Benutzer
Benutzername: 
fantasia

Bewertungen

Insgesamt 42 Bewertungen
Bewertung vom 26.06.2025
Myers, Benjamin

Strandgut


ausgezeichnet

Vom Weiterleben

Benjamin Myers überzeugt in diesem Buch wie auch in seinem anderen Werk „Offene See“ mit seiner Sprache. Sensibel und bildhaft beschreibt er seinen Protagonisten - den 70-jährigen Bucky - der nach dem Tod seiner Frau vor sich hinlebt und erst nach der Einnahme von Schmerztabletten und einem zweiten Kaffee, den er „in sich hineingeschüttet hatte. Dann, erst dann, mochte er in Betracht ziehen, seinen Korpus aus den vier Wänden des kleinen, müden Hauses hinauszubewegen, das er seit vierzig Jahren sein Zuhause nannte.“ (S.13) Das Geld reicht nur für das Allernötigste, er hat keine Krankenversicherung - alles in allem trostlos.
Die Einladung zu einem Musikfestival in England trifft ihn unvorbereitet, er soll dort für eine gute Entlohnung seinen Song singen, den er als 17-Jähriger aufgenommen hatte. In England erwartet ihn Dinah, die trotz ihres alkoholabhängigen und bisweilen stehlenden, arbeitslosen Mannes und ihres in den Tag hineinlebenden Sohnes ihr Leben mehr oder weniger meistert. Er trifft auch auf Shabana eine indische Putzfrau, die still und leise jede Drecksarbeit verrichtet. Alle drei – vom Leben gezeichnet und auf ihre Weise getrieben – wirken wie vom Schicksal an Land gespültes Strandgut. Der Roman bildet nur wenige Tage ab, doch diese Begegnungen und die raue und imposante Kulisse der Nordsee verändern Bucky und die anderen.
Mit feinem Gespür zieht der Autor die LeserInnen in das Geschehen hinein. Bisweilen berührend traurig und wiederum voller Wärme, Menschlichkeit und Lebensmut - auch im Alter. Ein absolut lesenswerter Roman der leisen, nachhallenden Töne.

Bewertung vom 09.06.2025
Maury , Avril

Noch fünfzig Sommer mehr


sehr gut

Es gibt immer eine Chance
Wer möchte sich nicht mit zweiten Chancen beschäftigen bzw. auf sie hoffen, wie es der Untertitel dieses Buches zeigt. Die Hauptfigur Eleni ist von Verlusten betroffen und gezeichnet, aber sie kommt weiter und geht ihren Weg.
Ihre Mutter kam - als sie fünf Jahre ist - ums Leben, und Eleni wuchs bei ihren Großeltern auf. Inmitten der bretonischen Landschaft entwickelt sich das Geschehen und lässt die Leser spüren, welche Schicksalsschläge Eleni erdulden muss. Die Blumengrüße vor der Tür lassen sie dann letztendlich doch wieder ins Leben zurückfinden und wider Erwarten eine Liebe finden. Das ist schön beschrieben und berührt.
Ob das auch andere Leser auch berührt oder ihnen konstruiert erscheinen mag, lasse ich für andere Leser/innen offen. Mir hat das Buch - das in einem ansprechenden, flüssigen Schreibstil verfasst ist - ganz gut gefallen.

Bewertung vom 01.06.2025
Wen, Lai

Himmlischer Frieden


gut

Jugend im Umbruch
„Himmlischer Frieden“ ist ein Buch, das man nicht so schnell aus der Hand legt. Zum einen ist es äußerst umfangreich, zum anderen beschäftigt einem die Auseinandersetzung mit Chinas Studentenbewegung und deren Niederschlagung. Der Tian’anmen-Platz - Platz zum Tor des himmlischen Friedens - war im Frühjahr 1989 durch Studenten besetzt worden, die für eine Demokratie eintraten.
Ein sehr aktuelles Thema, das Beobachtung finden sollte. Die Hauptfigur (autofiktional) ist in einem Arbeiterviertel - beengt und beäugt von Nachbarn - in Peking aufgewachsen und erlebt einen von der Kulturrevolution gebrochenen Vater, eine resignierte Mutter. Lediglich die Großmutter bietet ihr Halt; sie ist der Angelpunkt der Familie.
Sie entwickelt sich, interessiert sich für Literatur und erhält schließlich ein Stipendium, das ihr ein Studium an der Universität in Peking ermöglicht. Sie erlebt die Studentenproteste mit, bleibt dabei eher am Rand der Geschehnisse. Die Autorin gibt einen kurzen Überblick über den Kontext und die Forderungen der Studenten. Die Härte und Unerbittlichkeit des Staates, v.a. die Nacht, in der das Massaker stattfand, stellt sie eindrücklich dar.
Wichtiges Thema, das durch Kürze an Bedeutung gewonnen hätte und dadurch sicherlich einer größeren Leserschaft zugänglich wird.

