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Benutzername: 
Oceanmaid
Wohnort: 
Neustadt a. Rbge.

Bewertungen

Insgesamt 4 Bewertungen
Bewertung vom 18.11.2024
Der Herzschlag der Toten (eBook, ePUB)
Dorweiler, Ralf H.

Der Herzschlag der Toten (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Der historische Kriminalroman "Der Herzschlag der Toten" von Ralf H. Dorweiler spielt im Jahr 1887 im aufstrebenden Hamburg. Die Speicherstadt wird gerade errichtet und die Stadt rüstet sich auf seine größer werdenden Rolle im weltweiten Handel.
In einem alten Kontor wird die Leiche einer jungen Frau gefunden, die mit mehreren Messerstichen in den Rücken zu Tode gekommen ist. Die Richterstochter Johanna Ahrens findet heraus, dass es sich bei der Toten um eine ihrer Schülerinnen handelt. Johanna unterrichtet hinter dem Rücken ihrer Eltern in den schlechteren Vierteln Hamburgs arme Frauen in Schreiben und Rechnen. Gepackt durch ihre Neugier, wer für den Mord verantwortlich ist, macht sich Johanna auf die Suche nach Antworten und lernt dabei einerseits den jungen, gerade beförderten Criminalcommissar Hermann Rieker kennen und andererseits einen Totenfotografen, dessen Erfahrungen im Umgang mit Leichen ihr entscheidende Hinweise auf den Mörder geben können.

Der Roman ist der erste aus einer angekündigten Reihe von historischen Kriminalromanen von Ralf H. Dorweiler. Seine bisherigen Romane sind alles in sich geschlossene Bücher, so dass er sich mit diesem Roman auf Neuland wagt. Die Vorliebe für historische Genauigkeit merkt der Leser das ganze Buch hindurch, nicht nur durch die Verwendung eindrücklicher Beschreibungen sondern auch durch die Verwendung zeitgenössischer Begrifflichkeiten und Schreibweisen, aufgelockert durch typische Begriffe der "Hamburger Schnauze" und aus dem Plattdeutschen. Diese Mischung macht es dem Leser leicht, dem Fluss der Geschichte zu folgen und erzielt auch in so mancher spannenden Situation den ein oder anderen Schmunzler.

Die agierenden Figuren fügen sich sehr gut nachvollziehbar in den historischen Kontext ein. So ist es dem Leser ein leichtes, beispielsweise die Anforderungen an eine junge Frau aus dem gehobeneren Kreis der Gesellschaft und auch die sich daraus ergebenden Schwierigkeiten nachzuvollziehen.

In der Figur der Johanna Ahrens hat R.H.Dorweiler eine junge Frau geschaffen, die sich durchaus über die Vorzüge ihrer Stellung als Tochter eines Richters im Klaren ist. Dennoch hat sie den Blick für den schlechter gestellten Teil der Bevölkerung, insbesondere der Frauen, nicht aus dem Auge verloren und setzt sich eben für diese Frauen ein, indem sie ihnen auf eigene Kosten und mit einem gewissen Risiko das Lesen, Schreiben und Rechnen beibringt. Sie wagt es allerdings nicht, sich den Frauen gegenüber als diejenige auszugeben, die sie in Wirklichkeit ist. Durch die selbstständige Ermittlung in dem Mordfall ihrer Schülerin zeigt sich auch hin und wieder eine gewisse Naivität und Unbedarfheit, die durchaus aus ihrer Erziehung resultieren kann. Es gibt Situationen in dem Roman, in der sie nicht über die möglichen Konsequenzen ihres Handelns nachdenkt und dadurch sich und auch den Erfolg der Ermittlung in Gefahr bringt. Dennoch ist Johanna in ihren ganzen Wesen eine wirklich liebenswerte Figur, mit der der Leser mitfiebert und versucht, dem Mörder auf die Schliche zu kommen.

