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Barbara
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Remscheid

Bewertungen

Insgesamt 229 Bewertungen
Bewertung vom 27.11.2025
Beyer, Martin

Elf ist eine gerade Zahl


sehr gut

Dieses Buch von Martin Beyer lässt mich sehr zweigespalten zurück. Einerseits die Geschichte von Katja und ihrer 14jährigen Tochter Paula, bei der nach einer überstandenen Krebserkrankung eine Metastase entdeckt wird. Im Mittelpunkt steht hier die Mutter und wie sie mit der Situation umgeht und fertig wird. Aber genau das beschreibt der Autor hier, kann man mit so einer Situation überhaupt fertig werden? Katja jedenfalls durchlebt viele Phasen zwischen Zuversicht und Verzweiflung, kann nicht schlafen, nicht essen, nur irgendwie funktionieren. Sie stößt Freunde und Familie vor den Kopf, möchte ihre Nähe und kann sie doch nicht wirklich ertragen. All das beschreibt der Autor mit so viel Empathie dass man schon ahnt, was er in seiner Danksagung am Ende ausdrückt: er hat eigene Erfahrungen mit dem Thema gemacht und mit diesem Buch auch versucht, sie zu verarbeiten anstatt sie zu verdrängen. Während des Lesens habe ich oft gedacht: genauso kann ich mir vorstellen, wie sich eine Mutter in dieser Situation fühlt. Und ja, sie hat das Recht, sich so ambivalent zu verhalten. Und Hut ab für die Kraft, die Katja hier aufbringt und wieviel sie als Mutter aushalten muss und deshalb auch kann. Für diesen Teil des Buches hätte ich alleine 5 Sterne vergeben.
Andererseits nun die Geschichte, die Katja ihrer Tochter erzählt, um wieder eine Verbindung zu ihr zu finden. Die Idee an sich ist kreativ und liebevoll und vor allem funktioniert sie. Doch die Geschichte selber nimmt mir im gesamten Buch zu viel Raum ein. Ich habe einen Roman über ein schwieriges Thema erwartet und zur Hälfte auch bekommen, die phantasievolle Erzählung aus TausendundeinerNacht ( mir gefiel hier die Anspielung am Ende auf Tausendundein Dank sehr ) war am Anfang zwar spannend und man versucht natürlich, den tieferen Sinn dahinter zu sehen. Aber zunehmend möchte ich mehr von Katja und Paula erfahren und weniger von Pola und dem Fuchs. Auch gefällt mir der Schreibstil zur erlebten Situation viel besser, er ist pointiert, manchmal fast humorig und beinhaltet mitunter interessante Worte ( "...sie bleibt weitgehend trocken, dabei wäre es nicht verkehrt, so richtig durchgeregnet zu werden." S. 301) Die Geschichte selber ist ganz schön hart, aber genau das braucht Paula, sie möchte nicht immer nur weich gespült und beschützt werden.
Der Titel und das Cover gefallen mir beide ausgesprochen gut. Der Fuchs als emotionaler Begleiter in Form eines schon fast ausrangierten Kuscheltiers gibt auch der Geschichte einen Rahmen und darf hier optisch nicht fehlen. Und mit der Kraft des Willens, der Hoffnung und des Kämpfens, könnte auch 11 eine gerade Zahl sein.
Ein Buch, dass mich auf jeden Fall beeindruckt und nachdenklich gemacht hat - zumindest zur Hälfte.

