden und ich hatte das Gefühl, die Autorin versucht wirklich alle Themen, die unsere (weibliche) Gesellschaft zurzeit beschäftigen, im Roman unterzubringen. Das war mir einfach zu viel. Auch die Figuren haben mich nicht erreicht. Als ich darüber aber hinweg gesehen habe, konnte ich auch wieder gut in eine spannende und bewegende Geschichte abtauchen und fühlte mich von dem Roman dennoch gut unterhalten.

Bewertung vom 22.02.2025
Russische Spezialitäten
Kapitelman, Dmitrij

Russische Spezialitäten


ausgezeichnet

"Frieden lässt sich durch nichts ersetzen"

Dmitrij Kapitelman erzählt in "Russische Spezialitäten" die Geschichte seiner Familie, die in den 1980er Jahren aus der Ukraine nach Leipzig kam.
Im ersten Teil des Buches bringt Kapitelman anhand von Anekdoten den Leser*innen seine Familie, Freunde und Bekannte und ihre Lebensumstände näher. Immer gespickt mit jeder Menge trockenem Humor. So wachsen einem die Personen schnell ans Herz, gleichzeitig merkt man die Zerrissenheit, die der Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine für ihn mit sich bringt. So vertraut Kapitelmans Mutter stets auf die "Informationen", die ihr das russische Staatsfernsehen übermittelt. Um sie von der Realtität zu überzeugen, fährt er mitten im Krieg mit dem Flixbus nach Kiew und trifft dort auf alte Bekannte, Angst und dennoch einen Alltag, den die Menschen vor Ort leben.
Oft musste ich schmunzeln über die Figuren und Geschichten, die Dmitrij Kapitelman beschreibt. Trotzdem gehen die ernsten Themen wie Krieg, Antisemtismus und auch Flucht beim Lesen unter die Haut.
"Doch wenn der Frieden fehlt, spürt man das sofort. Frieden lässt sich durch nichts ersetzen." Das ist nur eins von zahlreichen Zitaten, die mich kalt erwischt haben.
Es ist ein besonderes Buch, das mir neue Perspektiven im Bezug auf den Ukraine-Krieg aufgezeigt hat und welche Konflikte damit innerhalb der russischsprachigen Community einhergehen.

Bewertung vom 15.02.2025
Der große Riss
Henríquez, Cristina

Der große Riss


ausgezeichnet

Der große Riss durch ein Land

In "Der große Riss" erzählt Cristina Henríquez, was der Bau des Panama-Kanals für die Menschen und die Gesellschaft vor Ort bedeutet hat, dabei stellt sie in ihrem Roman vor allem die Frauen in den Vordergrund.

Viele Menschen suchten in Panama Arbeit, die dort "wie Äpfel von den Bäumen zu pflücken" war, um der bitteren Armut zu entkommen, um sich ein besseres Leben zu ermöglichen - und dabei riskieren sie alles. So macht sich auch die junge Ada aus Barbados auf den Weg nach Panama, um Arbeit zu finden und ihrer kranken Schwester das Leben zu retten.

Was sie vorfindet ist eine gespaltene Gesellschaft: Privilegierte Menschen aus den USA, viele Menschen aus unterschiedlichen Ländern, die in Armut leben und voller Hoffnung auf mehr Geld ihr Glück suchen und natürlich auch die Panamaerinnen und Panamaer, deren Land und Alltag sich durch das Eingreifen der USA völlig verändern und die darum fürchten, ihr Zuhause verlassen müssen.

Cristina Henríquez schafft es durch die parallele Erzählung aus verschiedenen Perspektiven, dass die Leserinnen und Leser tief eintauchen können in die Atmosphäre in Panama zur Zeit des Kanalbaus. Spannend und traurig lesen sich die einzelnen Schicksale der Menschen von damals. Ich habe das Buch sehr gern gelesen und viel gelernt über ein Thema, von dem ich bisher nicht viel wusste.

Bewertung vom 10.02.2025
Am Himmel die Flüsse
Shafak, Elif

Am Himmel die Flüsse


ausgezeichnet

Was für ein Buch

Elif Shafak gelingt mit "Am Himmel die Flüsse" ein absolutes Lesehighlight.

Die Autorin erzählt die Geschichte eines Regentropfens, der die verschiedenen Erzählstränge miteinander verbindet, das Wasser spielt in allen Geschichten immer eine tragende Rolle.

Über Jahrtausende erstrecken sich die Erzählungen aus Ninive, aus dem viktorianischen und heutigem London, der Türkei und dem Irak. Wir lesen von bitterer Armut, über Archäologie und Hydrologie, unglücklicher Liebe und dem schrecklichen Völkermord an den Jesiden durch den IS. Shafak verbindet dabei so viele Themen, dass man sich nach dem Lesen erstmal sortieren muss.

