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Tsubame

Bewertungen

Insgesamt 52 Bewertungen
Bewertung vom 07.09.2024
Du kennst sie
Jennett, Meagan

Du kennst sie


schlecht

Not my cup of tea

Ich muss leider sagen, dass ich mit dem Thriller "Du kennst sie" von Meagan Jennett überhaupt nicht warm geworden bin, obwohl ich die ursprüngliche Idee dahinter eigentlich interessant fand:

Eine junge Frau, die als Barfrau arbeitet und tagein tagaus von betrunkenen Männern angemacht, begrabscht oder beschimpft wird, hat mit einem Male die Nase voll, als ein Stammkunde und Freund des Hauses ihr nach einem anstrengenden Silvesterabend den letzten Rest eines teuren Rotweins einfach wegtrinkt und sie danach auch noch belästigt. Sie bringt ihn um und mordet von da an fleißig weiter.

Daneben lernt man als Leser(in) eine farbige Polizistin kennen, die es in der Männerwelt schwer hat, sich zu behaupten und die sich mit der Barkeeperin anfreundet, ohne zunächst zu ahnen, mit wem sie es zu tun hat.

Ich weiß einen Thriller durchaus zu schätzen, wenn er intelligent gemacht ist und sich das "Gemetzel" in Grenzen hält. Hier aber wurde mir detailliert erklärt, wie man einen Mann am besten tötet, auch wenn man nicht die körperliche Stärke und Größe dafür mitbringt.

Auch dass sich irgendwelche imaginierten "Milben" unter der Haut der Protagonistin regen und sie zum Morden drängen, fand ich höchst seltsam. Ticken Frauen so? Ich kann es mir ehrlich gesagt nicht vorstellen.

Last but not least fand ich die Geschichte langatmig und wenig fesselnd.
Am besten hat mir eigentlich das Cover gefallen. Dass man die Rillen vom Cocktail-Glas ertasten kann und dahinter das Gesicht der Barkeeperin verschwommen aufleuchtet, fand ich raffiniert und echt gut gemacht!

Bewertung vom 26.08.2024
Das Wesen des Lebens
Turpeinen, Iida

Das Wesen des Lebens


sehr gut

Gejagt, aufgegessen, gesammelt und ausgerottet

Lange Zeit hat der Mensch nicht glauben können, dass er dafür verantwortlich ist, dass viele Tierarten vom Erdboden verschwunden sind.

Selbst die Wandertaube, einst der häufigste Vogel Amerikas, möglicherweise der ganzen Welt, gilt seit langem als ausgestorben. 1901 wurde das letzte Exemplar vom Himmel geschossen.

Am Beispiel der Stellarschen Seekuh zeigt die finnische Autorin Iida Turpeinen auf, wie eine Art verschwindet. 1741 entdeckt der deutsche Arzt und Naturwissenschaftler Georg Wilhelm Stellar auf einer Expedition unter Vitus Bering auf einer Insel die Seekühe. Nach wochenlanger Irrfahrt durch die Beringsee ist die Mannschaft ausgehungert, leidet unter Skorbut und gerät in einen regelrechten Rausch, als sie auf die sanftmütigen Riesen stößt, die keine Angst kennen und deren zartes Fleisch wie Kalbfleisch auf der Zunge zergeht. Man tötet wesentlich mehr Exemplare als man überhaupt verzehren kann und lässt den Rest im Wasser einfach verrotten. Gier und Verschwendung sind vorherrschend, das Wort "Nachhaltigkeit" existiert noch nicht. Als Gottes Schöpfung gilt die Natur als unerschöpflich. Nach den Entdeckern und Wissenschaftlern kommen die Pelztierjäger und bereits 27 Jahre nach ihrer Entdeckung ist die Stellarsche Seekuh ausgerottet.

Das Skelett, das Georg Wilhelm Stellar einst auf der Insel zurücklassen musste, wird später gefunden und von dem finnischen Gouverneur im damals russischen Alaska käuflich erworben. Auch seine Geschichte und die seiner Frau und Schwester erzählt Iida Turpeinen in dem vorliegenden Roman und folgt dem Weg des Skeletts bis ins Naturkundemuseum von Helsinki.

