Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Kermit80

Bewertungen

Insgesamt 12 Bewertungen
12
Bewertung vom 15.12.2024
Die Tochter der Drachenkrone
Qunaj, Sabrina

Die Tochter der Drachenkrone


sehr gut

Die Frau als Schachfigur im Spiel der Macht

Das 12. Jahrhundert war bestimmt kein leichtes Zeitalter. Schon gar nicht als Frau. Kein Mitbestimmungsrecht, kein Selbstbestimmungsrecht, … eigentlich so gar keine Rechte, nur Pflichten: Gehorsamkeit, Erben schenken, Bündnisse sicherstellen, usw. Eingebettet in eine Zeit, in der Frauen nur Spielzeuge der Mächtigen waren, zeichnet sich eine starke Frau ab, die diesen Zustand nicht akzeptieren wird.

Gwenllian wird als Tochter eines der einflussreichsten Fürsten der Briten der damaligen Zeit geboren. Als Ihr Vater stirbt, beginnt ein langer Kampf zwischen ihren Brüdern um das Erbe und um neue Bündnisse. Denn die Normannen bedrohen das Land und das Fürstentum. Bündnisse müssen eingegangen werden, Kämpfe und Kriege vermieden oder gewonnen werden. Und Mitten drin Gwenllian (gerade mal 14 Jahre alt), als Schachfigur in diesem großen Spiel der Macht. Fast schon zerrieben zwischen ihren Brüdern und deren Machtkampf, soll sie an normannische Bündnispartner verheiratet werden. Doch Gwenllian hat andere Pläne für ihr Leben und vor allem für ihre britische Heimat. Und sie ist bereit, dafür zu kämpfen. Allen Widrigkeiten zum Trotz. Zuerst stur und unkontrolliert, später diplomatisch und strategisch.

So entspinnt sich eine atemberaubende Geschichte über Macht, Intrigen, Rebellion, Leid, aber vor allem auch Stärke. Denn schon nach wenigen Seiten spürt man die Kraft und den Ausdruck, den die weibliche Hauptfigur ausstrahlt. Die Autorin hat einen tollen, packenden Schreibstil. Sie verleiht Gwenllian einen tiefen Charakter, zeigt immer wieder die Konflikte, die sie im Inneren austrägt. Man kann regelrecht mitfühlen. Auch erlebt man die Entwicklung Gwenllians über die Lebensjahre hinweg hautnah mit. Einfach super geschrieben.

Mein Lieblingszitat aus dem Buch (keine Angst, wird kein Spoiler):
„Ihr seid eine Königin. Das habe ich im ersten Moment erkannt, und es hat nur wenig mit dem Blut in Euren Adern zu tun, sondern mit dem was in diesem grünen Feuer (Anm. ihren Augen) brennt“

Ein absolut lesenswertes Buch.

Mir drängt sich nach dem Buch nur noch eine wichtige Frage auf:
„Haben wir uns seit dem Mittelalter wirklich weiterentwickelt?“
Auch heute noch müssen Frauen für ihre Rechte kämpfen. Noch heute führt das Streben nach Macht und Einfluss zu so viel Leid und Elend. Noch immer sind Menschenleben Karten im Poker der Mächtigen.

Bewertung vom 17.09.2024
Winterwölfe
Jones, Dan

Winterwölfe


ausgezeichnet

Wenn der Krieg zum Stillstand kommt, geht der Kampf erst richtig los

Endlich ist sie da, die Fortsetzung von „Essex Dogs“, der ich schon entgegengefiebert habe.
Nach einem sehr spannenden (und teilweise auch aufwühlenden) ersten Buch mit tiefen Einblicken in das Kriegsgeschehen des 100-jährigen Kriegs, war ich schon sehr gespannt wie es mit den Essex Dogs weitergehen wird. Und was soll ich sagen, das zweite Buch steht dem ersten in nichts nach.

Nach der erfolgreichen Schlacht am Ende des ersten Buchs ist der Krieg leider noch nicht entschieden. In zermürbenden Wochen und Monaten schlagen sich die Söldner zusammen mit der Armee des englischen Königs durch Nordfrankreich. Schließlich kommt das Kriegsgeschehen mit der langen andauernden Belagerung von Calais fast schon zum Erliegen. Nur durch Intrigen und untergründige Machenschaften gelingt am Ende der Sieg. Doch der Preis ist hoch. Nicht nur für Calais, sondern auch für die Essex Dogs und die Armee der Engländer. Doch wo es Verlierer gibt, gibt es natürlich auch Gewinner.

