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anyways
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Greifswald

Bewertungen

Insgesamt 5 Bewertungen
Bewertung vom 03.02.2025
Allein gegen die Lüge (eBook, ePUB)
Finlay, Alex

Allein gegen die Lüge (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Ein Albtraum folgt dem Nächsten. Der junge Filmstudent Matt sitzt nach einer durchzechten Nacht, in der er Handy, Schlüsselkarte und Zimmerschlüssel verlor und die nur stattgefunden hat, weil sich seine Freundin von ihm trennte, im Park beim Schach spielen, als ihm der Hauswart des Studentenwohnheimes davon unterrichtet, das das FBI ihn sucht. Was wollte das FBI von Ihm? Wahrscheinlich gibt es Nachfragen, wegen der True-Crime-Doku über seinen Bruder…
Sieben Jahre haben sich die Brüder Danny und Matt Pine nicht gesehen, denn Danny ist wegen des Mordes an seiner Highschool-Freundin Charlotte zu einer lebenslangen Haft verurteilt worden. Nun muss ihm sein jüngerer Bruder Matt bei seinem ersten Besuch im Gefängnis darüber informieren, dass ihre Eltern Liv und Evan, sowie ihre jüngere Schwester Maggie und Nesthäkchen Tommy während einer Urlaubsreise in Mexiko tödlich verunglückt sind. Die Behörden vor Ort gehen fest von einem Gasleck im mexikanischen Ferienhaus aus, das FBI hat da erhebliche Zweifel.
Von hieran geht es in einem eher ruhigen Tempo mit unzähligen Perspektivwechseln zwischen Mitschnitte aus der True-Crime-Story, der Vergangenheit der verunglückten Familie bis zur Gegenwart in der Matt versucht die Tragödie zu verarbeiten. Langsam kommt auch den Lesenden der Verdacht das an der Inhaftierung des älteren Bruders nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist und man ahnt eine Verbindung zwischen dem Mordfall und der Familientragödie. Diese Szenerie macht aus „Allein gegen die Lüge“ einen echten Pageturner. Die Charaktere die Alex Finley zeichnet sind erfrischend normal und damit authentisch. Eine Warnung sei ausgesprochen, diese Geschichte ist erschütternd traurig und zeigt einmal mehr die Sinnlosigkeit solcher Verbrechen. Eine Familientragödie ungeahnten Ausmaßes und sie wird so unspektakulär, ja fast distanziert vom Autor geschildert und allein dies macht für mich das eigentliche Grauen aus, zusammen mit den vielen Wendungen ist dies ein ausgesprochen guter Thriller der zwar leisen Art, und deshalb umso packender.

Bewertung vom 03.02.2025
Über allen Bergen
Goby , Valentine

Über allen Bergen


ausgezeichnet

Eine Insel über den Bergen.

Vadim ist zwölf, als seine Mutter im eröffnet: “Du musst gehen!“ Als Sohn jüdisch-russischer Eltern, die zwar nie ihren Glauben aktiv praktizierten, ist es für ihn in Paris um 1942/43 zu gefährlich geworden. Sein größerer Bruder und sein Vater sind schon weg, nur seine Mutter ist noch da und deren Arbeitgeber, die sich als sehr hilfsbereit und menschlich zeigen. Diese ermöglichen ein Exil für Vadim in den französischen Bergen, nahe der schweizerischen Grenze.
Vallorcine, das Bärental, am Fuße der Aiquilles Rouges wird von jetzt ab sein zu Hause und auch seinen Namen muss Vadim „vergessen“. Von nun an muss er sich Viktor nennen lassen. Der Junge der nur die Stadt kennt, der unter schwerem Asthma leidet, entdeckt nun eine ganz andere Welt. Voller Ehrfurcht und Staunen sieht er zum ersten Mal Berge und massenhaft Schnee in den unterschiedlichsten Schattierungen von weiß. Aber nicht nur dies versetzt ihn in Erstaunen, sondern die Tatsache, dass es anscheinend Welten gibt, die nebeneinander existieren. Während in ganz Europa Krieg herrscht, scheint das Leben in Vallorcine seinem eigenen Rhythmus aus Tierpflege, Frühjahrsarbeiten, Pflanzenaufzucht, Almauftrieb, Wetter Holzarbeiten, Heuernte und Erntezeit zu folgen. Und Jeder und Jede im Dorf wird in diesen Microkosmos integriert, auch Vadim, der jetzt Viktor heißt. Vallorcine wird seine Insel über den Bergen, seine Zuflucht, sein Sehnsuchtsort. Doch auch diesem abgeschiedenen Winkel Europas kommt der Krieg immer näher.

