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odile

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Insgesamt 27 Bewertungen
Bewertung vom 14.12.2024
Kom.Ba. / Kommissar Bambus (eBook, ePUB)
Gun, Ben B.

Kom.Ba. / Kommissar Bambus (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Ein Kommissar namens Bambus

Nach einem schweren terroristischen Anschlag der Hamburger Unterwelt auf die Polizei überlebt Kommissar Gabriel Landgraf nur knapp. Einige seiner Kollegen sterben oder werden schwer verletzt. Physisch wie psychisch massiv angeschlagen, muss Gabriel erkennen, dass er nicht mehr so weitermachen kann wie bisher ...

„Kom.Ba. / Kommissar Bambus: Band 1 Phönix“ ist der Auftakt einer Trilogie um Hauptkommissar Landgraf, den sein Schicksal von Hamburg zurück nach Niederbayern führt. Zuerst hat das ungewöhnliche Cover meine Neugier geweckt. Die hübsche Zeichnung zeigt den Donaustrand bei Deggendorf. Da ich auch (woanders) an der Donau lebe, war mein Interesse geweckt.

Gabriel Landgraf ist ein echter Workaholic, ja fast ein Adrenalin – Junkie. Einen ersten gesundheitlichen Warnschuss ignoriert er, ebenso begreift er nicht, dass sich seine Frau Jahre später unter anderem deshalb von ihm trennt, um ihn wachzurütteln. Obwohl der Kommissar die Scheidung sehr bedauert, macht er stur weiter wie vorher. Erst der Terroranschlag zwingt ihn zum Innehalten und Nachdenken. In der Reha findet er Leidensgenossen, denen er sich mit der Zeit öffnen kann. Seiner hochgeschätzten Therapeutin verspricht er, etwas zu ändern. Und nach einem kurzen Rückfall zieht er diese Entscheidung tatsächlich durch. Mit seiner neu gewonnen Entschlossenheit hat mich der Hauptcharakter sehr beeindruckt. Auch als es an der neuen Arbeitsstätte zunächst überhaupt nicht klappt, gibt er nicht auf und holt sich sogar Hilfe. Er findet wieder Kraft und Energie für seinen Beruf und sich selbst. Nach Überwindung seiner Startschwierigkeiten erzielt er erste Erfolge am neuen Wirkungsort ...

Auch die anderen Charaktere in den Haupt- und Nebenrollen sind gut getroffen. Ob das originelle Sprayer-Trio, Tante Erika und ihre Damenriege oder Marlene, die Möchtegern-Miss Marple. Sie alle überzeugen und veranschaulichen, wie wichtig Gabriel inzwischen sein persönliches Umfeld, über die Familie hinaus, geworden ist. Die Kollegen bleiben außer seinem Chef Wiegand Brandl noch etwas blass, doch das wird sich in Band 2 sicher ändern.

Nach anfänglicher Routinearbeit beschäftigen den Kommissar ein Cold Case mit drei ungelösten Morden sowie gefährliche Anschläge auf das Personal der Onkologie des städtischen Krankenhauses. Für Spannung ist also gesorgt. Den Täter, der seine Bekannte, die junge Gabrijela, mit Manipulationen an ihrem Rad beinah umbringt, kann er trickreich schnell ermitteln.

Mein Fazit.

Mich hat Kommissar Bambus, den Spitznamen erwirbt er sich in Deggendorf, bestens unterhalten. Ich habe ihn mit Interesse und Anteilnahme in sein neues Leben begleitet, mit ihm ermittelt und neue Erkenntnisse gewonnen. Das nach einem furiosen Beginn eher gemächliche Tempo hat mir ebenso gut gefallen wie der sorgfältige Schreibstil und die gute Recherche. Im Mittelpunkt des Geschehens steht Gabriel Landgraf, als Kommissar, aber auch als Privatmensch. Verschiedene Themen wie Krankheit, Alternativmedizin, Esoterik oder die Verquickung von Politik und Lobbyismus beschäftigen ihn und sprengen oder dehnen zumindest die gewohnten Grenzen eines traditionellen Kriminalromans. Eine weitere Besonderheit des Buches sind die zum aktuellen Stand der Geschichte passenden Gedichte, die jedes Kapitel einleiten.

Am Ende finden die Handlungsstränge zusammen und Kommissar Bambus kann seine Fälle nachvollziehbar lösen. Dass die eine oder andere Frage, noch, offen bleibt, versteht sich beim Auftaktband einer Trilogie von selbst. Ebenso verbleibt einigen der Protagonisten noch Entwicklungspotenzial. Es bleibt also interessant am Donaustrand von Deggendorf. Ich freue mich auf die Fortsetzung und vergebe 4,5 von 5 Sternen und eine Empfehlung an alle, die einen guten, etwas anderen Krimi schätzen.

Bewertung vom 10.12.2024
Not your Darling
Blake, Katherine

Not your Darling


ausgezeichnet

Hollywood is calling!

Die zwanzigjährige Margaret geht in Liverpool an Bord eines Passagierdampfers, um ihn als Loretta in New York wieder zu verlassen. Der Erfüllung ihres Lebenstraums ist sie mit dieser Fahrt ein beachtliches Stück näher gekommen, aber die größten Schwierigkeiten stehen ihr noch bevor ...

Das gelungene Cover zeigt uns, wen wir hier begleiten. Eine kesse junge Dame, die weiß, was sie will. Noch trägt sie nicht die angesagte Audrey-Hepburn-Frisur, aber als das Chamäleon, das sie auch ist, wird sie sich schnellstens an den aktuell gefragtesten Look anpassen.

