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Benutzername: 
thriller.eule
Wohnort: 
Hamburg

Bewertungen

Insgesamt 5 Bewertungen
Bewertung vom 06.09.2024
Pineapple Street
Jackson, Jenny

Pineapple Street


gut

Mit hohen Erwartungen habe ich Pineapple Street von Jenny Jackson begonnen, vor allem, weil das Buch als modernes Pendant zu Jane Austens Werken beworben wurde. Der Vergleich mit Austen suggeriert, dass uns hier eine ebenso scharfsinnige Gesellschaftsanalyse, liebenswerte, wenn auch fehlerhafte Charaktere und eine gewisse emotionale Tiefe erwarten – Eigenschaften, für die Austen bekannt ist. Doch leider wurden diese Erwartungen nicht erfüllt.
Der Roman begleitet drei Protagonistinnen – Sascha, Georgiana und Darley – durch ihre Leben im wohlhabenden Umfeld von Brooklyn Heights. Jackson nutzt einen interessanten stilistischen Kniff, indem sie die Geschichte aus drei unterschiedlichen Perspektiven erzählt, was dem Buch durchaus narrative Tiefe verleiht. Diese multiperspektivische Erzählweise ist auch einer der stärksten Aspekte des Romans, da sie die verschiedenen Welten und Probleme der Figuren beleuchtet und die Dynamik innerhalb der Familie greifbar macht.
Trotz dieser Struktur gelingt es Jackson jedoch nicht, eine emotionale Verbindung zu ihren Protagonistinnen aufzubauen. Sascha, Georgiana und Darley bleiben durchweg distanziert und unsympathisch. Zwar hat jede ihre Fehler, was sie menschlich machen sollte, doch fehlt es ihnen an jener charmanten Unvollkommenheit, die Austens Figuren so liebenswert macht. Stattdessen wirken sie flach und kaum weiterentwickelt, was es schwer macht, sich mit ihnen zu identifizieren oder gar mit ihnen mitzufühlen.
Was mich persönlich am meisten enttäuscht hat, war die fehlende Spannung und Tiefe in der Handlung. Ich habe die ganze Zeit nach einer zentralen Botschaft gesucht, nach einem roten Faden, der das Buch zusammenhält und ihm Bedeutung verleiht. Doch diese Suche blieb erfolglos. Das Buch plätschert eher vor sich hin, ohne echten Höhepunkt oder emotionalen Tiefgang. Die Ereignisse haben wenig Nachhall, und das Gefühl, dass das Buch auch nach dem Lesen noch lange im Gedächtnis bleibt, bleibt leider aus.
Obwohl der Schreibstil von Jackson durchaus angenehm ist und die flüssige Erzählweise das Lesen leicht macht, hat das nicht ausgereicht, um die fehlende emotionale Bindung zu den Charakteren und die blassen Handlungsstränge auszugleichen. Anders als erhofft, ist Pineapple Street kein Wohlfühl-Roman, der tief berührt oder gar ein Gefühl von Wärme hinterlässt, wie es etwa die Werke von Gabriele Engelmann oder Tabea Bach oft tun.

Insgesamt ist Pineapple Street für mich ein durchschnittlicher Roman, der zwar gut geschrieben ist, aber weder emotionale Tiefe noch Spannung bietet. Die Figuren sind schwer zugänglich, und es fehlt an einem packenden Plot, der mich als Leserin wirklich mitgerissen hätte. Aus diesen Gründen kann ich dem Buch leider nur drei Sterne geben. Ein solider Roman mit guten Ansätzen, aber leider ohne bleibenden Eindruck.

