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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
efka
Wohnort: 
München

Bewertungen

Insgesamt 10 Bewertungen
Bewertung vom 02.02.2022
Grace
Lynch, Paul

Grace


sehr gut

Es ist der Herbst 1845, in dem die vierzehnjährige Grace von Ihrer Mutter losgeschickt wird, um auf sich selbst gestellt zurecht zu kommen. Die Mutter und das halbe restliche Land wissen zu diesem Zeitpunkt nicht, wie sie angesichts einer Missernte die Familie ernähren sollen und sieht nur diesen Ausweg. Ihr Bruder Colly entscheidet kurzerhand, sich den Fittichen seiner Mutter und seines Stiefvaters zu entziehen und seine Schwester zu begleiten. Dass es sich aber erst um den Beginn der Großen Hungersnot in Irland handelt, möchte zu diesem Zeitpunkt niemand auch nur denken. Ihre über Jahre dauernde Wanderschaft führt sie durch ein von Armut und Knappheit geplagtes Land, das nur wenige Gewinner kennt. Wer es sich leisten kann, erwirbt ganze Ländereien während die Ärmsten ihrem Schicksal überlassen werden. Grace schlüpft dabei in eine Vielzahl an Rollen, einzig getrieben vom Willen zu überleben.

Die gelungene Übersetzung von Christa Schuenke lässt das Irische so nah herankommen, wie es mit einer Übersetzung überhaupt möglich ist. Eine Sprache, die zu jeden Zeitpunkt authentisch und zutiefst irisch erscheint. Paul Lynch nimmt Grace und ihr Schicksal als Beispiel für viele Millionen Iren, die während der Großen Hungersnot zum Äußersten getrieben wurden. Er schafft es, das Elend und die Ausweglosigkeit darzustellen, ohne zu überzeichnen. Als Leser verbleibt man oft atemlos vor dem Buch.

Bewertung vom 02.02.2022
Der Klang der Wälder
Miyashita, Natsu

Der Klang der Wälder


gut

„Der Klang der Wälder“ ist der Versuch, das Innenleben des jungen Tomaru darzustellen, welches sich beim Klang eines Klaviers tiefgreifender Emotionen hingibt.
Der bis dahin ziellose Schüler stolpert förmlich über sein Schicksal und entscheidet sich, seine ganze Aufmerksamkeit dem Klang eines Klaviers zu widmen und eine Ausbildung zum Klavierstimmer anzustreben. Dieser tiefe Empfindungszustand wird in feinfühliger Sprache und sanftem Rhythmus vorgetragen. Die Erzählung springt zwischen Zweifeln am eigenen Vermögen, und der Berufung, für diese Fähigkeit auserkoren zu sein.

Es ist eine sehr leise und feinfühlige Erzählung, die den respektvollen und höflichen Umgang im ländlichen Japan authentisch vermittelt. In der insgesamt ereignisarmen und zurückhaltenden Erzählung versetzt die Autorin Natsu Miyashita den Leser dabei in einen sanft schwingenden Rhythmus.

Bewertung vom 02.02.2022
Das Buch eines Sommers
Kast, Bas

Das Buch eines Sommers


sehr gut

Der junge Nicolas träumt davon, eines Tages Schriftsteller zu werden – wie sein Onkel Valentin. Dreißig Jahre später sehen wir den selben Nicolas, der die Pharma-Firma seines Vaters übernommen hat. Der Alltag hat heimlich Einzug in sein Leben gefunden. Der unerwartete Tod seines Onkels, mit dem ihn seit seiner Jugend eine respektvolle Beziehung verbindet, setzt in ihm einen Prozess in Gang, dem wir über den kurzweiligen Roman beiwohnen dürfen.

