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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Barbara
Wohnort: 
Remscheid

Bewertungen

Insgesamt 177 Bewertungen
Bewertung vom 18.12.2024
Only Margo
Thorpe, Rufi

Only Margo


sehr gut

Als Margo mit 19 von ihrem College-Professor schwanger wird und sich entscheidet, das Kind zu behalten, ändert sich ihr Leben von Grund auf. Sie liebt ihren Sohn Bodhy abgöttisch, aber es fehlt ihr an Geld und an Unterstützung von außen. Bis Margo eine Idee hat, die ihr jedoch viel abverlangt und sie selber immer wieder zweifeln lässt.
Rufi Thorpe gelingt es, mit viel Humor die Geschichte von Margo zu erzählen und deren Beruf als Sex-Arbeiterin vor der Kamera völlig normal und unaufgeregt darzustellen. Nachvollziehen kann ich tatsächlich besser die Reaktion von Margos Mutter und einer Schulfreundin, die diese Tätigkeit ablehnen und sich für Margo schämen. Ungewöhnlich dagegen die Rolle von Margos Vater, der sich Zeit seines Lebens nie um seine Tochter gekümmert hat, nun aber als Retter in der Not gerade rechtzeitig auf der Matte steht. Überrascht bin ich, dass dieser Roman ausgerechnet in den eher verklemmten USA spielt. Ich bewundere die Autorin dafür, mit welcher Lockerheit und Selbstverständlichkeit sie über Dick-Pics, Dick-Ratings und das Drehen von Filmen einer Sex-Arbeiterin schreibt, ohne dass dieser Roman dadurch zum Soft-Porno oder sexistisch wird. Hier geht es im Wesentlichen um eine junge Frau, die von ihrem Professor ausgenutzt wurde und nun zusieht, wie sie als alleinerziehende junge Mutter zurecht kommt. Und das kommt sie, trotz ihrer etwas anderen Marketing-Idee und dabei ist sie eine sehr liebevolle und fürsorgliche Mutter. Der Sorgerechtsstreit, die finanziellen Probleme, die emotionalen Schwierigkeiten mit beiden Elternteilen, der Stress einer alleinerziehenden Mutter und die ungewisse berufliche Zukunft sind alles Themen, die in diesem Roman angesprochen werden.
Nebenher erfährt man durch den Beruf von Margos Vater viel über Wrestling, das ist nicht uninteressant und mal eine ausgefallene Sportart.
Ein Roman, der modern und jung ist und die Arbeit als Sex-Arbeiterin im weitesten Sinne als ganz normal darstellt. Er räumt mit Vorurteilen auf und gibt den Leser*innen das Gefühl, Margos Job ist ein Beruf wie jeder andere auch, er macht ihr Spaß und sie ist gut darin.

Bewertung vom 04.12.2024
Not your Darling
Blake, Katherine

Not your Darling


sehr gut

Margaret wird auf ihrer erschwindelten Reise in die USA schnell klar, dass sie es in einer männerdominierten Welt als junge und ein bisschen naive Engländerin nicht leicht hat. Als Loretta Darling lernt sie, wie wichtig Freundschaften sind und wie gefährlich das Leben um 1950 als Frau im aufstrebenden Filmgeschäft sein kann. Doch mit einer gehörigen Portion Mut und einer Menge Frechheit erkämpft sie sich ihren Traum, auch wenn sie dabei manchmal Grenzen überschreiten muss.