Bewertung vom 18.11.2025
Henn, Carsten Sebastian

Sonnenaufgang Nr. 5


sehr gut

Der 19jährige Jonas reist ans Meer, um die Autobiografie der exzentrischen Filmdiva Stella Dor zu verfassen. Dabei flüchtet er aus seinem eigenen Leben und findet Menschen, die auf ihre ganz individuelle Weise in ihren Erinnerungen leben.
In Sonnenaufgang Nr. 5 erzählt Carsten Henn von vielen verschiedenen Charakteren, die sich unterschiedlich mit ihrer Vergangenheit auseinander setzen. Allen voran Stella, die sich eine eigene Welt aus Glamour und Ruhm erschaffen hat, um die belastenden Dinge zu übertünchen. Doch was ist Fiktion und was Realität? Interessant zu lesen, wo die Schauspielerin endet und der Mensch Stella hervorkommt. Auch Jonas hat sein Päckchen an Erinnerungen zu tragen, was vor allem mit seiner früh verstorbenen Mutter zu tun hat. Die zarten Bande, die er mit Nessa knüpft, sind belastete von der eigenen Verunsicherung und dem Erlebten der jungen Frau.
Es sind zahlreiche Charaktere, die Henn hier in seinem Roman darstellt, bei denen sich Menschen mit ihren Erinnerungen auseinander setzen: Da ist Paul, der zunehmend dement wird und sich den Namen seines Hundes nicht mehr merken kann; Geraldo, der früher mal Lehrer war und jetzt nur noch Sonnenuntergänge malt; Bentje, die an der Bushaltestelle sitzt um die Stimme ihres verstorbenen Mannes als Bandansage zu hören.
Dieses Buch könnte traurig und schon fast ein bisschen schwermütig machen bei den Themen, die Henn hier alle anspricht: Trauer, Verlust, Einsamkeit, Verlust der eigenen Identität und Verdrängung von Ereignissen. Doch mit seinem philosophischen Ansatz und seinen humorigen Darstellungen kommt dieser Roman federleicht daher, auch wenn für meinen Geschmack der Autor manchmal ein bisschen zu weit über das Ziel hinaus schießt. "Lebe jeden Tag als wäre es dein letzter" ist doch sehr abgedroschen, allerdings gibt es ein sehr schönes Zitat, das in meinen Augen den vorherrschenden Ton in diesem Roman wiedergibt: "Der Kopf weiß das, aber das Herz ist dumm. Es ist kurzsichtig, launisch und unzuverlässig. Und trotzdem ist es der Chef im Laden." (S.140)
Wer Bücher mit philosophischer Betrachtungsweise mag ist hier genau richtig, es ist leichte Unterhaltung und trotz des ernsten Themas ein Wohlfühlen-Roman.

Bewertung vom 10.11.2025
Dröscher, Daniela

Junge Frau mit Katze


gut

Ela hat ein schwieriges Verhältnis zu ihrem Körper, was auch unter anderem daran liegt, dass die Körperfülle ihrer Mutter immer Thema in der Familie war. Zwischen Promotion und Arbeit zerrieben hat sie verschiedene Symptome, die jedoch niemand vollständig zuordnen kann. Während ihr Körper sie zunehmend im Stich lässt fühlt sich Ela von den Ärzten nicht ernst genommen.
Beim Lesen schwankt man zwischen Hypochondrie und psycho-somatischen Beschwerden, oder ist Ela doch viel ernsthafter erkrankt und man tut ihr Unrecht? Auf jeden Fall kreist dieses Buch immer um ihre körperliche und damit auch geistige Verfassung. Was ich am Anfang sehr interessiert verfolgt habe wird allerdings im Laufe des Romans zunehmend ein bisschen langweilig. Auch die Beziehung zwischen Ela und ihrer Mutter, die alles andere als normal ist, wird stark vom Thema Gesundheit geprägt. Und so ist mir dieses Buch nicht vielschichtig genug, ich hätte mir da etwas mehr Vertiefung auch in andere Aspekte gewünscht. Dazu bleibt mir die Protagonistin eher fremd. Ich fand sie bis zum Schluß nicht besonders sympathisch, obwohl bei diesem Thema Mitgefühl doch eine große Rolle spielt.
Ich habe den Vorgängerroman von Daniela Dröscher nicht gelesen, kenne aber die Thematik und die sehr guten Kritiken. Wahrscheinlich ist deshalb diese Geschichte ein wenig enttäuschend für mich, auch wenn am Ende neben allen Symptomen und Arztbesuchen dann doch noch etwas passiert.
Der Schreibstil ist angenehm und gut zu lesen, viele Beschreibungen sind bildlich gut dargestellt.
Ich würde den Roman hauptsächlich Menschen empfehlen, die sich mit ihrem Körper intensiv auseinander setzen oder viele Erfahrungen im Gesundheitsbereich gemacht haben.