Man kann erahnen, aus wievielen Einzelinformationen und Fußnoten die Autorin die Geschichte entwickelt hat. Das ist einerseits eine großartige Rechercheleistung und macht das Buch zu einem authentischen naturkundlichen Werk, andererseits erlahmte mein Interesse zum Ende hin, weil man es immer wieder mit neuen Personen zu tun bekommt. Dadurch wirkte der literarische Part irgendwie zerstückelt, auch wenn man viel Interessantes zur Seekuh und den damaligen Menschen erfährt. Wenn man etwa liest, dass die Damen der feinen Gesellschaft ihre getragenen Kleider einfach über Bord warfen, weil dies einfacher und kostengünstiger war, so muss man resigniert feststellen, dass sich in dieser Beziehung bis heute wenig geändert hat.

Ich mochte die gemächliche Erzählweise Iida Turpeinens, auch wenn das Buch dadurch nicht gerade ein "Pageturner" ist. Es ist ein interessantes Experiment, Naturwissenschaft und Literatur miteinander zu vereinen.

Bewertung vom 14.08.2024
Kleine Monster
Lind, Jessica

Kleine Monster


sehr gut

Wie gut kennt man sein eigenes Kind?

Pia und Jakob werden von der Lehrerin ihres Sohnes Luca in die Schule gebeten, da es einen Vorfall mit einem Mädchen gegeben habe.

Diese Aussage weckt in Pia Zweifel, inwieweit sie ihrem Sohn vertrauen kann. Auf der einen Seite möchte sie Luca glauben, auf der anderen Seite weiß sie um Dinge aus ihrer Vergangenheit, auf die sie bis heute keine eindeutigen Antworten gefunden hat. Damals ist ihre jüngste Schwester Linda im See ertrunken. Nur ihre Adoptivschwester Romie war dabei. Ein Unfall oder steckte vielleicht doch noch mehr dahinter?

In Pia beginnt es zu arbeiten. Sie beobachtet ihren Sohn mit Argusaugen, kontrolliert ihn, interpretiert Dinge in sein Verhalten und setzt ihn unter Druck, damit er ihr die ganze Wahrheit erzählt. Gleichzeitig erinnert sie sich an ihre eigene Kindheit. Das verdrängte und in der Familie nie aufgearbeitete Trauma drängt mit aller Macht an die Oberfläche. Kontakt zu Romie hat sie nicht mehr, folgt dieser aber auf Instagram, sucht nach Ähnlichkeiten zwischen ihr und Luca.

Das Buch hat eine unglaubliche Sogkraft, die von der Autorin bis zum Ende aufrecht erhalten wird. Auch als Leser(in) fragt man sich ständig "Was ist passiert? Wem kann man glauben? Gibt es sowas wie Kleine Monster?"

Ich fand den Roman von Jessica Lind spannender als so manchen Krimi und hoffe, sie schreibt auch weiterhin so kluge Romane.

Bewertung vom 28.06.2024
Darwyne
Niel, Colin

Darwyne


ausgezeichnet

Ein Evolutionsbiologe, der ein faszinierendes Buch nach dem anderen schreibt

Colin Niel ist mir spätestens seit seinem - damals noch als Roman gekennzeichneten - Buch "Nur die Tiere" ein Begriff und es scheint, als würde der französische Autor einen Knaller nach dem anderen raushauen. Nach "Unter Raubtieren", das ebenfalls eine großartige Geschichte erzählt, folgt nun "Darwyne", dessen Schauplatz das Amazonasgebiet Französisch-Guayanas ist.

Dass ein Evolutionsbiologe seinem - inzwischen als Thriller bezeichneten - Buch den Titel "Darwyne" gibt, kann man auch als Hommage an den großen Naturforscher Charles Darwin verstehen, der von seinen Zeitgenossen in diversen Karikaturen seinerzeit als Schimpanse verhöhnt wurde.

