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darkola77

Bewertungen

Insgesamt 91 Bewertungen
Bewertung vom 23.03.2025
Für Polina
Würger, Takis

Für Polina


ausgezeichnet

Eine Liebesgeschichte der sanften, leisen Klänge, die sich in Deinen Kopf und tief in Dein Herz spielt. Und dort weiterklingt. So ist „Für Polina“. Und Polina für Hannes. Vom allerersten Tag an.
Und dies ist in dem Fall wörtlich zu verstehen. Denn die Begegnung der jungen Mütter Fritzi und Güneş im Krankenhaus prägt nicht nur das Leben der beiden Frauen, sondern verflechtet auch ihre Kinder und deren Lebenswege miteinander. Und lässt ein Band entstehen, das Zeit und Raum überdauert, das stärker ist als Wut, Verlust und Traurigkeit und die Suche nach dem eigenen Selbst und Sinn.
So wie Polina zu Hannes‘ Zentrum, zu seinem Grundton im Leben wird, so ist es auch die Musik, die für ihn klingt, immer da ist. Schon ganz früh, erst ausschließlich in seinem Kopf, später auf dem alten Klavier in der verfallenen Villa im Moor, welche Hannes mit seiner Mutter und dem Einzelgänger Heinrich bewohnt. Und in welcher er seine Kindheit und Jugend verbringt. Gemeinsam mit Polina. Zwischen den Blättern der Rhabarberpflanzen im Garten. Im Abendlicht auf der Steintreppe vor dem Haus. In der Sonnenwärme auf dem alten, staubigen Teppich im lichtdurchfluteten Raum.
Als zu Nähe und Vertrautheit Liebe und Begehren hinzukommen, lässt Hannes diese Gefühle in einer Komposition aufgehen, die all das enthält, was Polina für ihn ausmacht. Sie verkörpert und ihr Wesen in einer Melodie vereint, die für Polina Offenbarung, Verstehen und Geschenk zugleich sein soll.
Doch ein Schicksalsschlag verändert alles, schafft Distanz und Veränderung und Leben, die sich voneinander entfernen. Polinas Melodie jedoch spielt in Hannes weiter und sucht sie, die Frau, die sein gesamtes Leben ausmacht. Und erobert dabei die Herzen unzähliger.
Und auch mein Herz zählt dazu, denn Takis Würger hat es wieder vermocht, was ich mir so sehr erhofft habe: „Für Polina“ hat mich ab den ersten Klängen in seinen Bann gezogen, mich durch die Strophen und Kapitel getragen und mit der Klimax die Geschichte zu einem wunderbaren Abschluss geführt. Ein Meisterstück, erneut!

Bewertung vom 11.03.2025
Walzer für Niemand
Hunger, Sophie

Walzer für Niemand


ausgezeichnet

Berauschend wie ein Tanz im Dreivierteltakt, intensiv wie ein Song, der Dein Herz rührt, fesselnd wie eine Geschichte voller Geheimnisse und deren Enthüllungen – „Walzer für Niemand“ ist ein Feuerball. Der so unerwartet tief und heftig einschlägt. Die Sternstunde. Die leuchtet, strahlt und scheint, scheint, scheint. Und die Rakete, die in ferne Welten entführt.
Dabei beginnt die Geschichte so leise wie besonders. Die Ich-Erzählerin wächst als Tochter eines Schweizer Militärattachés behütet und zugleich räumlich enthoben in den verschiedenen Städten verschiedener Länder auf. Und ist dabei doch nie allein. Denn sie hat Niemand, ihren besten Freund, die Person, die immer an ihrer Seite, ihre andere Hälfte ist. Und Niemand macht sie in diesem Roman zur Wir-Erzählerin.
Doch nicht nur Niemand ist bei ihr sondern auch die Musik. Auf Vinyl, die Plattensammlungen ihrer Eltern, der ehemaligen Bewohner*innen der wechselnden Unterkünfte. Die Lieder, die Töne, die Interpreten. Und Niemand und die Musik sind ihr ein Zuhause. Eine Heimat.
„Niemand, siehst du's? Ich wachse nicht mehr“ – so heißt es in dem gleichnamigen Song von Sophie Hunger. Und so geht es auch der Erzählerin. Denn die Freundschaft, die Verbindung zwischen den beiden ist so eng, symbiotisch, parasitär. Und sie hält weit über die Kindertage hinaus an, durch die Pubertät bis in die frühe Zeit des sogenannten Erwachsenseins. Und sie ist ein goldener Käfig, ein Mikrokosmos, ein Schutzraum für die beiden. Und wird mehr und mehr zum Gefängnis für die Erzählerin. Die Glasglocke, die sie vor der Außenwelt bewahrt und zugleich abschirmt. Freundschaften, Beziehungen, Verbindungen unmöglich macht.
Was dann folgt, ist so folgerichtig wie verstörend. Ein Schreck und Befreiung zugleich. Und drängt zugleich die Frage auf: Was ist Fiktion? Was autobiographisch? Was ist Kunst? Und was das reale Leben? Was allerdings so offensichtlich ist: Dieser Roman ist sehr besonders – besonders schön, besonders poetisch, besonders tiefgründig.

