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Kleine_Buecherinsel

Bewertungen

Insgesamt 3 Bewertungen
Bewertung vom 09.02.2016
Der goldene Sohn
Gowda, Shilpi Somaya

Der goldene Sohn


gut

"Eine mutige Entscheidung kann dein Glück bedeuten oder dein Unglück. Oder beides." (Klappentext)

Es ist die Geschichte von Anil und es ist Leenas Geschichte in die ich die einige Tage eingetaucht bin. Ich bin zwischen Indien und Amerika gependelt. Ich habe die Hektik gespürt, die Zerrissenheit und das Leid. Aber ich habe nie die Hoffnung während des Lesens verloren. Denn die war auch zu schrecklichen Zeiten immer spürbar.

"Auf Amerika, wo du alles werden kannst, was Du willst." (Seite 43)

Anil hat es geschafft. Aus der Dorfgemeinschaft, wo er behütet aufgewachsen ist, ist er nach Amerika gegangen, um als Arzt an einem großen Krankenhaus zu arbeiten. Sein Weg sollte allerdings ein anderer sein. Als ältester Sohn sollte er in die Fußspuren seines Vaters treten und irgendwann das Oberhaupt und der Schiedsmann. Doch sein Vater hat schon früh erkannt, dass mehr in seinem Sohn steckt und hat ihn gefördert und ihm Raum gelassen, sich zu entfalten.

"Sie versuchte, ihre Pflichten klaglos zu erfüllen, aber sie konnte einfach nicht begreifen, warum sie so behandelt wurde, warum sie nicht mal mit ihnen zusammen essen durfte, als würde sie nicht zur Familie gehören." (Seite 96)

Während Anil in Amerika seinem Traum nachgeht, wird es für Leena Zeit zu heiraten. Doch die Ehe hat sie sich ganz anders vorgestellt. Von Liebe und Zuneigung ist nichts zu spüren. Sie wird von der Familie ihres Mannes als Sklavin gehalten und hat nur zu gehorchen. Man erlebt die andere Seite der Medaille kennen, die ein verachtendes Frauenbild zeigt. In den Passagen habe ich gelitten, aber trotzdem spürt man Leenas Hoffnungen, dass sich vielleicht eines Tages etwas ändern wird.

Anils und Leenas Geschichten sind eigentlich unabhängig voneinander. Im Wechsel reist man von Amerika nach Indien und dann wieder zurück. Es gibt zwischen den Beiden kaum Berührungspunkte. Die gibt es erst gegen Ende.

Das Leben in Amerika im Krankenhaus ist ein schnelle Leben, viel Hektik und Kräftezehrend und sobald man in Indien ist, bekommt man fast einen Kulturschock, da dort viel auf Traditionen gesetzt werden, die gerade in der Dorfgemeinschaft sehr verankert sind. Aber beide Geschichten sind voller Hoffnungen, dass sich etwas ändern wird.

Gegen Ende wurde das Buch allerdings etwas schwächer. Ich hatte eigentlich genug von dem Pendeln und es zog sich ein wenig. Zwar hat die Autorin noch die ein oder andere Überraschung parat gehalten, doch das hat für mich nicht gelangt. Das Ende kam dann sehr plötzlich und auch hier überrascht die Autorin den Leser. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass irgendwas fehlt, in dieser Geschichte.

"Der goldene Sohn" von Shilpi Somaya Gwoda ist ein wunderbares Buch, mit einem sehr starken Anfang, der es schafft einen an die Hand zu nehmen und in eine andere Welt zu führen. Leider kann es das nicht halten und es schwächt immer mehr ab.