Spritzig erzählt hier Katherine Blake von dem Traum einer jungen Frau, Maskenbildnerin zu werden und dafür alles zu riskieren. Beim Lesen drängt sich schnell der Gedanke an die #MeToo-Bewegung auf, die die Vorkommnisse in der Filmbranche ans Licht gebracht hat. Genau mit solche Situationen wird Loretta konfrontiert, in diesem Roman durchlebt man die Macht von Männern zur damaligen Zeit noch einmal so richtig. Wunderbar beschrieben die zickigen Allüren der Filmstars - überhaupt gelingt es der Autorin hervorragend, die Leser*innen in das Milieu von Los Angeles um 1950 zu versetzen.
Ein heiterer und witziger Roman, der jedoch durchaus auch ein paar ernste Untertöne hat. Lorettas Erlebnisse in der Heimat vor ihrem Aufbruch in die USA zählen dazu, die Freundschaft zu der Prostituierten Primrose oder die Fassade, die Lorettas Chef Petraś sich aufbauen musste, um in Hollywood bestehen zu können. Überhaupt sind es die vielen Charaktere, die Blake hier beschreibt, die zusammen mit Loretta Darling diese abenteuerliche Geschichte erleben und in Wirklichkeit ganz anders sind, als es vordergründig den Anschein hat. Zum Beispiel Lorettas Mann Raphael, der sich als egoistischer Mistkerl entpuppt oder die angsteinflössende alternde Schauspielerin Sally, die als herrische Diva auftritt, um ihre Ängste und Alkoholsucht zu kaschieren. Sie alle tragen diese Geschichte von Loretta mit, die es faustdick hinter den Ohren hat.
Ein leichter Roman, der mit einem Stück Zeitgeschichte gut unterhält, wenn man sich auf das Thema einlässt. Von mir eher eine Empfehlung für Frauen.

Bewertung vom 27.11.2024
Der König
Nesbø, Jo

Der König


sehr gut

Die Brüder Carl und Roy Opgard leiten die Geschicke in dem kleinen Ort Os inmitten der gewaltigen Natur Norwegens. Ihre gemeinsame bewegte Vergangenheit lässt sie auch diesmal wieder eine zweifelhafte Initiative ergreifen, als ihre Träume vom Hotelausbau und dem Bau eines Vergnügungsparks bedroht werden. Ihre Erlebnisse schweißen sie zugleich zusammen und machen sie zu erbitterten Gegnern um den Kampf des Königsthrons.
Jo Nesbø ist es mit der Fortsetzung des Romans "Ihr Königreich" gelungen, die Geschichte der Brüder Roy und Carl spannend und erlebnisreich zum Ende zu bringen. Dabei muss man den ersten Teil nicht unbedingt gelesen haben, um dieses Buch zu verstehen. Die Begebenheiten aus der Vergangenheit der Familie Opgard werden hinreichend beschrieben und führen zu immer neuen Machtspielen der beiden Brüder. Erzählt aus der Perspektive von Roy ist er es, mit dem man leidet und hofft und bangt, obwohl seine Skrupellosigkeit und seine Bereitschaft zur Gewalt ihn nicht unbedingt zum Sympathieträger machen.
Dieser Krimi lebt weniger von seiner Spannung um einen aufzuklärenden Mord als vielmehr von seinen Charakterstudien. Es geht neben den Brüdern auch um die Menschen in dem kleinen Ort Os, ihre Geheimnisse, Intrigen, Ängste und Vorlieben. Hier wird gemauschelt und betrogen, hintergangen und getratscht, werden eigene Interessen verfolgt und Beziehungen ausgenutzt. Vor der eindrücklich beschriebenen Kulisse der norwegischen Natur erlebt man den Kampf der ungleichen Brüder mit allen Höhenflügen und Tiefschlägen.
In der ersten Hälfte ist die Geschichte noch etwas zäh, nimmt dann jedoch immer mehr Fahrt auf. Nesbø schafft es in der zweiten Hälfte immer wieder, mit einer unvorhergesehenen Wendung die Spannung zu steigern und eine Geschichte zu erzählen, die gleichzeitig von Liebe und Hass handelt.
Das Cover ist durch das Gold sehr auffällig gestaltet, es wundert mich aber, dass es optisch nicht besser zum ersten Teil passt. Wahrscheinlich ist das jedoch bewusst so gewählt, um nicht nur die Leser vom "Königreich" anzusprechen.
Eine Empfehlung für Krimi-Freunde, die mehr als eine Mordermittlung zu schätzen wissen.

