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Buecherundschokolade

Bewertungen

Insgesamt 130 Bewertungen
Bewertung vom 21.11.2024
Die rosafarbene Perle
Pardo Bazán, Emilia;Weber, Floria

Die rosafarbene Perle


ausgezeichnet

In der @perlenbibliothek des Input-Verlags werden Klassiker der deutschsprachigen und europäischen Literatur neu oder erstmals in deutscher Sprache aufgelegt. Man könnte beim ein oder anderen Titel auch sagen: Ihnen wird endlich Genüge getan. Die Gestaltung lässt dabei regelmäßig unser bibliophiles Herz höher schlagen.

Im Vorfeld unserer Zugfahrt nach Spanien dieses Jahr haben wir uns daher über das Erscheinen des Erzählungsbandes Die rosafarbene Perle und andere Geschichten aus dem Panoptikum der Liebe von Emilia Pardo Bazán gefreut. Diese in Deutschland noch relativ ungelesene (und in Madrid begrabene) Autorin des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts gilt in Spanien als eine der herausragenden Vertreter:innen des Naturalismus und erste berühmte Feministin des Landes.

Ihr Erzählungen sind ausgesprochene kleine Kunstwerke, die einen tiefen Blick in die Stellung und Lage von Frauen im Spanien des Fin de siècle erlauben. Einerseits. Andererseits sind es aber auch Geschichten über Zwischenmenschliches und die dazugehörigen Abgründe: enttäuschte, käufliche, erotische Liebesbeziehungen, Ehebruch, Suizid oder Femizid. Ein Erzählungsband, der trotz seines Ersterscheines im Jahr 1898 seltsam heutig anmutet.

Man möchte ihm viele begeisterte Leser:innen wünschen.

Bewertung vom 21.11.2024
Chéri
Colette, Sidonie-Gabrielle Claudine

Chéri


ausgezeichnet

„Das menschlichste Herz der französischen Literatur“ hat Marcel Proust die Autorin Colette einmal genannt und damit die große Kunst dieser französischen Jahrhundertautorin durchaus treffend beschrieben. Denn die Windungen und Wendungen des Zwischenmenschlichen beschreibt sie so eingängig wie messerscharf.

In Colettes Roman Chéri hat eine mittelalte Lebedame - die wohlhabende Léa - eine Beziehung mit einem jungen Mann, den sie mütterlich nur Chéri nennt. Eine alles andere als gesellschaftlich angemessene Verbindung für das Erscheinungsjahr 1920, noch dazu, weil sie außerehelich und explizit erotisch daherkommt.

Als Chéri mit einer Debütantin verheiratet wird, stürzt das sowohl ihn als auch Léa in existenzielle Krisen und führt schließlich zur Auseinandersetzung mit der Natur ihrer Beziehung.

Colettes empathisch-analysierender Stil und ihre ironische Erzählweise machten den Kurzroman für mich zu einem Lesevergnügen. Ich wurde dabei des Öfteren an die von mir sehr geschätzten Non-Maigrets von Georges Simenon erinnert, wobei Colette die Zeichnung einer weiblichen Protagonistin besser gelingt (insoweit weist das Werk Simenons regelmäßig ein Manko auf). Da überrascht es wenig, dass es eben jene Colette war, die Simenon am Anfang seiner Karriere den Rat gab, so einfach zu schreiben wie möglich und alles Überflüssige wegzulassen. Ein stilprägender Ratschlag.

Wer eine wichtige Stimme der französischen Literatur entdecken möchte, ist mit dieser gelungenen und wie immer stilsicher gestalteten Ausgabe aus dem Input-Verlag bestens bedient.

Bewertung vom 13.11.2024
Antichristie
Sanyal, Mithu

Antichristie


ausgezeichnet

Mithu Sanyal ist die Meisterin der Dekonstruktion und des Aufbrechens von Erwartungen. Und diesem Ruf wird sie in ihrem neuen Roman Antichristie einmal mehr gerecht.

Die Kölnerin Durga, Vater Inder, Mutter Hippie, soll 2022 in London das Drehbuch für eine neuartige Poirot-Verfilmung schreiben. Anspruch der Produktion: anti-rassistisch und anti-kolonial. Während draußen der reaktionäre Mob tobt und die Queen für immer die Augen schließt, kämpft Durga mit ihren eigenen Dämonen. Vor allem dem Verhältnis zu ihrer Mutter Lila, die sich gerade vor einem Zug geworfen hat und deren Tod - anders als jener von Elizabeth II. - niemanden besonders zu interessieren scheint.

