Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
QueerLeserin
Wohnort: 
NRW

Bewertungen

Insgesamt 16 Bewertungen
12
Bewertung vom 03.11.2024
Die Alchemie des Träumens (eBook, ePUB)
Moor, Iva

Die Alchemie des Träumens (eBook, ePUB)


sehr gut

Worum geht es:
Das Buch spielt im Jahr 1948 in New York, in einer magischen Parallelgesellschaft aus Hexen, Vampiren und Dämonen. Die talentlose Hexe Moira arbeitet als Journalistin. Für einen Artikel legt sie sich mit Vampiren an, wird von diesen entführt und als Lebendfutter in ein Bluthaus gesteckt. Von dort wird sie von der Dämonin Sova befreit. Im Gegenzug verlangen die Dämonen von Moira, dass sie ihnen hilft, einige offenbar entführte Dämonen wiederzufinden. Moira und Sova kommen einer Verschwörung auf die Spur, die sich bis in die Spitzen der magischen Gesellschaft zieht.

Wie ich es fand:
Anfangs ist das Ganze sehr hart. Bei der Episode im Bluthaus musste ich mich überwinden, weiterzulesen, und auch als Moira von den Dämonen rekrutiert wird, geht es nicht gerade flauschig zu. Letztlich ist diese Härte aber realistisch für die kapitalistische Welt, in der die Fabelwesen zurechtkommen müssen, und dabei zusätzlich zur üblichen Geldnot auch noch Blut oder Träume für ihre Bedürfnisse benötigen. Da müssen hässliche Entscheidungen getroffen werden und niemand bleibt moralisch rein.
Im Laufe des Buches wird es aber etwas weniger schlimm und auch mal humorvoll, was als Erleichterung nach der Härte gut tat.
Ich mochte die Dynamik zwischen Moira und Sova – und bin gespannt, ob es zwischen den beiden im zweiten Buch romantisch wird, doch auch als Enemies to Friends ohne Romance gefiel mir die Beziehung gut. Das magische New York wird in vielen Facetten gezeigt und Iva Moors großartiger Schreibstil malt Bilder im Kopf. Schön fand ich die nebenbei eingebaute Queerness: Moira ist lesbisch, Sova bi, und die Anführerin der Dämonen ist eine trans Frau, was von allen Dämonen problemlos akzeptiert wird.

Ein Manko ist, dass das Buch einige Längen hat. Viele der Untersuchungen des Kriminalfalls enden in Sackgassen und hier hätte man meiner Meinung nach einiges straffen können. Meine Vermutung ist, dass der Kriminalfall nur als Vehikel genutzt wurde, um ein möglichst umfangreiches Gesellschaftsportrait a la Victor Hugo zu schaffen. Das ist durchaus interessant, geht aber manchmal zu Lasten der Spannung. Dennoch machten auch die überflüssigen Stellen dank des guten Schreibstils Spaß zu lesen.

Fazit:
Ein schön geschriebener magischer Gesellschaftsroman mit einigen Längen. Gut für alle, die sich gerne in eine Welt ausführlich vertiefen.

Bewertung vom 23.10.2024
Shapes of Diversity
Aranyos, É. R.

Shapes of Diversity


sehr gut

Worum geht es:
Lena und ihre beste Freundin Rebecca machen Urlaub in Florida und lernen dort den Sänger Evan kennen. Dummerweise verlieben sich beide Frauen in ihn. Noch dazu ist Lena in Rebecca verliebt. Das Gefühlschaos wird dadurch vergrößert, dass sowohl Lena als auch Evan Gestaltwandler sind, die sich in Tiere verwandeln können. Zwischen Lena und Evan bahnt sich mehr an, doch die Freundschaft zwischen Lena und Rebecca droht daran zu zerbrechen ...