Colin Niels' Darwyne ist ein kleiner Junge, körperlich beeinträchtigt, verschlossen, schulisch wenig interessiert, dafür aber mit einem natürlichen und tiefgehenden Verständnis für die Natur des Amazonas gesegnet, an dessen Schwelle er mit seiner Mutter Yolanda in einer baufälligen Hütte lebt. Darwyne liebt seine schöne, religiös geprägte Mutter, aber er hasst die diversen Stiefväter, die sie in regelmäßigen Abständen anschleppt.

In einem zweiten Handlungsstrang lernt man die Sozialarbeiterin Mathurine kennen, die den Fall Darwynes wieder aufnehmen soll, da es einen anonymen Hinweis auf Kindeswohlgefährdung gab und die frühere Sachbearbeiterin inzwischen aus dem Dienst ausgeschieden ist.

Ich fand das Buch wie schon seine Vorgänger einfach großartig! Es beinhaltet so viele Themen, ohne dadurch überfrachtet zu wirken. Da geht es beispielsweise um eine Mutter, die ihr Kind nicht lieben kann, eine andere Frau, die sich verzweifelt ein Kind wünscht, ein Kind, das nicht 'reinpasst', prekäre Lebensverhältnisse in den Slums von Bois Sec, am Rande des Amazonas, die Rodung des Waldes und natürlich um die unermesslichen Schätze und Wunder des Amazonasgebietes selbst.

Gefreut hat mich, dass es eine Fortsetzung der Geschichte um die Sozialarbeiterin Mathurine geben wird. Der Titel der französischen Ausgabe lautet "Wallace" und wer kann damit schon anderes gemeint sein als Darwins Gegenspieler Alfred Russel Wallace!? Ich kann es kaum erwarten, dass ich das Buch in Händen halte!

Bewertung vom 23.05.2024
Astrids Vermächtnis
Mytting, Lars

Astrids Vermächtnis


sehr gut

Abschied von Butangen und seinen Bewohnern

Mit "Astrids Vermächtnis" liegt nun endlich der dritte Band der Trilogie vor. Kai Schweigaard ist alt geworden, steht kurz vor der Pensionierung. Inzwischen bereut er den Verkauf der alten Stabkirche nach Dresden und die Trennung der beiden Schwesternglocken. Es ist ihm bisher noch nicht gelungen, die Botschaften auf dem alten Wandteppich der beiden Hekne-Schwestern gänzlich zu entschlüsseln. Doch er bekommt Hilfe von der jungen Astrid, Tochter von Jehans und Kristine und damit Enkeltochter der verstorbenen Astrid, Kai Schweigaards großer Liebe.

Eines Tages kommen Fremde ins Dorf und erkundigen sich nach der zweiten Glocke und dem verschollen geglaubten Wandteppich. Als die Deutschen schließlich Norwegen überfallen und auch in Butangen Quartier beziehen, sieht sich Kai Schweigaard gezwungen, zu handeln und seinen alten Fehler wieder gut zu machen.

Die Geschichte liest sich in bester Mytting-Manier stimmungsvoll und spannend. Mein einziger Kritikpunkt ist der, dass ich finde, dass man das Buch in der kalten Jahreszeit lesen muss. Wenn ich mich richtig erinnere, sind die beiden Vorgängerbände auch im Winter erschienen. Im Frühling hat mich der Zauber leider nicht zu 100% packen können, aber der Zeitpunkt einer Veröffentlichung lässt sich wohl nicht immer exakt planen. Autor und Übersetzer haben jedenfalls wieder großes Können bewiesen!

Bewertung vom 23.05.2024
Die Stimme der Kraken
Nayler, Ray

Die Stimme der Kraken


ausgezeichnet

Ray Naylers Buch ist definitiv kein Ökothriller, auch wenn ein kriminelles Großunternehmen Teil der Geschichte ist. Dieser Technologiekonzern DIANIMA geht über Leichen, um ein Geheimnis zu bewahren, das sich in den Gewässern vor der Insel Con Dao verbirgt. Wie der Titel "Die Stimme der Kraken" bereits vermuten lässt, handelt es sich hierbei um eine Kolonie intelligenter Oktopoden, die von der Wissenschaftlerin Dr. Ha Nguyen und einem Androiden untersucht werden sollen.