Bewegend, grausam und gleichzeitig sprachlich leicht und wunderschön schreibt sie über ihre Protagonist*innen. In einem ausführlichen Nachwort geht die Autorin dabei auch auf die historischen Fakten ein. Neben großartiger Unterhaltung lernt man also auch noch eine ganze Menge.

Bewertung vom 16.08.2024
Und dahinter das Meer
Spence-Ash, Laura

Und dahinter das Meer


ausgezeichnet

Was ist Familie?

"Und dahinter das Meer" von Laura Spence-Ash erzählt die Lebensgeschichte von Beatrix, die mit elf Jahren von ihren Eltern in die USA geschickt wird, um den Wirren des zweiten Weltkrieges in London zu entkommen. Zunächst ist Bea erschüttert davon, dass ihre Eltern sie einfach so wegschicken, doch dann lebt sie sich in ihrer neuen Familie ein.

Wie wird es für sie weitergehen, wenn der Krieg vorbei ist? Was macht die jahrelange Trennung über Kontinente hinweg mit einer Familie? Und kann man überhaupt nur eine Familie haben?

Die Autorin erzählt berührend, was Krieg und Trennung mit Familien anrichten kann, aber auch über neue Anfänge und dass das Leben manchmal ganz anders verläuft als gedacht - und trotzdem viel geben kann. Wir durchleben die Jahrzehnte zweier Familien in kurzen Kapiteln, die jeweils aus Sicht der unterschiedlichen Charaktere geschrieben sind. So entsteht ein atmosphärischer Roman, der mich in ein Wechselbad der Gefühle geworfen hat. Von schönen Sommerkindheitserinnerungen bis hin zu Tragödien, alles ist dabei - und dahinter immer das Meer.

Bewertung vom 03.08.2024
Pi mal Daumen
Bronsky, Alina

Pi mal Daumen


ausgezeichnet

Dimensionen einer Freundschaft

Oscar ist ein absolutes Mathegenie, der bereits mit 17 Jahren sein Studium beginnt. Er stammt aus priviligierten Verhältnissen, tut sich neben der Mathematik jedoch schwer mit alltäglichen Dingen und sozialen Kontakten.

Zu Beginn seines Studium lernt er Moni kennen, die so ganz anders ist als er. Neben dem Studium kümmert sie sich um ihre Tochter und die Enkelkinder und jeden, der ihre Hilfe braucht. Außerdem scheißt sie auch noch ihren Haushalt und drei Jobs. Hier treffen zwei Personen aufeinander, die sich außerhalb der Uni wohl nie begegnet wären. Und im Laufe des Studiums wird klar, dass sie einander mehr brauchen, als gedacht.

Alina Bronsky zeichnet auch in "Pi mal Daumen" ihre Protagonist*innen wieder so liebevoll und warmherzig, man muss sie einfach sofort ins Herz schließen. Dabei kommt auch ihr neuer Roman wieder leicht und humorvoll daher und verpackt die tragischen Elemente so, dass es einem nicht schwer wird beim Lesen.

Ich liebe dieses Buch und die Geschichte um eine außergewönliche Freundschaft. Beim Lesen habe ich viel gelacht, aber auch manchmal Tränen in den Augen gehabt. Ein Buch für Fans von Alina Bronsky und alle anderen werden es sicher danach.

Bewertung vom 29.05.2024
Man sieht sich
Karnick, Julia

Man sieht sich


sehr gut

Die Liebe und das Timing

Fries und Roberts Freundschaft beginnt in ihrer Schulzeit. Beide werden gemeinsam erwachsen und haben mit ihren ganz eigenen familiären Herausforderungen zu kämpfen. Im Laufe der Zeit entwickelt sich bei Robert eine größere Zuneigung für Frie, doch das Timing der beiden ist nicht das Beste...

Der Roman "Man sieht sich" von Julia Karnick umfasst drei Zeitebenen. Wir begleiten Frie und Robert beim erwachsen werden, in ihren frühen 30ern und schließlich mit Anfang 50. Wir erleben eine ganz besondere Liebesgeschichte, die unter keinem guten Stern steht. Timing, äußere Umstände und die Eigenheiten der beiden sorgen dafür, dass sie sich immer wieder aus den Augen verlieren.

Beim Lesen wollte ich Frie und Robert manchmal zurufen, sie sollen sich zusammenreißen und einfach zusammen sein. Abschnittsweise war mir mal Frie, dann wieder Robert unsympathisch. Plötzlich konnte ich ihre Situation wieder gut verstehen. Ein auf und ab der Gefühle für die beiden, aber auch für mich als Leserin. Und am Ende die Frage nach dem "was wäre, wenn...?".

