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MrsMurphy

Bewertungen

Insgesamt 7 Bewertungen
Bewertung vom 14.11.2024
Im Warten sind wir wundervoll
Inden, Charlotte

Im Warten sind wir wundervoll


sehr gut

Vieles an Charlotte Indens Roman „Im Warten sind wir wundervoll“ erinnert an den Bestseller „Stay away from Gretchen“ von Susanne Abel. Kurz erzählt: Die junge Deutsche Luise Adler verliebt sich kurz nach Kriegsende in den US-amerikanischen Soldaten und Kriegsfotografen Joseph „Jo“ Hunter. Doch die amerikanische Regierung erlaubt es nicht, dass ihre Soldaten mit dem Feind fraternisieren, Heirat ausgeschlossen. So muss Luise in Deutschland bleiben, als Jo zurück in die Staaten fliegt. Diese Liebesgeschichte in der Vergangenheit wird in der Gegenwart erzählt von Luises Enkelin Elfie, die einem Fremden im Flugzeug auf dem Weg nach New York ihre Familiengeschichte erzählt.

Die beiden Erzählperspektiven haben mir gefallen, weil es der Autorin gelingt, beiden Zeitebenen einen eigenen Stempel aufzudrücken. Die Erzählweise in der Gegenwart ist schnell und modern, die Rückblicke in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg etwas gemächlicher vom Tempo und die Sprache der Zeit angemessen. Allerdings hat mich Luise als Heldin mehr gepackt als Elfie. Auch der Handlungsort im Deutschland der vierziger Jahre hat mit der Universitätsstadt Marburg viel Flair. Hier war für mich die Parallele zu Susanne Abels Roman am deutlichsten. Nachkriegszeit, Schloss, enge Gassen – einmal Marburg im vorliegenden Roman, Heidelberg bei Susanne Abel. Beide Universitätsstädte mit wunderschönen Altstädten, die über Deutschland hinaus bekannt sind. Die für mich atmosphärisch dichtesten und eindrücklichsten Szenen gelingen Charlotte Indens bei der Beschreibung des winterlichen Marburgs.

Der Roman liest sich sehr süffig. Ich war an einem Sonntagnachmittag in wenigen Stunden durch. Es ist eine leichte Lektüre für Zwischendurch. Beide Liebesgeschichten – in den Vierzigern wie in der Gegenwart – stoßen auf nicht wirklich viel Gegenwind. Das Happy End liegt bereits auf den ersten Seiten in der Luft. Mich hat es nicht gestört.

Bewertung vom 13.11.2024
Frevel
Kain, Nora

Frevel


gut

Da ich gerade erst in Frankfurt auf der Buchmesse war und auf der Suche nach den verschiedenen Lesungen durch die wunderschön wiederhergestellte Altstadt spaziert bin, hatte ich richtig Lust darauf, einen historischen Kriminalroman zu lesen, der in Frankfurt um 1800 spielt.

Anfangs hat mich die Autorin Nora Kain auch nicht enttäuscht. Laut Klappentext ist Nora Kain das Pseudonym einer Bestsellerautorin, die zudem studierte Historikerin ist und im Historischen Museum Frankfurt Führungen anbietet, also geballte Fachkompetenz mitbringt. Das spiegelt sich dann auch sehr schön im Roman wider. Es wurde ordentliches Lokalkolorit aufgeboten, schöne Beschreibungen der Stadtviertel und vor allem wunderbare altmodische Begriffe, Namen und Schimpfwörter. Der kleine Sprach-Nerd in mir hatte viel Freude.

Die Kriminalhandlung an sich war für mich als eher ungeübte Krimi-/Thriller-Leserin schon recht gewöhnungsbedürftig, denn an blutigen Details wurde nicht gespart, beginnend mit einer Hinrichtung und der danach sehr plastisch geschilderten Autopsie. Da musste ich schon schlucken. Die beiden Protagonist:innen wussten zunächst auch zu gefallen. Der eher ängstliche und zart besaitete Journalist Johann und sein Gegenpol, Manon, die sehr rationale und sehr wissbegierige Tochter des Rechtsmediziners Theophil Pontus. Die Krimihandlung und ihre Auflösung war gut, schlüssig und hielt genug überraschende Wendungen bereit, um mich bis zum Schluss bei der Stange zu halten.

