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bookloving
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Munich

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Insgesamt 19 Bewertungen
12
Bewertung vom 20.12.2024
Suche liebevollen Menschen
Borger, Julian

Suche liebevollen Menschen


ausgezeichnet

*Bewegende Spurensuche -eine Chronik des Überlebens und der Hoffnung*
Das Buch "Suche liebevollen Menschen: Mein Vater, sieben Kinder und ihre Flucht vor dem Holocaust" von Julian Borger, dem Leiter des Außenpolitik-Ressorts der britischen Zeitung »The Guardian«, ist ein tiefgründiges und sorgfältig recherchiertes Werk, das die erschütternden Schicksale jüdischer Kinder aus Wien während des Holocausts beleuchtet.
Borger, der lange Zeit mit unbeantworteten Fragen zu seiner Familiengeschichte lebte, begibt sich nach dem erschütternden und unerwarteten Suizid seines Vaters Robert im Jahr 1983 auf eine bewegende Spurensuche. Diese führt ihn nicht nur zu den Wurzeln seiner Familie, sondern enthüllt auch bislang unbekannte und verborgene Familiengeheimnisse. Seine umfangreiche Recherche entwickelt sich zu einer emotionalen Reise in die Vergangenheit, bei der Borger Schicht um Schicht die komplexe Geschichte seiner Familie aufdeckt und bisher unerzählte Kapitel im Leben seines Vaters und seiner Verwandten offenbart.
Ausgangspunkt für Borgers Buch bildet eine zufällig entdeckte Anzeigenspalte im Manchester Guardian vom 3. August 1938, in der verzweifelte jüdische Eltern aus Wien um Aufnahme für ihre Kinder in englischen Familien baten. Darunter ist auch eine kurze Annonce, in der Borgers weitsichtiger Großvater Leo nach einer "liebevollen Person" für seinen Sohn Robert suchte. So beginnt Borgers auf Basis der Kleinanzeigen seine fesselnden Nachforschungen nicht nur zur Geschichte seines eigenen Vaters, sondern auch zu sechs weiteren jüdischen Kindern aus Wien, die durch ähnlich verzweifelte Anzeigen vor der Verfolgung durch die Nazi-Diktatur in Sicherheit gebracht und vor dem sicheren Tod bewahrt werden sollten.
Borger gelingt es hervorragend, die persönliche Lebensgeschichte seines Vaters Robert mit den bewegenden Einzelschicksalen der anderen Flüchtlingskinder zu verknüpfen und dabei zugleich aufschlussreiche historische Aspekte des Holocausts zu beleuchten. Durch die geschickte Verflechtung von individuellen Erlebnissen mit bedeutsamen historischen Ereignissen schafft der Autor ein vielschichtiges Bild der damaligen Zeit. Die einfühlsame Schilderung der Einzelschicksale ermöglicht es, sich emotional mit den Betroffenen zu identifizieren und deren erschütternde Erfahrungen nachzuvollziehen.
Die besondere Stärke des Buches liegt in Borgers fundierter Recherche und seiner Fähigkeit, die emotionale Tiefe der geschilderten Erlebnisse zu vermitteln. Sein lebendiger, anschaulicher Schreibstil erleichtert den Zugang zu dem schwierigen und sehr aufwühlenden Thema. Vereinzelt lockern Schwarz-Weiß-Fotografien aus Familienarchiven den Text auf und verleihen den erzählten Geschichten eine zusätzliche Authentizität.
Detailliert und eindrucksvoll zeichnet Borger die unterschiedlichen Wege nach, die diese Kinder einschlugen, beschreibt die näheren Umstände ihrer Flucht, ihre Widerstandsfähigkeit und den ungebrochenen Überlebenswillen bei ihrer Anpassung an das neue Leben in der Fremde.
Borger führt uns anschaulich die langfristigen Auswirkungen der traumatischen Flucht und des Verlusts der Familie auf die Identität und das psychische Wohlbefinden der Geretteten vor Augen. Viele Betroffenen wählten den Weg der Verdrängung, um weiterleben zu können, was die Aufarbeitung der Traumata erschwerte.
Gleichzeitig ergründet Borger die subtilen Mechanismen des transgenerationalen Traumas, dessen Auswirkungen über Generationen hinweg bis in die Gegenwart reichen. Einfühlsam zeigt er auf, wie unterschiedlich die Betroffenen mit ihren Erlebnissen umgegangen sind. Er beleuchtet eingehend zudem die emotionalen Narben, die die Erfahrungen bei den Überlebenden und ihren Nachkommen hinterlassen haben. Eindrücklich streicht er heraus, wie schwierig bei vielen die Balance zwischen dem Erinnern und dem Weiterleben ist und wie problematisch ein Verharren in traumatischen Erinnerungen und deren vollständiger Verdrängung ist. Geschickt thematisiert er auch die verpassten Gelegenheiten, mit den Überlebenden über ihre Erfahrungen zu sprechen.
Für Borger selbst hat sich das Verfassen dieses Werkes zu einer vielschichtigen Erfahrung entwickelt, die weit über eine bloße Aufarbeitung der Vergangenheit hinausgeht und zu einer tiefgreifenden Reise des Verstehens seiner Familiengeschichte wurde. Somit ist Borgers Buch nicht nur eine bewegende Chronik des Überlebens, sondern auch eine lehrreiche Reflexion über die lebenslangen Auswirkungen von Trauma und Verlust auf die Überlebenden und ihre Familien. Zudem erinnert es eindringlich an die Kraft der Hoffnung und Menschlichkeit in Zeiten grauenvollen Leids und unvorstellbarer Grausamkeit.

FAZIT
Ein emotional berührendes, lehrreiches und historisch wertvolles Buch, das nur ein bewegendes Zeugnis persönlicher Schicksale ist, sondern auch eine eindringliche Mahnung an zukünftige Generationen aus der Geschichte zu lernen!
Ein wichtiger Beitrag zur Erinnerungskultur!