Katherine Blake hat mit „Not Your Darling“ eine spannende Geschichte geschrieben, die einen frechen Frauenroman mit historischen Fakten verbindet. Falls das wirklich ihr Debüt als Autorin ist, bin ich beeindruckt.

Blakes Protagonisten überzeugen. Loretta, die ihre Geheimnisse für sich behält und lernen musste, sich nur auf sich selbst zu verlassen. Eliot, der um seine Frau trauert und sich wohltuend vom gängigen Männertyp Hollywoods unterscheidet. Sally, die ihre Angst vor dem Alter und dem beruflichen Abstellgleis mit Alkohol und herrischem Auftreten kaschiert. Der Blender Raphael, der alles für eine Rolle opfert, aber nicht die hellste Kerze auf der Torte ist. Der undurchsichtige Petraś, der es geschafft hat, eine Legende zu werden, ohne seine Wurzeln zu vergessen. Grace, die bildhübsche Schauspielerin, die von allen unterschätzt wird und sich nicht verschaukeln lässt. Die Prostituierte Primrose, die Loretta ihren Start erleichtert und ihr eine treue Freundin wird.

Mir gefällt Katherine Blakes flotter, direkter Schreibstil. Mit Witz und Humor beschreibt sie das Lebensgefühl der 50er, ohne die Schattenseiten zu beschönigen. Die kurzen Kapitel ermöglichen ein gutes Lesetempo. Auf den zahlreichen Karten, die Loretta an ihre Schwester Enid schickt, beschreibt sie scheinbar ihre Erlebnisse und Eindrücke, die sie mit Anmerkungen in Klammern für den Leser kommentiert. Ein guter Kniff, der mir ihre Denkweise näher brachte. Mit den Karten hat es eine Bewandtnis, die erst spät klar wird.

Mein Fazit

Ich hatte einen frechen Frauenroman erwartet und wurde nicht enttäuscht. Zunächst zeigt sich Margaret als ziemlich unverfrorene junge Frau, die ihren Verehrer Jimmie manipuliert, ausnützt und zuletzt auch noch bestiehlt. Der Zweck scheint bei ihr die Mittel zu heiligen. Alles, was ihrem Plan als Visagistin in Hollywood Karriere zu machen dient, wird getan. Mit ihrem Namen scheint sie ihre Vergangenheit und frühere Identität abzulegen. Als Loretta Darling marschiert sie forsch und zielorientiert voran. Erst als sich eine Party als Orgie erweist und sie beinahe vergewaltigt wird, zeigen sich erste Risse in ihrer Rüstung. Es erweist sich, dass sie doch nicht alles ihrer Karriere opfern will. Sexuelle Übergriffe, die im von Männern dominierten oder eigentlich diktatorisch beherrschten Hollywood, alltäglich und allenfalls ein Kavaliersdelikt sind, kommen für sie nicht infrage. Hier zieht sie die Grenze und versucht auch andere zu schützen. Bald muss sie erkennen, dass sie als Einzelkämpferin untergehen wird. Sie schließt Freundschaften und gewinnt Verbündete. Doch warten noch weitere Herausforderungen auf sie.

Katherine Blakes historischer Roman bietet Einblicke ins Hollywood der Fünfziger Jahre. Wir treffen Stars und Sternchen. Produzenten und Regisseure erweisen sich als herrschende Kaste, erst danach kommen die Schauspieler. Die Dominanz des männlichen weißen Geschlechts und dessen „Bedürfnissen“ werden nicht hinterfragt. Schwangerschaftsabbrüche mitunter von den Studios bezahlt. Alkohol und Drogen sind in diesen Kreisen nichts Ungewöhnliches. Der Blick hinter die klapprigen Kulissen der schillernden Metropole desillusioniert. Die Autorin beschreibt eine Atmosphäre, die gleichzeitig fasziniert und verstört. Gern hätte ich noch mehr davon gespürt.

Obwohl es mir ein wenig an Spannung gefehlt hat, wurde ich von „Not Your Darling“ gut unterhalten und habe es in flottem Tempo gelesen. Loretta hat mich mit einigen ihrer Handlungen überrascht. Manche waren im besten Fall fragwürdig und doch nachvollziehbar. Gerade diese Widersprüchlichkeit hat sie mir nähergebracht.

Ich vergebe 4,5 von 5 Sternen. Meine Leseempfehlung geht nicht nur an Frauen, sondern auch an die Männer, die sich für Frauen ernsthaft interessieren.

Bewertung vom 06.12.2024
Tödlicher Winter / Paul Schwartzmüller ermittelt Bd.2
Werrelmann, Lioba

Tödlicher Winter / Paul Schwartzmüller ermittelt Bd.2


ausgezeichnet

Mörderisches Siebenbürgen?

Siebenbürgen und Rumänien überhaupt waren bisher noch weiße Flecken in meiner Krimiwelt. Außer Grusel-Ikone Dracula landete bisher nichts aus diesem Genre in meinem Regal. „Tödlicher Winter“ von Lioba Werrelmann sollte diese Lücke schließen.

