Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
violettera
Wohnort: 
Stuttgart

Bewertungen

Insgesamt 35 Bewertungen
Bewertung vom 27.10.2024
Nach uns der Himmel
Buchholz, Simone

Nach uns der Himmel


sehr gut

Ferienparadies oder Höllentrip
Der Roman beginnt als präzise, realistische Schilderung der Beziehungsprobleme von 8 Menschen in einem Ferienflieger, die sich auf dem Weg in ihr Ferienparadies wähnen, aber ihrer täglichen Beziehungshölle nicht entfliehen können. Sie leben in einem Gespinst aus Zwängen, belügen sich selbst und ihre Nächsten. Nun treten Störungen auf: ein gewaltiges Unwetter zwingt das Flugzeug zur Umkehr. Schließlich landet es doch auf der griechischen Ferieninsel im Mittelmeer, aber es folgen immer mehr Irritationen, die sich schließlich zur Katastrophe verdichten. Zuvor aber mischen sich die 8 Personen neu: Wie in einem Märchen bilden sich neue Paare, so dass bald alle glücklich sind und darüber hinaus auch bestens miteinander auskommen, die perfekte Ferienidylle scheint zu beginnen. Wer hatte da seine Hand im Spiel? Aber dann gefährden immer mysteriösere äußere Einflüsse ihr Glück. Eingestreut in diese Erzählung gibt es eine zunächst schwer verständliche Parallelhandlung in Los Angeles, angesiedelt zwischen modernster digitaler Überwachung und griechischer Mythologie, insbesondere des Götterboten Hermes mit den geflügelten Füßen. Der war bekanntlich zuständig für die Kommunikation zwischen Menschen und Göttern, begleitete auch die Verstorbenen in die Unterwelt zu ihrem Bestimmungsort. Das alles ist gut beobachtet und knapp geschildert, witzig und sehr unterhaltsam, mit einer gehörigen Portion Spannung und einer erfrischenden Mischung aus realitätsnaher Erzählung und mystischer Fiktion. Kurz, eine ebenso vergnügliche wie rätselhafte Lektüre.

Bewertung vom 15.08.2024
Das Wesen des Lebens
Turpeinen, Iida

Das Wesen des Lebens


gut

3 Jahrhunderte Naturforschung und -ausbeutung
Ein Roman im literarischen Sinn ist diese Geschichte einer Naturforschung sicher nicht. Es geht vordergründig um die Entdeckung, Erforschung und Ausrottung der Stellerschen Seekuh, eines riesigen Meeressäugers, von dem nur wenige Skelette erhalten sind. 1741 entdeckt der etwas kauzige deutsche Naturforscher Georg Wilhelm Steller bei einer Expedition im Nordmeer, die der alternde Kapitän Vitus Bering zu Forschungs- und Kartierungszwecken unternimmt, diese unbekannte Art. Entdeckung und Ausrottung folgen aufeinander, in dramatischer Folge und von der Autorin in epischer Breite geschildert. Nicht nur die Seekuh, auch Kapitän Bering und der Naturforscher Steller nehmen ein unwürdiges Ende. Mehr als hundert Jahre später im Jahr 1859 wird der Finne Johan Hampus Furuhjelm Gouverneur von Alaska, zu einem Zeitpunkt, als der Reichtum dieser Provinz bereits weitgehend ausgebeutet ist und die Tiere, deren Felle diesen Reichtum lieferten, vom Aussterben bedroht sind. Wir erfahren die unglückliche Geschichte Furuhjelms, seiner Frau und seiner Schwester, aber eines gelingt dem Gouverneur: Ein Skelett einer Stellerschen Seekuh wird gefunden und nach Helsinki verschifft. Nun lesen wir vom Schicksal einer begabten jungen Frau, die mit der zeichnerischen Dokumentation der Skelettknochen beauftragt wurde, was zur damaligen Zeit noch ungewöhnlich war. Schließlich erfahren wir noch manches aus dem Leben des Ornithologen und Präparators, der 1952 die Restaurierung des Skeletts übernahm. Den übergeordneten Rahmen bildet die Geschichte der Naturforschung und der sich wandelnde Umgang der Menschen mit der Natur, am Beispiel der Tierwelt im und um das Nordmeer, im Spannungsfeld zwischen leidenschaftlichem Forscherdrang und skrupelloser Ausbeutung bis zur Ausrottung. Wer sich für diese Thematik interessiert, mag das Buch mit Gewinn lesen, wer einen fesselnden Roman zum Wesen des Lebens erwartet, wird enttäuscht.