Begeistert hat mich „Frevel“ von Nora Kain dann aber doch nicht. Der anfängliche Lokalkolorit wurde alsbald stark eingeschränkt, weil das Vorantreiben der Krimihandlung im Vordergrund stand. Und leider konnten die beiden Hauptfiguren mich überhaupt nicht überzeugen. Mir fehlte die Tiefe in der Ausgestaltung. Mir war nicht klar, warum Manon wirklich so wenig empathisch und wissbegierig ist, dass sie sogar in Todesgefahr darüber nachdenkt, was für ein gutes Exponat sie doch nach ihrem Tod für ihren Vater bei der Autopsie ergeben wird. Das fand ich tatsächlich „drüber“. Ebenso blass blieb leider auch Johann. Trotzdem habe ich den Kriminalroman gern gelesen, solide drei Sterne!

Bewertung vom 19.09.2024
Winterwölfe
Jones, Dan

Winterwölfe


gut

Bei meiner Entscheidung, was lese ich als nächstes, hat im vorliegenden Fall das Cover eine gewichtige Rolle gespielt. Irgendwie hat mich die Farbgebung inklusive Wappentier an ein Banner erinnert. Keine schlechte Wahl für einen historischen Roman, der im 14. Jahrhundert spielt. Deshalb habe ich mich reingestürzt, wohlwissend, dass es sich um den zweiten Band einer Trilogie handelt und dachte, ach da komme ich schon rein. Das war aber dann gar nicht so einfach, da viel Bezug genommen wird auf Figuren und Ereignisse aus Band 1.

Was mich aber bei der Stange gehalten hat, ist die Art und Weise, wie der Autor seine Figuren in Szene setzt. Die Essex Dogs sind in ihrer Charakterisierung sehr authentisch und nachvollziehbar gestaltet, das hat mir wirklich gut gefallen. Und ist der Grund dafür, warum ich jetzt die Lektüre des ersten Bandes nachhole, um dann für den abschließenden dritten Band vorbereitet zu sein.

Bewertung vom 02.09.2024
Unsere Jahre auf Fellowship Point
Dark, Alice Elliott

Unsere Jahre auf Fellowship Point


ausgezeichnet

Eigentlich ist Alice Elliott Darks „Unsere Jahre auf Fellowship Point“ ein Buch für die Herbst-Winter-Saison, denn die Stimmung, die es beim Lesen erzeugt, lässt mich an Lesesessel, Kuscheldecke und eine heiße Tasse Schokolade denken. Genau so kuschelig ist die im Mittelpunkt stehende, Jahrzehnte überdauernde Freundschaft von Polly, Ehefrau und Mutter, und Agnes, feministische Schriftstellerin. Beide sind in ihrer Freundschaft alt geworden, über Achtzig, und verbringen nach wie vor die Sommermonate in Fellowship Point, einem sehr malerischen Ort an der Küste Maines. Die Freundinnen könnten nicht unterschiedlicher sein: Polly hat sich immer um Andere gekümmert, ihren Ehemann den Professor oder um ihre Kinder; Agnes dagegen ist unverheiratet geblieben und eine erfolgreiche Schriftstellerin geworden, die jetzt gedrängt von einer jungen Lektorin beginnt ihre Memoiren zu schreiben. Und wir dürfen die beiden Freundinnen auf ihrer Reise durch die Jahrzehnte begleiten.

Die Freundschaft zwischen den beiden Protagonistinnen ist das Herzstück des Romans. Als Leserin hat es mich wirklich berührt, wie die beiden doch so unterschiedlichen Frauen miteinander umgingen. Wie sie sich in den dunkelsten Momenten der Trauer oder Krankheit gegenseitig unterstützen und sich kümmerten. Wer möchte nicht eine solche Freundin im Leben haben? Zweiter großer Pluspunkt in meinen Augen ist der Ort der Handlung: Fellowship Point. Der Autorin Alice Elliott Dark gelingt es einen Platz zu schaffen, den ich als Leserin in meiner Fantasie unglaublich gern bereist habe. Ich kann gar nicht zählen, wie oft ich innerhalb der Geschichte nach vorne geblättert habe, um mit dem Zeigefinger nachzuvollziehen, wo die Handlung gerade spielt. Ich liebe solche Übersichtskarten, die mich einladen, meine Fantasie wandern zu lassen.

Die Verknüpfung der wunderbaren Frauenfiguren mit der überwältigenden Natur und die Erzählung über die verschiedenen zeitlichen Epochen ergibt ein in sich stimmiges Lesevergnügen.