In einem zweiten Handlungsstrang lernt man den Hacker Rustem kennen, dessen Rolle in der Geschichte erst ziemlich zum Ende hin deutlich wird, und auf die ich deshalb nicht näher eingehen kann.

Es gibt aber noch einen dritten Handlungsstrang. Dieser erzählt die Geschichte von Eiko, der einst entführt wurde und nun als Sklave auf einem KI-gesteuerten Schiff die Weltmeere nach den letzten Fisch absucht, um sie zu proteinhaltigen Patties zu verarbeiten.

Neben der Wissenschaftlerin Dr. Ha Nguyen gibt es noch eine Gegenspielerin mit dem Namen Dr. Arnkatla Minervudottir-Chan. Beide Wissenschaftlerinnen haben jeweils ein Buch geschrieben, aus denen abwechselnd zu Beginn der Kapitel eine Passage zitiert wird. Dadurch lernt man einiges über die Meere, Intelligenz, Bewusstsein und mehr.

Die Oktopoden sind natürlich alles andere als begeistert, dass der Mensch in ihren Lebensraum eindringt und ihn zerstört und so kam es in der Vergangenheit immer wieder zu feindlichen Begegnungen.

Eigentlich kann man sagen, dass Ray Nayler sich in seinem Roman mit verschiedenen Formen von Intelligenz auseinandersetzt: Das sind zum einen die Kraken, die es im Laufe der Zeit gelernt haben, durch Symbole zu kommunizieren, die Menschen (gute Wissenschaftlerin vs. böse Wissenschaftlerin), ein fast menschlicher Androide und eine KI, die ein ganzes Schiff lenkt und eine Gruppe menschlicher Sklaven in Schach halten kann.
Verschiedene Formen von Intelligenz

Die Geschichte selbst ist nur mäßig spannend. Interessanter sind da schon die Denkansätze, wie z.B. was wäre, wenn es eine ähnlich intelligente Art neben uns gäbe? Könnten wir auf Augenhöhe mit einander kommunizieren? Wann ist ein Androide ein Roboter und wann wird er zu einer eigenen Spezies? Was passiert, wenn eine KI das Kommando hat? Lässt sie sich irgendwie austricksen oder ist man ihr auf Gedeih und Verderb ausgeliefert?

Das Cover finde ich ausgesprochen schön und seitdem ich weiß, dass sich in jedem der Krakenbeine eine Art Gehirn befindet, werde ich wohl nie wieder Oktopus essen können ...

Bewertung vom 23.05.2024
Vor einem großen Walde
Vardiashvili, Leo

Vor einem großen Walde


ausgezeichnet

Spurensuche in Georgien

Ich bin echt froh, dass ich mich für die Hörbuch-Version dieser Geschichte entschieden habe, denn das was der Schauspieler und Sprecher Shenja Lacher hier leistet ist wirklich unglaublich. Jede Figur erhält ihre eigene unverwechselbare Stimme, unter allen hatte es mir aber vor allem der fortwährend schimpfende und fluchende Taxifahrer Nodar angetan, unter dessen rauer Schale sich ein goldenes Herz verbirgt.

Auf diesen trifft Saba, Protagonist der Geschichte, am Flughafen von Tbilisi (Tiflis). Er ist nach Georgien geflogen, nachdem erst sein Vater Irakli und schließlich auch sein älterer Bruder hier verschwunden sind. Die Familie war einst nach England geflohen, musste die Mutter jedoch zurücklassen. Sabas Bruder hat nun eine Spur gelegt, welcher Saba folgen soll, ohne dass die Polizei das Ziel errät. Denn auch diese ist auf der Suche nach Irakli und kassiert am Flughafen erst einmal Sabas Pass ein.

Außerdem streifen wilde Tiere durch die Stadt, die aus dem örtlichen Zoo ausgebrochen sind. Während die gesamte Geschichte mit märchenhaften Elementen durchwoben ist, beruht dieses Detail auf Tatsachen, denn vor 9 Jahren kam es in Tbilisi zu einer Überschwemmung, bei der viele Tiere entkamen. Ein Mann wurde dabei sogar von einem Tiger getötet.

