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Benutzername: 
marckisch
Wohnort: 
Köln

Bewertungen

Insgesamt 4 Bewertungen
Bewertung vom 07.10.2022
Die rätselhaften Honjin-Morde / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.1 (eBook, ePUB)
Yokomizo, Seishi

Die rätselhaften Honjin-Morde / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.1 (eBook, ePUB)


weniger gut

Seishi Yokomizos "Die rätselhaften Honjin-Morde" liegen, 76 Jahre nach ihren Erscheinen im japanischen Original, nun auch in deutscher Übersetzung vor.
Diese Zeit merkt man den Text an, er wirkt in Teilen doch veraltet. Was nicht schlecht sein muss; Insbesondere die ersten Kapitel, in denen Seishi Yokomizo einen Ich-Erzähler und „bekannten Krimiautor“ einführt, der aus neun Jahren Abstand und unter dem Narrativ es handle sich um ein wahres Verbrechen, von den Honjin Morden berichtet. Dies ist großartig und sehr amüsant, auch für Leser*innen des 21 Jahrhunderts.
Leider kann die eigentliche Handlung nicht mit dieser Großartigkeit mithalten. Die namensgebenden „Todesfälle“ ereignen sich auf dem ländlichen Anwesen der lokalen Großgrundbesitzer im Jahre 1937. In der Nacht nach der Hochzeit des designierten Erben des Hofes. Ein klassischer Krimiplot also, mit einen genau eingegrenzten Personenkreis, an einem genau eingegrenzten Ort – oder, wie sowohl Seishi Yokomizos alter Ego, wie auch mehrere Protagonisten der eigentlichen Handlung mehrfach betonen: Eine „locked room murder mystery“.
Diese und weitere Verweise auf die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung bekannte Krimiliteratur, sind im ersten Moment unterhaltsam, werden aber etwas überstrapaziert.
Genretypisch werden die Geschehnisse von einem ebenso typisch überzeichneten Privatdetektiv – Kosuke Kindaichi, der hier erstmalig eingeführt wird und der zentrale Protagonist Seishi Yokomizos war – detailliert aufgeklärt.
Leider sind diese Geschehnisse, bzw. die Motivation der Protagonisten diese durchzuführen für mich nicht zwingend. Dies mag meiner räumlichen, kulturellen wie auch zeitlich Distanz zur Handlung geschuldet sein. Aber sowohl das Motiv, wie auch die Durchführung und die anschließende Verschleierung des Verbrechens sind mir zu konstruiert.

Bewertung vom 23.09.2022
Teen Couple Have Fun Outdoors
Jayan, Aravind

Teen Couple Have Fun Outdoors


gut

Aus der Sicht des jüngeren Bruders, beschreibt Aravind Jayan, das Auseinanderbrechen einer Südindischen Mittelstandsfamilie. Ein bereits einige Jahre altes Video, scheinbar von einem Voyeur aufgenommen, zeigt den älteren Sohn mit seiner langjährigen - aber bis dato der Familie unbekannten - Freundin in "expliziten Szenen", wird auf einschlägigen Webseiten veröffentlicht.
Der Bericht des Bruders ist ein Bericht der mangelnden Sprach- und Handlungsfähigkeit sowohl der Eltern, wie eigentlich auch beider Brüder.
In der aufstiegsorientierten Welt der Eltern, die Söhne sind auf den richtigen Schulen, man zieht in das richtige, private Wohnviertel, kauft das richtige Auto, sind persönliche Exzesse nicht vorgesehen. Sollten dennoch Probleme aufkommen, werden diese mit großzügigen Spenden an das Nachbarschaftskomitee beseitigt.
Mit den Reaktionen, die das Video auslöst, können die beiden Eltern nicht umgehen, zuseht sind sie dann doch in Ihren überlieferten Wertesystem gefangen.
Und eigentlich können auch die beiden Söhne nicht damit umgehen, finden auch keine gemeinsame Sprache.
Aravind Jayan schreibt auf englisch und sein Stiel erinnert passagenweise an "hilarious funny English novels", aber nicht für ein westliches Publikum. So sehr ich die Handlung sachlich nachvollziehen kann, fehlt mir der kulturelle Referenzrahmen um sie einordnen zu können.
So bleiben für mich, die mich interessierenden Fragen - wie geht es eigentlich dem betroffenen Paar, wie sehen ihre Schritte, um sich aus der Situation zu befreien konkret aus, wie löst sich auch der jüngere Bruder aus ihr, (wie) schaffen es alle drei (wieder) ein selbstbestimmtes Leben zu führen - unbeantwortet, bestenfalls werden für mich die Antworten angedeutet.
"teen couple have (kein Singular hier?) fun outdoors" lässt mich etwas ratlos zurück.

Bewertung vom 14.03.2022
Tell
Schmidt, Joachim B.

