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Benutzername: 
Jule
Wohnort: 
München

Bewertungen

Insgesamt 192 Bewertungen
Bewertung vom 18.03.2025
Der ewige Tanz
Schroeder, Steffen

Der ewige Tanz


sehr gut

Von Anita Berber hatte ich schon gehört, aber keine wirkliche Kenntnis über ihr Leben. Das Buch von Steffen Schröder folgt dem Leben der Tänzerin und Schauspielerin von ihren jungen Jahren bis zu ihrer Krankheit. In Rückblicken erfährt der Leser vom Aufstieg, dem wilden, ungezwungen und vor allem unangepassten Leben der jungen Frau im Berlin zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Dabei geht der Autor auch auf dunkle Schatten ein. Das schwierige Verhältnis zur Mutter, die selbst Tänzerin war, ist vom Wunsch nach Anerkennung auf Anitas Seite und Neid auf der Seite ihrer Mutter geprägt. Der Schreibstil fängt den besonderen Zauber, aber auch das Elend dieser Zeit zwischen zwei Weltkriegen sehr gut ein. Dabei liest sich das Buch nicht leicht weg, das würde dem Thema und der beeindruckenden Frau auch nicht gerecht. Vielmehr muss ich immer wieder innehalten. Das rote, grelle Cover unterstreicht die Handlung sehr passend. Stärke, Macht, Liebe, Lust aber auch Blut, Tod und Leid. Ein Tanz auf der Rasierklinge.

Bewertung vom 06.03.2025
Die Melodie der Lagune
Constable, Harriet

Die Melodie der Lagune


sehr gut

Dieser Roman entführt den Leser in ein farbenprächtiges, vibrierendes, mächtiges und brutales Venedig im 17. und 18. Jahrhundert. Anna Maria wird als Baby im Waisenhaus abgegeben und wächst in der klösterlichen Enge und mit vielen Pflichten auf. Zum Alltag in der Pieta zählt aber auch eine gute Schulbildung und Musikunterricht. Dies ist längst nicht üblich für Mädchen dieser Zeit. Anna Maria wird eine virtuose Geigerin und arbeitet eng mit Vivaldi, der schnell ihr Talent erkennt, sie fördert und letztlich auch ausnutzt. Er bedient sich an ihrem Talent, ihren Kompositionen und Ideen. Als sie ihren Platz einfordert, lässt er sie fallen. Anna Marias Figur ist ein facettenreicher, schwieriger Charakter. Sie ist talentiert, mutig, stark, aber auch von einem Ehrgeiz getrieben, der seinesgleichen sucht. Neidisch schaut sie auf andere Schülerinnen, schiebt sie zur Seite und ist lange Zeit nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht. Sie wäre mir sicher nicht sehr sympathisch gewesen. Doch ohne diesen unbedingten Willen, diesen Glauben an das eigene Können, wäre sie sicher nicht so weit gekommen. Besonders berührend fand ich die Freundschaft zu Agata und Paulina. Als Kinder sind sie wie Drillinge. Doch Anna Maria ist nicht da, als die Freundinnen sie brauchen, sie lässt beide im Stich. Den Verlust von Agata hat sie nie verwunden. Diese Facette zeigt sehr viel Gefühl. Neben der sehr interessanten Geschichte um die Waisenmädchen und die Musik nimmt auch Venedig einen großen Stellenwert ein. Die Beschreibung der Stadt, der Kanäle und Gassen lässt gleich das Bild der schönsten Stadt der Welt vor meinen Augen entstehen. Eine wundervolle Reise in die Serenissima und in die Welt der Musik.

Bewertung vom 04.03.2025
Essen, Trinken, Erleben - Venedig
Maiwald, Stefan

Essen, Trinken, Erleben - Venedig


ausgezeichnet

Ein kleiner, feiner Reiseführer, der das für mich wichtigste Thema während einer Reise in den Mittelpunkt stellt: die Kulinarik. Dazu noch in meiner Lieblingsstadt Venedig - ich bin begeistert. Ich war schon einige Male in Venedig, aber immer auf der Suche nach Tipps für die nächste Reise, insbesondere Feinschmeckertipps. Hier komme ich voll auf meine Kosten. Die Restaurantempfehlung sind nach Stadtvierteln aufgeteilt, das macht die Orientierung leichter. Die Aufmachung der einzelnen Beschreibungen ist sehr hochwertig und variabel und nicht eine bloße Aneinanderreihung von Adressen. Neben einigen bekannten Adressen und Lieblingen, gibt es für mich aber auch allerlei Neues zu entdecken. Ich habe schon einige Highlights markiert und für meinen nächsten Besuch vermerkt. Doch es werden nicht nur Restaurants und Bars vorgestellt, sondern auch Spezialitäten, Märkte, Köche und auch Hoteltipps. Der Reiseführer ist sicher nichts für jemanden, der kulturelle Highlights oder Must Sees sucht, aber Genießer sind hier genau richtig. Eine tolle Reihe, die ich sicher auch noch für andere Destinationen entdecken werde.