Der Journalist Paul, ein Siebenbürger Sachse, hat als 14-jähriger Rumänien für immer verlassen. Er ist ein typischer „Heruntergekommener“, so werden in Siebenbürgen Auswanderer, die zu Besuch zurückkommen, genannt. Nach seinem ereignisreichen Aufenthalt vor sechs Monaten und 13 Tagen kommt er wieder nach Transsylvanien. Doch der Empfang dort verläuft völlig anders als erwartet. Die angebetete Maja, die auf Paul warten sollte, ist inzwischen verheiratet, sein Freund Sorin unglücklich. Gemeinsam besaufen sich die beiden Freunde, was die Lage nicht verbessert. Am nächsten Morgen wird Paul wegen Mordverdachts verhaftet. Ohne Haftbefehl, ohne die Möglichkeit, einen Anwalt zu kontaktieren. Während eines heftigen Sturms wird er ins zugige Ehegefängnis der Kirchenburg gesperrt. Derweil werden immer wieder Tote im Wald gefunden. Nicht nur Majas Ehemann Petre, sondern auch mehrere Waldarbeiter sollen Unfällen zum Opfer gefallen sein. Obwohl ihn seine Gefühle für Maia beinahe überwältigen, erwacht die journalistische Neugier in Paul. Er beginnt zu recherchieren, ohne zu ahnen, dass er sich dadurch in Lebensgefahr begibt …

"Tödlicher Winter" ist das erste Buch von Lioba Werrelmann, das ich lese. Da mir Siebenbürgen bisher völlig unbekannt war, hat dieser Kriminalroman mein Interesse geweckt.

Paul Schwartzmüller ist ein spannender Charakter, mit dem ich so meine Schwierigkeiten hatte. Grundsätzlich sympathisch, hat mir seine mangelnde Empathie zu schaffen gemacht. Scheinbar agiert er stets unüberlegt, ohne Rücksicht auf andere (große Ausnahme: Maia), um sich in der Rückschau dann Vorwürfe zu machen und sich schuldig zu fühlen. Erst im Laufe der Geschichte konnte ich erkennen, dass Paul offensichtlich nicht gedankenlos handelt, sondern Schwierigkeiten hat, sich in andere hineinzuversetzen. Also nicht gleichgültig, rücksichtslos ist. Der zweite spannende Charakter ist Pušomori. Sie agiert meist im Verborgenen, hilft Paul aber in schwierigen Situationen. Ihre Fähigkeiten sind beachtlich. Dank ihrer Intelligenz kann sie hervorragend kombinieren. Sie ist eine gewiefte Hackerin, die sich diese Fertigkeit selbst angeeignet hat. Noch beeindruckender ist, dass sie sich nahezu unsichtbar machen kann und über eine exzellente Beobachtungsgabe verfügt. Auch die übrigen Protagonisten, ob in Haupt- oder Nebenrollen, überzeugen.

Der Autorin gelingt es, ihre Leser schnell in die Geschichte hineinzuziehen. Sie schreibt sehr bildhaft und mit viel Lokalkolorit. Man spürt ihre Leidenschaft für diese Region und ihre Bewohner. Dadurch schafft sie die entsprechende Atmosphäre, die es dem Leser ermöglicht, sich in diese fremdartig anmutende Landschaft einzufinden und sich den ungewohnten Protagonisten zu nähern.

Mein Fazit

Lioba Werrelmann hat mich mit ihrem Kriminalroman "Tödlicher Winter" sehr gut unterhalten. Die Erzählung ist fesselnd und die Auflösung stimmig. Ein spannender Krimi mit sehr viel Atmosphäre und Lokalkolorit in einem mir bis dahin unbekannten Ambiente. Land und Leute werden so beschrieben, dass man Lust bekommt, diese Region näher zu entdecken, ganz abseits von Dracula und anderen Vampirgeschichten. Transsylvanien hat offensichtlich viel mehr zu bieten. Diese Erkenntnis verdanke ich der Autorin, die mir diesen Landstrich und seine Bevölkerung sehr viel näher gebracht hat.

Ich vergebe 4,5 von 5 Sternen und eine Leseempfehlung an alle Krimiliebhaber, die einmal in einer Region ermitteln möchten abseits der gewohnten Schauplätze des Genres.

Bewertung vom 04.12.2024
Vino, Mord und Bella Italia! Folge 5: Der Tote im Pool (eBook, ePUB)
Homma, Christian; Frank, Elisabeth

Vino, Mord und Bella Italia! Folge 5: Der Tote im Pool (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Wer ruht da unterm Swimmingpool?

Anna und Loris wollen den alten Pool auf dem Anwesen von Annas Großeltern inspizieren, der jahrelang abgedeckt war. Tameo freut sich schon auf den Sprung ins kühle Nass. Doch daraus wird vorerst nichts. Denn Hündchen Peppo macht einen Fund, der dieses Unterfangen torpediert und Fontenaia das nächste Mordopfer beschert.

„Der Tote im Pool“ ist bereits der fünfte Teil der Reihe „Vino, Mord und Bella Italia!“ von Christian Homma und Elisabeth Frank. Auch Neueinsteiger können problemlos mit diesem Band starten. Ich habe es so gemacht und nicht bereut.