Was ich gut fand:
Die Mischung aus Romance, Erotik und Fantasy hat mit gut gefallen. Auch mochte ich, wie verschiedenste sexuelle Orientierungen gezeigt werden sowie Neurodivergenzen, was im Anhang noch einmal genau erklärt wird. So leistet das Buch nicht nur Unterhaltung, sondern auch Aufklärung. Einen spannenden Ansatz fand ich, dass die erotischen Szenen mit Symbolen markiert sind, sodass die Lesenden sich entscheiden können, ob sie diese lesen oder lieber überspringen wollen. Außerdem ist die Autorin auch Künstlerin und hat das ganze Buch mit wunderschönen Bildern illustriert.

Was ich nicht so gut fand:
Sprachlich ist noch Luft nach oben. Leider hatte ich den Eindruck, dass trotz Lektorat und Korrektorat einige Rechtschreibfehler im Text stecken. Ich hoffe, dass dies in den kommenden Bänden sorgfältiger gehandhabt wird.

Fazit: Eine gelungene Mischung aus Romance, Erotik und Fantasy, die zudem Aufklärung leistet.

Bewertung vom 17.10.2024
Siebensteinthal
Jehanzeb, Sameena

Siebensteinthal


ausgezeichnet

Worum geht es:
Alte Sagen und Legenden, hinter denen ein wahrer Kern steckt. Mit diesem Buch versucht Sameena Jehanzeb etwas Neues, nämlich einen Episodenroman. Sieben Episoden erzählen von je einer Person, die in der Jetztzeit im fiktiven Siebensteinthal lebt. Das verbindende Element ist ein Buch, mit dem jede der Personen zu tun bekommt: ein altes Sagenbuch, in dem von bösen, menschenfressenden Hexen, Dämonen und Geistern die Rede ist. Und dann zeigen sich diese Kreaturen in der Tat höchstlebendig. Doch dabei bleibt es nicht, denn jede Episode hat einen ganz eigenen Twist. Und so stellt sich die Frage: Sind nicht eigentlich die Menschen die schlimmeren Monster?

Was ich gut fand:
Es sind wohlige Schaudergeschichten mit einem Twist, zum Teil gruselig und düster, zum Teil auch herzerwärmend und tröstlich. Mir gefällt die Verbindung von alten Legenden und unserer heutigen Zeit. Auch mag ich Jehanzebs Schreibstil, mit dem man sich sehr gut in die Figuren einfühlen und die Atmosphäre der Orte spüren kann. Das Buch ist außerdem schön gestaltet mit vielen Illustrationen.

Was ich nicht so gut fand:
Ich habe nichts Größeres zu meckern. Nur die teilweise mitten in einem Absatz springenden Perspektiven haben mich manchmal verwirrt.

Fazit:
Ein gutes Buch für lange, dunkle Herbstabende.

Bewertung vom 11.10.2024
Arabilious
Afifi, Nadia; Saab, Sara; Barber, Jess

Arabilious


sehr gut

Bisher habe ich vorwiegend westliche Phantastik gelesen. Dies wollte ich ändern und habe mir „Arabilious“, eine Anthologie mit arabischer Science Fiction, gekauft.

Worum geht es: Science Fiction-Kurzgeschichten mit arabischem Hintergrund.

Meine Favoriten: „Pan-Humanism: Hope and Pragmatics“ von Jess Barber und Sara Saab. Die Protagonisten entwickeln in Zeiten des Klimawandels die Stadt Beirut und versuchen, den Wassermangel in den Griff zu bekommen. Das Worldbuilding ist abgesehen vom Klimawandel ziemlich hoffnungsvoll. Gleichzeitig ist es eine Liebesgeschichte, in der viele queere Partnerschaftskonstellationen vorkommen.

„The Bahrain Underground Bazaar“ von Nadia Afifi. In einem Bazar kann man die Erinnerungen anderer Menschen erleben, die mit neuralen Implantaten aufgezeichnet wurden. Die an Krebs erkrankte Protagonistin konsumiert die Erinnerungen von Verstorbenen aus dem Moment ihres Todes, um zu entscheiden, auf welche Weise sie sich das Leben nehmen will. Eine bestimmte Erinnerung weckt ihr Interesse und schickt sie auf eine Reise in die Wüste.