Bewertung vom 03.11.2024
Wintersonnenwende / Wolf und Berg ermitteln Bd.2
Engman, Pascal;Selåker, Johannes

Wintersonnenwende / Wolf und Berg ermitteln Bd.2


gut

Es ist der zweite Band des Autoren-Duos über den Kommissar Tomas Wolf und die Journalistin Vera Berg. Die beiden ermitteln zunächst unabhängig voneinander, es geht um zwei bestialische Morde, um Prostitution und schlafende Agenten, das Ganze vor dem historischen Untergang der Fähre Estonia.
Die Themen sind eine brisante Mischung für einen spannenden Krimi, der im frostigen und tief verschneiten Schweden spielt. Leider konnte mich dieses Buch, das optisch sehr ansprechend aufgemacht ist, nicht ganz überzeugen. Das liegt zum Einen an den Charakteren, mit denen ich allen nicht wirklich warm geworden bin. Tomas Wolf ist ein völlig kaputter Mensch, er leidet unter einer posttraumatischen Belastungsstörung, hat Selbstmordgedanken und schwankt ständig zwischen seinem Gewissen und seiner Abgestumpftheit. Vera Berg ist eine Einzelkämpferin, hat die Kollegen gegen sich und ein Verhältnis mit dem Chef. Sie verhält sich nicht gerade mütterlich ihrem Ziehsohn Sigge gegenüber, ist scheinbar völlig unberührt von den Geschehnissen im Rotlichmilieu und nur hinter einer Erfolgsstory her. Alle Personen sind düster, Kollege Zingo verschwindet immer wieder um in Alkoholexzesse abzutauchen, keiner ist ein Teamplayer oder auch nur wirklich sympathisch. Schrecklich lesen sich die Szenen der Prostituierten, es ist schonungslos dargestellter Alltag und totaler Absturz brutal formuliert. Außerdem stören mich die vielen Anspielungen auf den ersten Teil, die diesen Krimi ohne dessen Kenntnis nicht wirklich zum Leseerlebnis machen. Auch das offene Ende kann mich nicht locken, dem dritten Teil entgegen zu fiebern.
Eine Empfehlung nur für hartgesottene Krimi-Fans, die auch den ersten Teil um Wolf und Berg gelesen haben.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.11.2024
Drei kleine Handschuhe
Bailey, Linda

Drei kleine Handschuhe


sehr gut

Am Beispiel von Handschuhen beschreibt Linda Bailey, wie unschön es sich anfühlt, wenn man ausgegrenzt wird. Sehr niedlich schon in der Namensgebung geht es um Pünktchen und Streifi, die als Paar stark sind und gebraucht werden, während ein Einzelexemplar überflüssig ist. Doch schnell kommt es im Leben anders als man denkt, manchmal wird aus einem Einzelnen ein Paar oder aus einem Paar plötzlich ein Einzelner. Aber auch ein Einzelner ist wichtig und etwas ganz besonderes. Diese Botschaft vermittelt die Autorin kindgerecht und für 4jährige gut nachvollziehbar. Sehr hübsch illustriert wird diese lehrreiche Geschichte von Natalia Shaloshvili durch eher etwas schematischen Darstellungen mit etwas ausgefransten Rändern. Dabei nehmen die Illustrationen den überwiegenden Teil der Buchseiten ein, hier wird also der Fokus sehr stark auf die Bilder gelegt. Das Buch ist relativ großformatig, kann also auch gut vor Gruppen - zum Beispiel im Kindergarten - gelesen werden.
Eine nette Idee für eine wichtige Botschaft, sehr hübsch und ausgefallen für ein Kinderbuch illustriert.

Bewertung vom 28.10.2024
Wenn nachts die Kampfhunde spazieren gehen
Brüggemann, Anna

Wenn nachts die Kampfhunde spazieren gehen


ausgezeichnet

Ein Roman über die Liebe zwischen Müttern und Töchtern, über Erwartungen, Hoffnungen, Enttäuschungen und den Schwierigkeiten im Umgang miteinander.