Bewertung vom 02.03.2025
Wild wuchern
Köller, Katharina

Wild wuchern


gut

Dieser kurze Roman erzählt die Geschichte zweier Cousinen, deren Leben nicht unterschiedlicher sein könnten. Marie lebt in Wien, ist verheiratet und lebt augenscheinlich ein ganz normales Leben. Doch hinter der Fassade sieht alles ganz anders aus, sie wird von ihrem Mann geschlagen und gedemütigt. Nach einem erneuten Streit flieht sie in die Tiroler Berge, wo ihre Cousine Johanna wie eine Einsiedlerin lebt. Dort ist sie aber nicht wirklich willkommen. Nach und nach entblättern sich alte Wunden, Geheimnisse und unterschiedlichste Lebensentwürfe. Dabei ist besonders der sehr bildhafte Schreibstil hervorzuheben, der jede Szene sehr eindringlich bor dem geistigen Auge entstehen lässt. Als Leserin fühle ich mich in die eindrucksvolle Bergwelt versetzt, fühle das klare, eiskalte Wasser des Brunnen, die schwere Arbeit und die saubere Luft. Ein Gewitter zwingt die Cousinen, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Ein wirklich berührender und gleichzeitig auch beklemmender Roman vor toller Kulisse. Dennoch kann ich mich keiner der beiden Frauen wirklich annähern. Sie bleiben beide etwas auf Distanz. Das ist schade, mag aber vielleicht an den sehr unterschiedlichen Lebensentwürfen liegen. Dennoch habe ich das Buch gern gelesen und es wird mir noch einige Zeit in Erinnerung bleiben.

Bewertung vom 25.02.2025
Zwei vernünftige Erwachsene, die sich mal nackt gesehen haben
Decker, Anika

Zwei vernünftige Erwachsene, die sich mal nackt gesehen haben


sehr gut

Ein absolut packender Roman, der für mich den Nerv der Zeit trifft. Nina, eine Frau um die 50, sitzt nach ihrer Scheidung allein in einer 1-Zimmer-Wohnung in Berlin, hat einen Job, den man wohl kaum als Traumjob bezeichnen kann und dazu ist sie noch mitten in den Wechseljahren. Ausgerechnet auf einer Party bei ihrem Exmann trifft sie den attraktiven, deutlich jüngeren David. Zwischen den beiden besteht sofort eine große Anziehung, doch Nina kann und will ihren Gefühlen nicht trauen. Ihre Gedanken und ihr Leben ist so absolut treffend erzählt, dass man sich direkt im Geschehen glaubt. Der Schreibstil ist sehr bildhaft, was sicher daran liegt, dass die Autorin auch im Filmgeschäft erfolgreich ist. Mich reißt die Geschichte auf jeden Fall mit. Auch die wechselnde Perspektive von Lena, Ninas Schwester, ist interessant und offenbart zusätzliche Facetten. Anfangs wirkt Lena recht spießig und sehr anstrengend in ihrem Bestreben endlich in der Welt der reichen Mütter anerkannt zu werden. Doch nach und nach offenbart sie ein anderes Gesicht und eine überraschend treffende Beobachtungsgabe. Neben der Liebesgeschichte zwischen Nina und David wird ein Me-Too-Skandal bei Ninas Arbeitgeber erzählt, der aber sehr stark an Axel-Springer erinnert. Eine sehr berührende Facette ist der Handlungsstrang um die Mutter von Nina und Lena, die sehr früh ihren Mann verloren hat und danach mit der Trauer und Erziehung der Töchter überfordert war. Nun ist sie krank und beide Töchter müssen sich um sie kümmern, auch hier treten Wahrheiten ans Tageslicht, die bisher unausgesprochen waren. Ein voll gepackter Roman, der aber sehr berührend und mitreißend erzählt ist. Besonders schön finde ich die kleinen Bemerkungen um Ninas Vater und ihre große Liebe zu ihm, die sich durch den ganzen Roman zieht. Am Ende überschlagen sich die Ereignisse und manche Wendungen sind für mich nicht ganz nachvollziehbar und wirken etwas überzogen, aber insgesamt hatte ich beim Lesen sehr viel Spaß und werde dieses Buch auf jeden Fall im Herzen behalten.