In „To New Jerusalem“ von Farah Kader besucht die Protagonistin ihre Heimatstadt, die aufgrund des Klimawandels überflutet wurde und nun unter Wasser liegt. Das Thema Verlust der Heimat passt beklemmend gut zur realen Erfahrung der Palästinenser und anderer vertriebener Menschen, hier verbunden mit einem futuristischen Setting.

In „Exhibit K“ von Nadia Afifi werden Menschen, die in Kryoschlaf versetzt wurden, in einer fernen Zukunft wieder auferweckt. Ein Unternehmen zwingt sie, zur Belustigung des Publikums die Klima-Kriege ihrer Zeit nach zu kämpfen. Die Protagonistin versucht, ihre Autonomie zu bewahren und zu rebellieren.

Fazit: Insgesamt besitzen viele Geschichten etwas Düsteres, das die leidvollen Erfahrungen der realen Welt widerspiegelt, aber auch eine Hoffnung auf eine bessere Zukunft oder den Versuch, Widerstand zu leisten. Spannend finde ich die Mischung futuristischer Ideen mit Elementen aus den verschiedenen arabischen Kulturen. Ein gutes Buch, um einen Blick über den westlichen Tellerrand hinauszugewinnen. Nur die Sprache wirkt manchmal etwas ungelenk, was an den Übersetzungen liegen kann.

Bewertung vom 11.10.2024
Queer*Welten 12-2024
Tunnat, Yvonne; Schmeink, Lars; Campbell, Jamie-Lee; Schwarz, Kae; Juvenell, Nox; Westkott, Rebecca; Hollarius

Queer*Welten 12-2024


sehr gut

Besonders cool in dieser Ausgabe sind die Microfictions, welche die klassische Heldenreise aus einer queeren Perspektive auf den Kopf stellen. Auch #kurzgeschichten und #essays sind wieder mit dabei.
„Der späte Wurm“ von Rebecca Westkott erzählt von einem postapokalyptischen Szenario, wo Überlebende auf einem Schiff zusammenleben, die allesamt Krankheiten oder Behinderungen haben. Alle nehmen auf diese Einschränkungen Rücksicht, was pointiert mit einer Rückblende auf die heutige Welt kontrastiert wird.

Super fand ich auch „Spargelernte“ von Kae Schwarz, wo die Ausbeutung von Spargelstecherinnen thematisiert wird. Sehr aktuell, da der Spargel ja gerade wieder auf vielen Tellern landet. Der Eigentümer des Hofes wird tot aufgefunden, ein Magier muss mithilfe von Magie den Tod aufklären und stößt dabei auf die miesen Arbeitsbedingungen.
Auch die anderen Kurzgeschichten und Essays waren lesenswert.

Ein paar kleine Kritikpunkte habe ich allerdings auch. So habe ich mich gewundert, dass die Leute in „Der späte Wurm“ weiterhin für ein Gehalt arbeiten und sich freuen, wenn das Gehalt hoch ist. Denn wenn man doch wieder Geld zum Leben braucht, (und das Gehalt eigenmächtig von den Arbeitgebenden festgelegt wird), stellt dies das ganze Szenario in Frage.
In „Spargelernte“ erklärt eine Hexe die geschilderten Missstände mit einer „Maschinerie weißer Männlichkeit“. Das passt nicht so richtig, denn auch eine Frau als Hofeigentümerin und weiße männliche Spargelstecher würden wahrscheinlich zu derselben Ausbeutung führen. Das liegt nämlich nicht am Geschlecht oder der Hautfarbe, sondern am Kapitalismus.
Allerdings ist mir auch klar, dass eine Kurzgeschichte in der Analyse von gesellschaftlichen Zusammenhängen nicht dasselbe leisten kann wie ein Sachbuch.
Und etwas nerden muss ich auch: Gegenstände fallen im Schwerefeld der Erde nicht mit einer Geschwindigkeit von 9,81 km/h, sondern mit einer Beschleunigung von 9,81 m/s^2.