Bewertung vom 29.07.2024
Reise nach Laredo
Geiger, Arno

Reise nach Laredo


ausgezeichnet

Suche nach dem Selbst und dem Wesen des Lebens
„Der Tod könnte schön sein, wenn man gelebt hat“.
Kaiser Karl V. (1500-1558) war der mächtigste Herrscher seiner Zeit, führte unzählige Kriege, unternahm dafür zahlreiche weite Reisen, stets getrieben von der Hoffnung, das Richtige für sein Reich und seine Völker zu tun. Sein überaus anstrengender und ungesunder Lebenswandel ruinierte seine Gesundheit, so dass er schließlich aus eigenem Antrieb abdankte und sich in ein abgelegenes Kloster in Spanien zurückzog. Hier setzt der Roman ein, an einem Tag im Kloster Yuste, an dem der abgedankte König und Kaiser, der sich nun nur noch Karl nennt, im Garten mit Hilfe seiner Bediensteten ein heißes Bad nimmt. Karl ist schon dem Tod nahe, sein Körper von der Gicht gezeichnet. Er leidet unter starken Schmerzen, kann nicht mehr gehen, ist übergewichtig und unbeweglich, ein immer schon hässlicher, nun auch todkranker und eigensinniger alter Mann. Er weiß um seine Fehler und Fehlschläge in der langen Regierungszeit. In die klösterliche Einsamkeit hat er sich zurückgezogen, um seine Persönlichkeit zu ergründen, das Wesen des Lebens zu erkennen. Aber weder in der Religion noch in der langweiligen Alltagsroutine findet er Antworten. Er betäubt sich mit Alkohol und Laudanum.
Da trifft er auf den elfjährigen Geronimo, der nicht weiß, dass er ein illegitimer Sohn Karls ist. Auch den Jungen quält Langeweile, und sie verabreden sich, in der Nacht heimlich davonzureiten. Die lange, beschwerliche Reise von der Extremadura nach Laredo an der Nordküste wird nun in allen Einzelheiten geschildert, mit zahlreichen Abenteuern und skurrilen Begegnungen, obwohl den Lesern klar sein muss, dass Karl zu einer solchen Reise nicht mehr fähig ist. Das mindert aber nicht das Vergnügen an der Lektüre all der fantastischen und drastischen Begebenheiten, die den Reisenden widerfahren. Karl und Geronimo lernen das Leben einfacher Menschen mit seinen Licht- und Schattenseiten kennen, sie erleben starke Gefühle, und Karl erfährt vielleicht zum ersten Mal das Glück, den Augenblick zu genießen. Wer er ist, das fragt er sich noch immer.
Im letzten Kapitel befinden wir uns wieder in Yuste. Aber was ist in der Zwischenzeit geschehen? Ein feiner Humor durchzieht dieses Buch. Lebendige und präzise Schilderungen sind durchsetzt mit knappen Merksätzen über das Leben, wie wir es von Arno Geiger kennen. Dieser gehaltvolle Roman ist gewiss keine leichte Lektüre, und doch eine sehr vergnügliche.