Anna hat sich vorgenommen, das renovierungsbedürftige Anwesen ihrer Großeltern zu sanieren. Da sie über wenig Geld verfügt, ist sie auf die Hilfsbereitschaft und Unterstützung ihrer Freunde und Nachbarn angewiesen. Peppos Leichenfund bringt die Bauarbeiten zunächst zum Stillstand, da der baufällige Pool jetzt als Tatort behandelt wird. Commissario Vico Martinelli suspendiert Anna sofort. Zwar kann er sie dieses Mal nicht der Tat bezichtigen, da das Gewaltverbrechen schätzungsweise 20 Jahren zurückliegt. Aber was ist mit Annas Großeltern? Ein Interessenkonflikt! Während Anna ihrer Nonna so eine Gewalttat niemals zutraut, ist sie sich bei ihrem Nonno nicht sicher. Er war Jäger und im Dorf wegen seiner Streitlust unbeliebt. Die Ermittlungen kommen nur schleppend voran. Wer ist der Tote? Und warum wurde er erschossen?
Weiteres Ungemach droht aus Deutschland. Paola stellt Anna vor vollendete Tatsachen. Sie teilt ihrer Tochter mit dürren Worten mit, dass das Haus verkauft ist und sie innerhalb von 14 Tagen ausziehen muss. Anna hat sich noch nicht von diesem doppelten Schock erholt, als ihre Mutter auch schon vor der Tür steht. Wie geht es jetzt weiter?

Mir gefällt die klare, bildhafte Sprache der Autoren. Als Leser ist man gleich mittendrin in der Geschichte. Land und Leute werden trefflich beschrieben, die Atmosphäre und das Ambiente stimmen. Die sympathischen Charaktere, allen voran Anna, wirken glaubwürdig. Sogar der Commissario weist inzwischen menschliche Züge auf und kann sogar Empathie für Anna entwickeln, natürlich ohne sich etwas anmerken zu lassen. Auch Paola und Rossi überraschen. Fontenaia und seine Bewohner beweisen erneut Charme und Lebensart.

Mein Fazit

Wer Cosy Crime liebt, ist hier richtig. Das Leben in der Toskana, gewürzt mit einem Kriminalfall, liest sich angenehm. Dank einiger überraschender Wendungen kommt auch die Spannung nicht zu kurz. Grundsätzlich geht es in „Der Tote im Pool“ aber eher gemütlich und nicht sehr blutig zu. Was für dieses Genre genau richtig ist. Kein Psychothriller mit einem irren Kettensägemörder, sondern feinste Cosy Crime mit Ratespaß. In diesem Sinn wurde ich bestens unterhalten und bin durchaus gewillt, beim nächsten Fall in Fontenaia wieder mit dabei zu sein. Die Wartezeit bis dahin kann ich mir ja mit Band 1 bis vier verkürzen.

Ich habe die Sonne der Toskana jedenfalls sehr genossen, während hier Regen und Nebel dominieren und vergebe 4,5 von 5 Sternen mit einer Leseempfehlung an alle Fans des Genres Cosy Crime.

Bewertung vom 02.12.2024
May Morrigans mysteriöse Morde
Black, Katherine

May Morrigans mysteriöse Morde


sehr gut

Alter schützt vorm Morden nicht

Das leicht altmodische Cover zeigt eine weißhaarige ältere Dame, mit adretter Dauerwelle, gehüllt in Seidenschal und Cardigan, die ein großes Messer in ihrer Strickjacke verbirgt – ein großes Messer?

Katherine Blacks erster Kriminalroman führt uns in die Nähe von Englands Hauptstadt. May Morrigan hat sich von ihrem Erbe eine Buchhandlung vor den Toren Londons gekauft. Im beschaulichen Blackheath Village genießt die ältere Dame ihren Ruhestand. Sie lebt mit ihrem Studienfreund Fletcher, einem emeritierten Professor für Kunstgeschichte, in Greenway, dem gregorianischen Stammsitz ihrer Familie. Die beiden Zwergdackel Bess und George vervollständigen das Idyll. Nicht so ganz ins Bild passen dagegen einige beunruhigende Fakten, die der Lesende nebenbei erhält. Woher weiß May, dass ihre geliebte Kelly-Handtasche genügend Platz für einen „sorgfältig eingewickelten Menschenkopf“ bietet? Wozu benötigt sie die schmale Klinge, die sie stets in der Geheimtasche ihres Cardigan-Ärmels verbirgt?

In einem zweiten Erzählstrang begegnen wir Danny, Fox, einem jungen Lokalreporter, der gerade einen Artikel über Detective Inspector Theo Clegg, den örtlichen Kriminalbeamten schreibt. Er erhält die Nachricht, dass erneut ein sechzehnjähriges Mädchen verschwunden ist. Diese Story will er unbedingt haben ...

Die Autorin versteht es meisterlich, ihre Leser zu ködern. Die Geschichte beginnt ganz harmlos, nimmt aber schnell an Fahrt auf. Subtile Hinweise bezüglich Mays „Hobby“ lassen den Leser bald nach potenziellen Opfern Ausschau halten. Blacks klare Sprache und ihre Liebe zum Detail sorgen für hohen Lesegenuss. Das sorgfältig gezeichnete Ambiente, die kernigen, teils unkonventionellen Charaktere, allen voran Fletcher und Bastian, und der schwarze Humor machen Laune. Die Wechsel in der Sprache, von elegant zu derb und wieder retour, sind ebenso erfrischend wie die überraschenden Wendungen.

Mein Fazit:

Eine sympathische Serienmörderin? May kommt diesem Bild verdächtig nahe. Ich könnte mir gut vorstellen, mit ihr befreundet zu sein. Wäre da nicht der abgründige Teil ihres Charakters.
Katherine Black hat meine Schwäche für schwarzen Humor voll getroffen. Sie macht uns mit einer netten älteren Dame bekannt, die ein moralisch äußerst verwerfliches Hobby hat. Aber halt! Wir befinden uns in einer Geschichte und May ist ein Buch-Charakter. Ein ziemlich vielschichtiger sogar. Manchmal erinnert sie mich an Abby und Martha aus „Arsen und Spitzenhäubchen“. Einerseits gut in die Gemeinschaft integriert, beliebt und sehr angesehen. Diese Rolle wurde ihr wohl vom verschwundenen Ehemann James aufgenötigt, der sehr auf seine Reputation bedacht war. Andrerseits ist sie kühn und exzentrisch. Nach einem Jahr als Single findet sie allmählich zum „alten, früheren“ Ich zurück.

