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clematis

Bewertungen

Insgesamt 113 Bewertungen
Bewertung vom 15.11.2024
Blutbuße / Hanna Ahlander Bd.3
Sten, Viveca

Blutbuße / Hanna Ahlander Bd.3


ausgezeichnet

Mordhotel

Die Osterferien haben gerade begonnen, Immobilienentwicklerin Charlotte Wretlind bereitet eine Pressekonferenz vor, um ihre Pläne für ein in die Jahre gekommenes Hochgebirgshotel zu präsentieren. In strahlendem Glanz soll ein neuer Luxuspalast das verstaubte, brachliegende Haus ersetzen. Aber dazu soll es nicht mehr kommen, Wretlind wird - in einer zähen Blutlacke liegend - in ihrer Hotelsuite aufgefunden.

Wiederum ermitteln Hanna Ahlander und Daniel Lindskog auf Hochtouren, bilden Polizeiarbeit und Einblicke in deren Privatleben einen gelungenen und abwechslungsreichen Mix. Gegner des imposanten Neubaus, Beziehungen zu (bestechlichen?) Politikern, aber auch die arrogant wirkende Art Charlotte Wretlinds bieten vielfältige Spekulationen für ein mögliches Tatmotiv. Unterschiedliche Blickwinkel, rasche Szenenwechsel und kurze Momentaufnahmen von Personen, die scheinbar nichts mit dem Geschehen zu tun haben, sorgen für Abwechslung, langsam wird ein Erzählstrang aus der Vergangenheit an die aktuellen Ereignisse herangeführt. Mit all diesen geschickt eingesetzten Details hält Viveca Sten eine stete Spannung aufrecht und vermittelt mit persönlichen Belangen von Hanna, Daniel und Anton ein sehr lebendiges Bild der eifrigen Kriminalisten. Die anschauliche Kulisse des abgelegenen und verlassenen Hochgebirgshotels steigert am Ende die Dramatik noch einmal und erinnert an Hannas frühere mutige, aber doch auch leichtsinnige Entscheidungen. Ob das wirklich gut gehen kann?

Auch Band 3 der Polarkreis-Krimi-Reihe überzeugt durch einen interessanten Fall und lebensnahe Figuren, die man als Leser mittlerweile sehr gerne in die klirrende Kälte Åres begleitet. Ich spreche eine Leseempfehlung aus!

Bewertung vom 14.11.2024
Föhrer Sommer
Paulsen, Hanna

Föhrer Sommer


ausgezeichnet

Dunkle Wolken

Nach dem Neuanfang auf der Insel Föhr geht Liam in den Kindergarten, arbeitet Julia im Fremdenverkehrsbüro. Es scheint das Leben der kürzlich verwitweten 34jährigen und das deren Sohnes wieder ein gewisses Maß an Stabilität gewonnen zu haben. Aber schon tauchen dunkle Wolken am Horizont auf, denn Julia kann ihre Gefühle ihrem Schwager Krischan gegenüber kaum leugnen und außerdem kommen da seltsame Anrufe vom Festland mit Klagsdrohungen.

Wie schon im ersten Teil dieser herzlich erzählten Reihe fühlt man sich als Leser sofort mitten drinnen im Geschehen auf der kleinen Nordseeinsel, auf der alles ein wenig gemächlicher zugeht, aber der Dorftratsch natürlich nicht unterschätzt werden darf. So ist es kaum verwunderlich, dass Julia und Krischan schräg angesehen werden, als die Nachricht bekannt wird, dass Schwägerin und Schwager nun ein Paar sind, wenige Monate nach Barnes Tod. Die Zerrissenheit Julias zwischen Sorge um ihren Sohn und das Ungeborene und Zuneigung zu einem anderen Mann stellt Hanna Paulsen lebhaft dar, ebenso wie auch die Gefühle der anderen Figuren, welche sie gewissenhaft porträtiert und sehr realistisch darstellt. Selbst dem Maltipoo-Hund Knut und dem Wattgetier wird entsprechender Raum gewidmet, sodass das Inselgeschehen mit seiner traumhaften Kulisse ganz und gar spürbar wird.