Und ganz plötzlich findet sich Durga im Jahr 1906 wieder, wo sie ein indischer Student namens Sanjeev ist und in Kreisen indischer Revolutionäre verkehrt, die in London (auch gewaltsam) für die Unabhängigkeit Indiens kämpfen. Während die erste Bombe explodiert, die Geheimpolizei dem „India House“ auf die Pelle rückt und Sanjeev/Durga sich im London Arthur Conan Doyles zurechtzufinden versucht, geschieht (vermeintlich) ein Mord und niemand Geringeres als Sherlock hat seinen Auftritt…

Der Roman ist so aberwitzig wie sein Cover. Eine bitterböse Abrechnung mit dem Empire und kolonialen Verbrechen und gleichzeitig eine spannende historische Fiktion, in der viele reale Protagonisten des indischen Unabhängigkeitskampfes eine Rolle spielen. Sanyal setzt die Konstellation originell um und lädt zu einer irren Zeitreise à la Dr Who ein, die mich hervorragend unterhalten hat. Gleichzeitig regt sie dazu an, sich mit der Frage nach der Legitimität gewaltsamen Widerstands gegen einen Unterdrücker auseinandersetzen.

Bewertung vom 27.09.2024
Sing, wilder Vogel, sing
O'Mahony, Jacqueline

Sing, wilder Vogel, sing


ausgezeichnet

„Die gesamte moderne irische Geschichte ist aus der Hungersnot hervorgegangen“ stellte die Autorin Jacqueline O‘Mahony in einem Interview fest. Die Große Irische Hungersnot (1845-1852), genauer gesagt die sog. Tragödie von Doolough, bei der die englischen Besatzer einer Gruppe hungernder Iren jede Hilfe verweigerten und diese stattdessen auf einen Marsch in den Tod schickten, ist dann auch der Ausgangspunkt ihres Romans Sing, wilder Vogel, sing.

Die junge Honora überlebt die Tragödie von Doolough nur knapp, ihr ungeborenes Kind stirbt dabei aber ebenso wie ihr Mann. Allein und bar jeder Hoffnung auf ein eigenständiges Überleben im von Hunger zerrütteten Irland des Jahres 1847 ruht ihre Hoffnung auf einer Überfahrt nach Amerika. Als Irin diskriminiert und ausgebeutet, fristet sie zunächst ein ärmliches Dasein als Haushaltshilfe in New York, bevor sie sich mit ihrer Freundin Mary auf den Weg gen Westen macht, um in Bolt im Oregon-Territory ihr Glück zu suchen.

Doch auch dort findet sie statt Freiheit zunächst nur einen Strudel aus Gewalt und Missbrauch…

Sing, wilder Vogel, sing ist ein berückender historischer Roman, der mich mit seiner großen Gewalttätigkeit erschüttert hat. Auch die Parallelen zwischen den geschundenen Iren und den geschundenen Ureinwohnern Nordamerikas (und die wechselseitigen historischen Sympathien inklusive Spenden des Choctaw-Stammes für hungernde Iren) fand ich hochinteressant. Das Buch ist ein Western mit einer Heldin, die man nicht vergisst und deren Emanzipationsgeschichte zu fesseln vermag.

Bewertung vom 30.08.2024
Reise nach Laredo
Geiger, Arno

Reise nach Laredo


sehr gut

Ist Arno Geigers neuer Roman Reise nach Laredo jetzt ein Roadmovie in Buchform über das Sterben oder über das Leben? Diese Frage kann ich anders als die Frage nach dem genauen Inhalt dieses Romans am Ende (so denke ich zumindest) beantworten.

A long story short: Der siechende und für das 16. Jahrhundert schon furchtbar alte (58 Jahre) Karl bricht noch einmal aus seinem letzten Refugium - einem Kloster - aus, um mit dem Knappen Geronimo (11 Jahre) heimlich nach Laredo zu reisen. Warum? Bis zum Schluss unklar, mutmaßlich aber einfach um der Tristesse des Klosters Yuste zu entkommen oder dem Tod noch mal ein Schnippchen zu schlagen?