Bewertung vom 07.11.2025
Lillegraven, Ruth

Düsteres Tal


sehr gut

Es ist der letzte Teil einer Trilogie um Clara Lofthus und ich kann empfehlen, die beiden Vorgänger vorher gelesen zu haben. Auch wenn man zunächst gut in die Handlung hinein kommt und immer wieder Rückblicke erzählt werden fehlen doch im Laufe der Handlung einige Vorkenntnisse, die die Geschichte erst richtig abrunden.
Clara ist eine intelligente, zielstrebige und ehrgeizige Politikerin, die jedoch Zeit ihres Lebens unter dem frühen Tod des Bruders und dem Suizid des Vaters leidet. Auf ihrem kompromisslosen Weg zum Kindeswohl in der Bevölkerung ist sie bereit, wie auch schon in der Vergangenheit weit über die Grenzen des Legalen zu gehen.
Von Beginn an bleibt Clara mir unsympathisch, sie ist egoistisch und berechnenden. Auch Claras Verhalten gegenüber ihrem Mann und ihren Zwillings-Söhnen empfinde ich als sehr lieblos. Es ist spannend zu verfolgen, wie ein Journalist auf der Suche nach einem interessanten Podcast-Thema fast nebenbei auf ihre Verfehlungen in der Vergangenheit stößt. Die Jagd auf die aufsteigende Politikerin scheint zunächst völlig aus der Luft gegriffen, bis sich dann die Schlinge immer enger zieht.
Gut gefällt mir, dass in diesem Thriller einmal die Rollen vertauscht sind: die Frau arbeitet in der Politik und macht Karriere während ihr Mann Axel sich wie selbstverständlich um den Haushalt und die Kinder kümmert. Gerade am Anfang des Buches, als die Familie noch in Nairobi lebt, ist es witzig zu lesen, wie sich Axel mit den anderen besseren Hälften - natürlich alles Frauen - zum Tennis und Kaffeetrinken trifft. Ansonsten ist seine Figur für meinen Geschmack zu passiv, zu konfliktscheu und manchmal auch zu naiv. Am meisten leid tun mir die Zwillinge, die viel mehr in der Vergangenheit miterlebt haben als Clara vermutet und mit dem großen Ballast mehr schlecht als recht leben müssen.
Auch das relativ offene Ende hat mir gut gefallen, obwohl Ruth Lillegraven sich damit eine weitere Fortsetzung offen hält, was ich nach einer Ankündigung für eine Trilogie nicht logisch finde.
Ein spannender und sehr düsterer Thriller über menschliche Abgründe, den man am Besten in der richtigen Reihenfolge als Abschluss zur Trilogie lesen sollte.

Bewertung vom 07.11.2025
Luka, Saskia

Lass uns noch bleiben


sehr gut

Anna liebt Pflanzern mehr als Menschen, denn mit denen hat sie schlechtere Erfahrungen gemacht. Zurückgezogen lebt sie in Berlin, kümmert sich um ihren Pflanzenladen und hat nur Kontakt zu Henning, dem nerdigen Antiquariats-Besitzer nebenan. Bis Alex in Annas Leben tritt und langsam und leise ihr bisheriges Leben durcheinander bringt.
Saskia Luka beschreibt eine junge Frau, die von ihrer Liebe verlassen wurde und sich ganz zurückzieht aus dem geselligen Leben. Mitten in Berlin, der Hochburg der Party- und Kneipenszene, erlebt man Anna als zutiefst einsamen Menschen. Denn anders als es auf Social Media meist dargestellt wird gibt es in der Realität nicht nur die jungen Menschen, die immer schön, immer erfolgreich, immer in Partylaune sind. Interessant ist die Geschichte von Annas verflossener Liebe. Hier sieht man, was Fluchtmodus anstatt Kommunikation und Ehrlichkeit bei Menschen bewirken kann.
Wunderbar ist die Beschreibung von Henning, der als Eigenbrötler noch zurückgezogenen lebt als Anna, sich aber doch unterschwellig sorgt und kümmert. Und dann kommt Alex, der zwar auch sein Päckchen zu tragen hat, aber lebensbejahend und positiv ist. Und so bekommt dieser Roman, der recht schwermütig, fast schon depressiv beginnt, nach und nach einen immer leichteren Beiklang. Zu erleben, wie Henning aus seinem Schneckenhaus kommt, wie Anna ins gesellige Leben zurück findet und wie Alex mit seiner Umwelt kommuniziert ist nicht hektisch und klischeehaft, sondern einfühlsam und leise erzählt.
Dieser mit 190 Seiten relativ kurzer Roman kommt recht unspektakuläre daher, liest sich aber entspannt und locker. Der Schreibstil ist nicht unbedingt besonders anspruchsvoll, passt aber gut zum Erzähltempo und zur Geschichte.
Eine Empfehlung für alle, die beim Lesen eines Buches ein bisschen Hektik aus dem Alltag nehmen wollen und Liebesgeschichten auch mögen, wenn sie zurückgenommen und nicht übertrieben romantisch sind.