All das trägt zu der gefahrvollen Atmosphäre bei, die sich durch das Buch zieht. Aber es gibt auch lustige Momente und Nodarrrrr (mit einem langen gerollten R am Ende) wird mir wohl noch lange in Erinnerung bleiben.

Es ist ein herzzerreißendes Buch, dank dessen ich mich - neben der täglichen Nachrichten - die letzten Tage intensiv mit Land und Leuten auseinandergesetzt habe. Ich habe mir sogar das diesjährige Europakonzert der Berliner Philharmoniker in Georgien angesehen und drücke diesem gebeutelten, aber tapferen Volk ganz fest die Daumen, dass sie ihre Unabhängigkeit verteidigen können und nicht die nächsten sind, nach denen Putin greift.

Bewertung vom 03.05.2024
Der ehrliche Finder
Spit, Lize

Der ehrliche Finder


sehr gut

Kindliche Verzweiflung

"Der ehrliche Finder" von Lize Spit ist mit seinen 125 Seiten ein eher schmaler Band und wurde ursprünglich für die alljährliche Boekenweek (deutsch: Bücherwoche) erstellt, die in den Niederlanden auf eine lange Tradition zurückblickt.

Inspiriert von einer zehnköpfigen Familie, die im November 1998 auf der Flucht vor dem Krieg im Kosovo in Viersel landete, hat Lize Spit diese Geschichte geschrieben, bei der es um die Freundschaft zweier Jungen geht. Der eine ist Jimmy, den wir als Leser(innen) zu Beginn gleich bei einem seiner Streifzüge durch den Ort auf der Suche nach vergessenen Münzen in Automaten und Einkaufswagen kennenlernen. Jimmy ist leidenschaftlicher Sammler von "Flippos", die sich in Chipstüten finden und er verfolgt sein Hobby mit großem Ernst.

Als der wenig ältere Flüchtlingsjunge Tristan neu in seine Klasse kommt und man diesen neben ihn setzt, beschließt Jimmy, Tristan nicht nur durch das Schuljahr zu begleiten, sondern ihn auch zu einem Flippo-Sammler auszubilden.

Doch es kommt anders. Die Familie Tristans soll abgeschoben werden und so ersinnen Tristan und seine Schwester Jetmira einen Plan, bei denen ihnen Jimmy helfen soll ...

Dies war mein erstes Buch von Lize Spit und ich fand es ausgesprochen schön geschrieben. Bereits nach ein paar Seiten hatte ich Jimmy mit seiner Leidenschaft und Gewissenhaftigkeit ins Herz geschlossen, war ich früher doch selbst leidenschaftliche Sachensucherin und habe sogar einen Verein gegründet, der aus zwei Mitgliedern bestand: meiner besten Freundin und mir.

Dass Tristan Jimmys Leidenschaft nicht so recht teilen mag, liegt zum einen daran, dass er zwei Jahre älter ist als dieser. Außerdem hat er andere Sorgen und ist nach der Flucht aus dem Kosovo stark traumatisiert.

Die Geschichte berührt und ist spannend erzählt; eine weitere Perle aus Flandern und den Niederlanden, die den diesjährigen Länderschwerpunkt der Leipziger Buchmesse bilden.

Bewertung vom 26.02.2024
Das Philosophenschiff
Köhlmeier, Michael

Das Philosophenschiff


sehr gut

Geschickte Verwebung von Fakten und Fiktion

Ich habe den Roman als Hörbuch gehört und war sehr angetan von der lebendigen Erzählweise des Autors, den ich bisher nur vom Namen her kannte.
Die Stimme passt gut zu der 100jährigen Architektin Anouk Jacob-Perleman, deren Geschichte hier erzählt wird und natürlich Michael Köhlmeier himself, der hier als Ich-Erzähler auftritt.
Man erfährt viel über die russische Geschichte unter Lenin und die zahlreichen Intellektuellen, die auf den so genannten Philosophenschiffen deportiert wurden. Es ist immer wieder erstaunlich, mit welcher Rhetorik die russischen Diktatoren, ihre Taten einst und heute zu rechtfertigen wussten.