Die Autorin erzählt hier eine Liebes- und Lebensgeschichte, die aus dem Leben gegriffen scheint und mit der sich sicherlich viele Lesende identifizieren können. Ich habe das Buch sehr gern gelesen.

Bewertung vom 18.04.2024
Wo die Asche blüht
Que Mai, Nguyen, Phan

Wo die Asche blüht


ausgezeichnet

Die Wirren des Krieges

"Wo die Asche blüht" von Nguyễn Phan Quế Mai erzählt die bewegende Geschichte von Trang und ihrer Schwester Quỳnhin der Zeit des Vietnamkrieges und welche Opfer die beiden Mädchen bringen mussten, um ihre Familie durchzubringen, immer verbunden mit dem Wunsch auf eine bessere Zukunft.

Spannend beschreibt die Autorin, was der Krieg und die Armut mit der vietnamesischen Bevölkerung gemacht hat und wie die Folgen bis heute nachwirken. Ich konnte das Buch, wie auch schon den ersten Roman "Der Gesang der Berge" kaum aus der Hand legen. Bis zu ihrem ersten Buch wusste ich recht wenig über den Vietnamkrieg und das Land selbst. Die Autorin aber schafft es, historische Fakten in einen gut lesbaren, fesselnden Roman zu verpacken. So wird man gut unterhalten und doch wirken die Geschichten noch lange nach. Im Nachwort werden auch noch weitere Quellen genannt, falls man sich weiter mit der Geschichte der Kinder vietnamesischer und amerikanischer Eltern beschäftigen möchte.

Ein historischer Roman, der eben nicht nur die amerikanische Seite des Vietnamkrieges schildert, wie es Filme üblicherweise tun. Ich hoffe, noch viele Bücher von Nguyễn Phan Quế Mai lesen zu dürfen und meine Faszination für Vietnam hat sie auf jeden Fall geweckt.

Bewertung vom 17.03.2024
Issa
Mahn, Mirrianne

Issa


sehr gut

Über den Kampf um ein selbstbestimmtes Leben

Issa reist schwanger von Deutschland nach Kamerun, in das Land ihrer Kindheit, um dort verschiedene Rituale auf dem Weg zur Mutterschaft zu durchlaufen. Zuhause fühlt sie sich von dem Kindsvater und ihrer Mutter unter Druck gesetzt, eigentlich möchte sie die Reise aber auch nicht antreten. In Kamerun trifft sie auf ihre Großmütter und in Rückblenden wird deren dramatische Familiengeschichte erzählt.

Es ist eine bewegende Geschichte über die Frauen und Mütter im Kamerun des 20. Jahrhunderts unter den Bedingungen des Kolonialismus, die darum kämpfen, ihr Leben selbstbestimmt zu leben und sich den Männern nicht zu unterwerfen. Die Autorin thematisiert aber auch die Zerrissenheit und Schwierigkeiten von Menschen, die in zwei unterschiedlichen Welten aufgewachsen sind.

"Issa" ist ein großartiger Debütroman von Mirrianne Mahn.

Bewertung vom 07.03.2024
Kosakenberg
Rennefanz, Sabine

Kosakenberg


ausgezeichnet

Vom Weggehen und (nicht) Heimkommen

Kathleen beginnt ein neues Leben in London, fern von ihrer brandenburgischen Heimat Kosakenberg. Der Roman begleitet sie bei ihren Heimfahrten und so erfahren wir im Laufe des Buches einiges über Kathleens Kindheit und Jugend, über die Flucht aus der Provinz, sobald sie alt genug war und über ihre Familie und Freunde in Kosakenberg. Mit jeder Heimfahrt, mit all der Zeit, die vergeht, wird der Graben zwischen Kathleen und ihrer alten Heimat größer. Dort ist sie die Schreiberline, weil niemand weiß, was sie in London eigentlich macht. Während sie sich weiterentwickelt, scheint die Welt in Kosakenberg fast stehenzubleiben.

Sabine Rennefanz beschreibt die Entfremdung zwischen den beiden Welten sehr eindrücklich. Es ist eine ruhige Geschichte, berührend und doch irgendwie bedrückend. Mir fiel es beim Lesen manchmal schon schwer, die Begegnungen von Kathleen mit Kosakenberg und den Bewohner*innen auszuhalten - es ist eben kein Wohlfühlbuch.

Ein melancholisches Buch über Heimat und das Gefühl, nicht mehr dorthin zu gehören, welches zum Nachdenken anregt.