Bewertung vom 24.02.2025
Echokammer / Ein Fall für Benjamin & Tong Bd.1
Johnsrud, Ingar

Echokammer / Ein Fall für Benjamin & Tong Bd.1


gut

Skandinavien-Krimis und Thriller habe ich in der letzten Zeit einige gelesen. Rechtsradikalismus spielt oft eine Rolle, ist aber nicht immer so packend und politisch brisant verwoben wie hier. Im Zentrum stehen die Polizisten Liselott Benjamin und Martin Tong, die immer tiefer in eine atemlose Jagd nach einem Terroristen geraten. Die Figuren sind sehr gut gezeichnet, ich kann mich gut hineinversetzen. Der Berater Jens Meidell ist eine Figur, an die ich mich erst herantasten muss und die ich, insbesondere zu Beginn, nur schwer einschätzen kann. Doch Seite um Seite zieht mich das Geschehen mehr in seinen Bann. Der Schreibstil ist packend und lässt den Leser nicht los. Das Cover gefällt mir weniger, ich finde es etwas nichtssagend. Auch den gelben Farbschnitt hätte ich nicht gebraucht, aber der Inhalt überzeugt mich und das zählt. Wirklich spannend und aufgrund seiner Aktualität umso nervenaufreibender.

Bewertung vom 24.02.2025
Rückkehr nach Budapest
Kiss, Nikoletta

Rückkehr nach Budapest


gut

Ein wirklich sehr gut geschriebener Roman über eine junge Frau in der Vorwendezeit, zwischen Erwachsenwerden, Freiheit und dem Wunsch, den Zwängen ihres Zuhauses zu entkommen. Marta wächst in Ungarn auf und verbringt die schönste Zeit des Jahres mit ihrer Cousine Theresa. Die Beziehung zwischen den beiden ist eng, aber meiner Meinung nach von Anfang an im Ungleichgewicht. Die lebensfrohe, mutige Theresa gibt den Ton an und die intelligente, zurückhaltende Marta stellt zu oft ihre eigenen Bedürfnisse zurück. Als Martas Mutter die Familie verlässt, muss sie sich um ihren alkoholabhängigen Vater kümmern. Statt unbeschwerter Jugend hängt sie in ihrem Heimatdorf fest. Irgendwann bricht sie aus und reist nach Berlin zu ihrer Cousine. Dort verbringt sie eine aufwühlende Zeit mit Intellektuellen und jungen Denkern und die beiden jungen Frauen begegnen Konstantin, einem geheimnisvollen Schriftsteller. Er wird von nun an ihre Beziehung bestimmen. Beide Cousinen fühlen sich zu ihm hingezogen und schließlich ist es Theresa, die eine Beziehung mit ihm beginnt. Marta kehrt nach Budapest zurück und studiert. Doch die Gedanken an Konstantin lassen sie nicht los und die drei begegnen sich wieder. Was wie eine Liebesgeschichte klingt, ist aber nur zum Teil eine. Der andere Teil ist sehr viel Zeitcholorit und ein bewegender Blick in die Zeit des Sozialismus. Dennoch springt der Funke bei mir nicht über. Die Stimmung ist mir zu schwermütig, die Figuren teils zu extrem oder einfach nicht sympathisch. Selbst zu Marta kann ich keine wirklich Beziehung oder Nähe aufbauen. So beobachte ich das Geschehen interessiert, aber aus Distanz. Obwohl mir der Schreibstil gefällt, stören mich die Zeitsprünge innerhalb der Kapitel. Ich brauche immer etwas, um zuzuordnen wann und wo ich mich befinde und mich wieder einzulesen. Das schafft zusätzlich Distanz. Das ist etwas schade, aber alles in allem finde ich "Rückkehr nach Budapest" einen sehr gelungenen Roman über eine ereignisreiche Zeit.