Wer denkt, das Buch wäre damit weniger eindringlich (oder phasenweise auch brutal), der irrt.
Erneut bekommt man ein enorm gutes Gefühl dafür, was es wohl damals hieß, in diesem Stellungskrieg zu kämpfen. Mit welchen Entbehrungen, Herausforderungen und heimtückischen Fallstricken die Soldaten „zu kämpfen“ hatten. Man spürt immer wieder, wie groß die Kluft zwischen dem Adel (vor allem in Form der Ritter und Grafen) und den normalen Soldaten war. So kämpfen die Essex Dogs weiterhin um ihren Sold und es ist nie so ganz gewiss, ob sie am Ende für diesen Feldzug überhaupt entlohnt werden. Während sich Ritter und Kaufleute die Taschen füllen und trotz Kriegszug nicht auf gewissen Annehmlichkeiten verzichten (müssen). Durch das Buch gewinnt man ein Bild davon, was die Belagerung einer Stadt wie Calais auch für die Belagerer wirklich bedeutete – nämlich, dass es keine Sache von ein paar Wochen, sondern von vielen Monaten war. Damit verbunden nicht nur die Verpflegung der Belagerer, sondern der Aufbau einer richtigen kleinen Belagerungs-Stadt aus dem Nichts. Und abseits des eigentlichen Kriegsgeschehens der Versuch, die Illusion von so etwas wie Normalität zu erzeugen.

Der Autor schafft es erneut, vor allem die inneren Konflikte der Essex Dogs (in ihrer Gruppe, aber auch in jedem selbst) packend zu umschreiben. So kämpft Romford vor allem mit seinen inneren Dämonen, während Loveday schwer an seiner Verantwortung für seine kleine Truppe trägt. Jeder kämpft für sich. Und doch kämpfen sie alle miteinander und auch füreinander. Die Essex Dogs treffen dabei sowohl alte Feinde, als auch alte Freunde wieder.

Das Buch liest sich sehr flüssig. Die Wortwahl ist (wie im ersten Buch auch schon) oftmals bewusst ordinär und manchmal brutal, aber nicht übertrieben. Dadurch wirkt es genau passend für die damalige Zeit und Situation. Gerade die inneren Kämpfe sind sehr gut umschrieben, sodass man sich richtig in die einzelnen Personen (z.B. Romford´s Ängste und Halluzinationen) hineinfühlen kann. Auch die Zustände und Szenen aus dem Lagerleben sind sehr bildgewaltig erzählt.

Ich habe auch diesen zweiten Band sehr gerne gelesen und in wenigen Tagen verschlungen. Ich wollte ja unbedingt wissen, wie es mit den Essex Dogs weiter ergeht. Das Ende fühlt sich diesmal schon mehr an wie ein Ende (entgegen dem ersten Buch). Aber da ich weiß, dass es eine Trilogie wird, bin ich jetzt schon gespannt, was wohl im dritten Band passiert. Ich werde ihn auf jeden Fall lesen, das steht jetzt schon fest.

Bewertung vom 08.09.2024
Der Ire
Mann, Peter

Der Ire


gut

Eine Geschichte – Zwei Seiten – Viele Fragezeichen

Die Leseprobe und das Cover haben mich neugierig gemacht. Spionage-Thriller sind genau meins. Die Zeit um den zweiten Weltkrieg hatte ja genug Stoff dafür. Und eine Geschichte hat immer auch mehr als eine (offensichtliche) Seite. Wie soll man wissen, wie´s war, wenn man nicht dabei war? Da kam mir „Der Ire“ von Peter Mann genau recht.

Die Agenten-Story wird anhand von zwei „Tagebüchern“ (von Adrian bzw. Frank) erzählt. Adrian de Groot (oder auch Grotius, sein Tarnname), der den Iren Frank in einem spanischen Gefängnis für den deutschen Abwehrdienst rekrutiert, um als Agent Irland an der Seite der Deutschen gegen England aufzubringen. Als dessen Führungsoffizier begleitet und organisiert er diverse Missions-Versuche. Dabei entspinnt sich eine interessante, aber auch komplizierte Beziehung zwischen den beiden.

