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Benutzername: 
Sandra
Wohnort: 
München

Bewertungen

Bewertung vom 08.04.2025
Der Ruf der Tränen
Rothenbächer, Kerstin Stefanie

Der Ruf der Tränen


ausgezeichnet

Fantasie und Sprachmagie verwoben zu einem märchenhaften Abenteuer!

Das Herz der fantasievollen Geschichte bildet das Mädchen Annika, das nach dem Tod der Eltern eine harte Zeit durchlebt hat. Als sie in einen Drachen verwandelt wird, gewinnt sie nicht nur körperlich an Stärke. Angriffslustig spuckt sie taffe Sprüche wie Feuer. Dennoch ist ihr ganzes Streben darauf gerichtet, der neuen Gestalt und dem Reich unter der Erde zu entfliehen, in dem sie gefangen ist.
Auch der Koboldkönig, der Annika verwandelt hat, steckt in einer Zwangslage. Verzweifelt kämpft er für die Freiheit und das Überleben seiner Familie und seines Volkes.
Auf einem gefährlichen Trip durch die unterirdische Welt, den jede(r) der Helden und Heldinnen aus eigenen Beweggründen antritt, werden Kobolde, Baratjas, eine Phönixfamilie und Annika zu Weggefährten. Wer wird die prophezeite, rettende Träne vergießen? Was hat es mit den Irrlichtern auf sich, die ständig auf der Suche nach Opfern sind? Und welche Rolle spielt der Gargoyle bei allem?

Die spannenden Fragen, die sich während des Lesens stellten, fesselten mich ans Buch. Es lohnt sich, dem Moment entgegenzufiebern, in dem alle Zusammenhänge klar werden. Die Auflösung animiert dazu, das Buch noch einmal mit dem gewonnenen Wissen und dem geänderten Blick von vorne zu lesen.

Jedes Kapitel hält eine Überraschung bereit: Sei es nun eine ungeahnte Wendung in der Geschichte oder ein mitreißend fantasievoller Einfall. Dazu gehören für mich u. a. die Türen mit den bunten Mosaiken, deren Rätsel gelöst werden müssen. Oder der knallrote Luftschlitten, der die Reisenden in einer wilden Achterbahnfahrt ans Ziel bringt. Wie heißt es so schön an einer anderen Stelle im Buch: "Navigation ist, wenn man trotzdem ankommt. Ahoi!"
Sätze zum Schmunzeln gehen in wunderbar bildhafte Beschreibungen über. Mich beeindruckten besonders die Formulierungen, die verraten, dass die Autorin neben ihren Romanen auch ausdrucksstarke Poesie verfasst. Ihre Gefühlsbeschreibungen sind großartig. Zu meinen Lieblingssätzen gehört: "Wo eben die Apathie regierte, schleicht nun der Geist der Gegenwehr um den Thron."
Der Ausspruch "Wenn Rache kalt serviert wird, läuten wir eine neue Eiszeit ein" erscheint gerade wegen seiner Bildhaftigkeit besonders bedrohlich. Doch eine der großen Stärken des Buches liegt in den hoffnungsvollen, ermutigenden und zutiefst positiven Botschaften, die in die Handlung eingewoben sind:
"Es war goldrichtig, was ich getan habe. Egal, wo es mich hinführen wird. Menschen, Kobolde, Baratjas – haben wir nicht alle dieselben Träume?"