Bewertung vom 11.05.2025
Labba, Elin Anna

Das Echo der Sommer


ausgezeichnet

Ein Volk zwischen zwei Welten

„Der See und der ertrunkene Wald sangen gemeinsam ihr Lied.“ (S.66), schreibt die Autorin Elin Anna Labba, nachdem die Landschaft für ein Staudammprojekt geflutet wurde. Man kann die mystische Stimmung spüren, sie nachempfinden, wenn man diese Zeilen und das Buch liest.
Menschen, die mit der Natur leben und mit ihr verbunden sind, wie Inga und ihre Familie, müssen erleben, dass wirtschaftliche Interessen über ökologischen stehen. Und man nicht auf sie und ihr Volk der Samen Rücksicht nimmt, ihre Bräuche und Riten, auch die Todesruhe missachtet werden. Interessant zu sehen, wie unterschiedlich die drei Frauen, ja das gesamte Dorf damit umgehen.
Versuche sich zwischen alter und neuer Welt zurechtzufinden, stoßen auf Ablehnung („Die natürlichen Eigenschaften der Lappen sind für die Sesshaftigkeit nicht geeignet.“, S.85), aber Ravdna gibt nicht auf, kämpft für ihre kleine Familie. Sie muss private Schicksalsschläge hinnehmen, kämpft gegen weitere Überflutung, selbst wenn es ihre ganze Kraft kostet.
Es kommen einige samische Wörter und Sätze vor, hier hätte ich mir bisweilen eine Erklärung gewünscht- andererseits passte es zu diesem gewaltigen Buch.

Bewertung vom 01.05.2025
Klinger, Maya C.

Wie ein Foto unser Leben rettete


ausgezeichnet

Ein wichtiges Buch

Aus der Sicht des kleinen Gavra wird die bewegende Geschichte seiner Familie erzählt, die vor den Nationalsozialisten aus dem besetzten Jugoslawien bis nach Albanien geflüchtet ist und überlebt hat.
Dabei begegnen ihnen mutige Menschen, die sie verstecken und schützen. Hier wird vor allem die albanische, überwiegend muslimische Bevölkerung hervorgehoben, die aufgrund ihres Ehrenkodex´ die Gastfreundschaft als hohes Gut ansieht und sie lebt. Selbst große persönliche Risiken für das eigene Leben werden in Kauf genommen, um zu helfen.
Die Rolle der albanischen Bevölkerung im Zweiten Weltkrieg ist wenig bekannt, was diese Geschichte umso eindrucksvoller und lesenswerter macht.
Der kindgerechte Sprachstil des Buches, unterstützt durch Fotos und Zeichnungen, lädt zum Mitfühlen und Mitdenken ein – und spricht nicht nur Kinder und Jugendliche an.
Mit viel Feingefühl hat die Autorin ein wichtiges Buch verfasst, das eine große Leserschaft verdient.

Bewertung vom 14.04.2025
Mommsen, Janne

Das Licht in den Wellen


sehr gut

Sink or swim

Wer die Inselbücher (Die Reihe Friesencafé oder Inselbuchladen) von Janne Mommsen gerne liest, dem wird auch das neue Buch des Autors „Das Licht in den Wellen“ gefallen. Man kann auf Föhr und in New York in das Geschehen „eintauchen“ und das Leben auf der ruhigen Insel und dem Treiben der amerikanischen Großstadt mitverfolgen.
Ingma – die Hauptfigur des Romans- pendelt zwischen diesen Welten und gemäß dem Motto „sink oder swim“ kämpft sie und schwimmt sich frei. Unterstützt von guten Freunden, ihrer Familie und später dem Ehemann arbeitet sie sich mit viel Fleiß und Mut zur Spitzenköchin und Restaurantbesitzerin empor, die sogar die J.F. Kennedy bekochen darf.
Damit schafft der Autor ein starke Frauenfigur, deren Weg der Leser(wohl eher die Leserin) gerne mitverfolgt und miterleben will. Ihren Mut gibt Ingma später an ihre Nichte und Enkelin weiter, für die der amerikanische Traum wahr wurde bzw. wohl wahr werden wird. Der Stoff für weitere Folgen ist angelegt.
Ein Wohlfühlbuch, in dem auch der flüssige Stil gefällt.

Bewertung vom 09.04.2025
Engel, Henrike

Die Lichter über St. Pauli / Elbnächte Bd.1


ausgezeichnet

Starke Frauen, dunkle Gassen
Ich habe bislang noch nichts von Henrike Engel gelesen und war gespannt, was mich erwarten würde, als ich den Covertext las: Eine Frau mit einem verschwundenen Mann, dann noch eine ehemalige Prostituierte und ein Expolizist, der hinter einer Kinderbande her ist – das klang erstmal nach einem ziemlich wilden Konstrukt, auch etwas kitschig.
Nun ja, aber dann hat mich das Buch schon nach den ersten Seiten gepackt und ich wollte wissen, wie sich die Handlung entwickelt und die Geschichte ausgeht. Natürlich gut und mit viel Stoff für eine Fortsetzung oder gar mehrere.
Es ist ein Buch für eine laue Sommernacht, in das man abtauchen kann und die Welt um sich herum vergisst. Lebendig und spannend erzählt erfährt man auch etwas über das Leben und die Not in Galizien und in Hamburg zur Zeit vor dem Ersten Weltkrieg.
Ich kann es empfehlen und werde mir auch andere Bücher der Autorin anschauen.