Bewertung vom 26.10.2025
Hausmann, Romy

Himmelerdenblau


ausgezeichnet

Romy Hausmann hat mal wieder einen Thriller geschrieben, der nicht nur sehr spannend ist, sondern auch menschliche Schicksale beleuchtet.
Die 16jährige Julie verschwindet aus dem Elternhaus, man befürchtet eine Entführung doch der Fall wurde nie aufgeklärt. Durch einen True-Crime-Podcast befassen sich zwei Journalisten mit allen Personen, die in der Vergangenheit betroffen und beschuldigt wurden.
Hausmann legt den Fokus vor allem auf die menschliche Seite der involvierten Personen. Einfühlsam beschreibt sie die Demenz von Julies Vater Theo aus seiner Sicht, seine kurzen klaren Momente aber vor allem die Aussetzer, die Gedächtnislücken und die gemischten Gefühle mitsamt seinen Ausbrüchen. So bekommt man als Leser den Blick auf die Gedankenwelt einer dementen Person und kann manche Reaktionen dadurch nachvollziehen. Auch das Leben von Julies Schwester Sophie nach dem Verschwinden ihrer Schwester ist interessant, die Abgründe, die sich für eine 14jährige auftun. Spannend bleibt bis zum Schluß, was mit Julie passiert ist und auch das Ende lässt einen berührt zurück.
Ein sehr empfehlenswerter Thriller, der auch ohne brutales Blutvergießen einen ungemeinen Sog ausübt und eine große Spannung aufrecht erhält.

Bewertung vom 20.10.2025
Fagan, Kate

Die drei Leben der Cate Kay


gut

Es ist zunächst die Geschichte der jungen Anne Marie (Annie) Callahan, die in einer Kleinstadt aufwächst und vom Leben als berühmte Schauspielerin träumt. Nach einer folgenschweren Entscheidung verlässt sie ihr altes Leben und wird zu Cass Ford, wobei sie es schafft, eineerfolgreiche Bestseller-Autorin zu werden. Dieses Buch veröffentlicht sie unter dem Pseudonym Cate Kay, um in der Öffentlichkeit unerkannt zu bleiben.
Kate Fagan lässt in ihrem Debütroman ihre Protagonistin gleich in drei verschiedene Figuren schlüpfen und diese in kurzen Kapiteln selber zu Wort kommen.
Am besten gefällt mir die Geschichte von Annie, ihr Heranwachsen, die Beziehung zu ihrer besten Freundin und der Erlebnisse, die zu ihrer Flucht als Cass Ford geführt haben. Es geht um viele Themen, um Freundschaft und Liebe, um Vertrauen und Verrat, um Ruhm und Schuld. Dabei bleibt mir Annie/Cass/Cate jedoch immer ein wenig fremd und ich kann mich nicht wirklich in sie hinein versetzen. Auch ist sie kein sehr sympathischer Mensch, vor allem nicht als Cass oder Cate. Ab der Mitte fand ich den Schreibstil mit dem raschen Wechsel der Perspektiven manchmal etwas verwirrend und zunehmend ermüdend. Ich hätte mir gewünscht, der Protagonistin näher zu kommen und mich besser mit ihr zu identifizieren, habe aber keinen wirklichen Zugang zu dieser Person gefunden.
Es baut sich zwischenzeitlich auch ein bisschen Spannung auf, denn natürlich ist es nicht immer leicht, mit drei verschiedenen Identitäten zu leben. Hier wird das Thema Vertrauen zu einem elementaren Element, doch wem kann man in Annies Situation wirklich trauen?
So bleibt es ein Buch, dass für mich ein gutes Thema mit großem Potenzial hat, mich aber nicht ganz überzeugen konnte. Die Themen sind vielfältig und durchaus interessant. Der Roman liefert eine gute Unterhaltung vor allem für junge Leute, bleibt mir aber nicht lange im Gedächtnis erhalten.