Regina ist Psychologin mit eigener Praxis, mit einem mehr geduldet als geliebten Ehemann und zwei Töchtern, die unterschiedlicher nicht sein können: Antonia ist ihre immerwährende Enttäuschung, unsportlich, ohne großen Ehrgeiz, still, durchschnittlich. Wanda hingegen ist ihr Liebling, sie ist eloquent, sportlich, beliebt und zielstrebig. Immer wieder prallen Reginas Erwartungen an ihre Töchter mit deren Versuch zusammen, der Mutter gerecht zu werden.
Von 1998 an begleiten wir in diesem Buch die drei Frauen durch ihr Leben, wobei sich Regina bis zum Schluß absolut treu bleibt. Sie ist extrem ich-bezogen, fühlte sich schon in ihrer Kindheit nicht genug von den Eltern unterstützt. Kein Mensch kann ihr gefühlt wirklich das Wasser reichen, ihr Ehemann Sven ist langweilig, erfolgreichere Frauen als sie hatten bessere Chancen, sie erteilt Ratschläge, ist gehässig, ungerecht, fordernd und immer im Recht. Sie fühlt sich als gute Mutter, übersieht dabei die Magersucht von Wanda und ihre Gehässigkeit Antonia gegenüber. Man liest sich durch die Jahre ihres Lebens und fragt sich fassungslos, wie eine Mutter dauerhaft so blind für die Bedürfnisse ihrer Töchter sein kann.
Antonia macht im Laufe der Jahre eine große Veränderung durch. An die Kritik ihrer Mutter gewöhnt schafft sie es trotzdem, sich ein eigenes Leben aufzubauen. Sie versucht bei ihrer eigenen Tochter alles besser zu machen und mit Erleichterung verfolgt man, dass dieses Konzept bei Celina aufgeht. Obwohl sie sehr unter der Missachtung ihrer Mutter und der vermeintlichen Perfektion ihrer Schwester leidet, versucht sie doch immer, deren Anerkennung und Liebe zu erlangen.
Wanda hingegen ist zwar Reginas Lieblingstochter, das fordert jedoch einen hohen Preis von ihr. Der ständige Druck ihrer Mutter zu gefallen verursacht eine Essstörung und eine Getriebenheit nach Erfolg, die fast zerstörerisch wirkt.
Am meisten hat es mich getroffen, dass die beiden Schwestern auch nie an einem Strang ziehen und sich gemeinsam gegen die Mutter durchsetzen. Beide haben das Gefühl, die Schwester hätte es leichter und weniger mütterlichen Druck auszuhalten. Der Vergleich mit den Kampfhunden im Titel ist hart aber hier gar nicht verkehrt.

Ein großartiger Roman, der mich sehr berührt und in seinen Bann gezogen hat. Anna Brüggemann kannte ich bis jetzt nur als Schauspielerin, bin aber nach dieser Lektüre von ihr als Autorin absolut überzeugt. Ein intensives Leseerlebnis, vor allem von mir zu empfehlen für Mütter und Töchter.

Bewertung vom 14.10.2024
Die Mitford Schwestern / Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte Bd.6
Benedict, Marie

Die Mitford Schwestern / Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte Bd.6


sehr gut

Sie kommen aus gutem englischen Hause und sind so unterschiedlich wie man nur sein kann: die 6 Mitford-Schwestern folgen ihren zum Teil sehr unterschiedlichen Ideologien in der Zeit zwischen den Weltkriegen und dem Erstarken des Faschismus in England und dem Nationalsozialismus in Deutschland.
Vor allem die schöne und brillante Diana zieht viel Aufmerksamkeit auf sich durch eine Scheidung und die Ehe mit einem britischen Faschistenführer. Ihre Verehrung für Adolf Hitler teilt sie mit ihrer Schwester Unity, die schließlich ganz in den Bann des Führers gerät. Völlig unverständlich für deren Schwester Nancy, die als Schriftstellerin zunächst weniger politisch ist, sich jedoch auf die Seite gegen ihre Schwestern positioniert.
Es sind vor allem diese drei Charaktere, die ein Bild zeichnen von untereinander konkurrierenden Geschwistern, die auch ständig um die Aufmerksamkeit der Eltern buhlen. Und die von ihren zum Teil extremen politischen Ansichten gänzlich unterschiedliche Leben führen. Erschreckend zu lesen, in welchem Ausmaß die Verehrung von Adolf Hitler vor allem Unitys Leben beherrscht. Noch nie habe ich ein Buch gelesen, in dem so viel vermeintlich Positives über Hitlers Ausstrahlung geschrieben wurde, seine höfliche Art Frauen gegenüber. Das ist schon irgendwie befremdlich, auch wenn man von seinem Charisma und seiner Überzeugungskraft in der damaligen Zeit weiß.
Fasziniert hat mich vor allem das Dilemma, in das Nancy gerät. Ihre Loyalität gegenüber der Familie, ihr Neid auf den Kindersegen der schillernden Diana und ihre Abneigung gegenüber dem Faschismus und dem Nationalsozialismus bringt sie in eine schwierige Situation und verlangt schließlich eine folgenschwere Entscheidung von ihr. Sie ist die Schwester, die mir am meisten nahe geht in diesem Roman, auch weil ihre private Situation sehr schwierig ist und sie für mich eine große Stärke und Umsicht beweist.
Tatsächlich waren mir bis zu diesem Buch von Marie Benedict die Mitford-Schwestern und ihre Rolle zu Beginn des Nationalsozialismus gar nicht bekannt. Es ist eine gelungene Mischung aus historischem und politischem Roman mit ganz viel Frauenpower, sehr interessant und unterhaltsam. Ein paar kleine Längen zwischendurch seien verziehen.