Bewertung vom 19.12.2024
Slow Gardening
Grindmayer, Elisabeth;Haßelbeck, Stephanie

Slow Gardening


ausgezeichnet

*Ein toller Wegweiser zur naturnahen Gartenkultur*
Das wundervolle, beim Kosmos-Verlag erschienene Buch "Slow Gardening: Unser Weg zum naturnahen Küchengarten" von Elisabeth Grindmayer und Stephanie Haßelbeck ist so viel mehr als nur ein gewöhnlicher Gartenratgeber mit ausführlichen Schritt-für-Schritt-Anleitungen – es ist vielmehr eine faszinierende Einführung ins „Achtsame Gärtnern“ und eine neue kreative Gartenkultur, die auf Nachhaltigkeit und Naturnähe setzt.
Die Schwestern Lisa und Steffi, auch bekannt als @farmmade_sisters, präsentieren mit ihrem Buch einen inspirierenden und praxisnahen Ratgeber für alle, die einen naturnahen Küchengarten anlegen und pflegen möchten.
Als Quereinsteigerinnen mit landwirtschaftlichen Wurzeln lassen sie uns sehr anschaulich an ihren Erfahrungen aus ihren Gärten in Bayern und Schweden teilhaben und stellen uns ihre persönliche Herangehensweise an nachhaltiges Gärtnern vor. Die sympathischen Autorinnen verstehen es hervorragend, eine beeindruckende Fülle an Informationen in einem gut strukturierten Format leicht verständlich und abwechslungsreich zu präsentieren. So deckt das Buch ein breites Spektrum an praxisorientierten Themen ab, die für das naturnahe Gärtnern relevant sind, und bietet dem interessierten Leser viele tolle Anregungen, interessantes Hintergrundwissen, nützliche Hinweise sowie Tipps für leckere Rezepte.
Im allgemeinen, einführenden Teil des Buchs stellen die Autorinnen ihre „Philosophie“ des Slow Gardening als ganzheitlichen Ansatz vor. Ihnen geht es vor allem um die Schaffung eines naturnahen, vielfältigen und bedürfnisorientierten Gartens mit einem besonderen Fokus auf Nachhaltigkeit, Selbstversorgung und bewusstes, tierfreundliches Gärtnern.
Die Autorinnen geben spannende Einblicke in ihre persönlichen Erfahrungen, ihre Erfolgserlebnisse, Lernprozesse und so manche Rückschläge, wo uns dazu ermutigt, selbst zu experimentieren, Erfahrungen zu sammeln und eigene eigene Wege im Garten zu gehen. Das Buch richtet sich sowohl an Einsteiger als auch an erfahrene Gärtner, die ihr Wissen erweitern möchten und sich für einen naturnahen Ansatz interessieren.
Die vorgestellten Gartenkonzepte sind äußerst flexibel und lassen sich leicht an individuelle Bedürfnisse sowie verschiedene Gartengrößen anpassen.
Das Inhaltsverzeichnis gibt einen Überblick über die behandelten Hauptthemengebiete:
KÜCHENGARTEN BASICS, VIELFALT IM GEMÜSEBEET, BLUMEN FÜR TISCH & TAFEL, KRÄUTER & HEILPFLANZEN; HALTBARMACHEN sowie NATURNAH GÄRTNERN.
Egal ob man sich für Anlage und Pflege eines Küchengartens, alte Tomatensorten und Bewahrung traditioneller Methoden, Wildwiesen und Förderung der Biodiversität oder eher für praktische Tipps zur natürlichen Schädlingsbekämpfung interessiert – man findet in diesem Buch viele Anregungen und jede Menge Praxiswissen, so dass man gar nicht mehr abwarten kann, die vorgestellten Konzepte in die Praxis umzusetzen.
Besonders gut haben mir die detaillierten Anleitungen zur Gestaltung eines vielfältigen Küchengartens,
die hilfreiche Mischkulturtabelle sowie die nach Jahreszeiten geordneten To-Do-Listen für das Gemüsebeet gefallen, die eine übersichtliche Orientierung für die anstehenden Tätigkeiten bieten.
Darüber hinaus wird aber nicht nur die Kultivierung von Nutzpflanzen behandelt, sondern die Autorinnen widmen sich auch der Schönheit von Blumen und der Wichtigkeit von Heilkräutern.
Besonders hervorzuheben sind außerdem die tollen Rezepte und kreativen Ideen zur Verarbeitung und Konservierung der Ernte aus eigenem Anbau, aus denen ich noch viele neue Anregungen mitnehmen konnte.
Die optische Gestaltung des gebundenen Buchs ist außerordentlich gelungen. Auf dem matten, griffigen Papier kommen die farbigen Fotos und verschiedenen Tabellen hervorragend zur Geltung. Die Verarbeitungsqualität ist einwandfrei und unterstreicht den rundum positiven Gesamteindruck.
Ansprechende, gut verständliche und unterhaltsam verfasste Texte und vor allem die vielen, stimmungsvollen Farbfotos und gelungenen Schnappschüsse von den Autorinnen, die mit schönen Impressionen und ungewöhnlichen Perspektiven nicht nur die Schönheit naturnaher Gärten einfangen sondern als praktische Anleitungen auch den Inhalt sehr anschaulich illustrieren. Sie sorgen dafür, dass man das Buch immer wieder gerne zur Hand nimmt. So lässt man sich beim Durchblättern gerne inspirieren und geht aufgrund der hilfreichen Ratschläge hochmotiviert ans Werk.
Abgerundet wird das Buch mit einem kurzen Autorinnen-Porträt, einer Danksagung, einigen weiterführenden nützlichen Adressen sowie einem alphabetischen Register.

FAZIT
Ein rundum gelungener Wegweiser rund ums naturnahe Gärtnern, der mit seiner perfekten Mischung aus Grundlagenwissen, praxisnaher Herangehensweise, kreativen Ideen und wunderschöner inspirierender Gestaltung überzeugt.
Ein Muss für alle, die einen nachhaltigen, vielfältigen und ertragreichen Küchengarten planen!

Bewertung vom 19.12.2024
Lückenbüßer / Kommissar Kluftinger Bd.13 (13 Audio-CDs)
Klüpfel, Volker;Kobr, Michael

Lückenbüßer / Kommissar Kluftinger Bd.13 (13 Audio-CDs)