Tell


ausgezeichnet

Über Wilhelm Tell Wusste ich nicht viel. Ich hatte vor einigen Jahren Schillers Schauspiel in der Inszenierung von Stephan Bachmann gesehen, sie als großartig abgelegt, ohne mich an die Handlung im Detail erinnern zu können. Und die berüchtigte Apfelschussszene schwirrt seit meiner Jugend natürlich irgendwo in meinen Kopf herum.
Ob Joachim B. Schmidt die Tellsage also gut wiedergegeben hat, ob er ihr wichtige neue Erkenntnisse hinzugefügt hat, kann ich nicht beurteilen.
Beurteilen kann ich aber, dass Joachim B. Schmidt eine großartige Geschichte geschrieben hat. Von einen Mann am Rande der Gesellschaft, der der Leser*in erstmal nicht sympathisch erscheint, dessen Schicksal sich erst zum Ende erschließt. Und dieser Mann ist auch kein Volksheld, sondern einer der einen sehr persönlichen Kampf führt.
Diese Geschichte erzählt Schmidt aus, in schneller Schnittfolge montierten Berichten vieler, unterschiedlicher Stimmen. Die eigentlich kompakte Kernhandlung wird dadurch ausgeweitet, es entsteht ein glaubhaftes Universum, von einer Gesellschaft, lange vor unserer Zeit, die ein harsches, unsicheres, von Gewalt geprägtes Leben führt.

In dieser Montage liegt der Reiz dieses Buches. Es ist ein großes Vergnügen dieser Geschichte bei hohen Tempo von Sequenz zu Sequenz, Beobachtung zu Beobachtung, Stimme zu Stimme zu folgen.

Und in einer Schlussszene, die die eigentliche Tragik der Handlung bricht, zeigt und Joachim B. Schmidt dann noch, wie aus dem persönlichen, individuellen Wirken eines Einzelnen das große Nationalepos wird. Großartig.

Bewertung vom 04.02.2022
Der Holländer / Liewe Cupido ermittelt Bd.1
Deen, Mathijs

Der Holländer / Liewe Cupido ermittelt Bd.1


sehr gut

Verloren in der Weite des Watts

Der Holländer lässt mich nicht verloren im Watt, aber doch etwas ratlos zurück.
Dieses Buch fesselt und macht zunehmend Spaß zu lesen. Aber was ist es? Es scheint ein Regionalkrimi zu sein, mit kauzigen Ermittler*innen, eingebettet in die Weite des Watts zwischen Niedersachsen und Groningen (& aus Sicht mancher Vorgesetzter: Zwischen Bundesrepublik und Königreich). Ein Watt, das düster und gefährlich ist, in dem keine Urlaubsstimmung aufkommt, und das Klaus Smyrna – erfahrener Wattwanderer – zum Verhängnis wird.

Soweit also Krimi: Ein ungeklärter Todesfall, ermittelnde Beamte, eingebettet in einen spezifischen Ort und eine konkrete Zeit, in einen größeren politischen Hintergrund – und der Fall wird am Ende gelöst.

Mathijs Deens Erzählweise löst sich jedoch von den Genreerwartungen: Ein Einzelband um einen Ermittler, der erstmal nicht sympathisch erscheint, dessen Agieren über Strecken mehr an einen Filmnoir-Privatdedektiv als an einen Bundespolizisten erinnert – von dem ich trotzdem mehr lesen möchte – Vorgesetzte, Pathologen*innen und Hündin die etwas zu skurril sind – aber dies ist keine Krimikomödie – eine Täuschungsaktion, die über viele Jahre aufgebaut wird und (fast (der Fall wird gelöst)) perfekt durchgeführt wird – die aber für mein Gefühl nicht zum Motiv passt – drei ehemalige Freunde, von denen wir mehr erahnen denn erfahren, was sie auseinander trieb – nicht aber wie sie zusammenkamen.

Das Buch ist kurz, nur knapp über 260 Seiten in der deutschen Übersetzung von Andreas Ecke. Deens schafft es auf dieser kurzen Strecke eine komplexe Handlung aufzubauen, die Lesenden in diese hinein- und mitzuziehen. Sein Ermittler, Liewe Cupido gewinnt im Laufe der Handlung an Tiefe, es bleiben Fragen an ihn zurück, die eigentlich nach mindestens einen weiteren Band verlangen. Seine Dienststelle bleibt dabei schwammig und seine Ermittlungsmethoden sind – auf Basis der Kenntnisse geübter Krimileser*innen, nicht der von Kriminalist*innen – rustikal, was zur Stimmung des Buches passt, gleichzeitig aber im Widerspruch zu der sehr genauen, realistischen Setzung der Handlung steht.

Auf dem Titel der Mare-Ausgabe wandern zwei Figuren unter düsteren Himmel durch das Watt - aber im Hintergrund ist das rettende, feste Land sichtbar. In Matthias Teens Bauch bewegt sich alles vom festen Lang weg.

(Trotzdem) Lesen? Ja, lesen! (der Fall wird gelöst.)