Bewertung vom 20.10.2025
Lalami, Laila

Das Dream Hotel


sehr gut

Als Sara am Flughafen in LA bei der Einreise in Präventivhaft genommen wird muss sie erkennen, dass es nicht so einfach ist wie zunächst gedacht, ihre Unschuld zu beweisen. Denn als belastendes Material werden ihre Träume ausgewertet und die hat Sara nicht wirklich unter Kontrolle. Und so beginnt Saras Kampf gegen ein System, dass auf Kontrolle und Überwachung basiert und den Menschen Risikobewertungen zuordnet, um die Gesellschaft vor zukünftigen Straftätern zu schützen.
Es ist eine düstere Dystopie die Laila Lalami hier beschreibt. Wobei sich beim Lesen herausstellt, dass viele aktuelle Themen angesprochen werden, auch wenn die Realität zum Glück noch nicht ganz so erschreckend aussieht. Aber gerade wird in den USA unter Trump die Meinungsfreiheit und Pressefreiheit eingeschränkt und Einträge in Sozialen Medien gegen die Menschen verwendet. Außerdem beschreibt Sara Hussein, wie häufig sie allein auf Grund ihres Namens unter verschärften und willkürlichen Kontrollen leiden musste, was ja auch in Deutschland zunehmend von Menschen mit ausländischen Namen thematisiert wird. Auch wenn es noch keinen Dreamsaver gibt wie im Buch so ist doch durchaus der Gedanke, dass man mit Hilfe eines Implantats den Schlaf optimiert regulieren kann, für viele vielleicht sogar schon eine erstrebenswerte Erfindung. Lalami allerdings schildert die Gefahren in ihrem spannenden Roman, der an George Orwells 1984 oder den Minority Report erinnert.
Saras Geschichte wird nicht chronologisch erzählt sondern startet direkt im Einbehaltungszentrum, was mir den Einstieg in die Geschichte etwas erschwert hat. Erst nach und nach werden in Rückblicken die Geschehnisse erzählt, die zu ihrer Inhaftierung geführt haben. Mit zunehmender Abscheu verfolgt man die Willkür der Aufseher, die Erniedrigungen, die Geschäftsinteressen der Verantwortlichen und das Schicksal der Frauen. Hier geht es auch um soziale und psychologische Aspekte, um Menschenwürde und schließlich um Zusammenhalt und Mut. Erschreckt hat mich das Fehlen jedes Aufbegehrens von Seiten der Familien und Freunden der Betroffenen, hier überwiegt eher eine abgestumpfte Akzeptanz gegenüber dem fragwürdigen System. Die eingestreuten Texte über Mail-Verkehr, Auszüge von Dreamsaver und Protokolle von Safe-X unterstreichen gekonnt die Absurdität der Einbehaltung von Menschen mit hoher Risikobewertung.
Das Ende erschien mir ein wenig abrupt, da hätte ich mir noch etwas mehr Vertiefung gewünscht.
Ich bin meist kein Freund von Science Fiction, aber dieses Buch hat mich zum Nachdenken angeregt und bleibt mir thematisch länger im Gedächtnis. Eine Kombination aus Spannung und düsterer Zukunftsvision, die man auch Lesern empfehlen kann, die sonst nicht so auf dieses Genre stehen.

Bewertung vom 08.10.2025
Visite

Gesund mit Visite - Arthrose


ausgezeichnet

Als erstes fällt bei der Lektüre dieses Buches auf, dass es leicht verständlich ist und nicht so umfangreich, dass man keine Lust hat, bis zum Ende dranzubleiben. Die Erklärungen zu den Gelenken und den Vorgängen, die zu einer Arthrose führen, sind gut aufgebaut und haben immer den Unterton: positiv denken, Sie können etwas dafür tun, dass es Ihnen besser geht. Da Arthrose fast jeden Menschen irgendwann betrifft, macht die Aufklärung darüber Sinn zur Unterstützung, für betreuende Personen oder aber als Vorbeugung im Alter. Die vorgestellten Rezepte sind meist bodenständig, haben aber durchaus einen modernen Touch. Allen ist gemeinsam, dass sie leicht nachzukochen sind und nicht übertrieben viele Zutaten benötigen. Der Übungsteil ist gut verständlich mit schematischen Bildern dargestellt, hier gefällt mir, dass es sowohl Anregung für eine intensivere als auch eine einfachere Variante gibt. So holt man die Menschen unterschiedlichen Alters und Arthroszustandes gleichzeitig ab. Auch der Verweis auf oftmals vom Arzt verpönte alte Hausmittel fällt mir positiv auf, es muss eben nicht immer die Tablette vom Arzt sein.
Ein leicht verständlich Buch zu allem Wissenswerten rund um das Thema Arthrose, Rezepten für ein gesunde Ernährung und Anleitungen zu Übungen. Ein Sachbuch, das mit vielen Vorurteilen aufräumt und vor allem an jeden Betroffenen appelliert, Verantwortung für sich und seine Erkrankung zu übernehmen Und sein Leben mit Arthrose zu verbessern. Und diesen Appell so positiv rüber bringt, dass man gleich mit der Umstellung auf einen gesünderen Umgang mit seinen Gelenken beginnen möchte.