sehr gut

*Kultkommissar Kluftinger zwischen Kriminalfall und Lokalpolitik*
Die beliebte Krimireihe um Kommissar Kluftinger von dem deutschen Autorenduo Volker Klüpfel und Michael Kobr geht mit " Lückenbüßer" bereits in die dreizehnte Runde.
Da Vorkenntnisse aus den vorherigen Bänden der Reihe und aus früheren Fällen nicht erforderlich sind, können die Krimis problemlos auch unabhängig voneinander gelesen werden.
Die Regionalkrimi-Reihe zeichnet sich durch eine unterhaltsame Mischung aus interessantem Krimifall, viel Allgäuer Lokalkolorit und charakteristischem Humor aus, gewürzt mit urigen, lebendigen Charakteren und gelungener Situationskomik.
Interims-Polizeipräsident Kluftinger leitet die Anti-Terror-Übung „Alpenglühen“ in den Allgäuer Bergen. Doch der routinemäßige Einsatz muss abgebrochen werden, als ein Polizist tot aufgefunden wird. Nun stehen schwierige Ermittlungen zum fatalen Ausgang des aus dem Ruder gelaufenen Einsatzes an und zur möglichen Verantwortung für den mysteriösen Todesfall. Auch privat hat der sympathische Kommissar Kluftinger einiges um die Ohren. So hat er sich breitschlagen lassen, sich auf eine Liste für die Gemeinderatswahl setzen zu lassen und als Lückenbüßer einzuspringen. Als er jedoch erfährt, dass sein Erzrivale Dr. Langhammer ebenfalls kandidiert, wird sein Ehrgeiz geweckt und sein Ausflug in die Lokalpolitik entwickelt sich zunehmend zu einem erbitterten Wahlkampf.
Nun sieht sich Kluftinger mit gleich zwei Herausforderungen konfrontiert, denn neben seiner unerwartet zeitaufwändigen Kandidatur für den Gemeinderat gilt es auch die wahren Hintergründe des vermeintlichen Unglücks mit Todesfolge aufzuklären.
Der eigentliche Kriminalfall entwickelt sich leider sehr gemächlich und tritt hinter der Rahmenhandlung um Kluftingers Privatleben und den Wahlkampf derart stark zurück, dass kaum Spannung aufkommt. Die Ermittlungen verlaufen lange ohne klare Spur, gewinnen erst zum Ende hin an Dynamik.
Der Regionalkrimi lebt vor allem von seinen skurrilen Charakteren und dem humorvollen Schreibstil. Trotz seiner vielen Schrullen ist Kluftinger ein sympathischer Protagonist, der zum Ende hin sogar mit einer reiferen Seite seiner Persönlichkeit überraschen kann.
Im Gegensatz zu seinem naiven, etwas tollpatschigen Auftreten im Alltag agiert er als Ermittler durchaus kompetent. Insbesondere die Einblicke in sein Privatleben und sein unbeholfener Umgang mit moderner Technik und sozialen Medien, sorgen für zahlreiche amüsante Momente. Besonders unterhaltsam sind auch seine schlagfertigen Wortgefechte mit seinem Rivalen Dr. Langhammer. Allerdings wirken die wiederkehrenden Elemente seines vorhersehbaren Verhaltens und seine charakteristischen Sprüche inzwischen etwas ermüdend. Eine deutlichere Weiterentwicklung des Charakters wäre wünschenswert.
Die Auflösung des Falls schließlich ist schlüssig, aber sehr vorhersehbar und bedient für meinen Geschmack aber zu sehr aktuelle gesellschaftspolitische Klischees.
ZUM HÖRBUCH
Ein besonderes Highlight ist das Einlesen des Hörbuchs durch die Autoren Klüpfel und Kobr zusammen mit Martin Umbach. Durch den Einsatz des Allgäuer Dialekts erhält die unterhaltsame Geschichte das gewisse Etwas und durch die regionale Färbung eine besondere Authentizität. Ihre Stimmen passen sehr gut zu den urigen Charakteren und der Atmosphäre des humorvollen Krimis.
So fällt es nicht schwer, sich in das lebendig dargestellte Setting und Allgäuer Lokalkolorit hineinzuversetzen.
Die Sprecher sorgen mit ihrer stimmigen stimmlichen Interpretation für eine lebendige und authentische Lesung. Es gelingt ihnen hervorragend, Dynamik und Tempo an die jeweilige Stimmung anzupassen und an den richtigen Stellen auch Humor, Emotionen und feine Nuancen einzubringen.
Insgesamt ist die Synchronisation des ungekürzten Hörbuchs durch den dynamischen Vortrag und das nette regionale Flair sehr gelungen und sorgt für einen vergnüglichen Hörgenuss!
FAZIT
Eine solide Fortsetzung der unterhaltsamen Kluftinger-Kult-Reihe – mit tollem Allgäuer Lokalkolorit, humorvollen Episoden, liebenswerten Charakteren und einem leider nur schwachen Kriminalfall.
Für langjährige Klufti-Fans und Liebhaber des Allgäus wieder ein kurzweiliges Hörvergnügen!