Bewertung vom 17.07.2024
Am Himmel die Flüsse
Shafak, Elif

Am Himmel die Flüsse


ausgezeichnet

Vom Gedächtnis des Wassers
Am Himmel die Flüsse ist ein in jeder Beziehung reichhaltiger Roman. Elif Shafak erzählt in ihrer typischen bildhaften, leicht dahinfließenden Sprache in mehreren Erzählsträngen die Geschichte von drei Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen und Jahrhunderten bis in die Gegenwart. Zugleich beschäftigt sie sich mit der Geschichte zweier bedeutender Flüsse, der Themse und des Tigris, und am Beispiel dieser Lebensadern erfahren wir von schrecklichen Umweltsünden, lange zurückliegenden und leider auch gegenwärtigen. Das Wasser in verschiedenster Form, seine lebenserhaltende Kraft und womöglich sein ewiges Gedächtnis, ist ein durchgängiges Thema, wie auch der Fluss der Zeit. Sie schildert bittere Armut, früher und heute, und grässliche Massaker, beginnend in grauer Vorzeit und in der Gegenwart längst nicht zu Ende. Insbesondere die Geschichte der Jesiden, deren Heimat im früheren Mesopotamien liegt, steht im Mittelpunkt. Mesopotamien, eine Wiege der Menschheit und frühe Hochkultur, war einst ein blühendes, überaus fruchtbares Land, heute ist es eine der trockensten, unwirtlichsten Regionen der Erde. Das alte Kulturvolk der Jesiden, das eine eigene Religion und überlieferte Sitten, wertvolle Erinnerungen und Kenntnisse hat, aber keinerlei schriftliche Dokumente wie Bibel oder Koran, sondern ausschließlich mündliche Überlieferung kennt, dieses Volk hat unzählige Verfolgungen und Genozide erlebt, erst vor wenigen Jahren wieder in unvorstellbarer Grausamkeit durch die Kämpfer des IS. Aber Mesopotamien war auch eine Quelle frühester Schreibkunst. Tontafeln mit Keilschrift aus Ninive haben sich bis heute erhalten und künden von einem der frühesten Heldenepen der Menschheit, dem Gilgamesch-Epos. All diese und weitere Themen sind verwoben in spannenden, teils märchenhaft erzählten, teils hoch aktuellen Lebensgeschichten, basierend auf realen Quellen. Ein wunderbares, vielschichtiges und sehr lesenswertes Werk.

Bewertung vom 03.07.2024
Darwyne
Niel, Colin

Darwyne


ausgezeichnet

Geheimnisse der Psyche und des Dschungels
Darwyne ist kein Thriller im üblichen Sinne. Erzählt wird die Geschichte eines zehnjährigen leicht behinderten Jungen, der mit seiner schönen Mutter und deren wechselnden Geliebten in einem Slum tief im Innern von Französisch-Guayana lebt, ganz oben am Rande des Amazonas-Dschungels. Darwyne vergöttert seine Mutter. Er hat keine Freunde, ist ein scheuer Außenseiter, spricht kaum, gilt als missratener Bengel, als Trottel. Die Mutter tut anscheinend alles, um ihn zu einem richtigen Jungen zu erziehen, zwingt ihn auch in die verhasste Schule. Aber sie verweigert ihm, was er sich sehnlichst wünscht: ihre Liebe. Stattdessen richtet sie ihn ab wie ein Tier und äußert täglich Missfallen und Verachtung. Zwischen Mutter und Sohn gibt es geheime Rituale grausamer Drangsalierung und Unterwerfung, die nur von den wechselnden Geliebten der Mutter erahnt werden. Aber diese verschwinden stets wieder ohne jeden Abschied. Ab und zu entzieht sich auch Darwyne, indem er in den Urwald flieht, obwohl er nach jeder Rückkehr hart dafür bestraft wird.
Durch eine anonyme Anzeige wird eine Sozialpädagogin der Jugendhilfe auf ihn aufmerksam. Sie erkennt seine außerordentlichen Fähigkeiten sich im Dschungel zurechtzufinden. Fasziniert von dieser verborgenen Seite des Kindes findet sie Zugang zu ihm und nach und nach zu den düsteren, grausamen Geheimnissen dieser Familie.
Der Autor schildert die Not des Jungen mit großer Einfühlungskraft, ebenso seine verzweifelten Versuche, ganz eigene Regeln für den Ausweg aus seiner Not zu finden. Genauso eindrücklich wird der Dschungel geschildert, seine Geräusche und seine undurchdringlichen Geheimnisse. Ein sehr gut recherchierter und erzählter Roman, dessen starke Bilder lange haften bleiben.