Doch Karl ist nicht irgendwer, sondern der Habsburger Karl V., so ziemlich der bedeutendste Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und König von Spanien. Nunmehr hat er abgedankt, sein Sohn ist König und für ihn ist Baden schon ein Riesenkraftakt. Und Geronimo? Der ist sein unehelicher Sohn, der davon allerdings noch nichts ahnt. Der Weg nach Laredo ist jedenfalls das Ziel und als das Vater-Sohn-Gespann einem Geschwisterpaar, das zur Minderheit der Cagots (Googeln!) gehört, das Leben rettet und dann mit diesen in einem ziemlich düsteren Dorf strandet, wird es nochmal spannend…

Das Ganze ist natürlich historische Fiktion, die Hintergründe werden allerdings nirgendwo eingeordnet, da braucht es ein bisschen eigene Recherche (wenn man will). Aber irgendwie braucht es den ganzen königlichen Hintergrund auch gar nicht, um dieses Buch zu mögen. Ich jedenfalls mochte es gern, weil es auf merkwürdige Weise zusammenfasst, was das Leben ausmacht und gleichzeitig sehr vor sich hin plätschert (auf die gute Art). Ein irgendwie lebensbejahendes Buch, in dem zufällig ein Kaiser Protagonist ist (was aber in 90 % der Handlung keine Rolle spielt).

Kleiner Spoiler: Nach Laredo kommen sie nicht mehr, aber wer will da schon hin, wenn der Weg irgendwie doch immer schon das Ziel ist?

Bewertung vom 20.08.2024
Was lebt im Wald? Kindernaturführer
Haag, Holger

Was lebt im Wald? Kindernaturführer


ausgezeichnet

Was lebt im Wald? ist ein außergewöhnlicher, kompakter Kindernaturführer, der zum Entdecken einlädt. Von außen eher schlicht gehalten mit einer freundlichen Eule auf dem
Cover, entpuppt sich der Inhalt als sehr detailliert und reichhaltig. Nach den ersten Seiten mit Tipps für den Ausflug in die Natur und die Ausstattung folgen kurze Porträts von 85 heimischen Tieren und Pflanzen. Die Gliederung in Insekten, Säugetiere, Moose, usw. ist sehr übersichtlich und benutzerfreundlich. Schöne Zeichnungen und Fotos werden durch interessante Fakten zu den einzelnen Arten ergänzt. Wichtige Informationen oder ungewöhnliche Fakten werden in bunten Kästen hervorgehoben und machen es auch für Kinder leicht schnell Neues über die Natur zu lernen. Summa summarum ein sehr schönes Kindersachbuch, das Lust auf Abenteuer im Wald macht!

Bewertung vom 19.08.2024
Welche essbare Pflanze ist das? Kindernaturführer
Hecker, Katrin;Hecker, Frank

Welche essbare Pflanze ist das? Kindernaturführer


ausgezeichnet

Welche essbare Pflanze ist das? ist ein außergewöhnlicher, kompakter Kindernaturführer, der zum Entdecken einlädt. Von außen eher schlicht gehalten mit Brombeeren auf dem Cover, entpuppt sich der Inhalt als sehr detailliert und reichhaltig. Nach den ersten Seiten mit allgemeinen Infos und Tipps folgen kurze Porträts von heimischen, essbaren Pflanzen. Die Gliederung nach Jahreszeiten ist sehr übersichtlich und benutzerfreundlich. Schöne Zeichnungen und Fotos werden durch interessante Fakten zu den einzelnen Pflanzen ergänzt. Wichtige Informationen oder ungewöhnliche Fakten werden in bunten Kästen hervorgehoben und machen es auch für Kinder leicht schnell Neues über die Natur zu lernen. Besonders gelungen sind die Rezepte zu den einzelnen Pflanzen. Summa summarum ein sehr schönes Kindersachbuch, das Lust auf kulinarische Abenteuer macht!

Bewertung vom 06.08.2024
Das Lied des Propheten
Lynch, Paul

Das Lied des Propheten


ausgezeichnet

Das Lied des Propheten des irischen Schriftstellers Paul Lynch ist ein Roman, der wie für unsere Zeit geschrieben erscheint, die zumindest in der Wahrnehmung vieler Menschen von zunehmender Unsicherheit und Angst um die westliche Demokratie geprägt ist.

Exemplarisch erzählt der Booker-Preisträger vom Kippen einer Demokratie in eine brutale Diktatur und den Verheerungen eines Bürgerkrieges.

