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Benutzername: 
Edgar Hans
Wohnort: 
Keilbar

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Bewertung vom 27.08.2008
Die Existenz als Grenze des Wissens
Lehnert, Erik

Die Existenz als Grenze des Wissens


ausgezeichnet

Man muss sich wirklich schwer wundern, warum der wichtigste deutsche Existenzphilosoph neben Heidegger mittlerweile so vergessen und in der feuilletonistischen Öffentlichkeit so abwesend ist. Die Frage "Was ist der Mensch?", die Jaspers wohl immer - als Mediziner wie als Philosoph - begleitete, scheint durch die Frage "Wie ist der Mensch?" verdrängt worden zu sein. Lehnert arbeitet Jaspers Gedankenwelt, die erste Frage betreffend, elegant heraus und schafft es - neben der höchst detaillierten und doch klaren, bisweilen spannenden Schilderung der geistigen und historischen Verhältnisse zu Jaspers Lebzeiten - außerdem, wenn nicht gar vor allem, eine höchst interessante Ambivalenz aufzuzeigen, die Jaspers Verschwinden aus den heutigen Diskursen (Umwelt, Krise, medizinische und persönliche Ethik) bei gleichzeitiger und offensichtlicher Relevanz der Jaspers'schen Gedanken betrifft.
Fazit: Schön, so Fundiertes über einen durch und durch noblen und nüchternen Geist zu erfahren, der als Mediziner, der sich der Metaphysik aus freien Stücken und ernsthaft annäherte, heute den naturwissenschaftlichen Monothematikern vom Schlage eines Wolf Singer ein schwergewichtiger Gegner wäre. Seine Frage war "Was ist der Mensch?", während derzeit so oft an der Frage "Wie ist der Mensch?" gescheitert wird und man sich von jeder kleinen Erkenntnis aus irgendeinem Labor aufschrecken lässt.
Mit dem Scheitern beschäftigte sich Jaspers zwangsläufig. Der Mut dafür scheint uns aber abhanden zu kommen.
Edgar Hans aus Keilbar