Frank (oder auch Finn, er hat ebenso mehrere Tarn-Namen), der in seinem Tagebuch seine ganz eigene Geschichte erzählt. Wie er als Doppelagent (bzw. aus eigenen Antrieben) tätig ist bzw. wie ihn die Fehlschläge der deutschen Missionen persönlich zu zermürben.

Beide Geschichten zeigen gut, wie schwierig es war, in der Zeit des zweiten Weltkriegs zu überleben. Welche Herausforderungen und Kompromisse jeder der beiden eingehen musste. Und wie sich beide im Lauf der Zeit verändert haben. Das Buch ist literarisch gut gemacht. Die beiden Hauptpersonen sind sehr detailliert herausgearbeitet, sodass man sich gut auch in sie hineinfühlen kann. Gerade auch die sich ständig verändernde „Beziehung“ zwischen den beiden ist gut greifbar und man erhält tiefe Einblicke in die Gefühlswelt von Adrian/Grotius. Die Dynamik, die sich vor allem gegen Kriegsende aufgebaut hat, war gut dargestellt.

Leider war das Buch für mich durch den Aufbau (die beiden Erzählungen wechseln sich immer kapitelweise ab) sehr schwer zu lesen. Ich habe über 120 Seiten gebraucht, um wirklich in die Story einzutauchen. Einfach mal kurz zwischendurch etwas lesen hat bei mir nicht geklappt. Eher ein Buch, das man sehr zügig durchlesen muss.

Letztlich hat mir die für einen Agenten-/Spionage-Thriller eigentlich typische Spannung gefehlt. Das Buch ist für eher ein guter Roman, als ein Thriller. Zudem hat sich der Autor manchmal in etwas unnötigen Beschreibungen verloren, z.B. über Personen und deren Hintergründe / Beziehung zu Adrian, die dann aber später überhaupt nicht mehr vorkommen.

Gesamt-Fazit: ein gutes Buch, aber nicht mein Favorit im Bücherregal

Bewertung vom 02.09.2024
Lupus
Rode, Tibor

Lupus


ausgezeichnet

Wenn Dich die Vergangenheit einholt - Vielschichtig, spannend und brandaktuell

Mein erster Eindruck vom Cover: Der Wolf sieht irgendwie aus wie der Schattenwolf aus „Games of Thrones“. In Verbindung mit dem Titel „Lupus“ hatte ich zuerst vermutet, es würde etwas Richtung Fantasy tendieren. Aber weit gefehlt. Das ist ein waschechter Thriller. Genau so muss es sein.

Tibor Rode hat mit seinem Thriller ein Buch zum Durchjagen geschrieben. Ich habe die 480 Seiten in wenigen Tagen gelesen, so spannend war es. Dabei hat er die gesamte Story sehr vielschichtig und im Zwiebel-Look aufgebaut. Je weiter sich die Geschichte entwickelt, desto mehr nützliche Details und Hintergrundinformationen aus der Vergangenheit der Charaktere werden eingestreut. Und das sogar auf eine interessante Weise, nämlich sozusagen als „Zeitsprung“ in die jeweilige Situation der Vergangenheit. Das habe ich in der Umsetzung so noch nicht gesehen, gefällt mir aber sehr gut.

Auch die Hauptpersonen (Jenny Rausch, Jo Rausch und Frederik Bach) sind sehr vielschichtig aufgebaut. So hat jeder seine eigenen Geheimnisse und Vergangenheiten, die sich nach und nach entpuppen und zusammenspinnen. Vor allem die inneren Kämpfe von Jenny Rausch sind sehr anschaulich beschrieben, lassen direkt mitfühlen.

Die Story an sich beginnt mit einer Wolfssichtung, einem Wolfsangriff, viel Blut, ein paar Leichen und einem Vermissten. Und auch hier entwickelt sich die Vielschichtigkeit, die der Autor aufbaut. Ohne zu Spoilern: Ja, es geht auch und vor allem um Wölfe. Dazu werden ganz geschickt Vergangenheits-Themen aus Nazi- und DDR-Zeiten eingebaut. Und auch ganz aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen finden ihren Platz. Eine wirklich gelungene Kombination.

