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Top-Rezensenten Übersicht

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Traveimker
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Zwischen Paris und Moskau
Über mich: 
Spezialgebiet: Russland. Der post-sovjetische Raum, insbesondere Kaukasus und Sankt Petersburg

Bewertungen

Insgesamt 31 Bewertungen
Bewertung vom 29.07.2021
KRIM
Füllenbach, Katharina

KRIM


sehr gut

Zur Autorin:
Geboren 1595 in Bonn. Nach einem Politik- und Philosophiestudium in Bonn und Genf arbeitete Katharina Füllenbach angabegemäß ein paar Jahre im Bundestag, in einem Theater und führte schließlich fast fünfzehn Jahre ein Hotel in Hamburg. Seit 2015 geht sie auf ausgedehnte Reisen, bei denen Reiseberichte und Reisetagebücher entstehen, die sie seit 2017 veröffentlicht.

Zum Werk:
Erfischend und humorvoll schildert die Autorin in 137 Seiten mit großem Schriftbild und vielen Bildern Ihre vierwöchige Reise über die in Novembergrau gehüllte Krim. Unpolitisch und auf den Punkt wertet Sie die Erlebnisse kurzweilig in ihren gesellschaftlichen wie historischen Kontext ein. Dabei macht sie keinerlei Halt vor westlichen Ressentiments und östlichen Deutungshoheiten. Kein Wunder, dass auch die Ukraine u.a. mit ihren kaum nachvollziehbaren Einreisebestimmungen dabei keine gute Figur macht...
Unterhaltsame vier Sterne.
Hinweis: Das Buch entstand vor der Fertigstellung der Brücke von Kertsch und den daran anschließenden Infrastrukturmaßnahmen.

Bewertung vom 29.07.2021
Im Schatten des Kreml
Lielischkies, Udo

Im Schatten des Kreml


gut

Ein wütender Blick durch die Schablone westlicher Medien.

Vor uns liegt das Erstlingswerk von Udo Lielischkies. Der 1953 in Köln geborene, staatlich geprüfte Tennislehrer, studierte an der Universität Köln Volkswirtschaft und Soziologie und besuchte parallel die Kölner Journalistenschule. 1980 begann Lielischkies seine Laufbahn im öffentlich-rechtlichen Rundfunk beim WDR. Es folgte 1994 der Wechsel zum ARD als Europa-und Nato-Korrespondent. Weitere Stationen waren 1999 ARD-Moskau-Korrespondent, 2006 bis 2012 ARD-Korrespondent in Washington und bis zu bis zu seinem Ruhestand 2018 Leiter des ARD-Studios Moskau. Lielischkies heiratete an seinem 50. Geburtstag eine russische Studentin, mit der er drei Kinder hat.

Das Buch umfasst 448 Seiten und einen Anhang mit umfassendem Quellennachweis alter Schule. Zwischen den Texten befinden sich zweimal 16 Seiten Bilder im Farbdruck, die die Schilderungen lebendiger machen.
Lielischkies Werk kann düsterer kaum ausfallen:
Der zweite Tschetschenien-Krieg, Beslan, Medien, die Ukraine mit der folgenden Krim-Krise, die Probleme im Gesundheitswesen des Riesenreiches, das politische System, das Gebaren der Oligarchen und immer wieder Putin. Keine gute Silbe über Russland.

Der Autor hätte aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung vor Ort hier die Chance einen ausgeglicheneren Blick auf Entstehung und Entwicklung des heutigen Russlands zu skizzieren. Aber es kommt anders. Erschreckend anders. Neben der journalistisch sauberen Beschreibung der vielen beklagenswerten Probleme im heutigen Russland strotzt das Buch nur so von nicht haltbaren Vorwürfen gegenüber der russischen Innen- und Außenpolitik. Auch die Begehren der Russen werden schnell pauschaliert. Da wird allen Ernstes vorgeworfen, nicht mit Terroristen in Beslan verhandelt zu haben (Helmut Schmidt dreht sich im Grabe um), Russland hätte sowohl EU und Nato früher darauf hinweisen müssen, dass man mit der jeweiligen Osterweiterung nicht einverstanden wäre. Einige Thesen werden unreflektiert und ausgerechnet auf Aussagen von Elmar Brok gestützt. Dieser galt im Ukraine-Konflikt als Interventionist und nicht wenige Kritiker warfen ihm damals schon vor, einseitig gegen Russland gerichtete Positionen zu vertreten.
Jeder Russlandreisende schüttelt auch mit dem Kopf, wenn behauptet wird die Bewohner von Krim und Donbass würden die Vereinnahmung durch Russland in der Breite nicht begrüßen.