Der junge Criminalcommissar Hermann Rieker wurde gerade erst befördert und der Mord an der jungen Gelegenheitsprostituierten Ansje ist sein erster Fall, in den er sich mit viel Herzblut "reinhängt". Leider stößt seine Beförderung dem ein oder anderen Kollegen ein wenig sauer auf, so dass sie versuchen ihm Steine in den Weg zu legen. Im weiteren Verlauf erfährt der Leser, dass es nicht nur die Beförderung an sich ist, die den Kollegen an Rieker nicht gefällt. Auch an dieser Stelle hat es R. H. Dorweiler geschafft zu zeigen, wie viel es damals galt, wo man herkommt und wer man dadurch sein durfte. Menschen aus anderen Gesellschaftsschichten hatten es oft mehr als schwer in eine andere Gesellschaftsschicht aufzusteigen. Rieker ist sich seiner Vergangenheit sehr bewusst und hat deswegen in manchen Situationen noch Schwierigkeiten, sich zu behaupten und für seine Sache einzustehen. Im Laufe des Romans kann der Leser der Entwicklung des jungen Commissars beiwohnen und mit ihm gemeinsam seine Entwicklungsschritte durchleben.

R. H. Dorweiler ist es mit diesem Roman gelungen, das Hamburg zur Kaiserzeit wieder auferstehen zu lassen und den Leser mit auf eine Reise zu nehmen, bei der die Spannung konstant gehalten und mit eingängigen Beschreibungen von Gerüchen, Schmutz und den damals vorherrschenden Lebensbedigungen atmosphärisch erlebbar gemacht wird.
Mir persönlich ist es sehr schwer gefallen, den Roman, wenn auch nur kurz, aus der Hand zu legen, weil ich gedanklich so im damaligen Hamburg von Johanna und Hermann gefangen war und den Fall unbedingt mit den beiden lösen wollte. Die Mischung aus Schauer, Zeitgeist, Wortwitz und Humor des Autors haben für mich den Roman zu einem absoluten Pageturner werden lassen und ich bin heute schon gespannt darauf, wie es im zweiten Fall weitergehen wird.

Bewertung vom 12.11.2024
Die steinerne Krone
Peinkofer, Michael

Die steinerne Krone


ausgezeichnet

In dem historischen Roman "Die steinerne Krone" erzählt Michael Peinkofer die Geschichte des Stauferkaisers Friedrich II. aus der Sicht eines engen Vertrauten des Kaisers und schafft es so, die Geschichte für den Leser greifbar und spannend nachvollziehbar zu machen.
Der Stauferkaiser Friedrich II., der Enkel des großen Barbarossa, wächst als Mündel des Vatikans auf Sizilien auf und muss sich schon früh gegen Feinde behaupten. Er lernt gleichzeitig fremdländische Kulturen zu schätzen und die arabische Sprache zu sprechen. Im jungen Mannesalter, nachdem er schon mehreren Mordanschlägen getrotzt hat, wird er mit seiner ersten Frau Konstanze zwangsverheiratet. Aus dem anfänglichen Widerwillen gegen diese Heirat entwickelt sich ein Eheleben, wie es für ihn kein zweites mehr geben wird. Friedrich II. lebt sein Leben gegenüber anderen Kulturen und Sichtweisen stets tolerant und gesprächsoffen, womit er nicht nur in kirchlichen Kreisen das ein oder andere Mal aneckt. Ebenso fördert er die Verbreitung des Wissens für alle Bevölkerungsschichten und stößt auch hier auf so manches Unverständnis. Zum Ende seines Lebens wird Friedrich II. von verschienenen Schicksalsschlägen gebeutelt, die ihn von seinem bisherigen Lebensweg abbringen und verbittert und zornig werden lassen. Eingebettet ist die Geschichte des Stauferkaisers in einen Bericht über Ausgrabungen in dem von Friedrich erbauten Castel del Monte.
Durch die Rahmenerzählung über die Ausgrabungen im Castel del Monte schafft es M. Peinkofer die Geschichte des Stauferkaisers näher an unsere heutige Zeit zu bringen. Die Nazi erhoffen sich in der Person Friedrichs II. eine weitere Großmacht präsentieren zu können und eine Stütze für das Machtbestreben Hitlers zu erhalten. Je mehr Schriftrollen entdeckt und übersetzt werden, umso mehr erfahren wir gemeinsam mit den Archäologen über die Weltoffenheit und Aufgeschlossenheit Friedrichs gegenüber insbesondere den Kulturen des arabisch-sprechenden Raumes und den Juden.
Der Schreibstil des Romans ist sachlich nüchtern und hält sich nicht allzu viel an Ausschmückungen von Kampfhandlungen und Nebensächlichkeiten auf. Dennoch lässt er sich gut und flüssig lesen. Michael Peinkofer schafft es zudem, historisch nicht belegte Ereignisse so in den Erzählfluss einzubauen, dass sie nur einem fundierten Leser auffallen. Über diese Fiktionen klärt er im Anschluss an den Roman ausführlich auf.
Ich habe mich im Vorfeld noch nicht viel mit der Geschichte der Staufer beschäftigt und konnte so einen Kaiser bzw. Regenten in seiner Hochzeit kennenlernen, wie ich ihn mir manchmal in der heutigen Zeit wünschen würde: offen, tolerant und aufgeschlossen.
Der Roman ist jeden geschichtsinteressierten Leser und auch Geschichtsneulinge geeignet, da er gut recherchiert und leserfreundlich geschrieben wurde.