Bewertung vom 08.10.2025
Specht, Heike

Die Frau der Stunde


gut

Es sind drei Freundinnen aus Internats-Zeiten, die man in diesem Buch durch die Zeit Ende der 1970er Jahre in Deutschland begleitet: Catharina Cornelius ist eine versierte Politikerin und wird völlig überraschend Außenministerin und Vizekanzlerin. Die politische Altherren-Riege in Bonn ist überrascht und entsetzt, gehören Frauen doch Ende der 70er Jahre an den heimischen Herd. Und so schlägt Catharina viel Häme und Beleidigendes entgegen, allerdings weiß sie sich mit Hilfe einiger weniger Frauen zu helfen und zu behaupten. Eine davon ist ihre Freundin Suzanne, als einzige der drei Freundinnen verheiratet und Mutter von drei Kindern. Als Journalistin muss sie unregelmäßige Arbeitszeiten bewältigen und hat den für die damalige Zeit seltenen Rückhalt von ihrem Mann. Die Dritte ist die Iranerin Azadeh, eine Regisseurin von feministischen und politischen Dokumentarfilmen. Als der Schah ins Exil geht möchte sie den Umbruch in ihrem Heimatland hautnah miterleben.

Heike Specht gelingt es hervorragend, das Bild der Bundesrepublik und des politischen Alltags in Bonn darzustellen. Mit Catharina mischt sie die Riege der alten weißen Männer gehörig auf. Erschreckend zu lesen, wie viel Herablassung Frauen damals entgegenschlug und doch glaube ich jedes Wort davon. Parallel zur Politik in Deutschland wird mit Azadeh der Sturz des Schahs und die Wiedereinsetzung des Ayatollah Khomeini thematisiert. Mit dem Wissen von heute war die Teheranerin aus gutem Haus geradezu naiv zu glauben, dass nun eine bessere Zeit für die Frauen in ihrer Heimat anbrechen würde. Und zuletzt gibt es Suzanne, die als Journalistin ebenfalls viele Einblicke in den politischen deutschen Alltag hat. An ihrem Beispiel liest man, wie schwer es Frauen damals hatten, Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen.
Es sind unglaublich viele Nebencharaktere, die für mich leider das Buch an manchen Stellen etwas langatmig machen. Hier wäre weniger deutlich besser gewesen, zumal einige Personen für die Handlung nicht wichtig waren. Die Zeit Ende der 70er in Deutschland wird mit unendlich vielen Details heraufbeschworen, man trank noch Bärenmarke im Filterkaffee, rauchte Ernte 23, aß Bahlsen-Kekse, trank Dujardin und die Pril-Blumen am Küchenschrank durften nicht fehlen. Manchmal hat mich die andauernden Aufzählungen jedoch ermüdet und ein bisschen gelangweilt. Auch das Ende hat mich ein bisschen enttäuscht. Alle Erzählstränge sind ohne Abschluss geblieben, fast abrupt kommt dieses Buch zum Ende. Da hätte ich mir einen etwas runderen Abschluss an allen Fronten gewünscht, auch wenn hier ein offenes Ende durchaus Sinn macht. Gut gefiel mir die Darstellung der Frauenbündnisse, die sich überall da schmieden, wo Männer ihre Dominanz und vermeintliche Überlegenheit ausspielen.
Ein Buch, das den politischen Zeitgeist in der BRD Ende der 1970er Jahr sehr gut wieder gibt und gleichzeitig die feministischen Strömungen und die Weltpolitik der damaligen Zeit thematisiert. Leichte Schwächen lassen dennoch eine gute Unterhaltung zu diesen interessanten Themen zu.