Im Buch kommen zudem ausschließlich Russen zu Wort, die etwas vom Staat verlangen. Die Infrastruktur in einem völlig entvölkerten Dorf wird nicht aufrechterhalten, die Bezirksregierung lässt ein Dach nicht reparieren. Auf den Dörfern gibt es keine Ärzte mehr. Krankenhäuser werden geschlossen. Sicher alles richtig. Aber wo bleibt der Blick auf die Russen, die nicht vom Staat fordern sondern ihr Schicksalm selbst in die Hand nehmen? Die den Strukturwandel auch in Russland annehmen? Fehlanzeige.

Was ist dem professionellen Journalisten da unterlaufen?
Blickt der Autor kaleidoskopartig durch eine davor in zwanzig Jahren öffentlichem Rundfunk geformten Schablone aus Stigmatisierungen jeglicher russischer Handlung? Wird aufgrund der besonderen Familiensituation die deutsche Vollkaskomentalität nun vom russischen Staat eingefordert und dazu die Position im deutschen Fernsehen genutzt?

Fakt ist für den Touristen und Russlandbesucher: Vor Ort angekommen findet man viele der oftmals durch westliche Medien verbreiteten Schilderungen nicht vor, sondern ganz andere Sachverhalte und auch Meinungen der Russen. So dürfte es der breiten Leserschaft dieses Buches gehen.
Insgesamt ein zähes und deprimierendes Buch, welches an vielen Stellen schlichtweg nicht den Tatsachen der Weltpolitik gereichen mag.

Drei Sterne mit Rücksicht auf die journalistische Konsequenz mit der hier vorgetragen wird.

Bewertung vom 18.07.2020
Das Wunder von Sadagora
Schulz, Tom

Das Wunder von Sadagora


weniger gut

Das Buch kommt in billigster, hauchdünner Folie daher. Der produzierte Müll will sich – elektrostatisch aufgeladen – schon gar nicht mehr vom Finger lösen. Warum..?
Gleichsam billig der stumpfe Einband, unregelmäßig die Leimung. Was erwartet uns?

Der Autor, geboren 1970 im Landkreis Bautzen, ist aufgewachsen in Ost-Berlin lebt heute im Stadtteil Prenzlauer Berg. Angaben zu Ausbildung oder einem Studienhintergrund sind nicht zu finden. Einer zehnjährigen Tätigkeit in der Baubranche folgte der heutige Wirkungskreis. Das Dasein eines freien Autors, insbesondere in Lyrik.
Schulz ist dabei hoch dekoriert, u.a. mit unzähligen Stipendien.

Das Buch mit dem Untertitel „Eine polnisch-Ukrainische Reise“ beschreibt, wenn man das so nennen kann, ein Kaleidoskop aus vielen Reisen des Autors, insbesondere nach Polen. Es folgt, Angabe gemäß, „nicht einer zeitlichen Chrolonolgie der (?) Reise…sondern einer inneren Dramaturgie“.
Diese wiederum sucht der Leser in vier Teilen und über 50 Kapiteln vergebens: Die erste Hälfte des Buches überwältigt den Leser mit gähnender Langeweile. Der Autor schwelgt ständig – auch im weiteren Verlauf des Buches – seinen melancholischen, von Morbidität zerfaserten Gedanken nach:
Auszug Seite 74 „…Doch nicht an diesem Tag, der auserkoren schien und eins zum anderen fügte: die Kiefern zu den Elstern, die röte der Wangen zu einem Horizont, den Lippenstift zum Kuss, die Birkenwäldchen zu den Liebenden… das Brot zu einer Säge.“

Gerne wird auch schnell eine unreflektierte, politische Einordnung vorgenommen.
So auf Seite 177 :„Wie viele Maikäfer müssen durch Pommern fliegen bis der letzte Dummkopf begriffen hat, dass es kein nachträgliches Recht auf Heimat gibt!“
Die hier vorgefundene, unangemessene Kakophonie außer Acht gelassen, verbleibt der brutale Faustschlag ins Gesicht von weltweit Millionen Vertriebenen sowie in Deutschland Millionen Spätaussiedlern, die heute einen wichtigen Teil unserer Gesellschaft darstellen.
Es drängelt die Erkenntnis, dass sich am Rande der politischen Spektren die Methoden nähern.