Wer auf der Suche nach packender und spannender Lektüre ist, der ist hier genau richtig. Mir hat das Buch sehr gut gefallen und hätte ich nicht auch mal Schlaf gebraucht, wäre ich noch schneller damit fertig gewesen.

Bewertung vom 10.08.2024
Die Legenden der Albae - Dunkles Erbe
Heitz, Markus

Die Legenden der Albae - Dunkles Erbe


ausgezeichnet

Die Dunkelelben schmieden im Schatten neue Pläne...

Markus Heitz ist einer meiner absoluten Lieblings-Autoren. Neben der Drachen-Saga und den Zwergen, sind die Legenden der Albae meine dritte „Dark-Fantasy-Sucht“ ;-) Umso mehr war ich gespannt, wie es im neuesten Teil „Dunkles Erbe“ nun weiter geht.

Aber fangen wir mal von außen an – mit dem Cover. Das Bild an sich gefällt mir sehr gut. Auch wenn ich finde, dass ein dunkler Hintergrund besser zum Thema passen würde, als das Weiß. Aber das ist ja Geschmacksache.

Die Geschichte baut auf verschiedenen Handlungssträngen auf.

Der Albae-Künstler Amânoras lebt mit seiner Familie in den teils versunkenen und verlassenen Ruinen von Dsôn Khamateion. Er erschafft dort einzigartige Kunstwerke, um das Andenken an die beim Untergang der Stadt gestorbenen Albae zu wahren. Dabei bekommt er es mit Plünderern, Zwergen und mit einem sonderbaren fremden Alb zu tun.

In Brandenwall herrschen indes andere Albae aus dem Schatten heraus über die Stadt und haben sie zu neuer Blüte geführt. Während das Geborgene Land (erneut auch in Persona der Zwerge) nichts sehnlicher will, als die Ausrottung der Albae, tritt die junge Albin Sajùtoria eine Reise ins Ungewisse an, um ihre Ziele zu erreichen.

Und letztlich tritt der Elb Telìnâs auf den Plan, der seine ganz eigenen Ziele verfolgt. Er entspinnt sich gleichzeitig als roter Faden durch die drei Handlungsstränge.

Die Figuren und Orte sind sehr einprägsam beschrieben. Man hat gleich Bilder und Stimmen dazu im Kopf, kann sich die Situationen und das Umfeld gut vorstellen. Hier spielt Markus Heitz sein ganzes Können aus und zeichnet die Geschichte seines sagenumwobenen „Geborgenen Lands“ weiter.

Insgesamt drei sehr interessante Stories, die sich finde ich allerdings nur etwas mühsam in ein Gesamtwerk zusammenfinden (zum Ende des Buches). Das Ende letztlich bleibt mir etwas zu vage und offen. Zwar wird grob erkennbar, wie es weitergeht. Ein wirklicher Abschluss des Buches ist es für mich aber nicht. Bleibt zu hoffen, dass der nächste Band nicht zu lange auf sich warten lässt.

Alles in allem für mich ein absolut lohnenswertes Buch. Die vorherigen Bände sind finde ich nicht zwingend Voraussetzung, um das Buch zu lesen. Aber es erleichtert doch einiges.

Bewertung vom 22.07.2024
Das Schicksal der Fluchträger - Teil 1: Träume und Erinnerungen
Niklas, Philipp C.

Das Schicksal der Fluchträger - Teil 1: Träume und Erinnerungen


sehr gut

"Die Dunkelheit ruht tief in Dir"

Das Schicksal der Fluchträger von Philipp C. Niklas ist ein rundum lesenswertes Buch.

Es erzählt die Geschichte von Fionn und Kellen, die in einem gestrandeten Boot ein altes schwarzes Schwert finden, dessen dunkler Fluch alsbald Besitz von den beiden ergreift (von jedem auf eine andere Art und Weise). Ist die Dunkelheit erst einmal geweckt, lässt sich der Sturm den das Schwert entfacht hat nicht mehr aufhalten. Tod und Verderben bahnen sich ihren Weg. Verfolger sind ihnen dicht auf den Fersen. Alte Mächte sind am Werk, die nur ein Ziel haben: Dunkelheit. Doch wollen beide ihre Rolle in diesem Spiel nicht so richtig wahrhaben. Dabei setzen sie nicht nur ihr Leben, sondern auch ihre Freundschaft und letztlich auch ihre (unausgesprochene) Liebe aufs Spiel.