Mit ihrem angenehm fließenden Schreibstil, ihren berührenden Worten und den farbenfrohen Sommerbildern verzaubert Hanna Paulsen auch diesmal wieder ihrer Leserschaft und weckt Neugierde darauf, wie es denn weitergeht mit den inzwischen liebgewonnenen Menschen, denen der Wind doch manchmal rau ums Gesicht bläst.

Bewertung vom 12.11.2024
Tief im Schatten / Hanna Ahlander Bd.2
Sten, Viveca

Tief im Schatten / Hanna Ahlander Bd.2


ausgezeichnet

Februarferienwoche

In der Februarferienwoche trifft sich jeder, der kann, im beliebten Schiort Åre. Als eine arg zugerichtete männliche Leiche im Straßengraben gefunden wird und wenig später eine junge Frau vermisst wird, haben Hanna Ahlander und Daniel Lindskog rund um die Uhr zu tun. Bei atemberaubender Kälte und höchst brisanten Ermittlungen dürfen wir dem sympathischen Duo diesmal über die Schulter sehen und bei mehr als einer bewegenden Szene erstarren vor Anspannung.

Es beginnt schon schaurig, als der siebenjährige Hugo unbedingt mal muss und seine Mutter das Auto am Straßenrand anhält, denn dort liegt - zum Glück größtenteils vom Schnee bedeckt - eine Leiche. Schnell stellt sich heraus, dass es sich um den allseits beliebten ehemaligen Schirennläufer Johan Andersson handelt, der heute mit einem Partner einen Installateurbetrieb führt. Keinerlei Mordmotiv ist ersichtlich und auch der Fall der abgängigen Rebecka entpuppt sich als schwierig, führt doch der Weg zu einer sehr verschlossenen Kirchengemeinschaft.

Diese beiden Fälle sorgen für fesselnde kriminalistische Arbeit, bestens verknüpft wird dies mit den ganz persönlichen Problemen der Ermittler. So kämpft Hanna immer noch mit ihrer Familiengeschichte, reibt sich Daniel auf in einer Zwickmühle zwischen Beruf, Beziehung und Vaterschaft und zögert Anton mit seinem Bekenntnis zur Homosexualität. Die Stimmung wirkt dadurch extrem realistisch und lässt die Schwierigkeiten der Polizeiarbeit in einem entsprechend schwierigen Licht erscheinen. Nicht umsonst ist die Rate an gescheiterten Beziehungen im Polizeikorps besonders hoch. Viveca Sten versteht es brillant, Szenen spannend aufzubauen und an besonders intensiven Stellen den Blickwinkel zu wechseln, sodass man ganz oft einfach weiterlesen muss, um zu erfahren, welche Wendungen noch kommen werden, welche Neuigkeiten Hanna und Daniel herausfinden. Trotz des Präsens als gewählter Erzählzeit fließt die Geschichte flott dahin, birgt zusätzlich noch sehr bewegende und berührende Momente, was bestimmte Handlungsstränge betrifft.

Ein großartiger zweiter Teil der Polarkreis-Krimireihe, welcher sowohl sprachlich als auch inhaltlich überzeugt mit dem gelungenen Mix aus Polizeilichem und Privatem und mittels Rückblenden verstörende Lebenswege offenbart. Überaus lesenswert!

Bewertung vom 11.11.2024
Das Kind mit den stummen Augen
Rohn, Lena

Das Kind mit den stummen Augen


ausgezeichnet

Alptraum

Theresa führt mit ihrer Mutter Inga und ihrer Tante Martha das renommierte Teehandelshaus Drees, einen traditionellen Familienbetrieb in Emden. Allerdings bräuchte es dringend einiger Modernisierungen, möchte man nicht ewig nur auf den bestehenden Kundenstock bauen. Als Jonas von Bergen einen Zeitungsartikel über die Geschichte des Hauses verfassen soll, um neue Kunden anzulocken, stoßen Theresa und der eifrige Journalist auf Hinweise in Richtung eines Kinderkurheimes im nahen Teutoburger Wald. Dort soll Schreckliches passiert sein, ein Alptraum, der Inga und Martha bis heute verfolgt?

