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Benutzername: 
Pedro
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Pfungstadt

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Bewertung vom 22.02.2023
Von echten und falschen Asylanten
Bayanjav, Tsogbadrakh

Von echten und falschen Asylanten


ausgezeichnet

Veränderte Generationen
Der Autor, 1958 geboren, hatte seine Jugend in Ostberlin verbracht, sein Vater war dort als Diplomat der Mongolei tätig. Bayanjav beobachtet aufmerksam die Entwicklungen in Europa, aber auch in seinem Herkunftsland, wo er die Umbrüche des einst sozialistischen Landes schildert. Im Zentrum seiner Beobachtungen steht die Einwanderungspolitik der deutschen Regierung. Wie der Titel des Buches bereits zeigt, sieht er unterschiedliche Voraussetzungen bei den Einwanderern selbst. Er beginnt mit der Geschichte seines Vaters, ein politisch Verfolgter, also ein Asylant im herkömmlichen Sinn und vergleicht diesen mit den Umständen heutiger Asylanwärter. Politische Verfolgung spielt bei jenen in den wenigsten Fällen eine Rolle. Zu ihren Asylbegehren führen heute ganz andere Motive. Bayanjav widmet diesen Veränderungen.
Die Geschichte von Bayanjav Vaters, dem „echten“ Asylant beginnt im Japanisch-Chinesischen Krieg, 1941 auf dem Gebiet der inneren Mongolei. Er war dort in einem kleineren Ort als Lehrer an einer Grundschule beschäftigt. Eines Tages tauchen zwei Soldaten in chinesischen Uniformen auf und nahmen ihn ohne Begründung zu einem Verhör mit. Man beschuldigte ihn antikommunistische Propaganda betrieben zu haben. Es begann ein Leidensweg durch mehrere chinesischen Gefängnisse. Nach dem die Angriffe der Japaner immer heftiger wurden, rekrutierten die Chinesen sogenannte mongolische Strafbataillone, die man in vorderster Linie aufstellte. Bayanjav Senior gelang schließlich nach einem verwirrenden Gefecht die Flucht. In einer langen beschwerlichen Reise, erreichte er endlich Ulaanbaator die Hauptstadt der Mongolei. Dort lies er sich nieder und fand einen Weg im diplomatischen Dienst des Außenhandels in die DDR, wo sein Sohn, der Autor geboren wurde und ein Studium abschließen konnte. Nach 1990 befand sich schließlich die ganze Familie in der Bundesrepublik Deutschland. Sie waren quasi Einwanderer geworden. Für alle stand nie außer Frage, dass sie für ihr Leben selbst sorgen müssen und dies auch können. Für Bayanjav der Grund, seine Familie als „echte“ Asylanten zu bezeichnen, obwohl nie ein Asylantrag gestellt wurde.
Mit dem Zusammenbruch des Sozialismus haben sich auch die Gründe für das Bestreben eine Asylanspruchs geändert. Der Autor bleibt hier weiter in seinem Herkunftsland der Mongolei, das inzwischen eine demokratische rechtsstaatliche Republik geworden ist und als sicherer Drittstaat eingestuft wird. Dennoch wollen viele ihre Heimat verlassen, weil die wirtschaftliche Lage den Einwohnern weiterhin Entbehrungen abverlangt. Viele Mongolen suchten ihr Heil in Südkorea, wo sie oft nur schlecht bezahlte Jobs. Auch Deutschland ist ein erstrebtes Einwanderungsland. Die jeweiigen Motive haben sich grundlegend gendert.