Bewertung vom 12.11.2024
Das Bild des Gregor Blame
Lange, Matthias

Das Bild des Gregor Blame


ausgezeichnet

In dem Mystery/Horror-Roman "Das Bildnis des Gregor Blame" von Matthias Lange treffen wir den Doktor Keneth Brown und erleben mit ihm gemeinsam die seltsamen und unerklärlichen Vorkommnisse auf dem Anwesen der Familie Blame. Der Roman ist das sechste Werk des Autors, der sich am liebsten in den Bereichen Science-Fiction und Fantasy aufhält.
Der Nervenarzt Dr. Keneth Brown erhält ein mysteriöses Telegram, in dem er gebeten wird, sich ungehend zum Anwesen der Familie Blame zu begeben. Dort angekommen findet er seltsame Umstände vor, die ihn an seiner eigenen Zurechnungsfähigkeit zweifeln lassen. Was hat es mit den Bildern auf sich, die die Tochter des Hauses in ihrem Atelier malt? Und kann er der blonden Dame vertrauen, deren Gesicht ihm so unheimlich bekannt vorkommt, die er aber noch nie in seinem Leben getroffen hat?
Der Autor M. Lange schafft es, dass wir als Leser immer wieder auf neue Details stoßen, die uns das ein oder andere Mal erschreckt aufatmen lassen. Dazu trägt die gewählte Erzählweise des Ich-Erzählers nicht unwesentlich bei. Durch das hautnahe Miterleben mit Dr. Brown verschwimmt auch für uns Leser nach und nach die Realität mit einer nicht ganz greifbaren Zwischenwelt. So kommt es, dass wir uns irgendwann selbst fragen müssen, was ist wahr und was ist Traum?
Das zentrale Thema der Verdängung wird in dem Roman "Das Bildnis des Gregor Blame" auf interessante Weise aufgegriffen und führt uns hinab in die Tiefen der verletzten menschlichen Psyche. Wir erleben, welche Wirrungen auftreten und uns glaubhaft erscheinen können, wenn wir nicht bereit sind, schmerzhafte Ereignisse als solche anzuerkennen und versuchen mit ihnen leben zu lernen.
Das Buch ist für jeden empfehlenswert, der sich gerne mit dem Bereich Mystery und Psychologie auseinandersetzt und bereit ist, auch über sich selbst und seine verdrängten Erlebnisse nachzudenken. Ich bin auf jeden Fall gespannt darauf, wie es mit den Tagebüchern des Dr. Brown weitergeht.

Bewertung vom 22.10.2024
Sisters in Blood - Der Schwur
Gornichec, Genevieve

Sisters in Blood - Der Schwur


sehr gut

Bei dem Roman "Sister in Blood" von Genevieve Gornichec handelt es sich um eine gelungene Mischung aus historischem Roman und der Neuerzählung einer alten isländischen Sage der nordischen Mythologie. Wenn mich nicht allein schon diese interessante Mischung angesprochen hätte, dann wäre dies dem wunderschön gestalteten Cover mit dem zauberhaften Farbschnitt gelungen.

Gunnhild, Oddny und Signy kennen sich von klein auf und haben ihre ganz eigenen Rituale entwickelt, wenn Gunnhilds Vater zu einer Versammlung in seine Halle ruft. Als eines Tages eine Seherin den drei Freundinnen eine düstere Zukunft voraussagt und alle Ziele nicht mehr erreichbar scheinen, schwören sich die Mädchen unter allen Umständen immer für einander da zu sein. Jahre später wird das Dorf von Oddny und Signy von Wikingern überfallen und vollständig zerstört. Oddny kann sich retten, Signy wird von den Plünderern entführt. Gemeinsam mit Gunnhild, die bei einer Seherin in die Lehre gegangen ist, macht sich Oddny auf den Weg, ihre Schwester zu finden und zu befreien. Die beiden Freundinnen trotzen gemeinsam so manchen Unwegsamkeiten, lernen weitere Hexen und Erik Haraldsson, den vermeintlichen Brudermörder, und seine Hirt kennen und gehen das ein oder andere Risiko ein, um Signy zu finden – bis sie zu einem Punkt gelangen, an dem alles von der Stärke ihrer Freundschaft abhängt ...