Bewertung vom 08.03.2025
Das gestohlene Herz / Twelve of Nights Bd.1
Tramountani, Nena

Das gestohlene Herz / Twelve of Nights Bd.1


sehr gut

Wie ist eine fiese Wintererkältung nur noch halb so schlimm? Richtig, mit einem Roman, der so richtig schön ans Herz geht. Und in diesem Fall sogar von Herzen handelt. Herzen, die nicht mehr schlagen, obwohl Geist und Körper weiterleben. Herzen, die in Silvester wieder in Takt gebracht werden. Und Herzen, die sogar aus der Brust geschnitten werden.
Hört sich geheimnisvoll an? Ja, sehr! Ekelig? Nein, das nun wirklich nicht. Eher schön. Sehr schön. Denn es geht um die große Liebe. Die einzig wahre. Die, die unverhofft kommt und dann wie ein Blitz einschlägt. Und vor Sehnsucht verbrennt.
So ist es zumindest bei Ioanna und Daphne. Und alles könnte so wunderbar sein, wäre Ioanna nicht ein Kalikanzari. Ein Wesen, das mit einem Fluch belegt seine Gefühle, seine Menschlichkeit eingebüßt hat und nur zu den Raunächten wieder Emotionen empfinden kann. Und in eben dieser Zeit verlieben sich Ioanna und Daphne im wahrsten Sinne des Wortes unsterblich ineinander, bevor sie dann die restlichen Tage des Jahres getrennt voneinander verbringen müssen. Für die Kalikanzari bedeutet das, keine Gefühle und keinerlei Kontakt zu der Außenwelt zu haben. Die Menschen dagegen besitzen keinerlei Erinnerung mehr an die besagten zwölf Tage und Nächte. Und Daphne damit auch nicht an Ioanna.
Das wird tragisch, traurig, ein verzweifelter Kampf um die gemeinsame Liebe – erzählt aus zwei Perspektiven und in verschiedenen Zeitebenen. Und als ob das nicht schon Herzschmerz, fesselnd und schön genug wäre, stehlen auch Cover, geprägter Einband, Farbschnitt und Illustrationen einem das Herz.
Und das Gesamtpacket hat mir so wunderbare Lesestunden bereitet. Und den Viren und Bakterien sehr schnell den Gar aus gemacht.