Bewertung vom 18.01.2014
Es wird keine Helden geben
Seidl, Anna

Es wird keine Helden geben


ausgezeichnet

Ein völlig normaler Schultag. Doch kurz nach dem Pausenklingeln fällt der erste Schuss. Die fünfzehnjährige Miriam flüchtet sich mit ihrer besten Freundin auf das Jungenklo. Als sie sich aus ihrem Versteck herauswagt, findet sie ihren Freund Tobi schwer verletzt am Boden liegen. Doch für Tobi kommt jede Rettung zu spät, und Miriam verliert an diesem Tag nicht nur ihr bislang so unbeschwertes Leben..." (Klappentext, Es wird keine Helden geben von Anna Seidl aus dem Oetinger Verlag)

Selten benutze ich den Klappentext eines Buches, aber bei diesem Buch kann ich nicht anders. Mir fehlen die Worte um eine Inhaltsangabe zu schreiben. Ich bin jetzt noch so aufgewühlt vom lesen. Es ist ein Buch, welches mir ganz schön nahe ging und in meinen Gedanken nach hängt. Und das ist auch gut so, sehr sogar. Denn Anna Seidl beschreibt einen Alptraum. Sie wagt sich an ein Thema heran, was schon eher ein Tabu-Thema ist und für viele nur woanders passiert. Ein Amoklauf an einer Schule. Doch es passiert eben nicht nur in Amerika oder ganz weit weg von uns. Wenn wir uns an Erfurt oder Winnenden erinnern, müssen wir erkennen, dass das verdammt nah ist.

Ich war sehr neugierig auf das Buch, welches von einer so jungen Autorin geschrieben wurde. Wie wird die Umsetzung sein? Wie schafft sie es Worte zu finden, die dieses schwere Thema transportieren? Und ich muss sagen, es ist ihr sehr gelungen. Dieses Buch ging mir so nahe, dass ich teilweise ohnmächtig und fassungslos war und mir die Tränen kamen.

Miriam ist ein typisches 15-jähriges Mädel. Sie ist beliebt, hat Freunde und einen Freund, ihre erste große Liebe. Es ist ein fast perfektes Leben, bis Matias Staudt, ein Mitschüler und Außenseiter, in der Pause anfängt wahllos Schüler und Lehrer zu erschießen und mit dieser Tat, ändert sich alles für Miriam. Ihr altes Leben gibt es nicht mehr. Miriam erzählt ihre Geschichte, wie sie den Amoklauf erlebt hat und wie ihr Weg durch ihre Trauer war. Die Schuldgefühle, die sie sich gibt, weil sie mit zu denen gehört hat, die Matias gemobbt haben. Hätte sie es verhindern können, wenn sie mal ein nettes Wort mit Matias ausgetauscht hätte. Ein Junge, der schon seit der ersten Klasse ein Außenseiter war, der von jedem gemieden wurde. In Rückblicken erinnert sich Miriam, an die Zeit vor dem Amoklauf, etwas, was die Person dem Leser noch näher bringt und für mich, war sie ganz nah dran.

Anna Seidl legt sehr viel Gefühl in dieses Buch. Sei es die Trauer, aber auch die Wut, die Miriam in sich trägt. Man kann zu jeder Zeit dieses Mädchen verstehen, die sich mit der Frage "Warum?" so quält und die versucht zu verstehen, was passiert ist. Miriam versucht einen Weg zu finden mit der Trauer zu leben. Der Weg ist holprig, von Hochgefühlen und wiederkehrenden Tiefschlägen gesäumt. Und gerade das finde ich, macht es so authentisch. Denn es geht in der Bewältigung eines solchen Traumas nicht nach einem festen Weg, einer Regel, wie es zu laufen hat.

Das Buch regt zum nachdenken an und über das Buch muss man sprechen, besonders die jungen Leser sollte man damit nicht ganz alleine lassen, denn vieles ist für uns Erwachsene auch nicht immer so leicht zu verstehen. "Es wird keine Helden geben" ist sehr emotional und ich finde, es geht unter die Haut und ganz tief ins Herz. Die intensivität der Gefühle ist vielleicht auch nicht jedermanns Sache und wer dieses Buch liest, muss sich im Klaren darüber sein, dass es keine lockere Lektüre ist, sondern ein Buch bekommt, welches bewegt und viel in einem selbst auslöst.

Von mir gibt es eine ganz klare Leseempfehlung und ich hoffe, dass das Buch viele erreicht und das dieses Thema noch mehr zur Sprache kommt und nicht verdrängt wird.