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sinik

Bewertungen

Insgesamt 3 Bewertungen
Bewertung vom 13.08.2013
Hühner Voodoo
Ullrich, Hortense

Hühner Voodoo


sehr gut

„Tja. Schade. Kann man nichts machen. Manche Dinge muss man einfach hinnehmen. Muss man? Nein! Muss man nicht.“

(Zitat Gwendolyn Herzog Seite 223 von Hühner Voodoo)

Die 59-jährige Gwendolyn Herzog erfährt von ihrem Anlageberater dass sie pleite ist. Die phantasievolle Protagonistin hat eine außergewöhnliche Geschäftsidee: sie eröffnet eine psychologische Praxis. Und da kommt (obwohl sie nicht so recht daran glaubt, aber die Hauptsache es füllt die Finanzkasse) Voodoo ins Spiel...

Es ist sehr erheiternd die Bekanntschaft der schlagfertigen, gebildeten und sehr direkten Gwendolyn Herzog zu machen. Das Leben dieser Dame ist eine „Abfolge von gut inszenierten Illusionen“. In den witzigen Dialogen bringt sie gerne ihre Gesprächspartner in Verlegenheit (und den Leser zum Lachen), was es ihr erleichtert, diese in ihrem Sinne zu manipulieren.

Sie scheint mit einer Leichtigkeit durch Leben zu tänzeln, jede Gelegenheit zu ihrem Vorteil zu nutzen, hat immer eine Lösung parat und macht sich ihre Welt so, wie sie sie braucht. Je nach Problem ihrer Klienten verkauft sie ihnen zum Beispiel bemalte Hühnerknochen als Antifalten-Knochen oder Knochen zum Schutz gegen Insektenstiche- und bekommt viele positive Rückmeldungen....

Das Buch besticht durch Originalität, Ironie, Wortwitz, inspirierende Dynamik und Situationskomik. Die Handlung ist nicht sehr glaubwürdig, das mindert jedoch den guten Unterhaltungswert nicht. Es ist spannend, was die Dame sich an Details noch einfallen lässt, um Probleme zu lösen.

Einen Stern Abzug gibt es bei mir für den Klappentext, da dort so viel von der Kernhandlung verraten wird, dass die eigentliche Handlung sehr vorhersehbar ist.

Wer eine leichte, kurzweilige und lustige Unterhaltung sucht, für den ist das Buch genau richtig. Es entführte mich aus der Realität in die leicht beschwingte Welt der Protagonistin.

Bewertung vom 13.08.2013
Kleine Tierkunde Ostafrikas
Drayson, Nicholas

Kleine Tierkunde Ostafrikas


gut

„Der Adler auf dem Ameisenhügel sieht ebenso weit wie die Ameise“
(Seite 13 Kleine Tierkunde Ostafrikas)

Die Mitglieder des von indischen Immigranten gegründeten exklusiven Asadi Clubs in Nairobi haben es nicht leicht. Es gilt Billiards-Turniere, das Herz einer Frau und Debatten zu gewinnen. Zudem steckt der Club in Schwierigkeiten: er soll von der Regierung geschlossen werden, ausserdem wird das Club-Maskottchen gestohlen. Das Mitglied Mr. Malik hat noch weitere Probleme: Er steckt in den Vorbereitungen der jährlichen Safari des Clubs und der Hochzeit seiner Tochter.

Es ist eine freundliche, unterhaltsame Geschichte, die in eine ähnliche Richtung geht wie die Bücher von Alexander McCall Smith mit Mma Ramotswe.
Ein besonderes Stilmittel ist der „Erzähler“, der, gleich einem Reporter, die Geschehnisse mal ironisch, mal sachlich, mal humorvoll kommentiert und fundiertes Hintergrundwissen zu Afrika und den Protagonisten liefert. Alle Passagen des Erzählers zeugen von Sachkenntnis und einer Liebe zu Afrika.
Jedem Kapitel wird ein kryptisches afrikanisches Sprichwort vorangestellt. Man muss den Vorgängerband nicht gelesen haben, um sich in die Geschichte einzufinden.