Bewertung vom 15.12.2024
Roter Sommer
Harbour, Berna Gonzalez

Roter Sommer


ausgezeichnet

*Fesselnde Ermittlungen im Schatten der Kirche*
Der Debütroman "Roter Sommer" der spanischen Journalistin und Autorin Berna González Harbour ist ein fesselnder Kriminalroman, der einen spannenden fiktiver Kriminalfall gekonnt mit einem hochbrisanten und dunklen Kapitel der jüngeren Kirchengeschichte verknüpft.
In dem 2012 in Spanien erschienenen und erst 2024 auf Deutsch veröffentlichten Krimi thematisiert die Autorin den sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche - ein erschütterndes Thema, das nach wie vor nichts an Aktualität eingebüßt hat und die Gesellschaft weiterhin bewegt.
Die Geschichte spielt in Spanien im Sommer 2010. Comisaria María Ruiz wird mit einem erschütternden Mordfall konfrontiert, als die Leiche eines jungen Mannes im Teich des Madrider Stadtparks entdeckt wird. Die Ermittlungen nehmen eine unerwartete Wendung, als sich Hinweise auf eine mögliche Verbindung zu einem weiteren vermissten Jugendlichen verdichten, denn beide Opfer waren Schüler derselben katholischen Bildungseinrichtung. María Ruiz und ihr Ermittler-Team stoßen auf eine erschütternde Spur, die sie in die dunklen Tiefen von Missbrauchsfällen und deren systematischer Vertuschung in der katholischen Kirche führt. Nach und nach verdichten sich die Hinweise auf ein weitreichendes Netzwerk des Schweigens und der Mittäterschaft, das die Ermittler auf der Suche nach dem Täter vor komplexe Herausforderungen stellt.
Die vielschichtige Erzählstruktur konfrontiert uns mit zahlreichen Puzzlestücken zu dem rätselhaften Fall sowie mit offenen Fragen, die zunächst schwer einzuordnen sind. Es offenbart sich ein komplexes Netzwerk von Geheimnissen, das die Ermittler zu entwirren versuchen. Die häufigen Perspektivwechsel zwischen den verschiedenen Handlungssträngen und Charakteren sowie die oft sehr kurzen Passagen sind zwar anfangs etwas verwirrend, erzeugen aber eine intensive Spannung und ein rasantes Tempo. Die anspruchsvolle Erzählweise und der prägnante Schreibstil fesseln von Beginn an und lassen uns in die vielschichtige Geschichte eintauchen.
Der Autorin gelingt es sehr eindrucksvoll, die aufgeheizte Atmosphäre des heißen spanischen Sommers, die Euphorie anlässlich der damaligen Fußballweltmeisterschaft in Südafrika, bei der die spanische Nationalmannschaft um den Titel kämpfte und die gleichzeitige Anspannung angesichts der aufkommenden Missbrauchsvorwürfe und den Vorbereitungen auf den bevorstehenden Papst-Besuch einzufangen.
Es wird deutlich dass, González Harbour sich intensiv mit der heiklen Thematik des Missbrauchs auseinandergesetzt hat und auf ihre umfangreichen journalistischen Recherchen zurückgreifen kann. Ihr gelingt es hervorragend, das Thema im Rahmen der Handlung aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten, was eine differenzierte Auseinandersetzung ermöglicht. Durch den investigativen Journalisten Luna erleben wir hautnah die bedeutsame Rolle der Medien bei der Aufklärung mit, der trotz vieler Widerstände und Einschüchterungen versucht, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Aus der Ermittlerperspektive erhalten wir aufschlussreiche Einblicke in die vielfältigen Herausforderungen und emotionalen Belastungen durch die Konfrontation mit den entsetzlichen Verbrechen. Eindringlich schildert sie in Rückblenden auch die leidvollen Erlebnisse und das Schicksal der Opfer und macht sehr einfühlsam auf die erschütternden Auswirkungen des Missbrauchs aufmerksam. Darüber hinaus gewährt uns die Autorin aufschlussreiche Einblicke in die befremdliche Gedankenwelt des Täters und dessen tragischer Vorgeschichte, die uns in menschliche Abgründe blicken lässt. Nicht zuletzt zeigt sie uns auch sehr eindringlich die schockierende Perspektive der spanischen Kirche auf die Missbrauchsfälle auf, die diese als interne Angelegenheiten und nicht als Straftaten behandelt, systematisch an institutioneller Vertuschung mitwirkt und eine juristische Aufarbeitung mit aller Macht unterbindet.
Wir begegnen im Krimi einer Vielzahl interessanter Charaktere, die uns mit ihrer deren Gedanken- und Gefühlswelt weitgehend überzeugend nahegebracht werden. Allerdings hätte ich mir bei einigen Figuren eine etwas tiefgründigere Charakterentwicklung gewünscht. Besonders die differenzierte Darstellung der lebensnahen Hauptfigur Comisaria María Ruiz und die schrittweise Enthüllung ihres Privatlebens und ihrer Vorgeschichte sind gelungen und überzeugend.
Der Roman endet mit einer glaubwürdigen Auflösung des Falls und einem realistischen Ausklang, der zum Nachdenken über die aufgeworfenen moralischen und gesellschaftlichen Fragestellungen anregt.
FAZIT
Ein packender Kriminalroman, der nicht nur durch seine spannende Handlung überzeugt, sondern auch durch die tiefgründige Auseinandersetzung mit einem der drängendsten Themen der Gegenwart: dem sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche.

Bewertung vom 15.12.2024
Antichristie
Sanyal, Mithu

Antichristie


ausgezeichnet

*Eindrucksvoller Roman*
Nach ihrem gefeierten Debütroman "Identitti" widmet sich Mithu Sanyal in "Antichristie" erneut hochaktuellen, brisanten Themen.
In diesem faszinierenden, vielschichtigen Roman beleuchtet Sanyal auf provokante, originelle und vor allem humorvolle Art den Kolonialismus, Identität und die Komplexität historischer Narrative.
Geschickt vermischt sie in ihrer fesselnden Geschichte Elemente des historischen Romans, Krimis und der Zeitreisefiktion.
Sanyal setzt sich facettenreich mit der kolonialen Vergangenheit und deren Auswirkungen auf die Gegenwart sowie Formen des Widerstands auseinander. Dabei schärft sie den Blick auf weniger beleuchtete Aspekte der indischen Unabhängigkeitsbewegung und hinterfragt nicht nur die Rolle von Gewalt gegen Unterdrückung und koloniale Strukturen, sondern auch die oft vereinfachte Darstellung historischer Figuren wie Gandhi und anderer einflussreicher, aber weniger bekannter Akteure.
Sie greift aktuelle gesellschaftliche Diskussionen auf und hinterfragt auf unbequeme Weise gängige Vorstellungen, ohne belehrend zu wirken. Kritisch beleuchtet Sanyal oberflächliche Betrachtungsweisen zur kolonialen Geschichte und zum Postkolonialismus, hält uns gleichzeitig einen Spiegel vor und regt zum Nachdenken an.
Gekonnt verwischt sie in ihrem Roman die Grenzen zwischen Gegenwart und Vergangenheit, Realität und Fiktion, aber auch persönlicher und kollektiver Geschichte.

Die Vielschichtigkeit der Erzählung und die Fülle an historischen und kulturellen Referenzen machen den Roman zu einem sehr anspruchsvollen, aber lohnenden Leseerlebnis. Nach einem durchaus herausfordernden Einstieg, der etwas Durchhaltevermögen erfordert, entwickelt die komplexe Geschichte zunehmend eine fesselnde Dynamik.
Die verschachtelten, genial miteinander verwobenen Zeitebenen schaffen eine komplexe Struktur, die der Autorin eine eingehende Auseinandersetzung mit historischen und aktuellen politischen Themen und eine differenzierte Betrachtung von persönlicher und kollektiver Geschichte ermöglicht.
Angesiedelt ist die Geschichte im London des Jahres 2022, kurz nach dem Tod der Königin. Im Mittelpunkt der Handlung steht die Protagonistin Durga, eine 50-jährige internationale Drehbuchautorin mit deutsch-indischen Wurzeln, die an einer woken Verfilmung der klassischen Agatha-Christie-Krimis mitwirken soll. Nach dem Tod ihrer Mutter findet sie sich plötzlich nicht nur im Jahr 1906 wieder sondern im Körper des jungen Inders Sanjeev. Auf ihrer unerwarteten Zeitreise trifft sie auf eine Gruppe indischer Revolutionäre, die im Gegensatz zu Gandhi nicht auf Gewaltlosigkeit setzen und sie mit zentralen Fragen des Widerstands gegen Unterdrückung konfrontiert.
Mit der Protagonistin Durga hat Sanyal eine faszinierende und sehr vielschichtige Figur geschaffen. Aufgrund ihrer deutsch-indischen Herkunft verkörpert sie selbst die Komplexität kultureller Zugehörigkeit. Ihre Reise durch die Zeit, ihr Genderwechsel sowie die Konfrontation mit verschiedenen Formen des Widerstands lassen sie eine interessante, tiefgreifende Charakterentwicklung durchlaufen.
Sanyals äußerst lebendiger Schreibstil ist sehr kreativ und unterhaltsam. Er ist durchsetzt mit Anglizismen und integriert geschickt verschiedene Textformen wie Dialoge, Tweets und Drehbuch-Auszüge. Hervorragend haben mir auch die zahlreichen Verweise auf Agatha Christie, Sherlock Holmes und Doctor Who gefallen.