Bewertung vom 20.08.2024
Die Gräfin
Nelles, Irma

Die Gräfin


gut

Kurzes, knappes Historienstück, für meinen Geschmack etwas zu spröde!
Irma Nelles legt mit „Die Gräfin“ ihren Debütroman vor. Bei der Hallig Gräfin von Reventlow-Criminil handelt es sich um eine historische Figur, die tatsächlich lebte, die beschriebenen Ereignisse sind jedoch fiktiv. Ende des zweiten Weltkriegs stürzt ein englischer Aufklärer mit dem Piloten John-Philip Gunter an Bord ins Watt vor der nordfriesischen Hallig Südfall, wo die achtzigjährige Gräfin zusammen mit Knecht Knut und Haustochter Meta ein recht ruhiges, einsames Leben führt. Der Pilot wird versteckt und gesund gepflegt. Zur Gräfin und zur jungen Meta entwickelt John neugierige, teils amouröse Beziehungen, Knecht Knut ist eher am Flugzeug des jungen Engländers interessiert.

Die Perspektiven sind im Roman aufgrund der geringen Figurenzahl recht überschaubar. Die Gräfin wirkt unnahbar und spröde, verbringt viel Zeit allein mit Hund Hunter in der Natur oder reklamiert laut Klassiker der Literatur. Richtig schlau wurde ich nicht aus ihr, immer hatte ich das Gefühl, dass da etwas ist, ein Geheimnis, ein Trauma, aber wirklich enthüllt wurde dies bis zum Ende hin nicht. Die Liebesgeschichte zwischen John und Meta dagegen kommt ziemlich vorhersehbar daher.

Und dann plötzlich ist der Roman nach knapp 170 Seiten auch schon wieder vorbei. Gefühlt mittendrin in der Geschichte. Kein Nachwort, kein Epilog, nichts Erklärendes, was die Geschichte eingeordnet hätte. Das hat mir wirklich gefehlt.

Die Erzählung mit ihrem spröden Charme hat mit eigentlich gefallen. Die Gräfin als Figur bot so viel Potential, welches aber nicht wirklich ausgeschöpft wurde. So habe ich nach Abschluss der Lektüre das Gefühl, einen Roman im Entwurfsmodus gelesen zu haben. Hier hätte die eine oder andere Überarbeitung und noch etwas mehr „Fleisch an den Knochen“ geholfen, das Leseerlebnis auf die volle Punktzahl zu heben.

Bewertung vom 05.08.2024
Unser Buch der seltsamen Dinge
Godfrey, Jennie

Unser Buch der seltsamen Dinge


ausgezeichnet

Der Sunday Times Bestseller „Unser Buch der seltsamen Dinge“ von Jennie Godfrey kommt anfangs leicht daher: zwei Freundinnen, elf Jahre alt, gehen auf Mördersuche, um nicht voneinander getrennt zu werden, denn Mivs Vater möchte wegziehen, weil in der Gegend der Yorkshire Ripper sein Unwesen treibt.

Auf den ersten Seiten spürte ich „Fünf Freunde“-Vibes, die allerdings sehr schnell verfliegen, denn „Unser Buch der seltsamen Dinge“ ist wesentlich vielschichtiger. Miv ist die Erzählerin der Geschichte, aber die Kapitel aus ihrer Sicht werden unterbrochen von Kapiteln aus anderer Perspektive. Und hier bröckelt die Fassade der heilen Welt sehr schnell. Brisante Themen werden von Jennie Godfrey adressiert: der tägliche Rassismus, der dem Gemischtwarenhändler Omar und seinem Sohn Ishtiaq begegnen, die Bibliothekarin Helen, die von ihrem Ehemann geschlagen wird, der alkoholkranke Pfarrer, der pädophile Gemeindehelfer. Alle landen früher oder später auf Mivs und Sharons Liste der Verdächtigen im Buch der seltsamen Dinge. Denn die beiden Elfjährigen gehen davon aus, wenn sie alle ungewöhnlichen Ereignisse aufschreiben, sie irgendwann unweigerlich den Ripper erwischen.

Miv ist bei der Mördersuche leidenschaftlicher bei der Sache als Freundin Sharon, die sich bald mehr für Mitschüler Ishtiaq interessiert, als für die Detektivarbeit, aber Miv zuliebe weiterhin mitmacht, denn diese muss damit klarkommen, dass die Mutter nur noch als stumme, körperliche Hülle anwesend, der Geist aber ganz woanders ist. Die Gründe dafür bleiben lange nebulös, lösen sich aber später dramatisch auf. In Mivs Gefühlswelt ist Sharon daher die zentrale Figur und die Gefahr, auch noch sie zu verlieren, lässt die Enttarnung des Yorkshire Rippers so wichtig für sie werden. Sie agiert dabei außerordentlich willensstark, mitfühlend und energisch. So sorgt Miv dafür, dass ein Gemeindemitglied, das Mädchen begrapscht, das Handwerk gelegt wird und zeigt als Einzige Initiative, als es gilt, die Bibliothekarin Helen vor ihrem schlagenden Ehemann zu retten. Allerdings haben alle Handlungen Konsequenzen, und diese sind teilweise mehr als tragisch.