Ich wurde nicht recht warm mit den Hauptdarstellern der Geschichte. Natürlich sind die Nachfahren der Immigranten ebenso Afrikaner wie die Nachfahren der „Ureinwohner“. In diesem elitären Club, in dem nur die Nachkommen dieser Einwanderer verkehren, werden britische Traditionen gepflegt. Auf der Safari dürfen Tandoori-Ofen und Wasserwaage nicht fehlen. Damit heben sie sich von der überwiegend armen Bevölkerung ab. Das störte mich. Meiner Meinung nach macht sich der Autor (als Erzähler) auch über die kleine indische Gesellschaft mit britisch-trockenem Humor lustig.
Ich wurde dennoch versöhnt: ein liebenswerter Gärtner und ein stiller Fahrer sind für mich die eigentlichen Hauptpersonen, die entscheidende Beiträge zur Lösung der Wirrungen im Asadi-Club beitragen.
Der Erzähler, die Sprichworte und der Gärtner Benjamin haben mich begeistert. Die Debatten, der alte Mordfall und lange Beschreibungen des Billiardspiels haben mich gelangweilt. Im Vergleich mit den Büchern von Alexander McCall Smith schneidet dieser Roman allerdings schlecht ab.

Wer eine leichte Lektüre vor afrikanischer Kulisse sucht, sollte dieses Buch lesen. Leser, die Informationen über die afrikanische Tierwelt suchen, rate ich von diesem Buch ab; der Titel ist etwas irreführend.

Bewertung vom 13.08.2013
Schlaflos
Moss, Sarah

Schlaflos


ausgezeichnet

"Ich kann das nicht, Mutter sein. Ich hätte keine Kinder bekommen sollen."
(Anna auf Seite 115, „Schlaflos“ von Sarah Moss)

Anna, die Ich-Erzählerin, lebt mit ihrem Mann und ihren zwei kleinen Kindern auf einer einsamen, schottischen Insel. Völlig überlastet, ihren zwei Kindern gerecht zu werden und gleichzeitig ihre Abhandlung über Kindheit im 18. Jahrhundert zu schreiben, leidet sie unter dem Schlafentzug, da ihr zweijähriges Kind jede Nacht aufwacht und herumgetragen werden möchte.
Der zweite Handlungsstrang sind Briefe aus dem Jahr 1878, die von der gleichen Insel kommen.

Dann findet Anna beim Einpflanzen von Apfelbäumen die Knochen eines Babys...

Zentrales Thema ist die der innere Konflikt einer Mutter sich selbst, ihrem Ehemann, ihrer Arbeit und den Kindern gerecht zu werden. Im Rahmen ihres Textes über Kindheit im 18. Jahrhundert wird z.B. immer wieder Anna Freud zitiert. Sie beschreibt, was wichtig für die seelische Gesundheit des Kindes ist. Anna fühlt sich schuldig, weil sie erkennt, zwischen Theorie und Praxis klafft eine Lücke. Unter ständigem Schlafmangel ist es nicht möglich, die Aufmerksamkeit und Fürsorge zu geben, die ihre Kinder brauchen. Die Isolation auf der Insel ohne Freunde und Familie verstärkt dieses Problem.

Mir gefallen die ironisch-sarkastischen Schilderungen ihres Alltags und ihre bildhaften Vergleiche sehr gut. Das Buch wird gerade durch die Sprache sehr lebendig. Es ist ja kein Action-Thriller, es passiert nicht sehr viel, doch gerade durch die Art der Schilderungen wird alles sehr lebendig und auch der beschriebene Alltag liest sich keineswegs langweilig oder langatmig.

Wer Action oder blutige Krimis mag, für den ist dieser Roman sicherlich nichts. Wer sich mit dem Spagat zwischen Kindern und Karriere beschäftigt, oder ein intelligentes Buch über den "Sumpf von Windeln und ausgespuckten Keksen"- nämlich die Schattenseite von Kindern (ja, die gibt es...)- lesen möchte, dem kann ich dieses Buch sehr empfehlen. Es ist schonungslos ehrlich weil das Tabu der unglücklichen Mutter thematisiert wird. Ich konnte mich sehr gut in die Protagonistin einfühlen, sie spricht aus, was sicherlich viele Mütter von Kleinkindern fühlen und denken.