Bewertung vom 23.08.2024
Ava liebt noch
Zischke, Vera

Ava liebt noch


ausgezeichnet

Vera Zischkes Debütroman "Ava liebt noch" ist weit mehr als nur ein Liebesroman – er ist eine tiefgründige, gesellschaftskritische Erzählung, die sich mutig mit Themen auseinandersetzt, die oft tabuisiert oder mit Vorurteilen behaftet sind. Obwohl der Roman eine vergleichsweise geringe Seitenzahl hat, schafft es die Autorin, ihre Leser:innen auf eine intensive Reise mitzunehmen, die sowohl emotional berührt als auch zum Nachdenken anregt und ebenso einfühlsam wie authentisch ist.
Im Mittelpunkt steht die Protagonistin Ava, Mitte 40, die in einem Alltag, der von Routinen, ihrem Ehemann, den Kindern und dem Haushalt geprägt ist, gefangen ist. Zischke beschreibt Avas Leben mit so viel Feingefühl und Authentizität, dass man sich als Leser:in sofort in ihre Lage hineinversetzen kann. Ihre Begegnung mit dem deutlich jüngeren Kieran bringt eine unerwartete Wendung in ihr Leben. Was zunächst wie eine flüchtige Affäre erscheint, entwickelt sich zu einer tiefen, bedeutungsvollen Beziehung. Dabei greift der Roman subtil gesellschaftliche Tabus auf, wie etwa die Beziehung zwischen einer älteren Frau und einem jüngeren Mann, die immer noch von kritischen Stimmen und seltsamen Blicken begleitet wird.
Die subtile Spannung zwischen Ava und Kieran, ihre gegenseitige Zuneigung und die Art, wie sie miteinander umgehen, sind meisterhaft dargestellt. Beide Charaktere sind sympathisch und liebevoll gezeichnet, und man fiebert mit ihnen mit, während sie sich durch die Höhen und Tiefen ihrer Beziehung bewegen. Besonders beeindruckend ist, wie Zischke die Perspektiven von Ava und Kieran miteinander verwebt, was der Geschichte zusätzliche Tiefe verleiht und das Leseerlebnis noch intensiver macht.
Doch der Roman bleibt nicht nur bei der Liebesgeschichte stehen. Zischke zeigt auch, wie wichtig es ist, als Familie den Alltagstrott zu durchbrechen, die Liebe zu bewahren und sich selbst nicht zu verlieren. Es ist eine Botschaft, die in unserer schnelllebigen Zeit von großer Bedeutung ist: Die Notwendigkeit, sich gegenseitig zu spüren und bewusst an der Beziehung zu arbeiten, anstatt sich von den Herausforderungen des Alltags überwältigen zu lassen.
Der Schreibstil der Autorin ist dabei ein besonderes Highlight. Vera Zischke schreibt mit einer solchen Klarheit und Sensibilität, dass man Avas emotionale Reise hautnah miterlebt. Dabei schreckt Zischke nicht davor zurück, auch die Fehler und Unvollkommenheiten ihrer Figuren zu zeigen – ein Aspekt, der die Geschichte umso realistischer und menschlicher macht.
"Ava liebt noch" ist ein Roman, der aufgrund aktueller Themen wie die Selbstverwirklichung und das Aufbrechen aus eingefahrenen Strukturen sicherlich polarisieren wird. Doch gerade diese Reibung macht ihn so interessant und relevant. Mich hat das Buch tief beeindruckt, nicht nur wegen der einfühlsamen und lebensnahen Erzählweise, sondern auch wegen der mutigen Themen, die es anspricht. Es ist ein literarisches Highlight, das fünf Sterne absolut verdient und dessen Botschaft lange nachklingt.

Bewertung vom 16.08.2024
Genau so, wie es immer war
Lombardo, Claire

Genau so, wie es immer war


gut

Claire Lombardos "Genauso wie es immer war" ist ein vielschichtiger Familienroman, der versucht, die komplexen Beziehungen und Herausforderungen des Lebens einer Frau im mittleren Alter darzustellen. Das für mich erste Buch der Autorin konnte mich dennoch nicht vollständig überzeugen.
Einer der Hauptgründe für meine eher verhaltene Begeisterung ist die Schwierigkeit, in die Geschichte hineinzufinden. Bereits der Einstieg ins Buch fiel mir schwer, da die ständigen Zeitsprünge und die Vielzahl an Charakteren mich mehr verwirrten als in die Geschichte zogen. Besonders problematisch empfand ich die fehlenden Überschriften oder Hinweise, die dem Leser helfen könnten, sich in den verschiedenen Zeitebenen zurechtzufinden. Diese Unklarheit, in welcher Zeit man sich gerade befindet, hat den Lesefluss erheblich beeinträchtigt.
Ein weiteres Problem war für mich die Einführung zahlreicher Charaktere und ihrer Spitznamen, ohne dass sofort ersichtlich war, wer wer ist. Es dauerte, bis ich verstand, dass Alma und Ollie ein und dieselbe Person sind. Solche Unklarheiten hätten durch eine klarere Einführung der Charaktere und weniger verwirrende Namen vermieden werden können.
Auch die Erzählweise des Buches hinterließ bei mir gemischte Gefühle. Die Figur Helen Russo wurde im Verlauf der Geschichte immer wieder thematisiert, was bei mir die Erwartung weckte, dass sie eine zentrale Rolle spielt oder ein großes Geheimnis enthüllt wird - der große Knall der am Ende noch kommt. Doch als dies schließlich aufgelöst wurde, blieb ich enttäuscht zurück, da der Grund für die Bedeutung dieser Figur und die damit verbundenen Handlungen für mich nicht schlüssig genug waren. Insbesondere die Frage, warum die Familie umgezogen ist und dann später zurückkehrte, blieb für mich unklar und unbefriedigend.
Die Charaktere des Romans, insbesondere die Protagonistin Julia, konnten mich leider ebenfalls nicht überzeugen. Während ich den Gedanken hinter ihrer Geschichte – eine Frau, die durch ihre Vergangenheit geprägt ist und dadurch im Hier und Jetzt Probleme hat – durchaus nachvollziehen konnte, empfand ich Julia als äußerst unsympathisch. Auch die anderen Charaktere waren entweder schwach gezeichnet, wie Ben, oder ebenfalls unsympathisch. Einzig Julias Ehemann Mark brachte für mich etwas Sympathie in die Geschichte ein, doch das reichte nicht aus, um die Gesamterzählung zu tragen.
Positiv hervorzuheben ist der Schreibstil von Claire Lombardo, den ich als flüssig und gut lesbar empfand. Trotz der verwirrenden Struktur gelang es der Autorin, einen Stil zu pflegen, der den Leser durchaus fesseln kann – sofern man sich in der Geschichte zurechtfindet.