Bewertung vom 28.02.2025
Wackelkontakt
Haas, Wolf

Wackelkontakt


sehr gut

Ein Wackelkontakt, Kurzschluss oder einfach ein Schluckauf des Schicksals? Es ist geheimnisvoll, unerklärlich: Franz Escher ist Trauerredner, Puzzlefanatiker und ein eher durchschnittlicher, unauffälliger Typ. Als großer Liebhaber von Mafiageschichten schmökert er sich durch das Leben des Kronzeugen Elio Russo. Und dann gibt es da Elio Russo selbst, der im Gefängnis sitzt, nachdem er gegen sämtliche Mafiagrößen ausgesagt hat. Und der mit dem Buch seines Zellengenossen die deutsche Sprache zu erlernen versucht, um sich so auf sein neues Leben weit weg von Italien vorzubereiten. Und dieses Buch handelt von Franz Escher, scheinbar dem Franz Escher.
Klingt verwirrend? Ist es nicht, eher verflochten, verstrickt und ineinander verwoben. Zwei Leben, die sich so miteinander verschränken. Scheinbar unabhängig, völlig losgelöst voneinander. Doch auch bei einem Wackelkontakt und Kurzschluss berühren sich die losen Ende, entzünden einen kräftigen Funken. Und eben diesen Funken arbeitet Wolf Haas nach und nach heraus, lässt so Aha-Momente und überraschende Wendungen entstehen und die Gedanken der Leser*innen rotieren und sich ebenso in deren Köpfen umschlingen.
Das macht Spaß. Und lässt mich über die Seiten fliegen. Immer wieder mit kurzen Zwischenstopps, um mich zu sortieren, die Handlungsstränge auszubreiten, nachzuverfolgen. Und das bei sich steigender Frequenz im Wechsel, was der Geschichte zusätzlich Dynamik gibt. Sie nach vorne treibt. Doch das eine oder andere Ampere mehr hätte ich mir noch gewünscht, das Moment, das alles zum Leuchten bringt.

Bewertung vom 22.02.2025
Unentdeckt
Wiener, Gabriela

Unentdeckt


sehr gut

Unsere Ahnen lebendig halten – für jeden Menschen mag dies eine eigene Bedeutung, Inhalt und Dringlichkeit haben, ist mit der jeweiligen Kultur, Tradition und Religion verbunden. Für Gabriela Wiener ist es ein Zurückblicken auf ihre Familiengeschichte in Peru, auf ihren Ururgroßvater, welcher Beutekunst, tausende präkolumbianische Objekte – dingliche und lebendige Menschen – nach Europa gebracht hat. Diebesgut, gestohlen im Namen der Wissenschaft und für die Neugierde und den Voyeurismus seiner Bevölkerung.
Gabriela Wiener lebt mit dieser Vergangenheit, die tief in ihrem Geist und Körper eingeschrieben ist. Sie begibt sich auf Spurensuche. Selbst inzwischen in Spanien lebend, reist sie aus Anlass des Todes ihres Vaters zu ihrer Mutter nach Peru, begibt sich dort in Identitäten und Parallelen, welche über Raum und Zeit hinweg ihre Familie zu durchdringen scheinen. Das Doppelleben ihres Vaters mit zwei Beziehungen, Haushalten und Kindern erscheint dabei als eine Widerspiegelung des Lebens des Deutschlehrers Charles Wiener, des großen Abenteurers und Entdeckers, der Frau und Kind in Peru zurückgelassen hat.
Und auch Gabriela Wieners eigene Beziehungsgeschichte ist von Treulosigkeit und dem Priorisieren ihrer eigenen Bedürfnisse geprägt. Mit ihrem Mann lateinamerikanischer Herkunft und einer gebürtigen Spanierin in einer Lebens- und Hausgemeinschaft hat sie zahlreiche sexuelle Affairen und Seitensprünge und ist gequält von ihrer eigenen Untreue und Eifersucht in ihrer Partnerschaft. Ihre Suche nach Identität, Herkunft und Zugehörigkeit wird zu einer Belastung für alle Beteiligten und stellt das Beziehungsmodell zunehmend in Frage – sowie auch ihre Verwandtschaft mit Charles Wiener plötzlich nicht mehr gesichert scheint.
Gabriela Wieners autobiographischer Roman ist auch für ihre Leser*innen ein Reisen, Erfahren und Entdecken von Ungeahntem und Ungesagtem, von Schwere und Schrecken, von Dunklem in der Geschichte und Wegen aus dieser Schuld und Vergangenheit hinaus. Und sie ist ein Mahnen vor einer Überlegenheit und Vorherrschaft im Denken, dem Setzen von Normen und Werten und einem Eurozentrismus in der Begegnung von Menschen, Völkern und Kulturen.