Auch wenn die Spannung für meinen Geschmack etwas zu kurz kam und am Ende nicht alles abschließend aufgelöst wurde, hat mir „May Morrigans mysteriöse Morde“ gut gefallen. Antworten auf meine offenen Fragen, zuallererst „Was ist mit James?“ erwarte ich im Folgeband. Diesen werde ich mir nicht entgehen lassen.

Mays Geschichte hat Potenzial. Ich vergebe 4 von 5 Sternen und eine Leseempfehlung an alle, die schwarzen Humor schätzen und sich von stellenweise salopper Sprache nicht schrecken lassen.

Bewertung vom 28.11.2024
Zürcher Verrat
Kasperski, Gabriela

Zürcher Verrat


ausgezeichnet

Ein ganz besonderer Krimi

Seit zehn Jahren werden an Mittsommer Arien aus dem Züricher Opernhaus live auf den Sechsläutenplatz übertragen. Dieses Mal findet die beliebte Veranstaltung ein jähes Ende als ein Toter im Orchestergraben entdeckt wird. Wurde er gestoßen oder ist er gefallen?

Ein Verbrechen im Opernhaus hat seinen ganz besonderen Reiz. Die Einblicke in die Örtlichkeiten und Abläufe haben mich fasziniert. Davon unabhängig entwickelt sich der Kriminalfall rasant. Wir folgen gleich drei Handlungssträngen, die uns an den Tatort Zürich, mit auf eine Flucht quer durch Europa und in die Vergangenheit während des Zweiten Weltkriegs führen. Schnell wird klar, dass mehr hinter dem Tod in der Oper steckt. Gleich mehrere der Protagonisten werden verfolgt, bedroht und erpresst. Vordergründig ermittelt die Polizei in einem verdächtigen Todesfall nach dem heftigen Streit eines ehemaligen Paars. Doch was ist wirklich geschehen?

Für mich war es der erste Krimi mit Schnyder & Meier, den Ermittlern in diesem Fall. Mit Gabriela Kasperskis Buchfigur Tereza Berger war ich schon öfters in der Bretagne als Detektivin unterwegs. Dieses Mal ging es also in die Schweiz. Der Fall ist auch für Neueinsteiger in die Schnyder & Meier-Reihe geeignet.

Gabriela Kasperskis neuester Kriminalroman schlug mich umgehend in seinen Bann. Sie schreibt fesselnd und mitreißend. Ich konnte mich gut in die Atmosphäre im Opernhaus, die besondere Dynamik dort, einfühlen. Die Sequenzen, die vor über 80 Jahren spielen, haben mich gepackt. Übergänge und Perspektivwechsel sind fließend, der Leser befindet sich immer mitten im Geschehen, ohne aus seinem Flow gerissen zu werden. Schauplätze, Personen und das Jahrhundert wechseln, die Fülle an Information ist zunächst verwirrend. Doch allmählich rutschen die Puzzleteile an ihren vorbestimmten Platz.

Die Haupt- und Nebencharaktere wirken glaubwürdig und lebensnah. Das Paar Schnyder und Meier hat eine ganz eigene Dynamik und kommt mitsamt den Kindern im Krimi nicht zu kurz. Die selbstbewusste Zita Schnyder bremst den manchmal eher konservativen Meier, etwa wenn er glaubt, seinen Söhnen wesentlich mehr zumuten zu können als seiner Tochter, „weil sie Jungs sind.“ Besonders gefallen haben mir die Figur der Margrit Müller, die viel erlebt hat und einen originellen Weg findet, ihre Familie zu schützen. Und der Buchhändler Greve, ein aufrechter Mensch in dunklen Zeiten.

Mein Fazit:

Falsches oder gar verbrecherisches Handeln wirkt lange nach und kann sich bis auf die nachfolgenden Generationen auswirken, bei Opfern wie Tätern. Im vorliegenden Krimi „Zürcher Verrat“ zeigt die Autorin, wie ein lange zurückliegendes ungesühntes Verbrechen nach über 80 Jahren erneut zu schweren Straftaten führt. Es ist widerwärtig, wie sich die perfiden Täter wiederholt durch Verunglimpfung und Verleumdung ihrer Opfer bei gleichzeitiger Überhöhung ihrer eigenen Person, ein gutes Gewissen konstruieren. Und diese Hybris wiederholt sich bis heute.

Das Lesen der eingestreuten Zeitdokumente aus dem 2. Weltkrieg schlug mir teilweise auf den Magen, teilweise machte es mich wütend. So authentisch wirken sie. Die akribische Recherche seitens der Autorin ist hier deutlich zu spüren. Kasperski gelingt es, ein aktuelles Verbrechen so mit historischen Fakten zu verknüpfen, dass daraus ein spannender Krimi entsteht, der berührt und erschüttert. Gleichzeitig wird der Leser aber auch gut unterhalten. Die Erzählung liest sich flüssig, es wird nicht moralisiert und der erhobene Zeigefinger fehlt. Die Geschichte steht für sich selbst. Und am Ende bleiben keine Fragen offen.