Abschließend lässt sich sagen, dass "Genauso wie es immer war" ein Buch ist, das zwar Potenzial hat, dieses jedoch nicht vollständig ausschöpft. Die verwirrende Struktur, die schwer zugänglichen Charaktere und die unbefriedigende Auflösung machen es mir schwer, eine höhere Bewertung zu geben. Für Leser, die sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen lassen und sich gerne auf komplexe Familiengeschichten einlassen, mag das Buch dennoch interessant sein. Für mich persönlich blieb es jedoch hinter den Erwartungen zurück. Mit insgesamt drei Sternen bewerte ich das Buch als durchschnittlich, mit einigen positiven Aspekten, aber auch deutlichen Schwächen.

Bewertung vom 14.08.2024
Ich komme nicht zurück
Khayat, Rasha

Ich komme nicht zurück


ausgezeichnet

„Ich komme nicht zurück“ von Rasha Khayat erzählt auf eindrucksvolle Weise die Geschichte von Hanna und ist dabei sowohl poetisch als auch gefühlvoll und einfühlsam. Die Handlung hat mich in seinen Bann gezogen und ich konnte es nicht mehr auf der Hand legen, weshalb ich es innerhalb eines Tages durchgelesen habe.
Der Schreibstil ist malerisch und wunderschön, sodass man sich die geschilderten Situationen lebhaft vorstellen kann und sich direkt in die Geschichte fallen lässt.

Die Handlung spielt während der Corona-Pandemie im Winter und wird aus der Sicht von Hanna erzählt. Wir erfahren sowohl von ihrer Gegenwart als auch durch kleine Rückblicke von ihrer Vergangenheit. Diese Rückblicke sind geschickt eingewoben und helfen dabei, Hannas Gefühl der Einsamkeit und Sehnsucht besser zu verstehen. Schnell wird klar, wie einsam Hanna tatsächlich ist – nicht nur körperlich, sondern auch emotional. Denn Hanna hat außer ihrem Kindheitsfreund Cem niemanden mehr. Doch auch diese Freundschaft hat sich verändert. Zu allem Überfluss hat Hanna gerade ihre Oma verloren und vor ein paar Jahren bereits ihren Opa - nun wohnt sie in der Wohnung ihrer Großeltern, bei denen sie aufgewachsen ist.
Die Ausgangssituation ist trostlos, und wir erleben, wie Hanna von ihrer Einsamkeit förmlich aufgefressen wird. Doch nach und nach beginnt sie, aus dieser Einsamkeit herauszufinden. Während des gesamten Romans zieht sich eine Sehnsucht nach Zeyna, einer Person, mit der sie in ihrer Vergangenheit eng befreundet war. Zusammen mit Cem bildeten sie ein unzertrennliches Trio, bis Deyna aus einem Grund, der erst am Ende des Buches enthüllt wird, die Freundschaft beendete.
Dieser Grund, der erst gegen Ende des Romans ans Licht kommt, ist überraschend und schockierend. Es wird nichts vorweggenommen und deutet sich im Verlauf der Geschichte nicht an, was die Enthüllung umso beeindruckender macht.