In einem zweiten Handlungsstrang (der gefühlt eher im Hintergrund verläuft und sich nur sehr zaghaft in die Story verknüpft) geht es um das Mädchen Sam, das sich – um das Überleben ihrer Familie zu sichern – als Junge ausgibt und einen Job in einer Mine annimmt, umringt von Verbrechern und Söldnern. Auch hier hält die Dunkle Macht Einzug und bringt die Welt ins Wanken. Wie genau sich dieser Handlungsstrang mit dem Hauptstrang verbindet, wird wohl erst der zweite Teil des Buches zeigen. In diesem Buch bleibt hierzu noch viel Spielraum für Phantasie.

Das Buch ist sehr gut geschrieben und hat einen schönen Spannungsbogen. Die Charaktere sind sehr greifbar ausformuliert. Gerade Fionn´s Gedanken zeigen immer wieder die inneren Kämpfe und Hürden, mit denen er sich selbst im Weg steht. Wobei Fionn mir persönlich manchmal etwas zu sehr im Selbstmitleid gefangen ist und sich doch ein paar Mal zu viel entschuldigt. Etwas mehr Selbstvertrauen hätte auch diesem Charakter gut getan. Schließlich ist er doch der Fluchträger.

Am Ende des Buchs ist klar, dass es einen Folge-Teil geben wird. Das Ende ist schlüssig und gut gemacht. Es lässt mich auf den zweiten Teil hoffen. Dennoch lässt es mich etwas unvermittelt zurück. Ich hätte mir einen runderen, wirklichen Abschluss gewünscht.

Alles in Allem war es ein tolles Buch, das ich sehr gern gelesen habe. Ob es für den zweiten Teil reicht, weiß ich noch nicht. Aber bis dahin hab ich ja noch bisl Zeit. Mal sehn ;-)

Bewertung vom 25.06.2024
Partikel
Harlander, Wolf

Partikel


sehr gut

Natur und Gesundheit als Spielball des Kapitals und der Macht

Mit „Partikel“ ist es Wolf Harlander erneut gelungen, ein brandaktuelles Thema in einen spannenden Thriller einzuweben. Von Mikroplastik hat jeder schon mal gehört. Aber welche Auswirkungen unser Plastikzeitalter auf uns selbst haben kann (und wahrscheinlich auch wird), das ist uns gar nicht so bewusst. Der Autor verpackt die mikroskopische Gefahr gekonnt in unterschiedliche Szenarien, lässt sie von verschiedenen Akteuren durchleben. Erst im Lauf der Geschichte fügen sich die Stränge zusammen. Und es bleibt spannend bis zum Schluss.

Die Story ist gut aufgezogen und super erzählt. Die Handlungsstränge sind sauber aufeinander abgestimmt, alles wirkt genau orchestriert. Selbst die Wechsel zwischen den Handlungssträngen (die zum Ende hin immer dichter zusammenrücken) wirken nie abrupt.

Die beiden BND Agenten Carius und Nelson sind schon aus seinem letzten Buch „Schmelzpunkt“ bekannt. Vorwissen aus den anderen Büchern ist nicht nötig. Das schätze ich sehr, schließlich ist es eben keine „Thriller-Reihe“ rund um die Agenten. Beide spielen eher eine Nebenrolle, sind aber dennoch mit Treiber des Geschehens. Im Mittelpunkt steht vielmehr das Schicksal eines kleinen Mädchens, das durch Mikroplastik an Krebs erkrankt. Aber eben auch die dubiosen und mafiösen Handlungen einer geldgierigen und skrupellosen Müllwirtschaft und politischer Intrigen. Um den vermeintlichen wirtschaftlichen Erfolg nicht einzubüßen, werden Natur und Gesundheit plötzlich zum Spielball des Kapitals.

Wer gerne Thriller mit Themenbezug (Wirtschaft-Thriller, Öko-Thriller, Klima-Thriller) sucht, findet hier ein sehr gutes Exemplar. Ebenso jemand, der einfach einen und unterhaltsamen Thriller lesen möchte.