Bewertung vom 11.10.2024
Am Saum der Welten (eBook, ePUB)
Persson, T. B.; Schwendinger, Michael; Hobusch, Nicole; Balz, Chris; Gastel, Alex M.; Laufer, Anke; Weiß, T. N.; Schlegel, Daniel; Etter, Jassi; Asches, Jules B.; Hübel, Dennis; Richter, Lena; Helbig, Björn; Regen, Juli; Schwenk, Bjela

Am Saum der Welten (eBook, ePUB)


sehr gut

Eine gute Mischung aus SF, Fantasy und Horror. Spannend fand ich, dass die meisten Texte etwas Ungewöhnliches hatten, oft auch etwas Unerklärliches, und manche Fragen offen ließen.
Hier nur ein paar Beispiele, die mir besonders gefallen haben:
„Notate“ von Anke Laufer ist eine Mischung aus wissenschaftlichem Bericht und Biografie aus einer Welt, wo Sommersprossen Lebewesen sind.
„Über Bord“ von Chris Balz erzählt von einer Schiffs-KI, die Mitgefühl für eine Drohne entdeckt, und war einfach sehr niedlich.
„Die Enyo-Expedition“ von T.N. Weiss ist eine skurrile Mischung aus Fantasy und Space Opera.
„Countdown“ von T. B. Persson erzählt offenbar von einer Alien-Landung und bindet das selten in der Literatur vorkommende Thema postpartale Depression ein. Die Geschichte lässt viele Leerstellen, die zum Nachdenken anregen, z.B. wer zur Hölle hat die Katze getötet?
Insgesamt eine klare Empfehlung!

Bewertung vom 11.10.2024
Sonnenseiten

Sonnenseiten


sehr gut

In dieser Anthologie sind Geschichten versammelt, in denen Solar Punk und Street Art eine Rolle spielen. Für die, die Solar Punk vielleicht noch nicht kennen: das ist ein Sammelbegriff für utopische Zukunftsentwürfe, in denen regenerative Energien verwendet werden. Auch Unterdrückung, Ausbeutung und Krieg sind zumeist in diesen Entwürfen abgeschafft. Mir hat das entsprechend Utopische in diesen Geschichten gut gefallen. Sich einmal zur Abwechslung in Welten zu träumen, in denen Pflanzen auf Häusern blühen und Solarzellen glitzern, war Balsam für meine von der Realität geschundene Seele. ^^ Welten, die häufig auch sehr queer und divers dargestellt sind.

Zwei Schwierigkeiten ergeben sich allerdings mit dem Setting: Erstens bleibt meist im Unklaren, wie genau eine solche utopische Welt funktionieren soll. Ökonomie und Politik werden in den Geschichten nur am Rande gestreift.

Zweitens standen die Autor*innen vor der Aufgabe, nicht nur Solar Punk, sondern auch Street Art in ihre Geschichten einzubauen. Street Art hat ja eher etwas mit Rebellion gegen die Verhältnisse zu tun. Doch wogegen soll man in einer utopischen Welt rebellieren? Es musste also irgendein Konflikt eingeführt werden, um die Rebellion zu motivieren. Dieses Problem haben manche Schreibende sinnvoll gelöst, bei anderen fühlt sich der Konflikt für mich arg konstruiert an.

Die sprachliche Gestaltung zeigt eine ziemliche Bandbreite: einige Texte sind richtige Perlen, viele sind solide geschrieben, ein paar haben sprachlich noch Luft nach oben.

Insgesamt eine Empfehlung für alle, die zwischen all den real existierenden Dystopien einen Hoffnungsschimmer suchen.

Bewertung vom 11.10.2024
Neongrau
Mira, Aiki

Neongrau


sehr gut

Worum geht es?
Die Geschichte spielt im Jahr 2112 in Hamburg, das wegen des Klimawandels von Fluten und Starkregen heimgesucht wird. Die beiden Jugendlichen Go und Elll verlieben sich und werden in düstere Machenschaften hineingezogen rund um ein Gaming-Turnier. Denn zu dieser Zeit ist VR-Gaming eine riesige Industrie, ähnlich wie heute Fußball. Einerseits droht ein Terroranschlag auf dem Turnier, andererseits will der Konzern, der das Gaming kontrolliert, die menschlichen Spieler durch KI ersetzen, und dann gibt es auch noch eine Hackergruppe, die etwas im Schilde führt. Bedrohlich sind auch die Headsets, die jeder Mensch trägt, und die Gedanken aufzeichnen.