Ein unheimliches Gedicht von Rainer Maria Rilke stimmt uns ein auf eine unfassbare Geschichte, und doch steckt so viel Wahrheit in diesem Roman, der uns schon beim Lesen Gänsehaut beschert. Aber von Anfang an: Wir lernen Theresa, Inga und Martha kennen und ihre Sorgen um das Teehaus, welches sich schon seit mehreren Generationen im Familienbesitz befindet. Beim Versuch, diesen an die heutige Zeit anzupassen, stößt Theresa vor allem bei ihrer Tante auf Ablehnung, aber auch ihre Mutter will lieber nach vorne blicken anstatt in der Vergangenheit zu wühlen. Warum, das erfahren wir mittels Rückblenden in den Winter 1964, in dem drei kleine Mädchen im Alter von vier, sechs und knapp neun Jahren aufbrechen in ein Kinderkurheim mit dem schönen Namen Waldesglück. Was sich dort zuträgt, ist heute zwar nichts Neues, erschüttert den Leser aber dennoch mit jeder einzelnen Zeile über menschenunwürdige Zustände und schlimmste Bestrafungen im Rahmen schwarzer Nachkriegspädagogik.

Überaus lebendig schildert Lena Rohn die Geschehnisse auf beiden Zeitebenen, wobei natürlich die Vergangenheit noch viel eindrücklicher im Gedächtnis des Lesers hängen bleibt ob der Dramatik, die hier vorherrscht. Aber auch die Jetzt-Zeit mit Theresa hat ihre Berechtigung und bietet einen sehr schönen Rahmen, der schlussendlich Hoffnung gibt auf Versöhnung und Aufarbeitung, denn – wie schon im Buch erwähnt – hat es noch sehr lange gedauert, bis Gewalt an Kindern auch per Gesetz verboten worden ist.

Ein berührendes und aufwühlendes Buch zum Thema Kinderheime in den 1960er-Jahren, das mit der Kulisse des Teehauses zu einem lesenswerten Ganzen verschmilzt und aufregende Lesemomente bereithält. Ich spreche eine Empfehlung aus für alle Interessierten, die sich auch mit schwierigen Szenen auseinandersetzen können und so den Kindern von damals eine Stimme verleihen.

Bewertung vom 07.11.2024
Für immer, Darling
Beer, Christina

Für immer, Darling


sehr gut

Das Leben geht weiter

Die drei Freundinnen Gerda, Jule und Ingrid hat das Leben auseinandergerissen, in Kontakt stehen sie, mittlerweile verstreut über Eschenbrunn in Bayern, Frankfurt und fernab in Texas aber immer noch. Die Bande einer innigen Freundschaft lässt man nicht so leicht abreißen, auch wenn die Wege der drei jungen Frauen unterschiedlicher nicht sein könnten. Wie es in den 1960ern, nach der turbulenten Zeit am Badesee und in der Micky Bar, wo sich die amerikanischen Besatzer treffen, weitergeht, erfährt man hier im zweiten Band der „Frauen vom Badesee“.

Wie schon im ersten Teil, erzählt Christina Beer abwechselnde Episoden aus dem Alltag von Gerda, Jule und Ingrid und zeigt dabei höchst unterschiedliche Weltanschauungen und Erwartungen an die eigene Zukunft. Während Gerda nach wie vor die Bodenständige ist, hat sich Ingrid als namhafte Filmschauspielerin etabliert und ist Jule tatsächlich als Ehefrau eines Texaners glücklich in ihrer neuen Heimat. Wie auch das echte Leben so spielt, gibt es Momente des Glücks und Stunden der Trauer, müssen alle Schicksale hinnehmen und kämpfen, um spätere Zeiten von Freude und Glück voll auskosten zu können. Manchmal nur als Streiflicht, manchmal detailliert und tiefergehend spielen natürlich auch die gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen ins Geschehen mit hinein, sodass der historische Zusammenhang entsprechend zu den persönlichen Geschichten passt. Auch wenn es eine extrem berührende Szene gibt im Buch, so hätte ich mir allgemein etwas mehr an Gefühlen gewünscht. Nichtsdestotrotz ist die Entwicklung der drei Freundinnen, mittlerweile tatsächlich „in alle Welt“ verstreut, schön mitanzusehen und mitzuerleben.