Bewertung vom 31.03.2025
Darwin, Sarah;Vogel , Johannes;Herrmann, Boris

Das Parlament der Natur


ausgezeichnet

Zwischen Ausbeutung und Hoffnung

Wunderbar gestaltetes Buch mit einem beeindruckenden Cover und einem schönen Layout mit blau eingefärbten Seitenrändern.
Und das Ganze zu dem Thema: Die Welt der Tiere. Die so politisch ist, wir es uns eigentlich nicht vorstellen können. Die beiden Naturforscher Sarah Darwin - tatsächlich eine Nachfahrin von Charles Darwin - und ihr Mann eröffnen uns in einem Interview mit Boris Herrmann Einblicke in eine fantastische Welt der Natur.
Da Buch ist elementar, zeigt es uns doch, was wir tagtäglich nicht genug wertschätzen und vielerorts zerstört wird. Die Ausbeutung der Natur ist letztendlich eine einzige Sackgasse. Es gibt auch einige Anregungen, was wir als Einzelne tun könnten. Und zum Schluss bleibt doch die Hoffnung, dass es mehrere Menschen wie Sarah Darwin und Johannes Vogel gibt.
Es lohnt sich das Buch zu lesen und für unseren Planeten einzutreten.

Bewertung vom 31.03.2025
Carr, Garrett

Der Junge aus dem Meer


sehr gut

Eine Geschichte über Rivalität und Nähe

Wer sich für die irische Küste und das Leben mit und auf dem Meer interessiert, dem wird das Buch gefallen. Man taucht in die raue Welt der Menschen dort ein, die geprägt ist vom Fischfang, Armut, aber auch vom Zusammenhalt.
Dieses Miteinander zeigt sich auch, als der Fischer Ambrose und seine Frau Christine einen kleinen Jungen adoptieren, der in einer Plastiktonne am Strand lag. Sein Bruder, damals zwei Jahre alt, sieht in ihm von Anfang an einen Rivalen. Sein erstes Wort, als er ihn erblickt, lautet: “Warum?“ Diese Rivalität und das Buhlen um Anerkennung zieht sich fast bis zum Ende durch den Roman. Erst als Ambrose tot ist und Christine versucht ein eigenes Leben zu führen, ändert sich dies. Die Brüder gehen ihre eigenen Wege, leben ihren Traum und kommen sich näher. Auf einmal ist Verlass aufeinander.
Ich kann mir vorstellen, dass dem einen oder anderen Leser manche Passagen langatmig erscheinen mögen, ich habe sie genossen und es war für mich stimmig. Es passte zu den Hauptfiguren, dem entschleunigten Leben auf der Insel.

Bewertung vom 27.03.2025
Lorenz, Sarah

Mit dir, da möchte ich im Himmel Kaffee trinken


gut

Ob es Mascha Kaléko gefallen hätte?

Mascha Kaléko schreibt wunderbare Gedichte und diese in einen Roman einzubinden, ist eine grandiose Idee.
Jedes Kapitel beginnt mit einem dieser Gedichte und die Hauptfigur Elisa wendet sich mit ihren Gedanken direkt an die große Lyrikerin. Das weckt das Interesse herauszufinden, in welchem Bezug dieses oder jenes Gedicht zur Hauptfigur/zur Autorin steht. Denn obwohl es nicht als Autobiographie bezeichnet wird, gibt es sehr wohl autobiographische Züge.

Die Hauptfigur ist niemand, in die sich der Leser hineinversetzen will. Kindheit und Jugendalter sind hart: „Das bisschen Lebenslauf hatte mich bereits nach 16 Lebensjahren sehr ermüdet.“ (S.148). Drogenszene, Kölner Domplatte, kein fester Wohnsitz, Vergewaltigungen, Abtreibung, Suff, Heroin, betteln, Borderline, Paranoia…usw. - zu viel von allem. Erinnerungen an Christiane F „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ kommen hoch und irgendwie passt hier nicht dazu, dass diese Hauptfigur so gedichtaffin ist. Irgendwann wendet sich dann alles doch noch zum Besseren und sie findet die Liebe, die sie immer gesucht hat. Nur schlägt auch hier wieder das Schicksal zu.

Letztlich wurde es mir zu viel, nicht nur die Hauptfigur war von ihrem Lebenslauf erschlagen. Und dann passten auch die Gedichte nicht mehr dazu. Es ist mir schwer gefallen, durchzuhalten.