Ein Verweis auf Stefan Zweig sei, zum Thema Heimat, erlaubt:
„ Am Tage, da ich meinen Paß verlor, entdeckte ich mit achtundfünfzig Jahren, daß man mit seiner Heimat mehr verliert, als einen Fleck umgrenzter Erde.“

Mich hat das Buch gelangweilt und mitunter verärgert.

Mühsam 2 Sterne.

Bewertung vom 15.07.2020
Du nimmst besser einen Ofen mit
Putzas, Jan

Du nimmst besser einen Ofen mit


gut

Der Autor, Jan Putzas, legt hier seine dritte Publikation vor. Der 1975 geborene KfZ-Meister aus Hettstedt in Sachsen-Anhalt ist Berufsschullehrer und beschreibt sich als „Schreibender Schrauber“. Er verfasst nach eigenen Angaben Abenteuerberichte.

Es geht in diesem Buch allerdings nur in der Nabelschau des Autors um einen Abenteuerbericht: Wie auch im zweiten Werk nutzt der Autor die Tatsache, dass seine Schwester als Botschaftsangestellte in der Welt herumkommt, und verbindet die Besuche bei ihr mit einer wohl organisierten, abgesicherten Reise. Erstmals außerhalb europäischer oder westlicher Breitengrade. An dieser Reise nimmt statt seiner Frau die Clique eines Freundes teil. Reiseziel sind das uns allgemein fremde Tadschikistan sowie Usbekistan. Sofern man eine solche Reise, mit ihren hier üblichen, touristisch geprägten Erfahrungen, als Abenteuer bezeichnet, mag man dieser Beschreibung folgen.

Schon im Vorwort verweist der Autor darauf, hier keine wissenschaftliche Abhandlung vorzulegen, sondern ein Buch zur Unterhaltung. Nicht mehr und nicht weiniger findet der Leser hier vor.

Putzas entpuppt sich als „Anti-Scholl-Latour“. Während seine Schwester unseren Protagonisten auf Schritt und Tritt begleitet, damit er möglichst in keine Touristenfalle tappt und dennoch möglichst viel zu sehen bekommt, hat sich dieser in keiner Weise auf Geschichte, Land und Leute vorbereitet. Mit seiner Clique stürzt er, ähnlich des berühmten Elefanten im Porzellanladen, durch die beiden zentralasiatischen, postsowjetischen Staaten. Immer geführt an der langen Leine seiner Schwester Cordula.

Über die 175 Seiten überzeugt der Autor dennoch zuweilen mit leichter Unterhaltung, einigen Bildern die einen Eindruck von seiner Reise vermitteln und einer ziemlich detaillierten Beschreibung der Dinge, die einem Pauschalreisenden auf der alten Seidenstraße so begegnen können.

3 Sterne, weil der Autor von vornherein den Anspruch des Buches für den Leser richtig einordnet.

Bewertung vom 13.07.2020
Russlands wilde Jahre
Heller, Klaus

Russlands wilde Jahre


sehr gut

Der Autor Klaus Heller, geboren 1937 im thüringischen Bad Salzungen, ist Historiker und emeritierter Professor für Osteuropäische Geschichte. Das erste Staatsexamen für das Lehramt in Russisch 1965 sowie folgend ein Geschichts-, Slawistik- und Germanistikstudium in Würzburg und Tübingen qualifizieren den Autor für das gewählte, schwierige Thema:

Es geht um nicht weniger als den Schwenk des, im späten Scheitern unlängst rettungslos verwobenen, größten sozialpolitischen Experiments aller Zeiten. Des Kommunismus in der Sowjetunion und seiner Transformation in das heute kapitalistisch geprägte Russland. Ein Zeitensprung, der in der Geschichte seinesgleichen sucht. Im Kern fällt dieser nicht, wie weitläufig angenommen, in die Ära Gorbatschow. Den wirklichen Sprung wagte Jelzin. Ihm blieben rund achteinhalb Jahre für die Schaffung und Sicherung neuer Strukturen sowie deren politische und wirtschaftliche Umsetzung.

Heller holt zunächst weit aus, führt den Leser zu dessen Verständnis zunächst zurück in das Unternehmertum der Zarenzeit und die Umbrüche von 1917 zur sozialistischen Planwirtschaft. Mehrere Kapitel widmen sich dann der Ära Gorbatschow von 1985 bis 1991, in der die ersten Wirtschaftsreformen und „Kapitalistische Gehversuche“ in der UDSSR unternommen wurden. Als Jelzin Präsident wird, ist der Autor auf Seite 175 der 319 Seiten währenden Abhandlung. Wer die Komplexität der russischen Gesellschaft, ihrer Politik und Geschichte annähernd kennt, der weiß dieses als Leistung des Autors einzuordnen.