Was eine solche Katastrophe bedeutet - für die Gesellschaft und insbesondere für den Einzelnen - erlebt der Lesende drastisch am Beispiel der Wissenschaftlerin Eilish, die mit ihrem Mann, Larry und ihren vier Kindern vom Baby bis zum Teenageralter, ein durch und durch gewöhnliches Leben führt. Diese Normalität schwindet als Larry wegen seiner Arbeit für die Lehrergewerkschaft von der Geheimpolizei als Staatsfeind verhaftet wird. Während Eilish versucht, ihre zerfallende Familie zusammenzuhalten und sich mit ihrem dementen Vater und den rebellierenden Kindern auseinandersetzen muss, hofft sie auf die Rückkehr Larrys. Unterdessen versinkt Irland in einem Bürgerkrieg und die Familie lässt eine Chance zur Flucht verstreichen - mit verheerenden Konsequenzen…

Die Beschreibung des Krieges ist dabei ebenso erschütternd wie der Terror des Regimes. Der Roman hat mich an vielen Stellen schlucken lassen; das Ende fand ich kaum auszuhalten und sehr belastend.

Ein lesens- und bedenkenswertes Buch

Bewertung vom 23.07.2024
Das Dorf der acht Gräber / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.3
Yokomizo, Seishi

Das Dorf der acht Gräber / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.3


ausgezeichnet

Seishi Yokomizo wurde in Japan oft mit der Grand Dame der englischsprachigen Krimiwelt Agatha Christie verglichen. Ähnlich wie bei Christie ist sein Stamm-Ermittler Kosuke Kindaichi auf den ersten Blick nur ein komischer Kauz. Er hat so einige Marotten, stottert und wird oftmals als „verlottert“ eingeschätzt.

Der nunmehr im Aufbau Verlag erschienene 6. Band der Reihe führt uns ins Bergdorf Acht Gräber. Vor Jahrhunderten ermordeten die Bewohner hinterrücks acht abtrünnige Samurai, um sich das Kopfgeld zu sichern und ihren Schatz zu rauben. Dieser wird zwar nie gefunden, aber seitdem hält sich das - nunmehr als Acht Gräber bekannte - Dorf für verflucht.

Höhepunkt des „Fluchs“: Ein brutaler, mörderischer Amoklauf des reichsten Bewohners, der danach spurlos verschwindet.

Zwanzig Jahre später taucht sein Sohn im Dorf auf und es passiert ein Mord nach dem nächsten. Während die Dorfbewohner den Sohn als Verdächtigen ausmachen und gnadenlos jagen, ermittelt Kindaichi in eine andere Richtung…

Dem Autor hat wiederum einen spannenden Kriminalroman in reizvoller Umgebung vorgelegt, der die japanische Dorfgemeinschaft mit ihrem (damals) sehr hierarchischen Aufbau seziert.

Die Protagonisten sind unterhaltsam gezeichnet und auch ein bisschen Herzschmerz samt rasanter Wendungen findet seinen Weg in diesen (gruselig angehauchten) Krimi aus den 50er Jahren. Summa summarum: Gute Unterhaltung für Krimifans

Ein Kritikpunkt wäre noch zu machen: Der Klappentext enthält in seinem letzten Satz eine völlig falsche Tatsachenbehauptung zum Inhalt, die den geneigten Lesenden wechselweise erbost oder verwirrt.

Bewertung vom 10.07.2024
Minnie Minerva Maus
Disney

Minnie Minerva Maus


sehr gut

Minerva Maus, die zu ihrem Leidwesen oft Minnie gerufen wird, ist alles andere als klein, wenn es darum geht pfiffige Ideen zu haben und kreative Lösungen zu finden. Um dem Urlaub im öden Back-Wellness-Retreat mit ihrer Tante und deren Freund zu entgehen, muss sie aber ihre ganze Kreativität in die Wagschale werfen und den Umweltideenwettbewerb ihrer Schule gewinnen. Denn dann winkt ein Abenteuercampingurlaub vom Feinsten. Und nebenbei könnte sie ihrer Erzrivalin Serena noch eins auswischen. Gut, dass Minnie die tollen Freundinnen Klara und Daisy hat und gemeinsam brainstormen kann. Das ganze ist ein junger und frischer Disneycomic, der an manchen Stellen schon sehr zeitgeistig wird (livestream!), aber mit schönen Bildern und ulkigen Texten zu überzeugen weiß. Daher ein für Disneyfans lesenswerter Comic aus dem Hause Egmont.