Ich habe diesen Krimi wirklich gern gelesen. Er ist sehr gut gelungen, unterhält, berührt und informiert. An die spezielle Beziehungsdynamik des Paares Zita Schnyder und Werner Meier werde ich mich noch gewöhnen, denn ich habe mir fest vorgenommen, auch die anderen Bände der Reihe zu lesen

Ich vergebe die volle Punktzahl, 5 von 5 Sternen.

Bewertung vom 24.11.2024
Nur Mord im Kopf / Skulduggery Pleasant Bd.16
Landy, Derek

Nur Mord im Kopf / Skulduggery Pleasant Bd.16


ausgezeichnet

Ein Skelett in Hochform

Ein mysteriöser Serienkiller, der sich Ersatz nennt, tötet scheinbar grundlos gewöhnliche Sterbliche. Dabei geht er äußerst brutal vor. Skulduggery Pleasant und Walküre Unruh nehmen sich des Falls an, da schnell klar wird, dass der Täter ein Magier sein muss. Trotzdem geht das Morden weiter. Dann finden sie heraus, dass die Tötung der jungen Magierin Rumour Mills der Auslöser der Mordserie zu sein scheint. Aber wie hängt alles zusammen? Die Ermittlungen stagnieren. Da erreicht sie eine Botschaft von Ersatz ...

Als echter Fan der Serie um Skulduggery Pleasant und Walküre Unruh von Beginn an, war der neueste Band „Nur Mord im Kopf“ Pflichtlektüre für mich. Wenn nur alle Pflichten derart angenehm wären! Autor Derek Landy hat mich mal wieder überrascht. Gegen Ende der zweiten Staffel fragte ich mich gelegentlich, warum sich die Serie so weit von ihren Anfängen entfernt hat. Ich zweifelte. Dann wurde die dritte Staffel angekündigt. Und schon nach den ersten Seiten des aktuellen Buches konnte ich aufatmen. Ich habe Band 16 in kürzester Zeit verschlungen.

Derek Landys Schreibstil überzeugt mich seit dem ersten Band dieser Reihe. Bildhaft, locker, mit schwarzem Humor und anscheinend nie versiegender Fantasie ausgestattet, zieht er mich immer schnell in seine Geschichten hinein. Szenen, wie die im Hotel als Skulduggery das reiche Paar verbal daran hindert, mit ihm im selben Lift zu fahren oder Walküres Sprüche wie: „Ich habe soviel Zeit mit dir verbracht, dass ich jetzt ein Reservoir an überschüssiger Albernheit habe, das ich alle paar Tage leeren muss“ erklären, was ich meine. Konstante Spannung, überraschende Wendungen und ein flottes Tempo tun ein Übriges. Das gilt auch für Band 16.

Mein Fazit

Ich bin sehr zufrieden mit dem neuen Band, der sich wieder mehr den Anfängen annähert. Walküre ist keine Nervensäge mehr und Skulduggery ist cool und super intelligent wie gewohnt. Sein Hang zu fragwürdigem Wissen - ehrlich, wer interessiert sich für Türklinken oder Spezifika der Zahl 34 - hat sich eher verstärkt. Brillant löst er in Windeseile jedes noch so komplizierte Rätsel, das Ersatz ihm stellt. Und jetzt hat er sogar ein süßes Geheimnis. Winter/Alison hat sich weiterentwickelt und gesteht sich ein, dass sie ihre Schwester bei aller Liebe auch ein klein wenig hasst. Was bleibt ihr noch zu tun, nachdem Walküre wiederholt die Welt gerettet hat? Sie kocht ihr eigenes Süppchen. Wohin das wohl führt?

Erfreut durfte ich miterleben, dass verloren geglaubte Personen aus früheren Bänden wieder auftauchen. Einer der wenigen neuen Charaktere, der lang genug lebt, um in Erinnerung zu bleiben ist Sexy. Sexy Whitlock, äußerst gutaussehend, dumm wie Stroh, ichbezogener als Fletcher jemals war, nerviger als ein Schwarm Stechmücken – man muss ihn einfach gern haben. Hoffentlich bleibt uns der Experte für Feuchtigkeitscremes erhalten. Selten habe ich so dämliche Kommentare wie seine gelesen – einfach köstlich.

Der Fall erweist sich als vielschichtig – im eigentlichen Sinn des Wortes. Doch unseren Detektiven gelingt, es bis zum Kern vorzudringen. Der Fall wird zu meiner Zufriedenheit gelöst und ganz nebenbei ergibt sich genügend Material für weitere Ermittlungen. Wie immer endet das Buch mit einem fiesen Cliffhanger. Was soll’ s? Ich freue mich schon auf den nächsten Band.

Volle Punktzahlung und dringende Leseempfehlung für alle, die das Genre schätzen.

Bewertung vom 22.11.2024
Wenn ich nicht Urlaub mache, macht es jemand anderes
Becker, Giulia

Wenn ich nicht Urlaub mache, macht es jemand anderes


ausgezeichnet

Was lehrt mich ein 165 Millionen Jahre altes tibetisches Laubmoos ohne Hobby, das untätig im Himalaya herumlungert?

Kürzlich las ich ein Interview mit Giulia Becker. Darin schlug sie vor, in Deutschland Humor als Schulfach einzuführen. Mit ihrer Sammlung von Kurzgeschichten, Gedankenspielen, Selbsttests „Wenn ich nicht Urlaub mache, macht es jemand anders“ hat sie bereits ein Lehrbuch für dieses fiktive Fach geliefert.