Wir lernen in dem Roman Gunnhild und die beiden Schwestern Oddny und Signy kennen, die sich jedes Mal treffen, wenn Gunnhilds Vater seine Freunde und die in der Umgebung lebenden Bauern zu einer Versammlung in seine Halle einlädt. Schnell bemerkt man die innige Freundschaft, die die drei Mädchen miteinander verbindet. Gunnhild wächst als unliebsames Kind ihrer Mutter auf und muss sich ständig deren Launen beugen, ohne eine wirkliche Verfehlung begangen zu haben. Oft wünscht sie sich, von zu Hause fliehen, um in der Fremde ein besseres Leben führen zu können als sie es in der Halle ihres Vaters fristet.
Die Schwestern Oddny und Signy wachsen bei einer sie liebenden Mutter in einem kleinen Dorf an der Küste Norwegens auf. Oddny ist die sittsamere der beiden Schwestern und hält sich stets an die Regeln, die in ihrem Elternhaus gelten. Überschreitungen, wie sie ihre Schwester Signy gerne macht, sind ihr zuwider und verärgern sie auch bei Signy immer wieder. Signy hingegen nutzt ihre Abenteuer und schmückt sie gerne noch mit dem ein oder anderen Detail aus, um sie noch interessanter erscheinen zu lassen und Eindruck mit ihren Taten zu schinden. Ihr kommt im Roman die geringste Bedeutung zu.
Mit dieser Mischung der einzelnen Charaktere schafft die Autorin eine Grundlage für eine spannende und abwechslungsreiche Erzählung, da jedes der Mädchen ihren ganz eignen Anteil an den Geschehnissen im weiteren Verlauf der Handlung geltend macht.

Die Autorin schafft es durch ihren flüssigen und anregenden Schreibstil geschickt, historische Ereignisse und nordische Mythologie miteinander zu verbinden. So erhalten wir Einblicke in das teilweise sehr brutale, alltägliche Leben der Wikinger in Norwegen und bekommen eine wunderbare magische Welt gezeichnet, die sich gut in die Wikingerwelt einfügt. Es entsteht ein nahezu nahtloser Übergang zwischen Magie und Realität, der mich während des Lesens immer wieder gefesselt und es mir sehr schwer gemacht hat, das Buch aus der Hand zu legen. Mir ist es sehr leicht gefallen, mich mit den einzelnen Personen vertraut zu machen und mich in ihre Lebenswelt einzufühlen. Dennoch bleiben einzelnen Charakteren wie Erik Haraldsson einige ihrer Geheimnisse lange erhalten und halten so den Spannungsbogen immer ein wenig unter Zug.

Zusätzlich schafft es Genevieve Gornichec in diesem Roman auch aktuelle Themen der heutigen Gesellschaft dezent einzubinden. Einen großen Teil nimmt die Freundschaft zwischen den jungen Frauen ein, die gegen Ende auf eine harte Bewähungsprobe gestellt wird, wenn es darum geht, sich zwischen der Freundin und der Liebe zu entscheiden. Auch gibt sie Themen wie gleichgeschlechtlicher Liebe, Loyalität und der Selbstbestimmung der Frau Raum in ihrer Erzählung. Insbesondere durch die Gestaltung der Figuren Gunnhild und Oddny gibt sie den Frauen ein starkes Standing und zeigt, dass auch Frauen durchaus das Vermögen haben, sich in einer männerbestimmten Welt zu behaupten und durchaus die Wahl haben, ob sie sich an die bestehenden Traditionen halten oder ihr Leben unter ihren eigenen Bedingungen gestalten wollen. Ein markantes Beispiel ist hierfür die Ehe, die Gunnhild mit Erik Haraldsson eingeht. Sie nutzt diese, um ihre Möglichkeiten, ihre Freundin Signy zu finden, zu erweitern und stellt zudem knallharte Bedingungen an ihren zukünftigen Ehemann.