Was ich gut fand:
„Neongrau“ ist ein multiperspektivisch erzählter Gesellschaftsroman, der die Stadt der Zukunft in vielen Facetten zeigt, von der glamourösen Welt der berühmten Gamer bis zum Slum, wo Menschen in schwimmenden Containern leben, und der Unterwelt in aufgegebenen U-Bahntunneln. Mit vielen kleinen Details werden Atmosphäre aufgebaut und Gefühle erzeugt, man kann förmlich den abplatzenden Lack der Slum-Container fühlen. Das Flutwasser, in dem mutierte Ratten leben, macht die Folgen des Klimawandels hautnah spürbar. Eindrückliche Szenen zeigen gesellschaftliche Probleme, z.B. geht eine Frau an Drogenkonsum zu Grunde und erinnert sich an die einzige glückliche Zeit in ihrem Leben, als sie als lebende Schaufensterpuppe arbeiten durfte; und Gos Vater arbeitet als Social-Media-Moderator unter enormem psychischen Druck.
Auch die Charaktere sind interessant und individuell, inklusive Queerness. Z.B. ist Go genderfluid und überlegt, ob sie/er sich einer angleichenden OP unterziehen will. Ich fand auch Gos Mutter Ren eine spannende Figur, die das Dilemma einer Frau zeigt, die ein eigenes Werk schaffen will und nicht in die Mutterrolle passt.
Größtenteils gefällt mir Miras Schreibstil sehr, es gibt viele treffende Vergleiche und Metaphern. Der Text ist im Präsenz geschrieben, was Unmittelbarkeit und Dringlichkeit erzeugt.

Etwas Kritik:
Hin und wieder ist die Sprache arg gestelzt. Es klingt wie ein Produktdatenblatt, wenn technische Geräte beschrieben werden, und die Dialoge wirken manchmal, als würden die Figuren vom Blatt ablesen.
Es war etwas schwer, ins Buch hineinzukommen durch die vielen neuartige Begriffe (auch wenn sie im Glossar erklärt werden) und durch die springenden Perspektiven.
Zu den Zielen und Aktivitäten der Hackergruppe hätte ich mir noch mehr gewünscht. Sie wurde erst groß aufgebaut, kam dann aber doch nur am Rande vor.

Fazit: Insgesamt ein etwas sperriges Buch, das aber mit vielen tollen Details, sprachlichen Perlen und einigen berührenden Szenen belohnt.

Bewertung vom 11.10.2024
Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten / Wayfarer Bd.1
Chambers, Becky

Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten / Wayfarer Bd.1


sehr gut

Worum es geht:
Eine Raumschiff-Crew baut Wurmlöcher als Verkehrswege im Weltall. Aus verschiedenen Perspektiven erzählt das Buch von der Reise der Crew zum Auftragsort, den Abenteuern, die sie auf dem Weg erleben, und ihren Beziehungen untereinander.

Was ich gut fand:
Die episodische Erzählweise fand ich durchaus interessant, weil es mal etwas anderes war. Schön ist auch der Fokus auf die Charaktere und ihre Beziehungen und das detaillierte Worldbuilding. Anhand der verschiedenen Alien-Spezies werden verschiedene Vorstellungen von Familie und Partnerschaft gezeigt sowie geschlechtliche, körperliche und kulturelle Vielfalt. So sorgt die unterschiedliche Herangehensweise von Menschen und Aandrisks an Sexualität für einige erheiternde Szenen, und ganz nebenbei kommt viel Queerness vor.