FAZIT
Ein unglaublich komplexer und anspruchsvoller Roman über kulturelle Identität, die Komplexität historischer Narrative und die Auswirkungen des Kolonialismus auf die moderne Gesellschaft – unterhaltsam, lehrreich, gesellschaftskritisch und humorvoll! Ein beeindruckender Roman, der noch lange nachwirkt, zum Überdenken eigener Positionen anregt und zum erneuten Lesen anregt. Äußerst lesenswert!

Bewertung vom 15.12.2024
Der längste Schlaf
Raabe, Melanie

Der längste Schlaf


ausgezeichnet

*Fesselnder Mystery-Thriller*
In ihrem neuen fesselnden Roman „Der längste Schlaf“ entführt uns die deutsche Autorin Melanie Raabe auf eine abenteuerliche und mitreißende Reise, die tief in den faszinierenden Themenkreis rund um Schlaf, Schlaflosigkeit, Geister der Vergangenheit und prophetische Träume eintaucht. Der Roman kombiniert geschickt Elemente aus dunkler Familiengeschichte, Psychothriller und Liebesgeschichte mit zahlreichen übersinnlichen Mystery-Elementen, sodass er sich mit seiner abwechslungsreichen und stimmigen Mischung nicht eindeutig einem einzigen Genre zuordnen lässt, sondern am ehesten im Bereich des „Magischen Realismus“ verortet werden kann.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht die junge Wissenschaftlerin und führende Schlafforscherin Mara Lux, die in London lebt und nach dem frühen Unfalltod ihrer Eltern kaum noch Verbindungen nach Deutschland hat. Seit langem hat Mara mit den Traumata ihrer Vergangenheit zu kämpfen; zudem leidet unter schwerer Insomnia, da ihre Träume auf mysteriöse Weise bisweilen real zu werden scheinen.
Mit ihrem ausdrucksstarken, eindringlichen Schreibstil gelingt es der Autorin hervorragend, uns allmählich in die rätselhafte Geschichte rund um die faszinierenden Protagonistin Mara hinein zu ziehen und eine mysteriöse, dichte Atmosphäre herauf zu beschwören. Gekonnt lässt sie interessante Aspekte der Schlafforschung und Traumdeutung in die spannende, vielschichtige Handlung einfließen. Gemeinsam mit Mara begeben wir uns in die deutsche Provinz, um die rätselhaften Hintergründe einer anonymen Erbschaft eines alten, verwunschenen Herrenhauses zu ergründen.
Von Beginn an hat mich besonders der eingestreute zweite Handlungsstrang in seinen Bann gezogen, der aus einer zunächst unbekannten Ich-Perspektive erzählt wird. Seine Bedeutung für die Haupthandlung erschließt sich erst im Verlauf der komplexen Geschichte und sorgt für eine besondere emotionale Tiefe. Die zahlreichen mysteriösen Geschehnisse und übernatürlichen Elemente tragen erheblich zur Spannung bei und verleihen dem Thriller eine besondere Note.
Melanie Raabe gelingt es hervorragend, ihre vielschichtigen Figuren lebendig werden zu lassen. Mit ihren speziellen Eigenarten wirken sie glaubwürdig und sehr authentisch. Insbesondere die geheimnisvolle Hauptfigur Mara ist eine facettenreiche Persönlichkeit, die es allmählich mit ihren unheilvollen Träumen und ihrer einzigartigen Gabe zu ergründen gilt. Anfangs erscheint sie als etwas unnahbar und kontrolliert, geplagt von Ängsten, Schuldgefühlen und Unsicherheiten, den schmerzvollen Dämonen aus der Vergangenheit und ihren beklemmenden Träumen möchte sie sich nicht stellen. Doch je mehr man schließlich über ihr Leben und die mysteriösen Hintergründe erfährt, desto faszinierender wird ihr starker Charakter. Schließlich fiebert man der Auflösung des dunklen Geheimnisses rund um das Herrenhaus Limmerfeldt und den Hintergründen der Erbschaft regelrecht entgegen.
Gekonnt beleuchtet Raabe in ihrem nachdenklich stimmenden Roman auch den Umgang mit Träumen, den Verlust geliebter Menschen und den Geistern der Vergangenheit aus unterschiedlichen Perspektiven.
Die Autorin versteht es, uns mit einer dichten, oft düster-mysteriösen Atmosphäre zu fesseln und mit einigen überraschenden Verwicklungen bis zum stimmigen Ende zu begeistern.
FAZIT
Ein faszinierender, fesselnder Roman - mit einer emotionalen, vielschichtigen Geschichte, interessanten Charakteren und einem tollen Mystery-Flair!