Es ist das erste Buch von Giulia Becker, das ich gelesen habe. Bisher kannte ich sie nur von ihrem Podcast und aus dem Fernsehen. Aber es wird nicht das letzte bleiben. Ich habe mich gut amüsiert, obwohl der Humor der Autorin eher mit dem Säbel als dem Florett vergleichbar ist.

Bist du ein potenzieller Serienmörder oder machst du dir Gedanken darüber, wie du am liebsten sterben willst (Totlachen, weil ein Hund in Sandalen den Moonwalk macht) und woran besser nicht (Verdursten, weil nur Eistee zur Verfügung steht)? Fährt, wenn du müde bist, ein Rauhaardackel mit Latzhose Rhönrad in deinem Kopf oder lässt du dich lieber über Nacht im MediaMarkt einschließen? Wenn ja oder falls dir diese Ideen durchaus nicht fremd sind, bist du hier richtig. Es ist offensichtlich, dass die Autorin das Absurde liebt und speziell Alltagssituationen ihre Fantasie befeuern. Dabei hatte ich das Gefühl, dass sie oft nur überzeichnet, was sie beobachtet oder erlebt hat. Ihre Geschichten aber einen wahren Kern haben.

Mein Fazit

Mit ihren skurrilen Einfällen brachte mich Giulia Becker wiederholt zum Schmunzeln und Lachen. Ich schätze es sehr, dass sie für ihre Art von Humor keine Witze auf Kosten anderer benötigt. Wer mal eine Pause von der politischen Lage, Umweltproblemen und anderen Katastrophen machen will, ist mit „Wenn ich nicht Urlaub mache, macht es jemand anders“ bestens versorgt. Auch als Geschenk oder kleine Aufmunterung kann ich mir das Buch gut vorstellen. Mir hat es gefallen, ganz ohne Bedeutungsschwere oder höheren Zweck einfach zu lachen und eine gute Zeit zu verbringen.

Das Buch spielt in einer eigenen Liga: Gute-Laune-Wohlfühlbuch mit Lachgarantie für alle, die Giulia Beckers Humor mögen oder sich darauf einlassen können.

Ich vergebe 4,5 von 5 Sternen und eine Leseempfehlung.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.11.2024
BOX - Nimm dich in Acht vor dieser KI
Linell, Alexa

BOX - Nimm dich in Acht vor dieser KI


ausgezeichnet

Rachefeldzug oder späte Reue?

Veda kann nicht glauben, dass ihr Ex-Freund Danilo Selbstmord begangen hat. Damit steht sie nicht allein. Auf seiner Beerdigung trifft sie ehemalige Kommilitonen, die ihre Zweifel teilen. Ralph, der jüngere Bruder des Verstorbenen, kontaktiert Veda, weil Danilo geheimnisvolle Unterlagen für sie hinterlassen hat. Zweifelnd erklärt sie sich bereit, die mysteriösen Dokumente anzusehen und löst damit eine Kette von Ereignissen aus. Zusammen mit ihrem besten Freund Philipp und der Polizistin Talli versucht sie, das Rätsel um Danilos Tod zu lösen.

„Box – Nimm dich in Acht vor dieser KI“ ist mein erstes Buch von Alexa Linell. Neugierig hat mich ihre Biografie gemacht. Jurastudium und Tätigkeit in der Rechtsmedizin, wenn das keine idealen Voraussetzungen für einen guten Thriller sind.

Die Charaktere sind in Haupt- und Nebenrollen stimmig. Veda war mir von Anfang an sehr sympathisch. Mit ihren Vorlieben und kleinen Schrullen wirkt sie sehr authentisch. Obwohl sie grundsätzlich weiß, was sie kann, lässt sie sich andrerseits leicht verunsichern. Ihr bester Freund Philipp leidet nicht unter diesem Problem. Sehr selbstbewusst und ordnungsliebend, verkörpert er den erfolgreichen jungen Anwalt, ohne überheblich zu sein. Talli, die Kriminaloberkommissarin, die gegen ihren Willen von der Mordkommission in die Abteilung organisierte Kriminalität versetzt wurde, stößt erst im zweiten Drittel des Buches zum recherchierenden Duo. Und mit ihr, die zunächst undurchsichtig wirkt, nimmt die Geschichte an Tempo und Spannung zu.

„Er hat an den Professoren geklebt wie Naturkaugummi“ oder „wenn sie nicht so ein Besen wäre, täte sie Veda leid“ - Alexa Linells lockerer Stil gefällt mir. Sie schreibt klar und anschaulich. Als es um die KI geht, erklärt sie dieses komplizierte Thema so verständlich, dass auch ein Technik-Muffel wie ich, daraus schlau wurde.

Die Spannung steigt nach einem verhaltenen Start kontinuierlich an. Dazu tragen die kurzen Kapitel aus der Sicht von ehemaligen (?) Straftätern und attackierten Personen entscheidend bei. Ereignisse, wie Philipps kurzzeitig blockierter Tesla oder unerklärliche Unfälle, verstärken die bedrohliche Stimmung.

Mein Fazit:

KI und neue Medien liegen derzeit im Trend. Ob ihr Nutzen oder mögliche Gefahren überwiegen, ist eine Frage, auf die es noch keine abschließende Antwort gibt. In Alexa Linells Thriller spielt diese Diskussion eine große Rolle. Neben den moralischen Fragen, ob Selbstjustiz und Rache ein ordentliches Gerichtsverfahren ersetzen sollten oder wie neutral eine von Menschen programmierte und mit Daten versorgte KI agiert. Obwohl es für mich mit der Zeit voraussehbar war, wer hinter der Verschwörung steckt, blieb für mich die Spannung erhalten. Ich wollte unbedingt, das Wie und Warum erklärt haben. Die Lösung und die daraus resultierenden (Nicht-) Folgen waren für mich nachvollziehbar und logisch.