Dieses Buch ist leise, still, poetisch und dabei auch wortgewaltig. Nicht alles ist einem Zwölfjährigem in dieser Form zuzutrauen, und doch ist es einfach schön die Erhabenheit der französischen Alpen durch die Worte des Jungen vor dem inneren Auge auferstehen zu lassen. Dieser Schutzraum, der ihm auf einmal zur Verfügung steht, indem der Krieg weit weg scheint, wer würde das, in so rauen Zeiten nicht auch gerne für sich beanspruchen? Der Autor jedenfalls hat in mir diese kleine Sehnsucht geweckt, nach einer Insel…gerne auch über den Bergen.

Bewertung vom 03.02.2025
Ginsterburg
Frank, Arno

Ginsterburg


sehr gut

Ginsterburg, eine kleine fiktive Stadt irgendwo in der Mitte des heutigen Deutschlands angesiedelt, deren Einwohner sich nach der Machtergreifung Hitlers mit den neuen politischen Gegebenheiten versuchen zu arrangieren. Anhand einer Vielzahl von Protagonisten werden Geschichten, Erzählungen, Briefe, Zeitungsartikel, Nachrichtendurchsagen, Anekdoten, Anekdötchen und manchmal auch nur Gedankenfetzen in, für mich, schwindelerregender Abfolge aneinandergereiht um die Jahre 1935,1940 und 1945 abzubilden. Dabei sind nicht alle Einwohner dieses kleinen, so typisch deutschen Städtchens zwischen den Weltkriegen, fiktiv. Einige sind real in der Person.
Ich muss ehrlicherweise gestehen, dass ich mich durch dieses Buch gequält habe. Die überbordende Anzahl von Protagonisten, die Vielzahl von Lebensausschnitten und die schnelle Abfolge in der Diese präsentiert werden, haben mich so manches Mal den Überblick verlieren lassen und doch kratzt alles nur an der Oberfläche. Vieles bleibt unausgesprochen, vage und schwammig. Zuviel und doch zu wenig. Zu keiner der beteiligten Personen kann man in irgendeiner Art eine Beziehung aufbauen. Sie bleiben fern, distanziert und Vergangenheit.
Ich habe lange überlegt wie ich dieses Lesegefühl treffend beschreiben kann, doch da kommt mir unerwartet der Autor zur Hilfe. Wie die Konversationen seines Protagonisten Eugen, ähnelt der Schreibstil des Autors eher an ungelenkes Schlendern als zielstrebiges Marschieren.
Da die heutige weltpolitische Lage doch frappierende Ähnlichkeiten zu den 20ziger und 30ziger Jahren des letzten Jahrhunderts aufweisen, habe ich mir mehr von diesem Buch erwartet.
Unerwartet, fast versteckt auf den letzten Seiten findet sich noch ein Hinweis auf den für mich schizophrenen Umgang mit der Vergangenheit, die auch so typisch deutsch ist. Wir verehren und ehren Menschen die Ungeheuerliches getan haben. Wann hört das auf? Diese fast nebensächliche Erwähnung ist mir der vierte Stern wert.

Bewertung vom 03.02.2025
Der König
Nesbø, Jo

Der König


ausgezeichnet

„Ich hatte in diesem Dorf alles verloren und alles bekommen. Ich hasste und liebte diesen Flecken Erde. Konnte man – letzten Endes – mehr von dem Ort verlangen, den man Heimat nennt?“
Das kleine Örtchen Os im Norden Norwegens, weit weg von größeren Städten, kämpft seit jeher gegen die Verödung, mittendrin die Brüder Carl und Roy. Carl lockt mit seinem Wellness-Hotel gut betuchte Touristen an und Roy betreibt die örtliche Tankstelle und die Kneipe wider Erwarten sehr erfolgreich. Durch ihre brüderliche Rivalität versuchen sie sich immer noch ein größeres Stück der Ortsgemeinschaft einzuverleiben, Carl plant den Ausbau des Hotels und Roy erwirbt den Campingplatz um einen Vergnügungspark aufzuziehen. Doch ihre Bemühungen könnten ein jähes Ende finden, denn es wird ein Tunnel geplant, der Os umgehen soll, das Dorf würde wieder im Dornröschenschlaf versinken und die Brüder würden auf einer Menge Schulden sitzen bleiben…