Im Hauptteil, ab Seite 175, kommt Heller zum eigentlichen Kern. Was war der Plan, um das riesige, kommunistische Staatseigentum auf die Gesellschaft zu übertragen? Welche Rahmenbedingungen und sich daraus ergebenden Möglichkeiten hatten die Akteure überhaupt? Welche Kompromisse waren erforderlich, um nicht einen Rückfall in den Kommunismus zu riskieren? Warum ist am Ende ein Großteil des Volksvermögens in die Hände so weniger gekommen? Welches Risiko und welche Funktion übernahmen dabei die sogenannten Oligarchen? Heller beschreibt die komplexe Situation schonungslos wie reflektiert. Er nimmt dabei kein Blatt vor den Mund, ordnet allerdings alles in den jeweiligen Kontext ein.

Der aus einfachen Verhältnissen stammende Bauingenieur, und spätere KPdSU-Sekretär des Gebietskomitees Swerdlowsk, Jelzin war mit seinem Streben, den ganzen Mief der Parteielite aufzustöbern, zu Beginn sehr erfolgreich und im Volk beliebt. Durch die in seiner Amtszeit erfolgte Coupon-Privatisierung trägt Jelzin ungewollt zum Entstehen der postsowjetischen Oligarchie bei. Später holen ihn zudem die realwirtschaftlichen Probleme in Form von Hyperinflation und veralteten Industriestrukturen ein. Um nicht alle Fortschritte zu verlieren ist Jelzin gezwungen, einen Pakt mit den Oligarchen zu schließen. Diese wiederum müssen aus selbem Grund noch einmal viel riskieren…

Heller geht auch auf die einzelnen Oligarchen wie Chodorkovskij, Beresowski pp. und ihre dann phänomenal profitablen „Investments“ in die russischen Großunternehmen ein.
Das letzte Kapitel widmet sich der Ära Putin und dem Untergang so manches Oligarchen. Der nochmalige Wandel drängt die reichen Eliten der Jelzin-Ära jetzt mit Macht aus der Politik.

Ergo:
Ein wirklich wichtiges Buch, ohne deren Inhalte ein Verständnis des heutigen Russlands und seiner Politik nahezu unmöglich scheint. Anspruchsvoll, kritisch, anklagend, objektiv, relativierend.
Leider versäumt es Heller, dieses spannende Kapitel der russischen Geschichte auch spannend zu erläutern. Ein paar Fotos historischer Momente hätten dem Buch genauso gutgetan, wie deren Erläuterung. So gibt es kaum ein Wort vom viel beachteten August-Putsch, geschweige denn über den Werdegang und das persönliche Umfeld Jelzins.

4 Sterne ****

Bewertung vom 26.12.2019
Graue Bienen
Kurkow, Andrej

Graue Bienen


sehr gut

Der in Leningrad geborene und in Kiew aufgewachsene Kurkow überrascht den Leser mit einem, für ihn höchst ungewöhnlichen, realitätsnahen Roman. Die seine Werke regelmäßig begleitenden, fantastischen Skurrilitäten entfallen hier. Vielleicht, weil die realen Kriegsgeschehen in der Ostukraine -Schauplatz der Erzählung - den Protagonisten , den Frührentner und Bienenzüchter Sergej, ohnehin in die unmöglichsten Lebensumstände treibt.

Ansonsten ein typischer Kurkow. Die Menschen der Ukraine, wie sie sich mit ihren Lebensumständen arrangieren. Gemütlich in unwirtlicher Gegend. Alles im Kleinen. Ohne Anfang und ohne Ende.
Der Russland und Ukraine-Reisende bemerkt schnell, dass hier ein Insider schreibt. Von der Zubereitung der Speisen bis zu den Erlebnissen bei Grenzkontrollen. Alles ist authentisch. Dass es hier und da etwas holprig wird, wenn es um Bienenhaltung geht, tut dem Roman keinen Abbruch.

Bestechend ist Kurkow dort, wo er die Auswirkungen des regionalen Krieges mit Leben füllt. Fein säuberlich arbeitet er die Vielschichtigkeit heraus. Ukrainer, Separatisten, die Menschen aus der grauen Zone, Krim-Tataren, Russen. Ein Kaleidoskop der sich auffächernden Bevölkerungsstruktur der ehemaligen Sowjetunion mit all den darauf basierenden mannigfaltigen Problemen. Neid, Missgunst, Vorurteile, Flucht und Vertreibung zwischen den Bevölkerungsgruppen stehen gleichsam Hilfsbereitschaft und Empathie innerhalb dieser Gruppen gegenüber. An den Schnittstellen agiert Kurkow.