Was mich gestört hat:
Die Cozyness ist etwas zu dick aufgetragen. Alle Charaktere sollen unbedingt liebenswert sein, bis auf einen, der im Gegensatz als besonders antisozial dargestellt wird.
Nicht nur das, auch viele Konflikte werden meiner Meinung nach zu schnell gelöst (was vielleicht an der episodischen Struktur liegt) und die dunklen Seiten des Worldbuildings werden nur kurz angeteasert, aber nicht konsequent weiter ausgeführt.
Ein Beispiel ist die Situation der Akaraks, die gezwungen sind, als Piraten ihren Lebensunterhalt zu verdienen, nachdem ihr Planet von einer Kolonialmacht ausgeplündert wurde, oder die Tatsache, dass ein wichtiges Erz für Elektronik von Gefangenen abgebaut wird. Oder auch, dass man Geld für medizinische Behandlungen / Implantate braucht (gibt es keine Krankenversicherung?). Diese Probleme werden nur kurz angesprochen, sind eine Seite später aber schon wieder vergessen.
Außerdem hat Ashby als Chef des Raumschiffs eigentlich einen Interessensgegensatz zur Crew. Hier könnte ja mal gestritten werden, z.B. über die Höhe des Gehalts oder die Länge der Arbeitszeiten. Aber diese Konflikte werden, wenn überhaupt, scherzhaft angesprochen und dann sind alle wieder beste Freunde.
Aus solchen Themen hätte sich meiner Meinung nach mehr machen lassen. Andererseits passt das dazu, wie in der realen Welt Armut und Ausbeutung hingenommen wird. Vielleicht werden diese Themen ja auch in den Folgebänden vertieft.
Etwas seltsam fand ich außerdem die Aussagen zum Thema Krieg: Die Tatsache, dass manche Spezies, wie die Menschen oder die Grum, innerhalb ihrer Spezies Krieg führen, wird biologistisch über angeborene Grausamkeit erklärt. Zugleich wird behauptet, der Krieg, den die Aeluons gegen die Rosk führen, wäre voll in Ordnung und die Aeluons wären einfach von Natur aus „besser“ im Kriegführen. Was denn jetzt? Mal ist Krieg schlecht, mal in Ordnung? Und Krieg resultiert meiner Meinung nach nicht aus der Biologie, sondern aus den Zwecken, die die Staaten verfolgen.
Also: Insgesamt ein Buch, das Spaß macht, aber mit ein paar Unstimmigkeiten.

Bewertung vom 11.10.2024
We Who Are About To...
Russ, Joanna

We Who Are About To...


ausgezeichnet

Worum geht es:
Um eine, die sich nicht fortpflanzen will, und damit auf Feindschaft stößt.
Das Buch beginnt an einem recht häufigen Ausgangspunkt in der SF: Ein Raumschiff stürzt auf einem unbewohnten Planeten ab, ohne Möglichkeit, Hilfe zu rufen. Die Überlebenden stehen vor der Frage, was jetzt. Wie üblich entscheiden sie sich, eine neue Zivilisation aufzubauen. Denn die menschlichen Gene müssen ja weitergegeben werden! Das heißt, die Männer entscheiden das und die Frauen dürfen ihre Gebärmütter herhalten.
Doch die Ich-Erzählerin möchte sich nicht fortpflanzen, erst recht nicht unter diesen Bedingungen. Mit dieser Ansicht steht sie in kompletter Opposition zu den anderen und bald wird blutige Feindschaft daraus. Das Buch zeigt, wie eine Person nur aufgrund ihres Wunsches nach körperlicher Selbstbestimmung zur Antagonistin (gemacht) wird.

Kommentar:
Das Buch ist ziemlich düster und mit beißendem Zynismus geschrieben. Konsequent wird der Konflikt bis aufs Äußerste eskaliert. Dabei gibt es kein einfaches Gut gegen Böse, denn auch die Handlungen der Protagonistin lassen sich in Frage stellen. Das Ende zieht sich meiner Meinung nach unnötig lang hin und ist recht konfus geschrieben, was aber auch am geistigen Zustand der Protagonistin liegt. Das Buch ist definitiv keine einfache Lektüre, sondern eine, auf die man sich bewusst einlassen muss, dafür aber mit interessanten Gedanken belohnt wird.
Insgesamt ein wichtiges Buch, gerade in Zeiten, wo das Recht auf Abtreibung vielerorts in Gefahr ist und körperliche Selbstbestimmung längst noch nicht für alle FLINTA möglich ist.

12