Bewertung vom 01.07.2024
Cascadia
Phillips, Julia

Cascadia


ausgezeichnet

Zwei Schwestern und ein Bär, ein starkes Psychodrama
Die Schwestern Elena und Sam, beide gegen dreißig, leben mit ihrer kranken Mutter auf einer der Inseln Kaskadiens, die wegen ihrer wunderschönen Natur gern von Touristen besucht wird. Aber sie leben im Elend, häufen Schulden an fürs blanke Überleben, für das die mageren Einkünfte aus ihren miesen Jobs in der Gastronomie nicht ausreichen. Schon als Jugendliche träumten sie von einer besseren Zukunft, vom Neuanfang in der Ferne, wenn sie die geliebte Mutter dereinst nicht mehr pflegen müssen.
Der Roman wird erzählt aus der Perspektive der jüngeren Schwester Sam. Die beiden könnten unterschiedlicher nicht sein. Die schöne, lebenskluge, stets beherrschte und freundliche Elena ist eine starke Persönlichkeit, die bei Sam schon immer die Mutterstelle vertreten hatte, weil die Alleinerziehende arbeiten musste. Sam hingegen scheint eher lebensuntüchtig, eine kratzbürstige Außenseiterin, pampig und unbeliebt. Dass sie alles falsch macht, hat sie früh gelernt. So lebt sie in ihren Träumen von einer besseren Zukunft, eng verbunden nur mit Mutter und Schwester.
Der märchenhafte Rahmen von Schneeweißchen und Rosenrot, die unverbrüchliche Liebe der Schwestern und das plötzliche Auftauchen eines riesigen Bären, der die beiden zu suchen scheint, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich hier ein Psychodrama entwickelt, das auf eine Katastrophe zusteuert. Nach und nach erfahren wir vom frühen Missbrauch der Töchter durch einen Geliebten der Mutter, von Vertrauen zueinander und Misstrauen gegen alle anderen, aber auch von Heimlichkeiten, Verrat und Schuld. Julia Phillips hat in angenehm klarer, präziser und anschaulicher Sprache einen tiefgründigen, sehr lesenswerten Roman geschrieben.

Bewertung vom 09.05.2024
Vor einem großen Walde
Vardiashvili, Leo

Vor einem großen Walde


sehr gut

Spurensuche im Chaos
Der Erzähler Saba und sein älterer Bruder Sandro sind mit 8 bzw. 10 Jahren mit ihrem Vater Irakli vor den Schrecken eines Bürgerkriegs in Georgien nach London geflohen, nur die Mutter Eka musste in Tbilissi zurückbleiben, weil das Geld für ihre Ausreise nicht gereicht hatte. Seither hatte Irakli bis zur Erschöpfung gearbeitet, um ihr die Ausreise zu ermöglichen, aber Betrüger hatten ihn um das mühsam ersparte Geld gebracht. Fast 2 Jahrzehnte später macht er sich, ein gebrochener Mann, auf den Weg zurück, und als er verschollen ist, folgt ihm Sandro und diesem wiederum Saba. Er beginnt im chaotischen Tbilissi mit einer Spurensuche, aber wonach, wohin, wozu und weshalb? Auch er wird verfolgt, wie schon Vater und Bruder, aber von wem und warum? Es herrschen chaotische Verhältnisse, Korruption und Gewalt, Angst und Schrecknisse aller Art. Auch Saba gerät in diesen Strudel. Unverhoffte Hilfe kommt ihm vom gutherzigen Taxifahrer Nodar. Begleitet und geleitet wird der ratlose Saba zudem von den Stimmen der Toten, der Familie und Freunde, in seinem Kopf. Nichts ist klar, alles verworren und verstörend, und überall lauern wilde Gefahren. Sprachgewaltig lässt der Autor diese fremde Welt und die innere Zerrissenheit des Erzählers vor uns entstehen.

Bewertung vom 16.04.2024
Lebenslang beweglich und kraftvoll mit Tigerfeeling
Cantieni, Benita