Ein hochaktueller Roman, der an manchen Stellen unverkennbar aus der Feder eines Ukrainers entstammt der inzwischen auch gerne in London weilt. Die, früher untypisch, politisch eher geneigte Färbung ist für mich Grund hier nur 4 von 5 Punkten zu vergeben.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.07.2019
Die Dankbarkeit des Wolfs
Serkin, Vladimir

Die Dankbarkeit des Wolfs


weniger gut

Vladimir Serkin leitet, ausweislich der eigenen Autorenbeschreibung, die Fakultät für Psychologie der Universität Magadan. Jene Stadt in der unwirtlichsten Gegend von russisch Fernost, deren gesamter Oblast (Regierungsbezirk) größer als die BRD ist und insgesamt keine 160.000 Einwohner aufweist. Ein Bachelor Studiengang Psychologie wird dort tatsächlich beworben.

Um es vorweg zu nehmen: Trotz des Untertitels „ Heilgeheimnisse des sibirischen Schamanismus“ wird im gesamten Buch weder ein Mensch behandelt noch geheilt.
Der Autor bezieht sich mehrfach auf die „Lehren“ des südamerikanischen Autors Castanedas, von denen der sibirische Schamanismus wahrscheinlich nicht geprägt wurde.
Die Passagen, insbesondere die oft inhaltlosen und immer wiederkehrenden Dialoge, in denen Frage und Gegenfrage sich Mantra artig wiederholen, könnten ebenso gut einem Buch Castanedas entspringen. Sie decken in meinem Horizont nichts auf, als Unterhaltungen mit einem besonders Natur verbundenen Menschen.
Das Buch ist chronologisch wie inhaltlich nicht geordnet. Den einzelnen Schilderungen stehen oft nur Datumsangaben voran, dieses allerdings ungeordnet über mehrere Jahre.
Besonders merkwürdig sind dann die über viele Seiten, am Ende des Buches, geschilderten - ich nenne sie einmal- „ survival tipps“. Zum Beispiel wie man aus Plastikflaschen ein 10 Meter Wasserrohr baut. Merkwürdig.

Dennoch weist das Buch einige Denkanstöße auf, die den Leser in eine entschleunigtere Welt zu führen vermögen. Vielleicht entstammen sie der Faszination, die der Naturmensch auf den Autor ausübt, vielleicht ist es ein Teil des Schamanismus.

Ich war von dem Buch enttäuscht.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.07.2019
Sowjetistan
Fatland, Erika

Sowjetistan


ausgezeichnet

Die junge Autorin Erika Fatland, aus dem gut 5 Millionen Einwohner zählenden Norwegen, hat Völkerkunde studiert. Ihr Interesse gilt, ausweislich der Schilderungen, dem post sowjetischen Raum. Sie spricht u.a. russisch und verfügt über mehr als ausreichende Kenntnisse von Geschichte und Kultur der Bewohner der ehemaligen Sowjetrepublik. Dieses Kenntnisse und vorhergehende Aufenthalte im post sowjetischen Raum stellen ihr die Grundvoraussetzung für die, von vielen westlichen Reisenden als Wagemut wahrgenommene, Fähigkeit einer sicheren Bewegung in den abgelegensten und Konflikt behaftetsten Gegenden.

Der Inhalt des Buches kann insofern, mit seinen dezidierten Schilderungen von Beobachtungen auf der mannigfaltigen Reiserouten sowie deren sauberer Einordnung in historische wie gesellschaftspolitische Kontexte, kaum noch überraschen. Der Blickwinkel Fatlands ist durch ihren sozial anthropologischen Werdegang geschärft wie verstellt zugleich. Sie sucht und beschreibt durchgehend die Entstehung der vorgefundenen Sachverhalte, scheint der “Moderne” gegenüber dabei aber eher ausweichend.

Das Werk gibt einen sehr guten Überblick über die fünf “stan”-Länder und ist als vertiefende Reisevorbereitung für Sowjetisch Mittelasien hervorragend geeignet.
Jedem Land wird ein gesondertes Kapitel gewidmet, dem jeweils einige wenige Eckdaten des bereisten Landes und ein Kartenausschnitt voran gestellt sind.