Mir hat Jennie Godfreys Roman „Unser Buch der seltsamen Dinge“ sehr gut gefallen. Die Handlungen um Miv und Sharon erstrecken sich über zwei Jahre Ende der 70er Jahren in England. Ich bin ähnlich alt wie Protagonistin Miv und konnte vieles nachvollziehen, was so typisch für die Zeit war. Die kindliche Faszination, die die Untaten des Yorkshire Rippers hervorriefen, waren ähnlich wie meine Neugier, mit der ich in den 70ern vor den Fahndungsplakaten der RAF-Terroristen stand, die überall aushingen. Die Vielschichtigkeit der Geschichte und der Figuren. Auf den ersten Blick heitere Detektivgeschichte, die sich recht schnell in eine detaillierte Milieustudie entwickelt. Mobbing, Selbstmord, Missbrauch, Rassismus – Themen, die Miv immer bewusster wahrnimmt und verarbeiten muss.

Und das Cover – großartig! Es sieht aus wie ein abgerissener Zettel aus einem Notizblock - vielleicht aus dem Buch der seltsamen Dinge? Die Milchflaschen sind typisch britisch, der Rabe steht nicht erst seit Poes Gedicht für das Düstere, Mysteriöse. Brillante Mischung, die mich in ihren Bann gezogen hat! Volle Punktzahl!

Bewertung vom 09.07.2024
Eve
Towles, Amor

Eve


ausgezeichnet

Die geheimnisvolle Eve zieht die Fäden im Hollywood der 30er Jahre
Amor Towles neuer Roman „Eve“ spielt Ende der 30er Jahre in Hollywood. Wir lernen Eve durch Charlie kennen. Der pensionierte Polizist der Mordkommission ist im Zug nach Los Angeles unterwegs. Im Speisewagen fällt ihm Eve auf. Ein Gespräch zwischen beiden Figuren beginnt, und die Handlung nimmt ihren Lauf.

Jedes Kapitel trägt den Namen der Figur, durch deren Augen wir die Geschichte erleben. Alle treffen auf Eve, und sie wird alle Lebenswege entscheidend beeinflussen. Obwohl Eve die titelgebende Figur ist, bleibt sie selbst rätselhaft nebulös. Was für mich den besonderen Reiz ausmachte. Denn ich wollte immer noch ein Kapitel lesen, um mehr über Eve zu erfahren. Hier hat Amor Towles wirklich eine interessante und besondere Frauenfigur geschaffen.

In der Geschichte geht es grundsätzlich um die Rolle der Frau in den Dreißiger Jahren. Wir lernen Olivia de Havilland kennen, eine der größten und bekanntesten Schauspielerinnen Hollywoods zu dieser Zeit. Sie dreht gerade „Vom Winde verweht“. Frauen, und erst recht Schauspielerinnen, sind Spielball der Männer. Die Mächtigen Hollywoods, Studiobosse, Regisseure, Produzenten, treten auf wie Sonnenkönige, die sich alles nehmen können, erst recht die Frauen. Will man Erfolg im Geschäft, muss man wohl oder übel mitspielen. Hauptfigur Eve ist hier eine wohltuende Ausnahme. Sie nimmt ihr Schicksal und das der Menschen, die sie mag, in ihre Hände und zieht selbst Fäden. Das macht sie unglaublich klug, witzig, selbstbewusst und charmant. Als Leserin möchte ich mir unbedingt eine Scheibe abschneiden – mehr Eve in dieser Welt!

Die Geschichte und der Plot fächern sich mit jedem Kapitel immer weiter auf. Und ich hatte wirklich Freude daran, wie Eve mit ihren Freunden die Herausforderungen meistert. Besonders ans Herz gewachsen ist mir Prentice. So eine herzerwärmende, humorvolle Figur! Ich möchte unbedingt ein Spin-Off mit ihm!

Mein größter Kritikpunkt ist die Dauer des Lesespaßes. In 224 Seiten ist die Geschichte fertig erzählt. Viel zu wenig!