Bewertung vom 15.12.2024
Juli, August, September
Grjasnowa, Olga

Juli, August, September


sehr gut

*Tiefgründiger Roman*
„Juli, August, September" von der deutschen Schriftstellerin Olga Grjasnowa ist ein eindrucksvoller und tiefgründiger Roman. Aus aus unterschiedlichen Blickwinkeln erforscht sie komplexe Themen wie die Suche nach der eigenen Identität, den Einfluss der Familiengeschichte sowie die Bedeutung des kulturellen Erbes, Glaubens und der jüdischen Wurzeln.
Der Roman bietet zudem scharfsinnige und humorvolle Einblicke in die drängenden, aktuellen Probleme unserer modernen, multikulturellen Gesellschaft, die sich mit Fragen der Sinnsuche, Zugehörigkeit und dem Stellenwert der Familie auseinander setzt. Der Autorin ist eine ausgewogene Mischung aus tiefgründigen Themen und unterhaltsamen Episoden gelungen. Die eher melancholische, bedrückende Grundstimmung wird gekonnt aufgelockert mit der richtigen Portion Ironie, Zynismus und Leichtigkeit. Zudem hat sie geschickt sehr lehrreiche Hintergrundinformationen zur jüdischen Kultur und Geschichte und interessante aktuelle weltpolitische Bezüge in die Handlung eingeflochten.
Die Geschichte dreht sich um Lou und Sergej, einem erfolgreichen Paar mit jüdischen Wurzeln, das mit ihrer kleinen Tochter Rosa in Berlin lebt. Trotz ihres beruflichen Erfolgs empfinden sie eine innere Zerrissenheit und Leere, die durch ihre schwache religiöse Bindung und komplizierten Familiengeschichten, die von der traumatischen Vergangenheit und dem Holocaust geprägt sind, verstärkt werden. Der Roman ist in drei Teile gegliedert, die jeweils einen Monat - Juli, August und September - umfassen und an unterschiedlichen Schauplätzen wie Berlin, Gran Canaria und Tel Aviv spielen. Die sich über drei Monate erstreckende Geschichte bietet aufschlussreiche Einblicke in die verschiedenen Phasen von Lous herausfordernder Suche nach ihrer eigenen Identität, der intensiven Auseinandersetzung mit ihrem Glauben, ihrer Zugehörigkeit und ihrer Familiengeschichte.
Mit der Protagonistin Lou hat die Autorin eine vielschichtige Figur geschaffen, die mit innerer Zerrissenheit, Entwurzelung und Zweifeln an ihrer kriselnden Ehe mit Sergej zu kämpfen hat. Die Leere in ihrem Leben versucht sie durch Alkohol zu betäuben, bis sie beginnt ihre eigene Rolle zu ergründen. Obwohl die Protagonistin anfangs sehr kühl, distanziert und wenig sympathisch wirkt, konnte ich mich im Laufe der Geschichte immer besser in sie hineinversetzen. Hartnäckig beginnt sie die überlieferten Familiengeschichten in unterschiedlichen, wenig stimmigen Versionen zu hinterfragen, die im Laufe der Jahre ihre ganz eigene Wahrheit und labile Dynamik gewonnen haben und sich auf ihr aller Leben auswirkten, um schließlich wichtige Antworten zur Vergangenheit ihrer russischstämmigen Vorfahren zu erhalten und verborgene Wahrheiten ans Licht zu bringen. Faszinierend ist ihre Suche nach ihren eigenen Wurzeln, ihrer Identität und Zugehörigkeit, die Lou nicht nur in die Vergangenheit führt, sondern ihr schließlich auch neue persönliche Perspektiven für ihre Zukunft aufzeigt.
Detailliert und nuancenreich wird die komplexe Beziehung zu ihrem jüdischen Familienclan aus Israel eingefangen, der trotz all der subtilen Spannungen, wechselseitigen Animositäten und ungelösten Konflikte untrennbar miteinander verbunden ist. Die Vielzahl der unterschiedlichen Charaktere ist sehr plastisch und mit ihren Eigenheiten glaubhaft ausgearbeitet.
Besonders beeindruckend ist, wie Lou am Ende die vielen Puzzlestückchen, die ihre Persönlichkeit ausmachen, zusammensetzt, mit sich ins Reine kommt und sich neu definiert. Der offene, aber höchst stimmige Ausklang passt zu dieser faszinierenden, vielschichtigen Geschichte, die zum Nachdenken anregt und viel Raum für eigene Deutungen lässt.

FAZIT
Ein vielschichtiger und tiefgründiger Roman, der mit beeindruckender sprachlicher Präzision die Suche nach Identität, Zugehörigkeit und familiären Wurzeln erforscht.

Bewertung vom 11.12.2024
Der Krimidinnermord / Phyllida Bright Bd.3
Cambridge, Colleen

Der Krimidinnermord / Phyllida Bright Bd.3


sehr gut

*Ein neues fesselndes Cosy Crime-Abenteuer*
Mit "Der Krimidinnermord" beweist die britische Autorin Colleen Cambridge erneut ihr Talent für fesselnde Cosy-Crime-Geschichten. Als dritter Band ihrer Reihe um Phyllida Bright, die findige Haushälterin der berühmten Krimiautorin Agatha Christie und leidenschaftliche Hobbydetektivin, knüpft er nahtlos an die vorangegangenen Krimi-Erfolge an. Colleen Cambridge erweist sich auch mit ihrem neuen verzwickten Fall als würdige Nachfolgerin der Queen of crime und muss den Vergleich mit den großen Namen des Whodunit-Genres im klassischen britischen Stil nicht scheuen. Der lebendige Schreibstil, die netten humorvollen Episoden und amüsanten Wortgefechte sorgen für ein unterhaltsames und abwechslungsreiches Lesevergnügen. Nicht fehlen dürfen natürlich die dezent eingestreuten Anspielungen aus bekannten Christie-Klassikern, die ein besonderer Leckerbissen für Fans der Krimi-Königin sind.
So hat sich die Autorin für ihren neuesten Krimi wieder eine brillante Ausgangssituation und die perfekte Kulisse für ein verzwicktes Verbrechen ausgedacht, indem sie sich von dem bekannten Miss Marple-Krimi "Ein Mord wird angekündigt" hat inspirieren lassen. Während einer als Detektivspiel inszenierten Gesellschaftsveranstaltung auf dem benachbarten Landhaus Beecham House wird ausgerechnet der Gastgeber vor den Augen der geladenen Gäste ermordet aufgefunden. Mittendrin natürlich Phyllida, die ganz in ihrem Element sofort mit den Ermittlungen beginnt.
Cambridges lebendiger Schreibstil trägt wesentlich zum Lesevergnügen bei. Der Autorin gelingt es mit den detaillierten Beschreibungen der Anwesen und ihrer Umgebung hervorragend, die stimmungsvolle Atmosphäre des englischen Landlebens der 1930er Jahre einzufangen, so dass man mühelos in diese vergangene Epoche eintauchen kann. Sehr faszinierend sind ebenfalls die aufschlussreichen Einblicke hinter die Kulissen insbesondere in das elitäre Leben der britischen Oberschicht sowie den Lebensalltag der Dienerschaft Einblicke in den Alltag der britischen und das Leben der Dienerschaft, die uns ein authentisches Bild der damaligen Gesellschaft vermitteln.
Ein besonderes Highlight des Romans sind die liebevoll gezeichneten, vielschichtigen Figuren. Allen voran die clevere Protagonistin Phyllida Bright, die sich neben ihren vielfältigen Aufgaben als Haushälterin im stattlichen englischen Landsitz Mallowan Hall eine besondere Leidenschaft für Kriminalfälle hat. Als langjährige Vertraute Agatha Christies und glühende Verehrerin von Hercule Poirot bringt sie ideale Voraussetzungen für eine Hobbydetektivin mit. Ihre Hartnäckigkeit und ihr scharfer Verstand machen sie zu einer faszinierenden Hauptfigur, auch wenn ihre Neugier sie gelegentlich in gefährliche Situationen bringt. Die vielen Nebenfiguren sind ebenso sorgfältig ausgearbeitet und werden gekonnt zum Leben erweckt. Von dem steifen griesgrämigen Butler Mr. Dobble über die jungen verliebten Dienstmädchen bis hin zum unkonventionellen, attraktiven Chauffeur Joshua Bradford mit seiner quirligen Hündin Myrtle- jeder Charakter hat seine eigenen Marotten und Eigenheiten, die ihn unverwechselbar machen.
Der kniffelige Mordfall selbst ist zwar mit vielen Tatverdächtigen, geschickt gestreuten falschen Fährten und einigen unerwarteten Wendungen raffiniert konstruiert, hat mich aber dennoch wegen der etwas zu vorhersehbaren Auflösung enttäuscht. Gemeinsam mit Phyllida, die aufgrund des schlechten Wetters zunächst ganz ohne Inspektor Cork von Scotland Yard die Befragungen vor Ort durchführen kann, können wir Hinweise sammeln und Theorien aufstellen. Der schon recht früh aufkommende Verdacht in Bezug auf den Täter bestätigt sich leider, was insgesamt die Spannung für meinen Geschmack minderte.
Die Handlung gipfelt schließlich in einem rasanten und spannenden Showdown, bei dem es Phyllida gelingt, eine höchst gefährliche Situation souverän zu meistern und schließlich den Fall ganz alleine aufzuklären. Mutig, gewitzt, zu allem entschlossen und (fast) stets Herrin der Lage – das ist unsere Phyllida wie wir sie lieben!
Insbesondere die vielversprechende Beziehungsdynamik und die witzigen Wortgefechte zwischen Phyllida und Bradford konnten mich richtig begeistern und sorgen für viele humorvolle Momente – so langsam kommt hier doch etwas in Gang und die süsse Myrtle trägt wesentlich dazu bei, das Eis zu brechen.
Ich bin schon sehr neugierig auf den nächsten Teil der Reihe, der diesmal in London spielen soll, und hoffe sehr darauf, im 4. Band mehr über Phyllidas mysteriöse Vergangenheit erfahren zu können.
FAZIT
Eine gelungene Fortsetzung trotz des etwas schwächeren Kriminalfalls.
Der Krimi überzeugt mit charmanten Charakteren, typisch britischer, stimmungsvoller Atmosphäre und tollen humorvollen Episoden und sorgt wieder beste Unterhaltung für Fans von Cosy Crime und klassischen Whodunits.
Die gelungene Verbindung von historischem Setting und zeitloser Krimihandlung macht Lust auf weitere Abenteuer mit der cleveren Phyllida Bright.