Bewertung vom 08.10.2024
La Louisiane
Malye, Julia

La Louisiane


sehr gut

In La Lousiane von Julia Malye begleiten wir drei junge Frauen auf dem Weg aus der psychiatrischen Anstalt Salpêtrière in Paris nach Übersee in die französische Kolonie La Lousiane im Jahr 1720.
Charlotte kennt ihre Eltern nicht, sie wächst in der psychiatrischen Anstalt unter der Obhut der Schwestern auf. Geneviève musste in Armut ihre Heimat Provence verlassen, sie wird ungewollt schwanger und durch ihr eigenes Schicksal eine Engelmacherin. Pétronille stammt aus einem verarmten adeligen Haus. Zusammen mit anderen Frauen durchleben sie auf einem Schiff nach La Louisanne die Gefahren einer langen Reise. Dort angekommen werden sie mit den Männern der Kolonie verheiratet, um den Fortbestand zu sichern. Die drei Freundinnen erleben viele Höhen und Tiefen, müssen sich den neuen Gegebenheiten anpassen, ihren Ehemännern unterordnen und ihre eigenen Gefühle verdrängen.
14 Jahre im Leben der drei Frauen beschreibt Malye in ihrem gut recherchierten historischen Roman, wobei man als Leser*in alle Höhen und Tiefen vor allem in der neuen Welt durchlebt: es kommt zu Kriegen mit den Ureinwohnern, zu Sklavenaufständen, es gibt wohlmeinende und prügelnde Ehemänner, immer wieder droht den Frauen Armut aus Rechtlosigkeit. Dazu die vielen Schwangerschaften, die die Körper an die Grenzen führen und Kinderlosigkeit, die den Weg ins Kloster führen.
Mit viel Feingefühl beschreibt die Autorin die starken Bande zwischen den Frauen, die für manche auch über eine Freundschaft hinaus gehen. Durch die wechselnden Kapitel aus der Sicht verschiedener Frauen baut sich eine intensive Beziehung zu allen drei Charakteren auf, kurze Zeitsprünge tun hier dem Erlebten keinen Abbruch.
Es ist ein interessantes, wenn auch brutales Kapitel der französischen Geschichte und Julia Malye gibt hier an Hand von drei Beispielen vielen Frauen ein Gesicht, die sich den Gegebenheiten anpassen mussten, um zu überleben. Die beschriebene Stärke, die Anpassungsfähigkeit und Kompromissbereitschaft der Frauen machen dieses Buch neben einem historischen auch zu einem feministischen Roman, der bei aller Dramatik und stellenweise auch Brutalität gut unterhält.
Eine Empfehlung für Freunde von historischen Romanen, vor allem jedoch für Frauen.