Das Geschichte ist gespickt mit Anspielungen und Metaphern über das Leben und dem Tod. In einer Art Traum führt Nicolas Gespräche über Vergänglichkeit und das wirklich Wichtige im Leben. Anfängliche Rechtfertigungsversuche, warum sein Leben eine andere Wendung genommen hat, als er sich als Jugendlicher vorgenommen hatte, weichen bald einer Einsicht. Es ist der Konflikt zwischen seiner Arbeit und seiner Familie, zwischen Zwängen und Freiheit, zwischen der reinen Länge eines Lebens und dessen Inhalt. Frei nach dem Dalai Lama „Er ist so auf die Zukunft fixiert, dass er die Gegenwart nicht genießen kann.“

Im kurzweiligen Roman von Bas Kast geht es um das Leben, Familie und der Auseinandersetzung mit dem Tod. Dass es sich dabei um Themen handelt, die einzeln betrachtet bereits im Stande sind, ganze Bücher zu füllen, wird in dem nur 240 Seiten fassendem Roman stellenweise deutlich.
Der philosophische Ansatz vermag es, seinen Leser zu inspirieren und den Anstoß für eine eigene Auseinandersetzung mit diesen Themen zu geben. Es schafft es aber nicht immer, sich angemessen sich mit diesem weitreichenden Themengebiet auseinanderzusetzen.

Bewertung vom 02.02.2022
Die Farbe von Glück
Bagus, Clara Maria

Die Farbe von Glück


gut

Die Krankenschwester Charlotte nimmt den von seiner Mutter zurückgelassenen Antoine wie ein eigenes Kind bei sich auf. Später wird Sie eine folgenschwere Entscheidung treffen, als Sie, unter Druck von Jules, dem Tausch seines schwachen Neugeborenen mit einem anderen, gesunden Kind zustimmt.
Die Last dieser Entscheidung tragen die beiden über Jahre auf Ihren Schultern, bis sich die Wahrheit nicht mehr verstecken lässt. Dieser innere Kampf setzt in Jules eine Reihe von Entscheidungen in Gang, die alle betroffenen Personen zusammenführen wird. Es geht um Menschen, die auf der Suche nach dem Weg sind, der für sie bestimmt ist. Die Autorin weiß dabei sprachlich zu überzeugen und zeichnet die Handlungen ihrer Protagonisten mit treffenden Worten: „Scheitern ist nur das Ende von etwas Falschem (…). Wer beim Absturz die Arme ausbreitet, fliegt.“

Die Geschichte spielt in einer nicht genauer bestimmten Zeit. Die Handlungsorte werden geographisch nur grob angedeutet. Die beschriebenen Landschaften passen aber stellenweise zum aktuellen Wohnort der Autorin in der Schweiz. Auch die Andeutung eines asiatischen Landes lässt dem Leser genug Raum für eigene Interpretationen.

Über weite Strecken des Romans gelingt es Clara Maria Bagus das Schicksal der Beteiligten in einer in einer poetischen Sprache zu erzählen. Zum Ende des Buches wird die Geschwindigkeit deutlich erhöht und die Erzählung wirkt überhastet. Entscheidende Gegenüberstellungen werden lediglich kurz angedeutet und die Aktionen der Protagonisten sind nicht immer nachvollziehbar und wirken gewollt. Insgesamt ist die Handlung letztlich von vielen glücklichen Zufällen gefärbt.
Etwas mehr Ruhe hätte dem knapp 350 Seiten fassenden Roman den Raum gegeben, die ansprechend eingeleitete Geschichte zu Ihrem verdienten Ende zu bringen.

Bewertung vom 02.02.2022
Bären füttern verboten
Elliott, Rachel

Bären füttern verboten


ausgezeichnet

Sydney zieht sich, wie immer an Ihrem Geburtstag, alleine und ohne Ihre Partnerin zurück. An Ihrem 47. Geburtstag verbringt sie ein paar Tage an einen Ort, der Ihre Vergangenheit fundamental geprägt hat. Sie ist begeisterte Freerunnerin und macht bereits in Kürze die lokale Presse und damit die skurilen Einwohner des kleinen Englischen Küstenorts St. Ives auf sich aufmerksam. Nach einem Sturz wird Sie von Maria entdeckt, die sie umgehend ins Krankenhaus bringt. Sydneys Vater und Ihre Lebensgefährtin machen sich umgehend auf den Weg nach St. Ives und kommen mit Marias Familie in Kontakt.