Für mich ein absolut rundes Buch, das ich sehr gerne gelesen habe. Wie immer bei Wolf Harlander bleibe ich mit dem Eindruck zurück: „Erschreckend aber wahr. So oder so ähnlich kann genau das stattfinden.“

Bewertung vom 20.04.2024
Die Stimme der Kraken
Nayler, Ray

Die Stimme der Kraken


ausgezeichnet

Wir sind nicht alleine, nicht mal auf „unserem“ Planeten...

Gleich mal vorweg: Es ist ein tolles Buch. Angefangen vom auffällig bunten Cover mit dem toll gezeichneten Kraken, über den Schnitt in Kontrastfarbe, die tollen Einblicke in die Charaktere, Ihre Gedanken und Zweifel, bis hin zur sprachlich ausgefeilten und tiefgründigen Story.

Absolut lesenswert, ein neues Highlight in unserer Bücherwand.

Aber eins nach dem anderen ;-)
Ein Öko-Thriller und ScieneFiction-Roman der anderen Art. Das Buch beschäftigt sich gleich mit mehreren Fragen
Wie weit geht unsere Akzeptanz gegenüber Künstlicher Intelligenz (KI)? Wann fühlen wir uns selbst davon bedroht?
Wie definiert und erkennt man eigentlich Bewusstsein und Menschlichkeit?
Was wenn wir nicht die einzige intelligente Spezies auf diesem Planeten sind?
Wo führt unser Verhalten gegenüber Leben und Natur hin? Und wie oft werden wir noch „wegsehen“ während wir unsere eigene Lebensgrundlage zerstören?

Klingt irgendwie mehr nach einem Sachbuch, oder? Ist es aber nicht. Es ist ein toller Thriller, der all diese Fragen in einen gar nicht so science-fiction-mässigen Plot stellt. Der Punkt mit KI usw. klingt zwar noch immer etwas nach Zukunft. Die Handlungsstränge fühlen sich aber so real an, dass sie durchaus schon im Hier und Jetzt spielen könn(t)en.

Ich will die Handlung gar nicht vorweggreifen. Kurz skizziert: Eine Wissenschaftlerin (geplagt von ihren Fehlern der Vergangenheit und sozial abgeschottet) erforscht im Auftrag eines internationalen Konzerns (dessen Ziele undurchsichtig und divergent sind) zusammen mit einem Androiden (der sich sein sich selbst bewusst sein erarbeitet) eine bislang ungekannte Oktopoden-Population. Während wir immer glauben, intelligente Wesen würden uns von außerhalb des Planeten ereilen, vergessen wir in unserer Selbstüberschätzung, welche Potentiale der Planet selbst bietet. Stattdessen räubern und plündern wir, zerstören und töten. Aber nicht alle „Mitbewohner“ werden uns das durchgehen lassen.

Mich hat das Buch erneut zum Nachdenken angeregt. Ist das der Planet, den ich meinen Kindern hinterlassen will? Können wir uns überhaupt noch ändern? Oder ist es dafür schon zu spät?

„Der Mensch ist ein technologisches Tier. Erfindungen haben uns so weit gebracht, uns zu den Herrschern über diesen Planeten gemacht. Aber sie sind es auch, die uns gefangen halten. Es ist ein Zwang. Wir können nicht damit aufhören, egal, was die Folgen sind.“ (Zitat aus dem Buch)

Bewertung vom 18.03.2024
James
Everett, Percival

James


ausgezeichnet

"Die andere Seite der Medaille"

Ich gebe zu, ich mache mir nicht immer und überall Gedanken über die Blickwinkel "alter Klassiker". Aber dieses Buch bringt mich wieder dazu, es öfter zu tun.

Percival Everett ist es gelungen, den Klassiker Huckleberry Finn von Mark Twain in ein ganz neues Licht zu stellen. Er verändert dabei aber nicht einfach die Perspektive der Geschichte (von Huckleberry Finn auf den Sklaven James), sondern nimmt seine Leser:innen mit auf James´ Seite, erzählt seine ganz eigene Geschichte. Und schon nach wenigen Seiten ist klar, wie einseitig und vorbelastet die Sicht früher war. Schnell fühlt man mit James, spürt seine Ängste. Schnell schämt man sich für die Taten völlig fremder Menschen aus früheren Zeiten.