Bewertung vom 03.12.2024
Und später für immer
Jarck, Volker

Und später für immer


ausgezeichnet

*Bewegender Roman*
In seinem beeindruckenden historischen Roman „Und später für immer“ erzählt der deutsche Autor Volker Jarck die bewegende Geschichte von Johann, einem 24jährigen Wehrmachtssoldaten der im Frühjahr 1945, kurz vor der deutschen Kapitulation, desertiert. Er findet Zuflucht bei seinen Verwandten und versteckt sich in einer Scheune in permanenter Angst vor den Feldjägern.
Im kurzen Nachwort des Romans erfahren wir, dass sich der Autor von seiner persönlichen Familiengeschichte hat inspirieren lassen. Als Ausgangspunkt für seine aufwühlende und zum Teil auf wahren Begebenheiten basierende Geschichte diente ein zum Tagebuch umfunktionierter Taschenkalender, der Aufzeichnungen seines Großvaters enthielt. In den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs desertierte dieser von seiner Einheit vom Fliegerhorst Stade.
Jarck hat aus den historischen Ereignissen und persönlichen Schicksal seines Großvaters eine fesselnde und tiefgründige Geschichte geschaffen, die mich mit intensiven Einblicken in die Schrecken des Krieges und die emotionale und psychische Verfassung seines Protagonisten Johann bewegt und sehr nachdenklich zurückgelassen hat. Eindrucksvoll und mit einer gewissen Leichtigkeit gelingt es ihm, ernste Themen wie Liebe, Loyalität, Verzweiflung, Selbsterhaltungstrieb, Menschlichkeit und moralische Konflikte in jenen harten Kriegszeiten zu beleuchten. Mit seinen einfühlsamen Schilderungen versteht er es, den damaligen Zeitgeist aufleben zu lassen und die desolate, düstere Atmosphäre der Kriegsendphase einzufangen, in die er aber immer wieder auch ungebrochenen Überlebenswillen sowie Momente der Hoffnung und zwischenmenschlichen Wärme aufblitzen lässt.
Während die eigentliche Haupthandlung im Frühling 1945 rund um den Deserteur Johann nur eine Zeitspanne von zwei Monaten umfasst, erhalten wir durch geschickt eingestreute Rückblenden in die Vorkriegszeit und Kriegsjahre nicht nur aufschlussreiche persönliche Einblicke in seinen Lebensalltag und den seiner Familie sowie seine große Liebe Emmy, sondern auch historische Hintergrundinformationen zu den politischen Entwicklungen und Kriegsverlauf sowie die grausamen Realitäten des Kriegs.
Anschaulich und glaubwürdig stellt er die damalige angespannte Atmosphäre und die verzweifelte Lage vieler Soldaten angesichts der Sinnlosigkeit und der Schrecken der nicht enden wollenden Kämpfe in den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs dar, als für alle das Ende des Krieges bereits absehbar ist und sie nur noch darauf hoffen konnten, halbwegs unversehrt und mit dem Leben davonzukommen. Gekonnt beschwört Jarck in verschiedenen Episoden die allgegenwärtige Angst und Bedrohung durch Entdeckung und Verrat herauf und erzeugt eine überaus beklemmende Atmosphäre. Sehr einfühlsam werden inneren Konflikte und Ängste der Menschen inmitten des Chaos der letzten Kriegstage und der harten Kriegsrealität aufgezeigt, die sich doch nur nach nach Frieden und Normalität sehnen auf auf einen bessere Zukunft hoffen können.
Mit Johann hat der Autor einen berührenden und vielschichtigen Charakter geschaffen, der stellvertretend für viele Soldaten jener Zeit steht. Jarck versteht es gut, die emotionalen Ausnahmezustände seines Protagonisten sehr anschaulich und eindringlich zu vermitteln, so dass man sich gut in seine Verletzlichkeiten und Unsicherheiten angesichts seiner verzweifelte Lage im permanenten Überlebenskampf hineinversetzen und mitfühlen kann. Wir erhalten einen intensiven und nuanierten Einblick in die emotional aufgewühlte Verfassung und komplexe Gedankenwelt seines Protagonisten. Beklemmend ist es über Johanns Gedanken, Erinnerungen und Einschätzungen der Erlebnisse zu lesen, seine Verzweiflung, Leere und Einsamkeit aber auch der Ängste vor dem Vergessenwerden werden sehr greifbar. Gerade die Briefe von Emmy sind von unschätzbarem Wert für ihn, spenden so viel Trost, Kraft und Zuversicht und lassen ihn das ungewisse Schicksal besser ertragen.
Sehr glaubwürdig veranschaulicht Jarck Johanns innere Konflikte insbesondere im Umgang mit dem jungen Nachbarsmädchen Frieda und schildert nachvollziehbar sein Hin- und Hergerissen-Sein zwischen ständigem Misstrauen, Angst vor Entdeckung, Hoffnung und Verzweiflung. Durch die Gespräche über ihre Sehnsüchte nach Normalität und Liebe aber auch die brutale Realität des Krieges entwickeln sich zarte freundschaftliche Bande zwischen ihnen, die beiden Halt geben aber auch ein unberechenbares Risiko für Johann bedeutet.
Jarck ist es insgesamt hervorragend gelungen, uns stellvertretend die traurigen Geschichten und Schicksale so vieler Familien, ihre zerstörten Hoffnungen und herben Verluste durch die fatalen Auswirkungen des entsetzlichen Kriegs vor Augen zu führen.