Diese liebenswerten Charaktere stellen die Perspektiven, aus denen dieser emotional intelligente Roman erzählt wird. Selbst aus der Warte eines eben unerwartet verstorbenen Mannes oder eines Hundes nähern wir uns den letzten Seiten des Buches, bis sich seine ganze Dramatik und Schönheit offenbart. Die Verbindungen, die zwischen den Menschen bestehen oder sich entwickeln, sind zu jedem Zeitpunkt glaubwürdig und lebensnah. Rachel Elliot beweist große Menschenkenntnis und ein feines Gespür für Humor und Zwischenmenschliches. Dabei bleibt sie bei einem flüssigen Schreibstil, ohne dabei jemals an Tiefe zu verlieren. Die Geschichte begeistert mit kleinen Momenten, Wirklichkeit, vielen Perspektiven und Sprüngen in Zeit und Wahrnehmung.

Eine klare Empfehlung für Leser, die auf der Suche nach einem aufwühlenden und zugleich witzigen Roman sind. Ein kurzweiliger, manchmal bewegender Roman mit Witz und einem Blick für das Zwischenmenschliche.

Bewertung vom 02.02.2022
Das lügenhafte Leben der Erwachsenen
Ferrante, Elena

Das lügenhafte Leben der Erwachsenen


ausgezeichnet

Die dreizehnjährige Giovanna wächst behütet in einer bürgerlichen Gegend Neapels auf. Die Fassade beginnt zu bröckeln, als sie eines Abends ein Gespräch Ihrer Eltern belauscht, welches nicht für Ihre Ohren bestimmt war. Eine Bemerkung Ihres Vaters wird es sein, die ihre Welt nachhaltig verändern wird: Giovanna sei so hässlich, wie seine eigene Schwester. Bei dieser Schwester handelt es sich um eine Schattenperson, die, den Schilderungen Ihres Vaters zufolge, die Hässlichkeit und Boshaftigkeit in Person war.

Diese Schwester wird Giovanna auf der Suche nach Antworten aufsuchen und fortan regelmäßig treffen. Erstmals wird ihr die Vergangenheit aus einer neuen Perspektive geschildert und das konstruierte Weltbild, dass ihre Eltern ihr vermittelten, beginnt zu bröckeln. Giovanna erkennt, dass die Erwachsenen ihre jeweils eigenen Maßstäbe dafür haben, was wahr und was falsch, was gut und böse ist. In Folge der Ereignisse, der Orientierungslosigkeit und den Veränderungen, die sie am eigenen Körper erfährt, lotet Giovanna ihre eigenen Grenzen aus. Das heimische Nest wird konsequent entzaubert.

Ferrante erzählt eine Geschichte über das Erwachsenwerden und die Entzauberung der Kindheit. Auf der Suche nach sich selbst verliert sich Giovanna und findet sich doch wieder zurecht. Die Geschichte ist offenbar aus der Perspektive einer älteren Giovanna verfasst. Kritische Selbstreflexionen der getroffenen Entscheidungen gestalten sich dabei als unterhaltsame Anekdoten. Angesichts der präzisen Beschreibungen Neapels könnte man der Geschichte mit einer Stadtkarte folgen. Giovannas Konflikt, ihre Gefühlsausbrüche und ihre Orientierungsversuche angesichts der pubertären Umstände werden glaubhaft vermittelt. Der Sprachrhythmus ermöglicht es dem Leser dieses gelungenen Buches, tief in Giovannas Gefühlswelt einzutauchen.

Bewertung vom 02.02.2022
Die Topeka Schule
Lerner, Ben

Die Topeka Schule


ausgezeichnet

Um das aktuelle Amerika zu verstehen, muss man den Blick auf die Zeit kurz vor der Jahrtausendwende richten. Ein paar Jahre vor Columbine und noch lange vor Trump versucht Ben Lerner uns seine Idee zu vermitteln. Die Perspektive des jugendlichen Adam, seiner Eltern, beide Psychologen, sowie Darren, ein Schulkamerad von Adam, bilden die Hauptachsen diese multiperspektivischen Werks von Ben Lerner.

Ein Blick auf Lerners Lebenslauf legt nahe, dass es sich in diesem Buch um Autofiktion handelt. Geboren in Topeka, debattierte Lerner in seiner Schulzeit selbst und seine Eltern arbeiten als Familientherapeuten.