Wer ist James? Wie betrachtet er „die Weißen“? Wie passt er sich an, um das schwere Schicksal für sich und seine Lieben erträglich zu machen?

Dem Autor gelingt es auf fantastische Weise sprachlich (oder vielmehr schriftlich) darzustellen, welche Doppelrolle James tagtäglich spielen muss. Er muss bspw. seine Sprache in Gegenwart Weißer verstellen, um dumm zu wirken (eine wahrlich schwere Aufgabe das schriftstellerisch umzusetzen, ohne James Würde zu verletzen, was ihm super gelungen ist). Und wie er selbst seinen Kindern beibringt, diese Rolle zu spielen, um zu überleben.

„Die Weißen erwarten, dass wir auf eine bestimmte Weise klingen, und es kann nur nützlich sein, sie nicht zu enttäuschen… Wenn sie sich unterlegen fühlen, haben nur wir darunter zu leiden. Oder vielleicht sollte ich sagen »wenn sie sich nicht überlegen fühlen«.“ (Zitat aus dem Buch)

Umso erschreckender, wenn man bedenkt, dass auch heute noch viele PoC allein aufgrund ihrer Hautfarbe Opfer von Willkür, Schikane und Schlimmerem sind. Und dass sie ihren Kindern auch heute noch beibringen müssen, wie sie sich gegenüber Weißen und bspw. Cops verhalten sollen, um zu überleben.

So schwer das Thema ist, das der Autor hier serviert, so gekonnt setzt er es jedoch um. Das Buch liest sich wunderbar einfach und leicht. Mit gewitzten Situationen reichert der Autor die gesamte Geschichte an, lockert sie immer wieder auf. So wird es glücklicherweise keine rein düstere Geschichte über die Sklaverei, sondern eine Geschichte die stark zum Nachdenken anregt.

Ich habe das Buch sehr gerne gelesen und kann es nur jedem empfehlen.

Für mich „ein neuer Klassiker“.

Bewertung vom 09.01.2024
Essex Dogs
Jones, Dan

Essex Dogs


ausgezeichnet

Der 100jährige Krieg aus Sicht der Söldner - spürbar, nah und real

Der 100-jährige Krieg, ein jahrzehntelanges Hin und Her zwischen Königshäusern, Gebietsansprüchen, Machtverlust und -gewinn, Tod und Verderben. Wir alle haben im Geschichtsunterricht in der Schule davon gelesen. Doch die Perspektive, die der Autor (Dan Jones) seinem Roman gibt, ist ganz anders. Er erzählt einen Teil dieser Epoche der gegenseitigen Gewalt aus der Sicht einer Truppe von Söldnern, die im Jahr 1346 mit dem englischen König nach Frankreich einfallen, um den Thronanspruch zurückzuerobern. Ganz ohne königlichen Pomp und Prunk, ohne den geschichtsverklärten Blick der Sieger. Manchmal vernichtend einfach dargestellt schildert er, warum die Söldner diesen „Job“ angenommen haben, welchen Herausforderungen sie gegenüberstehen. Aber eben auch, wie sie zueinander halten obwohl sie doch unterschiedlicher nicht sein könnten. Wie jeder für jeden einsteht und welche inneren Konflikte sie begleiten.

Das Buch liest sich sehr flüssig. Die Wortwahl ist oftmals bewusst ordinär, manchmal brutal, aber nie übertrieben. Sie passt sehr gut, um sich in die Köpfe der Söldner einzufühlen. Die Charaktere sind gut ausformuliert, sodass man sich jeden der Essex Dogs gut bildlich vorstellen kann.

Die Handlung lässt keine Langeweile aufkommen. Vielmehr hat man ab und zu das Gefühl, selbst mal etwas zur Ruhe kommen zu müssen, wenn die Söldner eine Rast einlegen.

Ich habe das Buch sehr gerne gelesen und in wenigen Tagen verschlungen. Ich wollte unbedingt wissen, wie es den Essex Dogs weiter ergeht. Das Ende ist bewusst kein finales Ende und das ist auch ok so. Denn letztlich war es ja auch nur eine der ersten Etappen des 100jährigen Kriegs. Nur so viel sei gesagt: Es wurden Schlachten verloren und gewonnen, aber der Krieg geht noch weiter…

12