Bewertung vom 10.02.2025
In ihrem Haus
van der Wouden, Yael

In ihrem Haus


ausgezeichnet

Lieblingsbuch! Ein neuer all time favourite! So viel, intensiv, so stark habe ich „In ihrem Haus“ niemals erwarten können. Und wurde dann so überrascht und belohnt. Mit 24 Stunden Dauerlesen. Mehreren für mich vollkommen unerwarteten Wendungen. Und einer Geschichte ebenso stark wie ihre Aussagen. Ich mag es gar nicht aus der Hand legen.
Um meine Emotionen aber zu zügeln und damit in Worte zu fassen: Die Geschichte hat alles, was sie unvergesslich macht. Sie mit Bedeutung auflädt und doch zugleich flüssig und so willig zu lesen macht. Und sie tatsächlich einen Pageturner sein lässt. Mit dieser wunderbaren Sprache, dieser Tiefe und auch der Schwere und Traurigkeit, die in ihr stecken. Und die sich in all ihrer Tragik und Dramatik unaufhaltsam entwickeln.
Wie eine Knospe, die sich nach und nach öffnet, zeigen sich auch die verschiedenen Ebenen, Schattierungen, die Vielschichtigkeit in Handlung und Sujet. Wir befinden uns in den Niederlanden der 60er-Jahre, auf dem Land, in einem abgelegenen Haus. Isabel lebt seit dem Tode ihrer Mutter hier allein, zurückgezogen, sich selbst, ihren Abläufen und Eigenheiten genügend. Zu ihren beiden Brüdern hat sie lockeren Kontakt, jeder mit seinem eigenen Leben beschäftigt. Doch all dies ändert sich, als Leo seine Kurzzeitfreundin Eva für mehrere Wochen bei ihr einquartiert. Denn Eva ist nicht, was sie scheint, setzt Dinge in Gang, legt Wurzeln frei. Und lässt alte und neue Geheimnisse ans Tageslicht kommen.
Und was wir dann als Leser*innen erblicken, ist groß, gewaltig und von einer Tragweite, die eine gesamte Nation umspannt. Und es ist so raffiniert in der Geschichte verwoben, in dieser angelegt und doch ein großes Staunen als es sich aus dieser entwickelt, dass es eine große Meisterschaft darstellt. Und bei aller Trauer, Ohnmacht und Wut auf jeder Seite, in jeder Zeile eine Freude des Entdeckens, des Entfaltens der einzelnen Blütenblätter. Und der Grund, warum „In ihrem Haus“ nun der neue große Roman für mich ist.

Bewertung vom 08.02.2025
Daniel Kehlmann über Leo Perutz / Bücher meines Lebens Bd.6
Kehlmann, Daniel

Daniel Kehlmann über Leo Perutz / Bücher meines Lebens Bd.6


ausgezeichnet

Eine Schatztruhe! Eine Wunderbox. Eine Entdeckungsreise. All dies ist das kleine Büchlein für mich, dessen Seiten Kehlmann mit so viel Reichtum zu füllen vermag. Denn es ist Leo Perutz , den uns der Bestsellerautor hier vorstellt, dessen Werk für ihn prägend und wegbereitend war. Und der zu den größten Romanciers seiner Zeit gehörte. Gehören sollte.
Weltruhm haben Leo Perutz und seine Erzählungen, Novellen und Romane nicht erlangt. Und nicht nur das: Bekanntheit, Anerkennung und Auseinandersetzung mit seinem umfangreichen Werk haben weder zu Lebzeiten des jüdischen Autors noch nach seinem Tode in dem Maße stattgefunden, wie es verdient, ja folgerichtig gewesen wäre. Davon ist Kehlmann überzeugt und in bester Gesellschaft zahlreicher Perutz-Verehrer*innen. Den Wunsch, dies zu ändern, können wir aus jedem Wort, auf jeder Seite und zwischen den Zeilen seiner intelligenten und unterhaltsam aufbereiteten Betrachtung herauslesen. Und uns von seiner Begeisterungen mitreißen lassen.
Mit Kehlmann entdecken wir Erzählungen wie „Herr, erbarme dich meiner“, „Der Tag ohne Abend“ und den Roman „St. Petri – Schnee“. Doch Kernstück seiner Zusammenstellung bildet nach Kehlmanns eigener Aussage Perutz‘ bester Roman „Nachts unter der steinernen Brücke“. Und ja, Kehlmanns Zusammenfassung, Interpretationen und vor allem Verknüpfungen machen sprach- und atemlos, lassen staunen und den Wunsch entstehen, selbst sofort zu diesem Werk ungewöhnlichen Aufbaus und komplexer, raffinierter und hoch durchdachter Struktur zu greifen.
Ich selbst hatte das Glück, im Rahmen meines Studiums Perutz, sein Schreiben und Werk kennenlernen zu dürfen. Und leider auch den Umstand, in wieweit und bis heute die Rezeptionsgeschichte jüdischer Autor*innen eine Geschichte voller Repressalien, Diskriminierungen und Negierungen war und ist. Großer Dank gebührt daher Kehlmann für dieses Buch gegen das Vergessen und für das Sichtbarmachen eines großen Schriftstellers und seines Werks.