Bewertung vom 02.10.2024
Das große Spiel
Powers, Richard

Das große Spiel


ausgezeichnet

Es sind vier sehr unterschiedliche Charaktere, mit den Richard Powers eine ungemein komplexe Geschichte über ein großes Spiel beschreibt. Dabei geht es um vielfältige Themen wie KI, Naturschutz, technischer Fortschritt, Liebe und Freundschaft. Verbindendes Glied zwischen den Menschen und Themen ist dabei die winzige Pazifikinsel Makatea im Jahr 2027, hier beginnt und endet die Geschichte in einem großartigen Finale.
Besonders fasziniert hat mich die Geschichte um die Meeresforscherin Evie Beaulieu, die als erste Frau in diesem Beruf eine Vorreiterin ist und sich immer wieder entscheiden muss zwischen ihrer grenzenlosen Liebe zum Ozean und einem Leben als Ehefrau und Mutter. Hier enthüllt Powers so ganz nebenbei ein großes Wissen über die Meere und ihre Lebewesen, seine Beschreibungen der Tauchgänge und der Unterwasserwelt sind extrem anschaulich und intensiv.
Die Freunde Todd Keane und Rafi Young sind so unterschiedlich wie zwei junge Männer nur sein können. Rafi wird als schwarzer Junge in einfachen Verhältnissen geboren, jedoch von seinem Vater zu Höchstleistungen gedrillt. Seine große Liebe gilt der Literatur und der Lyrik im Besonderen, seine hohe Intelligenz und seine Begeisterung für strategische Spiel lässt ihn mit dem weißen Todd aus gehobenen Verhältnissen zusammentreffen. Dieser ist fasziniert von den ersten Computern, er wird Programmierer und verdient zuletzt Unsummen in der Computertechnologie. Es entwickelt sich eine Freundschaft, die geprägt ist von einer an Besessenheit grenzenden Begeisterung für Spiele aller Art, dem Drang zu gewinnen und besser zu sein als der andere.
Ina Aroita ist Künstlerin und erschafft mit dem auf Makatea angeschwemmten Plastikmüll eine Skulptur, die für die Verschmutzung der Meere und die Bedrohung der Tierwelt durch den Menschen steht.
Überhaupt ist diese kleine Insel im Gebiet Französisch-Polynesien der Schauplatz für alle Gegensätzlichkeiten. Die vor vielen Jahren von den Amerikanern ausgebeutete Insel soll der Ort werden für den ganz großen Fortschritt, ihre Bewohner sind Fischer und einfache Geschäftsleute, eine Handvoll Kinder, Rafi und Ina, die hochbetagte Evie, eine Königin. Hier kommen immer wieder die großen Fragen ins Spiel, die Natur gegen den Menschen, Erneuerung gegen Tradition, Vergangenheit und Zukunft.
Am Anfang hatte ich etwas Schwierigkeiten, in den Roman hinein zu finden. Die verschiedenen Schauplätze, die unterschiedlichen Erzählweisen der Charaktere und die Zeitsprünge erfordern hohe Konzentration. Doch je weiter die Geschichte sich entwickelt um so mehr gerät man als Leser*in in ihren Bann, verfolgt die geschickt sich entwickelnden Zusammenhänge der Personen und staunt über dieses ganz große Spiel, das Powers hier präsentiert. Der Schreibstil des Autors ist unglaublich schön und fesselnd, er bringt dem Leser seine Themen gekonnt und dabei unterhaltsam nahe und lässt eine schillernde und faszinierende Welt entstehen.
Eine unbedingte Empfehlung für Freunde von etwas anspruchsvollerer Literatur und herausragendem Schreibstil.

Bewertung vom 27.09.2024
Coco kann!
Harel, Maike

Coco kann!


ausgezeichnet

Es gibt so vieles, was Kinder nicht können, so wie die kleine Coco. Schnell ist sie dabei zu sagen: ich kann das nicht, ist ungeduldig beim Schleife binden, hat Angst an dem großen Hund vorbei zu gehen und ist zornig, weil sie die Uhr nicht lesen kann. Doch mit einer erzählten Geschichte und ein wenig Geduld, Übung und Überwindung wird Coco ein strahlendes Mädchen das ruft: Hurra, ich kann!
Mir gefällt diese Geschichte von Maike Harel, die das Selbstvertrauen stärkt und Mut macht auch deshalb gut, weil die kleine freche Coco am Ende den Spieß rumdreht und den Vater mit seinen eigenen Geschichten schlägt. Bei den liebevollen Illustrationen von Julia Christians liegt der Fokus vor allem auf der Mimik der eher schematisch gezeichneten Figuren. Ein nettes Beiwerk ist der kleine Vogel, der Coco in jeder Szene begleitet und den die Kinder beim Vorlesen zusätzlich auf jeder Seite suchen können. Zudem mag ich die Reimform, die für Kinder immer schön ins Ohr gehen und sich melodisch vorlesen lässt.
Ein schönes Buch als Anregung für das Selbstvertrauen der Kleinen, das sich sehr gut moduliert vorlesen lässt und damit auch Eltern und Kindern viel Spaß macht.