Jo Nesbø ist ein ausgezeichneter Thriller Autor und ein Meister in der Darstellung kleinstädtischer Rivalitäten unter den sehr skurril wirkenden Einwohnern. Die mitunter bizarren geistigen Abgründe in dieser abgeschottet wirkenden Dorfgemeinschaft skizziert er originell. Obwohl die Geschehnisse nur von einem Protogonisten dargestellt werden und eher abgeklärt und distanziert wirken, schaffen die vielen unverhofften Wendungen den eigentlichen Nervenkitzel und steigern so die Spannung von Seite zu Seite.
Fazit: Ein etwas spleenig wirkender Roman im Gegensatz zu der Harry-Hole-Reihe und doch gibt es auch hier verdammt viele Leichen und Spannungsbögen.

Übersetzung: Eigentlich verliere ich selten ein Wort über die Übersetzungen, in diesem Fall muss ich es tun, da es mich massiv gestört hat. Es befinden sich doch viele kleinere und auch größere Dialoge auf Englisch, warum diese nicht wie der Rest auf Deutsch übersetzt wurden ist mir schleierhaft. Es stört einfach massiv den Lesefluss und ist für mich ein klares Manko! In die Bewertung lasse ich es nicht einfließen, dies wäre dem Autor gegenüber auch ungerecht.

Bewertung vom 03.02.2025
Blutrotes Karma
Grangé, Jean-Christophe

Blutrotes Karma


gut

Paris im Frühjahr 1968, die ursprünglichen Studentenproteste sind übergeschwappt in die arbeitende Bevölkerung, die Brutalität sowohl auf Seiten der Protestierenden als auch auf Seiten der Polizei ähneln in ihrem Ausmaß eher einem Bürgerkrieg. Mittendrin sind die Halbbrüder Hervé (Student) und Mersch (Kriminalist) sowie die junge Studentin Nicole auf die ein oder andere Weise an den Auseinandersetzungen beteiligt. Inmitten dieses Chaos werden dann auch noch zwei Studentinnen auf äußerst brutale Weise ermordet und noch viel schlimmer zur Schau gestellt. Beide Opfer waren sowohl mit Hervé als auch mit Nicole befreundet. Mersch beginnt mit den Ermittlungen, nicht ahnend das dieser Fall sowohl ihn als auch seinen Bruder persönlich betreffen soll.

Der Name Jean-Christophe Grangé, die tolle Gestaltung des Umschlages und natürlich die Harcoverversion haben mich bewogen genau dieses Buch lesen zu müssen. Grangé ist spätestens seit „Die purpurnen Flüsse“ ein Garant für atemlose Spannung und verzwickte Wendungen, sein Fokus liegt in der Regel auf soziopathologische Verhaltensweise innerhalb familiärer Beziehungen.

Also stürzte ich mich sofort in dieses 600 Seiten Werk und war etwas ernüchtert über die langatmigen Ausführungen der Pariser Studentenrevolte. Auf der einen Seite war es für mich äußerst interessant zu erfahren, dass die europäischen „’68-Bewegung“ doch wesentlich brutaler waren als die Hippiebewegung in Nordamerika, auf der anderen Seite gelingt dem Autor nicht so recht der Spannungsaufbau. Erschüttert war ich dann regelrecht von der Inszenierung der Opfer und der Motivation des Täters. Irgendwie schwer nachvollziehbar und doch eher Horror statt Thriller. Die drei Protagonisten konnten mich weder durch ihre Charakterzeichnung noch durch ihre Aktionen und Interaktionen von sich überzeugen.

Die drei Sterne vergebe ich dann auch nur für den sehr unterhaltsamen und lehrreichen Ausflug in die Vergangenheit.