Bewertung vom 02.02.2025
Geister in Blackwood House
Coates, Darcy

Geister in Blackwood House


ausgezeichnet

Gänsehaut. Atemlose Spannung und meine Kuscheldecke, die ich bis zum Kinn hochgezogen habe. Das Buch hat alles, was es braucht, um mich glücklich zu machen! Und mich über viele, viele Stunden am Stück in sich hineinzusaugen. Zu verschlingen. Gefangen zu nehmen. So wie es Mara mit Blackwood House ergangen ist…
Und dabei war das heruntergekommene, herrschaftliche Haus für Mara Liebe auf den ersten Blick. Trotz all der Stimmen, die sie vor dem Anwesen gewarnt haben. Denn Morde sind in diesem geschehen. Blutige, bestialische, scheinbar unzählige Todesfälle. Und diese haben ihre Spuren in den zahlreichen Zimmern, Fluren, in den Wänden und im Boden hinterlassen – und Blackwood House zu einem Spukhaus gemacht. Das hungrig ist. Und auf sein nächstes Opfer wartet.
Doch Mara ist als Tochter aus einem spiritistischen Elternhaus inzwischen Rationalistin. Abgehärtet und unerschrocken. Und aufgeklärt, wie sie glaubt. Auf das Gerede der Leute gibt sie keinen Deut und vertraut lieber auf ihr Bauchgefühl und ihre Zuneigung, die sie sofort dem alten Gemäuer gegenüber empfunden hat. Ihr Freund Neil ist dabei nicht ganz so abgeklärt und vor allem besorgt um seine Freundin. Aus welchem Grunde Mara die ersten unheimlichen Geschehnisse auch vor ihm geheim zu halten versucht. Doch schon bald sind es nicht mehr nur der Schaukelstuhl, der sich wie von selbst bewegt, und die Schritte auf dem Dachboden, die sich nicht erklären lassen…
Und was dann folgt ist eine sich schnell steigernde Abfolge von Spuk, rachsüchtigen Geistern und sehr realen Bedrohungen. Und vor allem: ganz großartiges Horrorkino! Für den Kopf und für meine Gänsehaut. In einem sehr klassischen Genreaufbau. Ganz so wie ich es liebe und schätze. Und es süchtig macht.