Eine kleine Kritik am Rande: Die häufige Thematisierung von Vedas Verzicht auf ihr zweites Staatsexamen. Da wäre weniger mehr gewesen. Insgesamt wurde ich gut unterhalten und habe beunruhigendes Neues erfahren.

Von mir 4,5 von 5 möglichen Sternen und eine Leseempfehlung an alle, die sich für KI und Justiz interessieren.

Nach dem Lesen dieses Thrillers würde ich Einsteins Zitat modifizieren: „Nicht nur die Dummheit, sondern auch die Hybris (mancher) Menschen ist unendlich“.

Bewertung vom 18.11.2024
Der König
Nesbø, Jo

Der König


ausgezeichnet

Es kann nur einen geben

Carl und Roy Opgard sind ein Brüderpaar, das in Os, einem Dorf in Nordnorwegen lebt und arbeitet. Während Carl ein florierendes Spa-Hotel betreibt, ist Roy der Besitzer der örtlichen Tankstelle und der Kneipe „Freier Fall“. Carl plant, seine Hotelanlage zu vergrößern und sucht Investoren, während Roy vom Bau eines Vergnügungsparks träumt. Diese Pläne drohen zu scheitern, da ein Tunnelbau den Autobahnverlauf ändern soll. Dadurch würden die Touristenströme versiegen und Os wäre wirtschaftlich am Ende.

„Der König“ ist der zweite Band von Jo Nesbø über die Brüder Roy und Carl nach „Ihr Königreich“. Der Roman ist auch ohne Kenntnis des Vorgängers gut lesbar, da Rückblenden erklären, was der Leser wissen sollte.

Roy Opgard als Ich-Erzähler steht im Mittelpunkt des Romans. Sein Bruder und er wollen um jeden Preis verhindern, dass die Autobahn verlegt wird. Der aussichtsreichste Weg dahin, scheint die Sabotage des geologischen Gutachtens für den Tunnelbau zu sein. Denn ohne Tunnel keine neue Autobahn. Während Roy dem zuständigen Geologen ein Angebot macht, dass dieser nicht ablehnen kann, erinnert er sich an ähnliche Ereignisse in der Vergangenheit. Nicht von ungefähr sind die Opgard-Brüder so erfolgreich. Während Carl den charismatischen Sonnyboy mit hochfliegenden Plänen gibt, ist der ältere Roy eher der stille Vollstrecker, der für die Familie auch vor Mord nicht zurückschreckt. Beide werden vom Dorfpolizisten Kurt Olsen verfolgt, der überzeugt ist, dass Roy seinen Vater getötet hat.

Jo Nesbø überzeugt einmal mehr mit seiner klaren Sprache und den lebensnah gezeichneten Charakteren in Haupt- und Nebenrollen. Er beschreibt akribisch das Leben in der tiefen norwegischen Provinz, das so anders verläuft als in Oslo. Überhaupt ist die erzählte Geschichte eher in ruhigen Tönen geschrieben, mit vielen Wendungen, aber ohne pausenlose Action. Hier kommt es auf die Zwischentöne an und die erfordern aufmerksames Lesen. Trotzdem mangelt es nicht an Spannung. Die Besonderheiten des norwegischen Landlebens haben mich fasziniert, z. B. Medikamente in der Tankstelle zu kaufen oder dort Rezepte einzulösen.

Anfänglich hatte ich Probleme in die Geschichte einzutauchen, aber die haben sich schnell gelegt. Es hat mich fasziniert, das Dorf und seine Einwohner so gut kennenzulernen. Was sie antreibt, bewegt. Welche Abgründe in manchen Menschen lauern. Nichts ist hier weiß oder schwarz, die Zwischentöne dominieren. So ist Roy nicht nur der gefühllose Killer, als der er zunächst erscheint. Er besitzt durchaus moralische Werte und kann sich in Menschen hineinversetzen. Lange habe ich mich gefragt, warum er immer noch hinter seinem wenig sympathischen Bruder aufräumt, bzw. die Drecksarbeit übernimmt. Doch letztlich schafft es Carl durch sein Verhalten, dass Roys Loyalität schließlich bröckelt. Es hat mich etwas irritiert, dass mir der scheinbar eiskalte Mörder Roy allmählich sympathisch wurde und ich ihm gegen Ende die Daumen drückte. Eine Meisterleistung des Autors, der eine düstere Stimmung heraufbeschwört und aufzeigt, wie schnell Menschen sich manipulieren oder gar korrumpieren lassen. Die Gewaltbereitschaft Einzelner verbirgt sich nur unter einer hauchdünnen Schicht Zivilisation.

Ich würde „Der König“ zu gleichen Teilen als Gesellschafts- und Kriminalroman bezeichnen. Nach kurzem anfänglichen Zögern hat mich die Geschichte eingefangen und nicht mehr losgelassen. Ich wurde sehr gut unterhalten. Vielleicht ist „Der König“ kein typischer Nesbø, aber wieder brillant erzählt. So war es doch ein Glücksfall für uns Leser, dass der Autor seinen Traum, Profi-Fußballer zu werden, nicht realisiert hat.

Ich gebe 4,5 von 5 Sternen und eine Leseempfehlung für alle, die, die Verknüpfung von Krimi und Gesellschaftsroman schätzen.