Was an der Geschichte wahr und was frei erfunden ist, lässt sich natürlich im Internet leicht überprüfen. Wichtiger ist jedoch, dass der Roman die Angst und die Gefühle der Deportierten transportiert. Eindrucksvoll fand ich z.B. die Darstellung von Anouks Eltern, die in ihrer Kajüte mit einer Decke über dem Kopf, tagtäglich auf ihr Ende warten.

Es gibt strenge Regeln auf dem Schiff, um neugierige Fragen zu vermeiden. Nur Anouk widersetzt sich diesen und erforscht das Schiff auf eigene Faust. Dabei macht sie eine unglaubliche Entdeckung ...

Bewertung vom 25.02.2024
Geordnete Verhältnisse
Lux, Lana

Geordnete Verhältnisse


ausgezeichnet

Alles außer geordnet

ch wollte immer schon mal etwas von Lana Lux lesen, da kam der Roman mit dem schönen Pflanzen-Cover gerade recht.

Philipp, einer der Protagonisten des Romans, liebt Pflanzen. Er mag sie mehr als Menschen, denn von denen wurde er immer wieder enttäuscht. Seine Mutter ist Alkoholikerin, seine Tante, bei der er leben muss, wenn seine Mutter mal wieder einen Absturt erlitten hat, lieblos. Durch seine feuerroten Haare fällt er auf und entwickelt sich zum Außenseiter in der Schule. Philipp nässt ein, Philipp hat Wutanfälle.

"Der häufigste Satz, an den ich mich aus meiner frühen Kindheit erinnern kann, ist: "Geh und entschuldige dich bei den Mädchen" (S.10)

Sein größter Wunsch ist ein richtiger Freund, der eines Tages in Gestalt von Faina, einem Mädchen aus der Ukraine, neu in die Klasse kommt. Genau wie Philipp ist sie ein Rotschopf. Faina wird zu Philipps "Projekt". Er bringt ihr korrektes Deutsch bei, macht ihr Geschenke, ist immer für sie da. Denn auch Faina hat es nicht leicht mit ihren Eltern. Die Mutter mäkelt ständig an ihr herum, der Vater hat als Familienoberhaupt stets das letzte Wort. So lernt Faina schon früh, zu lügen, um Streit und Eskalationen aus dem Weg zu gehen.

Nach einer verletzenden Bemerkung Philipps trennen sich die Wege Fainas und Philipps nach Ende der Schulzeit zunächst, bis Faina plötzlich schwanger und verschuldet wieder vor Philipps Tür steht. Der lebt jetzt in einem Loft und hat eine Freundin. Doch da Sex sowieso nicht Philipps Sache ist, gibt er dieser während eines gemeinsamen Urlaubs den Laufpass und Faina darf statt dessen bei ihm einziehen.

Zwei ziemlich beste Freunde in einer 2er WG: die perfekte Konstellation, könnte man meinen ...

Der Roman hat es in sich. Auf leisen Sohlen naht das Verhängnis. Klar streitet man sich schon mal und natürlich ist ein Zusammenleben von zwei so verschiedenen Charakteren herausfordernd, aber geht uns das nicht allen so? Was aber, wenn einer die Regeln macht und der andere lügen muss, um Konflikten aus dem Weg zu gehen? Was, wenn Grenzen überschritten werden und die Beziehung/Freundschafft zur Obssession ausartet?

Lara Lux zeigt es uns. Das kann sie ganz wunderbar, ohne auschweifende Erklärungen, und man merkt dem Buch an, dass sie sich in diversen "Verhältnissen" auskennt. Sowohl Philipps familiärer Hintergrund als auch Fainas Familie sind höchst authentisch dargestellt. Die ganze Berliner Szene ... herrlich! Selbst über Philipps Beobachtungen und Bemerkungen musste ich teilweise echt lachen.

Bis dann ....

Aber das sollte jede(r) selber lesen. Ich fand das Buch zwar teilweise extrem, aber auch glaubwürdig. Eigentlich hätte man es wissen müssen, wird man später bei so einem Paar vielleicht sagen. Nur kann man den Leuten eben nicht in die Köpfe schauen. In diesem Roman aber kann man es und das ist wirklich ganz große Kunst, finde ich.