Lebenslang beweglich und kraftvoll mit Tigerfeeling


sehr gut

Beweglichkeit, Kraft und Gesundheit gewinnen
Benita Cantieni hat ein Trainingsprogramm entwickelt, das sie seit Jahren unter dem Namen CANTIENICA erfolgreich vermarktet. Auch zahlreiche Bücher hat die über Siebzigjährige darüber veröffentlicht. Das vorliegende richtet sich an ältere Menschen, die gerne lebenslang beweglich und kraftvoll werden und bleiben wollen. Wer möchte das nicht? Die Autorin, selbst bestes Beispiel für den Erfolg ihres Trainings, verspricht noch mehr: Auch gesund und schön bleibt man auf diese Weise oder wird es sogar wieder. Das scheinen schon sehr vollmundige Versprechen zu sein, die man zunächst nur glauben kann, denn durch die Lektüre allein ist nichts dergleichen zu erreichen. Wer aber das ausführliche Übungsprogramm erlernt und regelmäßig ohne Pause lebenslänglich in den Alltag integriert, dem gelten die genannten Heilsversprechen. In acht Kapiteln werden zunächst die Grundlagen der Methode erläutert, die durchaus nachvollziehbar sind. Sie beruhen auf einer von unten nach oben gedachten Aufrichtung des Körpers, der Aufspannung zu einer sehr geraden, gestreckten Haltung, die den Knochen und dem ganzen Körper Länge schenkt. Daraus entwickelt sich ein Bewegungsprogramm, das Beweglichkeit, Kraft und Gelenkigkeit fördert, auch Schmerzfreiheit und gute Reaktionsfähigkeit als Schutz vor Verletzungen durch Stürze. Das mag alles richtig sein, man muss es nur machen. Und dranbleiben. Ich finde es schwierig, die anspruchsvollen, nur bei korrekter Durchführung wirksamen Übungen einzig aus Texten und Fotos zu erlernen. Hier helfen Links weiter, z.B. zum CANTIENICA-Studiofinder. Fazit: Auch unsportlichen Menschen, die nach einer dauerhaft wirksamen Trainingsmethode für mehr Lebensqualität suchen, bietet dieses Buch durchaus wertvolle Hinweise.

Bewertung vom 07.04.2024
Sommerhaus am See
Poissant, David James

Sommerhaus am See


gut

Brüchige Fassaden
Cover und Titel suggerieren einen leichten, frischen Sommerroman über ein Familientreffen am See, wo die Eltern, beide in erfolgreicher Stellung an der Cornell University, ein kleines Sommerhaus besitzen. Die inzwischen erwachsenen Söhne halten mit ihren Partner*innen an der Tradition fest, sich alljährlich hier zum Familienurlaub zu treffen. Aber das Holzhäuschen ist mit seinen Besitzern in die Jahre gekommen, vieles ist brüchig geworden. Und nun jagt ein Schock den Nächsten: Die Eltern haben ohne Wissen der Söhne beschlossen, das Haus zu verkaufen. Dann ertrinkt auch noch ein kleiner Junge im See, obwohl einer der Söhne einen Rettungsversuch unternimmt und sich dabei selbst verletzt. In kurzen Kapiteln, die jeweils aus der Perspektive der betreffenden Person erzählt werden, erfahren wir nach und nach, welche haarsträubenden Geheimnisse die einzelnen Familienmitglieder belasten: verschwiegene Todesfälle, Ehebruch, bedrohliche Erkrankungen, Drogen, Alkoholismus und dergleichen mehr. Das ist alles gut beobachtet und präzise geschildert, mit allerhand gefährlichen Situationen spannungsvoll angereichert. Der Roman liest sich leicht, man hat die Verfilmung schon beinahe vor Augen, samt Happy End: „Die Welt ist voller Wunder und Liebe.“

Bewertung vom 05.03.2024
James
Everett, Percival

James


ausgezeichnet

Schein und Wirklichkeit
Gut oder böse, weiß oder schwarz, schuldig oder unschuldig – nichts ist gewiss, alles gerät durcheinander in diesem schillernden Roman. Moralisch und unmoralisch, gebildet und ungebildet – nichts passt zu den Erwartungen. Schein und Wirklichkeit verdreht und verwoben, auf den Kopf gestellt wie die Story von Tom Sawyers und Huckleberry Finn, die gleich im ersten Kapitel ihren Auftritt haben. Sogar im schönen, geheimnisvollen Cover irritieren Schein und Wirklichkeit in dem Bild einer exotischen Landschaft aus dem leuchtenden Hintergrund, die sich vorne über Schulter und Oberarm des jungen Schwarzen zieht. Humorvoll und erschütternd beschreibt Percival Everett die abenteuerliche Flucht des Sklaven James auf dem Mississippi, durch die Wälder und über unzählige Hindernisse in die Freiheit, wenn es denn eine geben sollte. Aber was ist denn frei oder unfrei? Gewissheiten gibt es hier nicht, nur ganz großes Lesevergnügen.