FAZIT
Ein eindringliches und bewegendes Zeitzeugnis über die emotionalen und moralischen Konflikte eines Wehrmachtssoldaten in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs, das Hoffnung und Menschlichkeit inmitten des Schreckens des Krieges thematisiert. Sehr lesenswert!

Bewertung vom 03.12.2024
Wohnverwandtschaften
Bogdan, Isabel

Wohnverwandtschaften


ausgezeichnet

*Ein berührendes Porträt modernen Zusammenlebens*
In ihrem neuen Roman "Wohnverwandtschaften" erzählt die deutsche Autorin Isabel Bogdans die bewegende und zugleich unterhaltsame Geschichte über vier Menschen mit unterschiedlichen Lebensentwürfen, die in einer ungewöhnlichen Wohngemeinschaft in Hamburg zusammenleben. Eher als temporäre Lösung oder durch Zufall haben sie zusammengefunden und wachsen dennoch im Laufe der Zeit zu einer Art Ersatzfamilie zusammen.
Geschickt greift die Autorin aktuelle, gesellschaftlich relevante Themen wie demografischer Wandel, Auflösung der traditionellen Familienstrukturen, alternative Lebensmodelle sowie die Suche nach Zugehörigkeit in einer zunehmend individualisierten Gesellschaft auf. Bogdan versteht es, trotz der teilweise ernsten Thematik ihre nachdenklich stimmende Geschichte mit viel Leichtigkeit und Warmherzigkeit zu erzählen und uns mit amüsanten Episoden zu unterhalten.
Obwohl die vier Hauptfiguren Jörg, Anke, Constanze und Murat mit verschiedenen Problemen und individuellen Problemen zu kämpfen haben, lernen sie in ihrer unkonventionellen Wahl-Familie gemeinsam Herausforderungen zu bewältigen, füreinander einzustehen und Verantwortung zu übernehmen. Weit mehr als eine reine Zweckgemeinschaft wird diese WG zu einem Ort des Trostes und der Geborgenheit, in dem jeder Halt, Zugehörigkeit und Beistand findet.
Mit einer gelungenen Mischung aus scharfer Beobachtungsgabe, Einfühlungsvermögen und feinem Humor zeichnet sie ein authentisches und lebensnahes Bild dieser Wohngemeinschaft mit Menschen wie du und ich und unterschiedlichen Hintergründen. Sie versteht es zudem hervorragend, die Komplexität moderner Beziehungen und Dynamiken menschlicher Beziehungen in all ihren Facetten einzufangen.
Die Geschichte entfaltet sich wie ein Theaterstück, mit interessanten Dialogen aus wechselnden Perspektiven, wodurch wir sehr aufschlussreiche und unmittelbare Einblicke in den Alltag, die Gedanken und Emotionen der Protagonisten erhalten und die Charaktere rasch ins Herz schließen können. Durch den geschickten Wechsel zwischen den Perspektiven der vier Hauptfiguren entsteht ein vielschichtiges Gesamtbild der Gemeinschaft. In den Kapiteln, die abwechselnd mal persönliche Erlebnisse und mal gemeinsame WG-Momente zeigen, tauchen wir allmählich in den faszinierenden Rhythmus des Zusammenlebens ein und haben Anteil der lebendigen Dynamik ihrer Gemeinschaft.
Ob nun der knapp 70-jährige Vermieter Jörg, der eine große Reise plant, die frisch getrennte Zahnärztin Constanze als Neuankömmling, die Schauspielerin Anke mittleren Alters, auf der verzweifelten Suche nach einem neuen Engagement, und der lebenslustige Hobbygärtner und Koch Murat, dessen positive Energie auf alle WG-Bewohner abfärbt – sie alle werden mit ihren Eigenheiten und Problemen sehr facettenreich und lebensnah gezeichnet.
Glaubwürdig und einfühlsam stellt Bogdan dar, wie jeder der Charaktere eine persönlichen Entwicklung und einen Prozess der Selbstfindung durchläuft. Sehr überzeugend ist auch der realistische und stimmige Ausklang dieses bewegenden Romans, der zum Nachdenken über Gemeinschaft, moderne Lebensformen, Fürsorge sowie den Umgang mit Alter und Krankheit anregt.
ZUM HÖRBUCH
Das ungekürzte Hörbuch wird von einem prominenten Sprecherensemble Heikko Deutschmann, Katharina Wackernagel, Serkan Kaya und Lavinia Wilson gelesen, unterstützt von Julian Horeyseck, Gabriele Blum, Oliver Kube und Marian Funk für die kleinen Nebenrollen. Die verschiedenen Rollen wurden für die Vertonung sehr gut besetzt und hervorragend eingesprochen. Die unterschiedlichen Stimmen der Sprecher sorgen für eine klare Abgrenzung der Figuren voneinander und bringen eine erfrischende Lebendigkeit in die Handlung. Die verschiedenen Persönlichkeiten der Charaktere werden durch die abwechslungsreiche, nuancierte Interpretation der talentierten Sprecher äußerst lebendig und authentisch eingefangen, so dass man sich rasch mitten in das aufregende Geschehen der Wohngemeinschaft hineinversetzen kann.
Eine überaus gelungene Vertonung mit hervorragenden Sprecherleistungen sorgt für ein unvergessliches Hörerlebnis!
FAZIT
Ein tiefgründiger und unterhaltsamer Roman, der die komplexen Dynamiken moderner Beziehungen in einer unkonventionellen Wohngemeinschaft beleuchtet und zum Nachdenken über die Bedeutung von Familie und Freundschaft in einer zunehmend individualisierten Welt anregt.

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