Das Buch erschien, nach mindestens zwei Reisen, 2014 in Norwegen. Die vierte Auflage ist mit einem Zusatz von 2016 aktualisiert. Aufgrund der sich ändernden Verhältnisse bleibt dem Reisenden eine kurze Nachrecherche der aktuellen politischen Verhältnisse empfohlen.

Insgesamt ein sehr gut gelungenes Werk.

Für meinen Geschmack etwas zu reißerisch ist die ganze Aufmachung des Buches einschließlich des eher unpassenden Titels, der offensichtlich vor der Reise entstanden sein muss. Im Buch wird nahezu an jeder Schilderung darauf eingegangen, dass die Staaten und Menschen viel mehr sind, als die Sowjets Ihnen verliehen haben.
Unnötig zu erwähnen, dass ein zweifaches advertising mit dem “Preis des norwegischen Buchhandels” ( was ist das?) des Jahres 2015 hier nicht passen will.
Der Bucheinschlag ist leider zu eng um ihn als Lesezeichen zu verwenden.

Bewertung vom 21.07.2019
Ohne Plan durch Kirgisistan
Huth, Markus

Ohne Plan durch Kirgisistan


weniger gut

Die Recherche über den Autor endet ziemlich schnell bei Bild der Frau, angehübscht mit einigen auf Abenteurer drapierten Fotos nahezu ausschließlich aus Kirgisistan.
Zum Inhalt; Generation facebook reist in einer Lebenskrise ostwärts.
Das Buch liest sich schnell und seiner Oberflächlichkeit angemessen amüsant. An den Stellen, in denen es einer sauberen historischen Einordnung und kulturellen Empathie bedurft hätte, kommt der Autor ins straucheln. Das Werk weist als Schwerpunkt daher nur einen Unterhaltungscharakter auf. Als Reiseliteratur fehlt schlichtweg die Hinterfragung der vorgefundenen Lebenssachverhalte, die einer Einwertung allem Erlebten aus dem Weltbild des Reisenden vorzuziehen sei.

Bewertung vom 01.01.2019
Wolfjagd in Russland

Wolfjagd in Russland


ausgezeichnet

Der Wolf kehrt heim. Nach Westeuropa. 150 Jahre nach seiner Ausrottung in Deutschland beginnen sich neue, von Osten her eingewanderte, Populationen rasant zu entwickeln. Während Jäger und Schafhalter Panik verbreiten beginnen die Naturschutzverbände die Thematik zu verharmlosen. Wie sich dem Thema nähern? Die Jahresveröffentlichungen der Landesministerien für Landwirtschaft und Umwelt konstatieren zahllose Sichtungen, Risse und Nachweise. Auch in Schleswig-Holstein. Er ist längs da, unter uns. Wir sehen ihn nicht, aber er sieht uns...
Das vorliegende Buch von Ingolf Natmessnig ist ein großartiger Einstieg in das Thema. Die vielen, zum Teil alten, Texte stammen allesamt aus Russland wo der Wolf nie ausgestorben war, Die Menschen müssen mit dem Wolf dort seit Jahrtausenden zurecht kommen und ihre Beschreibungen lehren uns einmal mehr: Es gibt kein „entweder oder.“ Es gibt nur ein „sowohl als auch“! Natürlich ist der Wolf ein gefährliches Raubtier. Gefährlich für Hunde und Vieh, und in ausweglosen Situationen auch für Kinder und Alte. Aber natürlich ist das nur die eine Hälfte der Wahrheit. Denn der Wolf fürchtet nichts mehr als den Menschen. Er wird in normalen Situationen immer ausweichen ohne dass wir ihn überhaupt bemerken. Der Wolf ist kein wirkliches Problem. Wir müssen allerdings jetzt schnell lernen, mit dem Wolf umzugehen. Das Buch lehrt uns, wo die wahren Herausforderungen stecken. Den Wolf dort einzugrenzen wo er den Siedlungen zu nahe kommt, und ihn da walten zu lassen wo Lebensräume für ihn da sind. Das hieße aber auch, die Jagd insgesamt auf die kleinen ortsnahen Jagdbezirke zu beschränken und die großen weitläufigen Jagdbezirke dem Wolf zu überlassen. Die Beschäftigung mit dem Buch führt unweigerlich zu einer notwendigen wie gleichsam für alle Protagonisten unbequemen Realität!
Wenn Sie das aushalten steigen Sie ein: Das Buch mt seinen aus dem Russischen übersetzten Texten wird Sie in diese Realität katapultieren.