Ein weiterer faszinierender Aspekt des Buches ist die Frage, ob es sich bei der Geschichte um Fiktion oder um autobiografische Elemente handelt. Diese Ungewissheit verleiht dem Roman eine zusätzliche emotionale Tiefe. Darüber hinaus greift Rasha Khayat aktuelle und relevante Themen wie Rassismus und Ausländerfeindlichkeit auf. Obwohl diese Themen nicht im Vordergrund stehen, werden sie nebenbei thematisiert und bieten einen wichtigen gesellschaftlichen Kontext.
Historische Bezüge, die bis in die 1970er und 1980er Jahre zurückreichen, sind ebenfalls geschickt in die Handlung integriert. Diese Rückblicke helfen, die heutigen Ereignisse und Charaktere besser zu verstehen. Die Erzählung spannt einen Bogen von der Vergangenheit bis in die Gegenwart und zeigt, wie sich Freundschaften und familiäre Bindungen über die Zeit entwickeln.
Ein zentrales Thema des Buches ist die Verschmelzung von Freundschaft und Familie. Es wird deutlich, wie tief die Verbindungen zwischen den Menschen gehen können und wie neue Familienkonstellationen entstehen, die kulturelle Grenzen überwinden. Diese Darstellung von Liebe und Zusammenhalt ist ermutigend und zeigt, dass Familie über verschiedene Kulturen hinweg funktionieren kann.

„Ich komme nicht zurück“ ist für mich ein absolutes Highlight und definitiv alle fünf Sterne wert. Die einfühlsame Darstellung der Charaktere, die relevanten gesellschaftlichen Themen und die poetische Erzählweise machen diesen Roman zu einem beeindruckenden Leseerlebnis. Ich habe nichts zu kritisieren und empfehle dieses Buch wärmstens weiter.

Bewertung vom 14.07.2024
Der Bademeister ohne Himmel
Pellini, Petra

Der Bademeister ohne Himmel


ausgezeichnet

„Der Bademeister ohne Himmel“ ist das beeindruckende Debüt von Petra Pellini. Die Geschichte wird aus der Perspektive der 15-jährigen Linda erzählt, die mit dem Gedanken spielt, sich das Leben zu nehmen. Sie hat keinen Spaß mehr an der Schule und ein schwieriges Verhältnis zu ihrer alleinerziehenden Mutter, deren neuer Freund Bestatter ist. Linda findet Trost bei dem 86-jährigen, dementen Hubert und ihrem besten Freund Kevin. Linda ist einsam und fühlt sich unverstanden, besonders von ihrer Mutter, aber sie begegnet Hubert unverkrampft und mit viel Einfühlungsvermögen. Zu Beginn hätte ich nicht damit gerechnet, dass man sich mit der deutlichen jüngeren Protagonistin Linda überhaupt identifizieren kann, doch ich habe mich geirrt. Linda ist eine kleine Heldin und jeder kann sich etwas von Linda abschauen. Sie zeigt eine große Empathie Hubert gegenüber und erzählt ihm oft Geschichten von seiner verstorbenen Frau Rosalie und seiner Arbeit als Bademeister. Diese kleinen Erlebnisse bringen sowohl Hubert als auch Linda Freude und Trost.
Ewa, die polnische Pflegerin, spielt ebenfalls eine zentrale Rolle. Sie hat ein enges Verhältnis zu Linda und kümmert sich liebevoll um Hubert. Man erfährt auch von Ewas eigenen Herausforderungen als Pflegekraft fernab ihrer Heimat.
Pellinis Schreibstil ist klar, direkt und oft humorvoll. Man merkt, dass sie aus eigener Erfahrung in der Pflege schöpft. Die Figuren sind gut ausgearbeitet und authentisch dargestellt. Besonders die Beziehung zwischen Linda und Hubert ist tiefgehend und berührend.
Das Ende des Buches hat mich sehr berührt. Es war unerwartet und hat mich tief getroffen, dennoch hat es mich auf eine Weise zufrieden und glücklich dieses Buch abschließen lassen.

„Der Bademeister ohne Himmel“ hat mich zum Nachdenken angeregt und tief bewegt. Es zeigt, wie wichtig es ist, auch in schwierigen Zeiten Menschlichkeit und Freude zu bewahren. Ich kann die Geschichte nur empfehlen. Jeder könnte irgendwann auf Hilfe angewiesen sein und sollte sich glücklich schätzen, wenn Menschen wie Linda und Ewa zur Seite stehen.