Jedem dieser Protagonisten werden, in nicht chronologischer Reihenfolge, einzelne Kapitel gewidmet. Diese Unterscheiden sich durch die Perspektive und in der verwendeten Sprache und tragen zu einer spannenden Abwechslung beim Lesen bei. Die einzelnen Handlungsstränge wirken zunächst wahllos. Doch die großen Momente des Romans sind jene, an denen diese aneinander knüpfen und sich Kreise schließen. Dies geschieht auf eine fast beiläufige Art und der Autor weiß sich gekonnt zurückzuhalten, um dem Leser Raum für seine eigene Wahrnehmung zu lassen.

„Die Topeka Schule“ handelt vom Erwachsen werden, „toxischer“ Männlichkeit, von Anfeindungen und Konflikten. Ausgrenzung wird in schmerzhaften Facetten dargestellt und Sprache spielt eine entscheidende Rolle. Adam ist ein talentierter Debattierer und nimmt regelmäßig an Wettkämpfen teil. Den Gipfel des Debattierens stellt dabei das sogenannte „schnellsen“ dar.
Der Redner versucht dabei in einem wahnwitzigen Tempo seinen Kontrahenten mit Argumenten und Thesen zu konfrontieren, auf die er nahezu unmöglich komplett eingehen kann. Durch diese Überforderung soll ein Vorteil im Wettkampf bezweckt werden, der die Entfremdung der Sprache einer politischen Debatte und der resultierenden Beschränkung des Zugriffs für den Laien darstellt: „Das Letzte, was man mit diesen Tausenden von Wörtern anfangen sollte, war, sie zu verstehen. Derartige Offenlegungen waren zur Verschleierung gedacht.“

Lerner ist ein anspruchsvolles und vielschichtiges Werk gelungen, welches zur wiederholten Lektüre einlädt. Dabei versteht der Lyriker Ben Lerner meisterhaft mit Sprache umzugehen und beweist enormes Sprachgefühl.

Bewertung vom 02.02.2022
Unter den Linden 6
Kaiser, Ann-Sophie

Unter den Linden 6


sehr gut

Drei Frauen mit sehr unterschiedlichen Hintergründen treffen im Berlin des Jahres 1907 zufällig aufeinander. Die junge Studentin Lisa Meitner aus Wien, die Fabrikantentochter Hedwig und das mittellose Dienstmädchen Anni. Nachdem sich ihre Wege zunächst trennen, wird es die Berliner Humboldt Universität sein, die diese drei Frauen, die sich ihrem vorgezeichneten Weg nicht ergeben wollen, wieder zusammenführen wird.

Die Frauenrechte in Preußen am Anfang des 20. Jahrhunderts sind aus heutiger Sicht weit von Gleichberechtigung entfernt und auch die gängige Meinung sieht für eine Frau eher einen Platz im Haushalt als in einem Hörsaal vor. Eine offizielle Einschreibung in eine Universität ist den wenigen Frauen, die nur über Privatunterricht zum Abitur gelangen konnten, schlicht nicht gestattet. Lise, die in Wien bereits erfolgreich studierte und forschte erhält, wie Hedwig, als Gastzuhörerin lediglich Zugang zu vereinzelten Vorlesungen, sofern der zuständige Professor seine Einwilligung erteilt. Der verunsicherten Anni wird bei ihren neuen Dienstherren zudem ihre Klassenzugehörigkeit deutlich vor Augen geführt.

Ann-Sophie Kaiser zeichnet ein detailliertes Bild der Hauptstadt im frühen 20. Jahrhundert und die einfache Sprache ermöglicht dem Leser schnellen Zugang zum Roman. Die vereinzelt platzierten historischen Bezüge und Personen, wie der sich im Verlauf des Buches einstellende erste Weltkrieg mitsamt der deutlich spürbaren Kriegseuphorie dieser Zeit, der junge Albert Einstein oder nicht zuletzt auch Lisa Meitner selbst, erzeugen eine parallel verlaufende Handlungsebene die als chronologischer Fixpunkt dient.
Die drei Frauen nehmen unterschiedliche Positionen und Ansichten ein, deren Summe ein glaubwürdiges und nachvollziehbares Bild der Rolle, aber auch der Wünsche, einer Frau zu jener Zeit skizziert. Die Gespräche, die zwischen den Protagonistinnen stattfinden, haben dabei den Zweck, mögliche Fragen zu klären und Motivationen und Ziele zu verdeutlichen. Dieses Prinzip geht in den allermeisten Fällen auch gut auf und ermöglicht Zitate wie „Uns gehört die Hälfte dieser Welt und kein bisschen weniger“ und auch „Kann das Land wirklich auf die Hälfte seiner Charaktere verzichten?“.