Bewertung vom 26.01.2025
Die seltsamste aller Zahlen
Feeney, Elaine

Die seltsamste aller Zahlen


gut

Jamies Welt ist besonders. Abläufe, Rituale und Muster bestimmen seine Tage und geben ihnen Struktur, Rot ist seine Lieblingsfarbe, und Menschen sind ihm fremd und unheimlich. Doch vor allem ist es seine Welt. In die nur wenige Zugang finden.
Ausgenommen sind hier sein Vater Eoin und seine Großmutter Marie. Seine Mutter Noelle, die bei Jamies Geburt unter tragischen Umständen zu Tode kam, hat eine nicht zu füllende Lücke in dem Leben ihres Sohnes hinterlassen. Eine Lücke, welche jener in Hoffnung und Verzweiflung mit dem Bau eines Perpetuum mobile zu überbrücken versucht, einer Maschine, die in ihrer unendlichen Bwegung seine tote Mutter wieder zum Leben erwecken soll.
Der Schulwechsel bringt Jamies fein austarierte Welt ins Schwanken. Sicherheit und Unterstützung findet er überraschend in seiner Lehrerin Tess, die sich des sensiblen Neuzugangs annimmt. Und dabei doch ihre ganz eigenen eigenen Sorgen und Nöte zu tragen hat. Der neue Werklehrer Tadgh macht das Trio komplett und bringt mit seiner Unvoreingenommenheit und unkonventionellem Auftreten Dynamik und Veränderung in das Leben der Drei und der gesamten Dorfgemeinde.
Die Geschichte hat mit Jamie einen Protagonisten, der mit seinem offenen, unverstellten Blick auf Menschen und Dinge und zugleich seiner Fragilität und scheinbaren Schutzlosigkeit das eigene Herz rührt. Und auch Tess und Tagh sprechen durch ihr auf Menschlichkeit beruhendem Handeln die Leser*innen auf einer emotionalen Ebene direkt an. Doch zugleich lässt dies die Geschichte für mich in großen Teilen wenig überraschend und neu erscheinen, in ihrem Fortgang vorhersehbar sein. Gut unterhalten fühlte ich mich dennoch, bei einer heißen Tasse und winterlichen Keksen.

Bewertung vom 12.01.2025
Über dem Tal
Preston, Scott

Über dem Tal


ausgezeichnet

Mit einem neuen Lieblingsbuch gleich in das neue Jahr gestartet. Das passt! Und ganz unerwartet hat mich die Geschichte tief ins Herz getroffen, mich so sehr berührt, mitgerissen, mir Schauer über den Rücken gejagt. Und mich vor allem zu einer großen Schafsliebhaberin gemacht. Und vielleicht auch ein wenig zu einer Kennerin.
Das klingt wild, ist es auch. Und vor allem die Landschaft, in welcher „Über dem Tal“ angesiedelt ist. Wenn „Siedlung“ denn überhaupt der richtige Ausdruck für die Einsamkeit, Wildheit und die ursprüngliche Landschaft der Fells ganz im Norden Englands ist. Und eben hier, mitten in und mit der Natur, sind die Höfe der Schafbauern in die rauhen, kargen Hügel und Felsen geschmiegt. Williams Anwesen Caldhithe ist mit Größe der Ländereien und Schafsherde Montgarth überlegen, dem Hof, welchen Steve gemeinsam mit seinem Vater bewirtschaftet. Als die Maul- und Klauenseuche den eigenen Tierbestand befällt, findet er den Weg auf das benachbarte Anwesen und erliegt dort der Faszination des älteren Mannes, seiner Grausamkeit, Brutalität, Geradlinigkeit. Und auch der Warmherzigkeit Helens, Williams Frau, welche ihm das erste Mal ein Gefühl von zu Hause gibt.
Steve ist William und Caldhithe verfallen. Und damit beginnen sein Glück und Unglück. Seine Kriminalität, ein Leben an den eigenen Grenzen und darüber hinaus. Doch vor allem führt er ein Leben, das er mit jeder Faser seines Körpers und jeder Minute des Tages den Schafen, ihrer Zucht und Aufzucht, dem Fortbestand der Herde widmet. Und das er im Einklang mit der rauhen Natur, der kargen Landschaft und schier endlosen Weite der Fells verbringt. Das ihm alles abverlangt. Und ihn doch erfüllt.
Ebenso ging es mir mit diesem Roman. Ja, die Geschichte ist hart und grausam, zugleich aber wunderschön mit Bildern von einem beeindruckendem Land und mit poetischer, sanfter Sprache. Und mit einer Sehnsucht nach einem einfachen, ursprünglichen Leben und ebenso dem Respekt vor diesem und seinen Entbehrungen. Und vor allem schreibt sie sich tief in das Herz. Und bleibt.