Bewertung vom 17.02.2025
Das Leben fing im Sommer an
Kramer, Christoph

Das Leben fing im Sommer an


gut

Dieses Buch hat mich positiv überrascht. Der Klappentext klang schon sehr vielversprechend, die Erwartung war entsprechend hoch. Mit dem 15jährigen Chris begibt sich der Leser auf eine Zeitreise in das Jahr 2006. Das Sommermärchen, die erste Liebe, Freundschaft und der Traum vom Profifußballer. Der Schreibstil ist nicht unglaublich originell oder besonders einprägsam, doch die Stimmung, das Lebensgefühl dieser Zeit zwischen Kind und Erwachsenem, ist sehr gut eingegangen. Das Ringen darum cool zu sein, anerkannt zu werden und trotzdem seine eigenen Werte und Überzeugungen zu leben, ist spürbar. Ich fühlte mich bei einigen Schilderungen in meine eigene Jugend versetzt. Auch die anderen Figuren wie Johnny sind sehr gut beschrieben und als Leser fühle ich mit ihnen. Das Cover möchte ich außerdem besonders hervorheben, da es die Stimmung, das Unbeschwerte eines heißen Feriensommers und durch das Sprungbrett die Träume sehr gut einfängt. Ein luftiger Sommerroman über das Erwachsenwerden - ich war gern dabei.

Bewertung vom 13.02.2025
Flusslinien
Hagena, Katharina

Flusslinien


ausgezeichnet

Dies ist ein leises Buch, aber ein sehr kraftvolles, das lange nachklingt. Jedes Wort, jeder Satz ist gekonnt gesetzt und der bildhafte, aber dennoch unsentimentale Schreibstil lässt die Bilder sehr eindringlich im Kopf entstehen. Dabei handelt es sich um einen sehr gefühlvollen, berührenden Roman. Im Mittelpunkt stehen drei Hauptfiguren: Margrit, Luzie und Arthur. Margrit hat die 100 Jahre überschritten und lebt in einer Seniorenresidenz. Dort wird sie oft von ihrer Enkelin Luzie besucht, die die Schule abgebrochen hat und künftig Senioren tätowieren will. Arthur, der Fahrer der Senioren, sucht in seiner Freizeit mit einer Sonde den Strand ab und verkriecht sich in einer Strandhütte. Was kurios klingt, verbindet sich zu einer sehr eindringlichen und fesselnden Geschichte um Schicksalsschläge, Trauer, Mut, Schuld und den Kampf um ein selbstbestimmtes Leben. Ich kann gar nicht sagen, welche Geschichte mich am meisten berührt. Der Leser erfährt aus wechselnden Perspektiven mehr über die Vergangenheit der Figuren. Insbesondere Margrit taucht tief in die Familiengeschichte ein. Auch kleinere Figuren sind sehr gekonnt gezeichnet, insbesondere Gregor, aber auch Luzies Freundin Rana. Am eindrucksvollsten finde ich allerdings die Wortwahl und Sprache. Ich war oft verblüfft von Mehrdeutigkeit und Klang der Worte. Ein wirklich wundervoller Roman, der mich sicher nicht so schnell loslässt.

Bewertung vom 28.01.2025
In einem Zug
Glattauer, Daniel

In einem Zug


sehr gut

Ich bin auf das Buch durch eine Lesung wirklich aufmerksam geworden. Ein wunderbar geschriebener, kurzweiliger Roman über die Liebe ohne eine klassische Liebesgeschichte zu sein. Im Zentrum steht dennoch eine große Liebe, nämlich die der Hauptfigur Eduard Brünhofer und seiner Frau Regina. Regina begegnen wir allerdings nur in der Erzählung. Doch zurück zur Abfahrt des Zuges. Zwei Fremde, ein etwas in die Jahre gekommener Autor und eine Frau mittleren Alters, jüngeren mittleren Alters, begegnen sich im Zug. Die Dame verwickelt den Herrn in ein Gespräch über die Liebe, Freiheit, Glück, Ehe und das Schreiben. Das ist sehr kurzweilig erzählt. Der Leser fühlt sich als Beobachter und stummer Gast im Abteil, der dem Gespräch lauscht. Dabei treffen verschiedene Weltbilder aufeinander. Der glücklich verheiratete Autor und die freiheitsliebende junge Single-Frau. Dabei passiert bis auf den verbalen Schlagabtausch nicht wirklich viel. Von Station zu Station nähern sich beide an, bis bei der Ankunft in München ein Geheimnis gelüftet wird. Die Auflösung finde ich etwas schnell erzählt und die Idee mit dem Podcast auch nicht unglaublich originell, aber der Rest des Buches begeistert mich und unterhält mich auf sehr anregende Weise. Die Lektüre vergeht wie im Flug.