Ein angenehmer Schreibstil begleitet drei junge Frauen in ihren Zwanzigern, zeigt gleichzeitig ein wenig vom Weltgeschehen, eingebettet in ganz persönliche Schicksalstage dreier starker Frauen. Vier Sterne.

Bewertung vom 06.11.2024
Raureifträume auf Rügen (eBook, ePUB)
Gruber, Birgit

Raureifträume auf Rügen (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Scarlett

Scarlett nimmt Dennis‘ Heiratsantrag an und muss am Standesamt erfahren, dass sie bereits verheiratet ist. Nur kann sie sich ganz und gar nicht daran erinnern, dass sie drei Jahre zuvor in Las Vegas einem gewissen Elliot angetraut worden wäre. Wild entschlossen, eine rasche Scheidung zu erwirken, reist sie auf die schöne Insel Rügen, wo Elliot zurzeit mit seinem Foodtruck auf verschiedensten Weihnachtsmärkten unterwegs ist.

Unterhaltsame Diskussionen unter vier Freundinnen eröffnen die Handlung, welche unglaublich scheint, dafür aber umso unverwechselbarer daherkommt. Gemeinsam mit Scarlett, welche entgegen jeglicher Erwartung eine hübsche blonde Haarpracht ziert, erreichen wir Rügen in der Vorweihnachtszeit und besuchen unter anderem Karls Erdbeerhof, das Ostseebad Binz, die Leuchttürme am Kap Arkona und den Königsstuhl, wo es die berühmten Kreidefelsen gibt. Wer Rügen kennt, wird die lebhaften Beschreibungen noch leuchtender vor Augen haben. Turbulente Szenen erwarten den Leser, festgefahrene Vorstellungen vom Leben und eine Menge Missverständnisse und Zufälle. Was wird Scarlett über die Junggesellinnenparty in Las Vegas herausfinden, wie der Frauenschwarm Elliot auf ihr Auftauchen reagieren? Flüssig geht es durch die einzelnen Kapitel, betrachtet werden so manche Szenen einerseits aus Scarletts Sicht, andererseits aus Elliots Blickwinkel, um über die fehlende Information des jeweils anderen schmunzeln zu können. Wer hat ehrliche Absichten und wer passt schlussendlich besser zu Scarlett – Dennis oder Elliot? Findet es einfach heraus und greift zu Buch 1 der Reihe „Zeit für Meer“!

Ein außergewöhnlicher Roman mit romantischen und falsch verstandenen Momenten auf Rügen. Mir hat Scarletts Geschichte sehr gut gefallen, nun bin ich neugierig auf jene von Tammy, Liv und Izzy.

Bewertung vom 06.11.2024
Last Seen
Clarke, Lucy

Last Seen


ausgezeichnet

Lügen

Sarah und Isla sind beste Freundinnen. An der Sandbank von Longstone (Südengland) besitzen sie zwei nebeneinander liegende Strandhütten, ihre Söhne sind – bis auf drei Wochen – gleich alt. Sie teilen fast alles in ihrem Leben, bis zu dem Zeitpunkt, als die beiden Burschen im Alter von zehn Jahren zu einer Boje hinausschwimmen und nur noch einer von ihnen zurückkommt. Sarahs Sohn überlebt das Unglück, während Marley nie mehr wieder auftaucht. Warum verschwindet Jacob exakt sieben Jahre später aus derselben Bucht?