Es ist eine Zeitperiode, die einige politische und gesellschaftliche Veränderungen verspricht und der Autorin ist mit diesem Buch ein ansprechender historischer Roman geglückt, der Prozesse und Motivationen glaubhaft und unterhaltsam darstellt.

Bewertung vom 02.02.2022
Flüchtig
Achleitner, Hubert

Flüchtig


ausgezeichnet

Von einem Tag auf den anderen verschwindet Maria so plötzlich, dass selbst Ihr Ehemann Wig zunächst nicht die leiseste Ahnung über Ihren Verbleibt hat. Maria flüchtet vor Ihrem festgefahrenem Leben und Ihrer erstarrten Ehe. Wig flüchtete sich zu diesem Zeitpunkt bereits regelmäßig zu Nora, die sich ihn wiederum geschickt auf kontrollierbare Distanz zu halten weiß. Auf Ihrer gut geplanten Flucht trifft Maria schon bald auf Lisa. Mit Ihr wird Sie die kommenden drei Monate verbringen und Lisa wird es sein, die uns Marias Geschichte erzählt.

Das Erstlingswerk von Hubert Achleitner, alias Hubert von Goisern, begleitet Maria im Stile eines Roadmovies angenehm leicht quer durch Europa bis nach Griechenland. Wig beobachten wir dabei, wie er zwischen Schuldgefühlen und ungewohnter Freiheit über seine Ehe und das Leben mit Maria reflektiert ohne dabei zu verbittern.
Die klare Sprache zeichnet sich durch einen angenehmen Rhythmus aus, der diese Reise mit Leichtigkeit verfolgen lässt. Die Charaktere wirken allesamt authentisch und Ihre Handlungen sind stets nachvollziehbar. Die gelegentlichen, leicht religiösen Schwingungen fügen sich gut in den Rhythmus des Romans ein, ohne jemals mahnend den Finger zu heben. Das verpackt diese eigentlich schwere Thematik überraschend leicht.

Ob Marias Wunsch nach Veränderung sich erfüllt und welche Konsequenz die Flucht aus Ihrer Welt für ebendiese hat, lässt den Leser bis zur letzten Seite mit Neugierde an Achleitners lesenswerter Geschichte teilhaben.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.02.2022
Vati
Helfer, Monika

Vati


sehr gut

Monika Helfer begibt sich auf die Suche nach einem Mann, den Sie ihr Leben lang nie ganz zu fassen bekam. Wir sehen behütete Kinderjahre, in denen die Familie ein Kriegsopfer-Erholungsheim in den österreichischen Alpen führte und keiner der beiden Elternteile so ganz seiner Rolle entsprechen wollte. Was hat diesen Mann zu diesem Rätsel gemacht, dass sich keinem der Beteiligten so ganz erschließen wollte?


Die Autorin setzt Ihre Erinnerungen zusammen und baut Gespräche mit Ihrer Schwester und Ihrer Stiefmutter als Rahmen der Aufarbeitung ein. Sie skizziert einen stillen Mann, selbst im Krieg verwundet, der eine unaussprechliche Liebe zu Büchern pflegt. So ganz will er nicht in seine Rolle passen und lässt die Tochter und auch den Rest der Familie mit einem lückenhaften Bild zurück, das sich auch dem Leser bis zur letzten Seite nicht ganz erschließt. Das sporadische Erscheinen und verschwinden des Vaters, der sich als Witwer zusehends zurückzieht und sich auf sich selbst konzentriert, wird durch die bereits im vorangegangen Werk beschriebenen „Bagage“, der Familie Ihrer Mutter, aufgefangen. Bis ins hohe Alter entdeckt sie neue Seiten an diesem Menschen, der sich ihr überraschend auch als urwitziger und geselliger Mensch offenbart.

Die Suche nach Ihrem Vater ist letztlich auch eine Suche nach sich selbst, bei der ihr so manche Antwort verwehrt bleibt. Ohne Längen und in gewohnt unterhaltsamen Stil lässt uns Monika Helfer an einem weiteren persönlichen Kapitel Ihres Lebens teilhaben.