Ein aufregender Roman nimmt seinen Lauf, fesselt den Leser ab der ersten Seite und entwickelt einen Sog, dem man sich kaum noch entziehen kann. Lucy Clarke zeigt einmal mehr, wie brillant sie Szenarien entwerfen kann, bei denen sich kaum etwas so verhält, wie es scheint. Immer wieder ändert sich der Blickwinkel, löscht eine neue Information die bisherigen Annahmen weitgehend aus. Abwechselnd erfahren wir die Sichtweisen von Isla und Sarah, lesen deren Gedanken und spüren ihre Gefühle. Die Beziehungen unter den einzelnen Figuren sind realistisch und glaubwürdig gesponnen, wem man aber wirklich vertrauen darf, das bleibt ein gut gehütetes Geheimnis. Ausgehend vom aktuellen Sommer und dem Verschwinden Jacobs geht die Suche tagelang dahin, unterbrochen von interessanten Rückblenden in die vergangenen Jahre. Dadurch erhält die Geschichte ihre Lebendigkeit und verharrt nicht in der zähen Gegenwart, welche durch die Angst, die Hoffnung, die Trauer, die Wut Sarahs illustriert wird. Dies allein würde möglicherweise zu einer eintönigen, langatmigen Handlung führen, so aber springen abwechslungsreiche Bilder hin und her und nehmen den Leser mit auf eine Achterbahn der Lügen und Rätsel, welche die beiden Freundinnen mit sich tragen und einander vorspielen. Eine leichte, aber stete Spannung begleitet diesen beklemmenden Roman und ufert schließlich in einem mehr als passenden Ende, welches einen vorerst sprachlos zurücklässt.

Spannend, verlogen, bewegend. Fünf Sterne.

Bewertung vom 04.11.2024
Gärten, Gift und tote Männer
Blasl, Klaudia

Gärten, Gift und tote Männer


ausgezeichnet

Miss Marple von Oberdistelbrunn

Pauline, pensionierte Lehrerin und passionierte Kräuterkundlerin, ist jedes Mal dabei, wenn im ansonsten idyllischen Dörfchen Oberdistelbrunn nun innerhalb weniger Tage Menschen plötzlich und unter mysteriösen Umständen sterben. Während die Polizei im Dunklen tappt, geht Pauline mit ihrer Freundin Berta verschiedensten Indizien nach.

Einem Angriff auf die Lachmuskeln gleicht diese humorvolle Mördersuche, der skurrile Szenen vorangehen. Ein Dorf, in dem jeder jeden kennt, in dem Tratsch und „Stille Post“ zum Alltag gehören, bildet den passenden Rahmen. Normalerweise gibt es aber nichts Aufregenderes zu bereden als die Titel, welche im örtlichen Lesezirkel zur Diskussion stehen – bis ein augenscheinlich alkoholisierter Nachbar des Pfarrers Hilfe sucht – es geht um den Tod vom Franzl und das Sterben von der Christl, die sich alsbald als zwei wertvollen Hendln entpuppen. Wunderbarer Wortwitz und scharfzüngige Dialoge beherrschen die gesamte Handlung, welche durch breitgefächertes Pflanzenwissen und bissige Gesellschaftskritik punktet. Die Charaktere sind mit spitzer Feder gezeichnet und bildlich vorstellbar, die mannigfachen Todesursachen bereiten dem Kommissar Kopfzerbrechen, führen aber rasch zu einem Verdächtigen. Im Mittelpunkt stehen neben toten Männern Gärten und Gift, wie es der Titel und die Zeichnungen am Buchumschlag schon erahnen lassen. Was hat die Kräuterhexe Pauline mit all dem zu tun?

Weniger Ermittlungstätigkeit als angriffslustige Wortspielerei, aber 100% Garantie für dunklen Humor und tosendes Gelächter. Ein Kriminalroman, der auch das langweiligste Dorf zum Wallen bringt. Leseempfehlung für alle, die auch einmal den Ernst beiseiteschieben können.

Bewertung vom 04.11.2024
Mord im Himmelreich
Winkelmann, Andreas

Mord im Himmelreich


sehr gut

1,2,3

Am Campingplatz Himmelreich, direkt am See, sucht der ehemalige Schauspieler Björn Kupernikus ein paar Tage Erholung. Ein Hund, der scheinbar allein auf einem Paddleboard am Wasser treibt und eine Leiche stören jedoch die Idylle: rasch ist der Pensionist unfreiwillig in Ermittlungen verwickelt. Während die Polizei einen Unfall für wahrscheinlich hält, wittern Kupernikus und die weltgewandte Künstlerin Annabelle Schäfer ein Verbrechen.

Unterhaltsam und humorvoll geht es zu in diesem „Wohlfühlkrimi“. Überzeichnete Szenen, Wortwitz und Selbstironie dominieren die einzelnen Kapitel, der Kriminalfall ist zwar Ankerpunkt, aber nicht uneingeschränktes Zentrum des Geschehens. Erzählt wird aus unterschiedlichen Perspektiven, wodurch der Leser ein umfassendes Bild erhält. Besonders hervorheben muss man hier die Detailtreue, welche Winkelmann in seine Zeilen packt und die Lebendigkeit, welche daraus entsteht. Neben dem Hochdeutschen fließen ab und zu auch Berlinerisch und eine eher ungewöhnlich anmutende Jugendsprache mit ein, sodass man sich die unterschiedlichsten Personen sehr gut vorstellen kann. Interessant ist Kupernikus‘ Methode, größere Probleme zu lösen: er erinnert sich gerne an seine Jugendkrimis mit den Drei ??? und stellt sich selbst immer wieder drei Fragen 1,2,3, welche er beantwortet, bevor er den nächsten Teil eines größeren Ganzen in Angriff nimmt. Ob er mit dieser Methode vorankommt, oder ob doch Kriminalkommissar Fass die Nase vorne hat? Das wird hier nicht verraten, eines ist aber gewiss: Hündin Pinguin trägt ihren Teil dazu bei, dass schlussendlich die wahre Ursache für eine turbulente Mördersuche gefunden wird.

Mord im Himmelreich ist der Auftakt zu einer amüsanten Camping-Krimi-Reihe, bei der wahrlich nicht alles glaubwürdig abläuft, welche aber durch Wortwitz und sehr spezielle Figuren punkten kann.

Bewertung vom 04.11.2024
Im Takt der Freiheit
Caspian, Hanna

Im Takt der Freiheit


ausgezeichnet

Unvergesslich

Unvergesslich soll der Sommerball in Berlin werden, den der Eisenbahn-Magnat Egidius Louisburg im Dreikaiserjahr 1888 ausrichtet, um die Verlobung seiner älteren Tochter Felicitas bekanntzugeben. Die Verbindung zum Grafen Brück-Bürgen soll ihn endlich in die vornehmsten Kreise aufsteigen lassen und ihm einen gigantischen Auftrag sichern. Felicitas, ganz ohne Mutter aufgewachsen, ist mehr als verärgert, als sie diesen Kuhhandel aufdeckt, zudem sie erst vor wenigen Wochen den sympathischen Studenten Lorenz Schwerdtfeger mit seinem Sicherheits-Niederfahrrad kennengelernt hat.

Eine großartige Atmosphäre umgibt dieses Buch und nimmt sich mit leichter Feder so vieler verschiedener Themen an: das Kaiserreich, der wirtschaftliche Aufschwung, soziale Gerechtigkeit, persönliche Freiheit – die Tochter des Reichen hat alles Materielle, darf aber keinen Schritt allein unternehmen, schon gar nicht, eine eigene Entscheidung treffen, höchstens, welche Marmelade auf ihr Frühstücksbrötchen kommt –, Kolonialismus, die Weiterentwicklung des Fahrrades und noch vieles mehr. Unvergleichlich daran ist, dass all das sich wie von selbst in die Handlung einfügt und niemals den Eindruck des Aufdringlichen oder Mahnenden erweckt. So kann man gar nicht anders, als stracks eine Szene nach der anderen in sich aufzusaugen und die sympathische, aber dennoch energische Felicitas auf ihrem Weg - in die Freiheit? – zu begleiten. Großartige Figuren und eine lebendig gezeichnete Kulisse aus Kaiserreich und Wandel der Zeit tun ein Übriges, um den Leser zu begeistern, auch Gefühle und Humor kommen nicht zu kurz.

Mittels detaillierter Recherche und einem Finger am Puls der Zeit kann Hanna Caspian ebenso punkten wie mit einem Schreibstil, der berührt und den Leser in seinen Bann zieht. Ich jedenfalls bin begeistert und freue mich, diesen schönen historischen Roman weiterempfehlen zu dürfen.