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darkola77

Bewertungen

Insgesamt 82 Bewertungen
Bewertung vom 12.01.2025
Über dem Tal
Preston, Scott

Über dem Tal


ausgezeichnet

Mit einem neuen Lieblingsbuch gleich in das neue Jahr gestartet. Das passt! Und ganz unerwartet hat mich die Geschichte tief ins Herz getroffen, mich so sehr berührt, mitgerissen, mir Schauer über den Rücken gejagt. Und mich vor allem zu einer großen Schafsliebhaberin gemacht. Und vielleicht auch ein wenig zu einer Kennerin.
Das klingt wild, ist es auch. Und vor allem die Landschaft, in welcher „Über dem Tal“ angesiedelt ist. Wenn „Siedlung“ denn überhaupt der richtige Ausdruck für die Einsamkeit, Wildheit und die ursprüngliche Landschaft der Fells ganz im Norden Englands ist. Und eben hier, mitten in und mit der Natur, sind die Höfe der Schafbauern in die rauhen, kargen Hügel und Felsen geschmiegt. Williams Anwesen Caldhithe ist mit Größe der Ländereien und Schafsherde Montgarth überlegen, dem Hof, welchen Steve gemeinsam mit seinem Vater bewirtschaftet. Als die Maul- und Klauenseuche den eigenen Tierbestand befällt, findet er den Weg auf das benachbarte Anwesen und erliegt dort der Faszination des älteren Mannes, seiner Grausamkeit, Brutalität, Geradlinigkeit. Und auch der Warmherzigkeit Helens, Williams Frau, welche ihm das erste Mal ein Gefühl von zu Hause gibt.
Steve ist William und Caldhithe verfallen. Und damit beginnen sein Glück und Unglück. Seine Kriminalität, ein Leben an den eigenen Grenzen und darüber hinaus. Doch vor allem führt er ein Leben, das er mit jeder Faser seines Körpers und jeder Minute des Tages den Schafen, ihrer Zucht und Aufzucht, dem Fortbestand der Herde widmet. Und das er im Einklang mit der rauhen Natur, der kargen Landschaft und schier endlosen Weite der Fells verbringt. Das ihm alles abverlangt. Und ihn doch erfüllt.
Ebenso ging es mir mit diesem Roman. Ja, die Geschichte ist hart und grausam, zugleich aber wunderschön mit Bildern von einem beeindruckendem Land und mit poetischer, sanfter Sprache. Und mit einer Sehnsucht nach einem einfachen, ursprünglichen Leben und ebenso dem Respekt vor diesem und seinen Entbehrungen. Und vor allem schreibt sie sich tief in das Herz. Und bleibt.

Bewertung vom 30.12.2024
Es sind nur wir
Peichl, Martin

Es sind nur wir


ausgezeichnet

Wenn die eigene Welt in Scherben bricht – der Protagonist in „Es sind nur wir“ hat genau das erlebt. Und daraus seine Konsequenzen gezogen, Schritt für Schritt, dann zunehmend drastisch und ohne einen Weg zurück in sein altes Leben.
Denn dieses Leben hat ihn schwer verwundet zurückgelassen. Als Lehrer, der seinen Beruf ohne Profession und nur mit halben Herzen ausgeübt hat, wurde er von dem tragischen Schicksal seines Schülers aus seiner instabilen Bahn geworfen – und direkt zu Mascha katapultiert. Mascha ist Prepperin und damit bestens und mit großer Ernsthaftigkeit auf das vorbereitet, was der Ich-Erzähler im Privaten bereits erlebt hat: den Untergang der Welt.
Maschas Bunker ist ihr gemeinsamer Zufluchts- und Rückzugsort, ihr Schutz vor Bedrohungen und Anforderungen einer Außenwelt, er ist aber auch der Ort, an welchem Zivilisation und Natur aufeinandertreffen und sich begegnen – und dies in geradezu mystischer oder auch mythologischer Gestalt einer Füchsin. Nicht nur, dass das Tier die Nähe zu den beiden Eremiten in seinem Revier sucht, es wagt sich zunehmend auch in deren Behausung vor, scheint dort ein- und auszugehen und so zu einem festen Bestandteil des Lebens im Rückzug zu werden. Einem Leben, das auf das Ende ausgerichtet ist.
Martin Peichl vermag in klarer Sprache und mit poetischen Worten eine Geschichte zu erschaffen, die einen Rausch an Emotionen freisetzt und dabei ebenso fasziniert wie verstörend wirkt in Denken und Ausrichtung der Figuren. Dass der Roman mich gerade zwischen den Jahren gefunden hat, sehe ich dabei als großes Glück und wunderbare Fügung – denn kaum treffender hätte diese Zeit des Abschlusses und Neubeginns für mich begleitet werden können.

Bewertung vom 23.12.2024
Tage einer Hexe
Dimova, Genoveva

Tage einer Hexe


ausgezeichnet

Hexen, Monster und eine geteilte Stadt voll Magie und Zauberei – „Tage einer Hexe“ ist all das, was Fantasy spannend, fantasievoll und zu einem großen Lesevergnügen macht. Und für mich ist es der Roman, der mich durch Stunden voll Kerzenschein und Keksen in der Adventszeit begleitet hat.
Doch besinnlich ist die Geschichte dabei wirklich nicht – ganz im Gegenteil! Denn Kosaras Kampf um ihren eigenen Hexenschatten und damit auch um die Zukunft Chernograds, der verfluchten Stadt hinter der Mauer, hat ihren Ausgangspunkt in den „Schmutzigen Tagen“. Und das ist genau die Zeit im Jahr, in welcher Upire, Rusalken und Samodiven die Straßen unsicher machen und sich ihrem Blutdurst und ihrer Freude an Spiel und Schabernack mit den Lebenden hingeben.
Und leider sind diese ungeweihten Tage auch die Jagdsaison des Zmey, des Königs der Monster, in welcher er eine junge Frau zur Braut wählt und sie nach und nach ihrer Kräfte beraubt – wie Kosara schmerzlich am eigenen Leib erfahren musste. Doch auf der Suche nach ihrem Hexenschatten muss sie sich nicht nur ihren alten Wunden und Ängsten stellen, sondern sich auch in einem magischen Duell beweisen, in welchem nichts weniger als der Fortbestand ihrer Welt auf dem Spiel steht. Und nicht zuletzt wartet eine noch größere Herausforderung auf die junge Hexe: wieder Vertrauen zu fassen und Nähe zuzulassen – auch, wenn er buchstäblich aus einer anderen Welt zu stammen scheint.
Als die Tage kürzer und die Nächte kälter und länger wurden, hat „Tage einer Hexe“ mein Leseherz erwärmt und mir Leuchten in die Augen und Gänsehaut überhaupt und überall gezaubert. Und mich vor allem in eine Geschichte voll Fantasie und Magie eintauchen lassen, die mich ganz wunderbar begeistert und meinen Kopf mit Bildern und Figuren gefüllt hat. Und mich mit Mondwein und verzauberten Früchten auf den ersten Schnee und die „Schmutzigen Tage“ hoffen lässt.

Bewertung vom 10.11.2024
Women Living Deliciously
Given, Florence

Women Living Deliciously


ausgezeichnet

Männer und Frauen sind gleichberechtigt – das ist doch klar!
Das könnte man(n) denken – und Frau ebenso. Doch ganz so einfach ist es nicht. Und er erst recht nicht so eindeutig. Denn Auswirkungen und Einfluss des Patriachats sind verändert und subtil – und damit häufig erst auf den zweiten, sensibilisierten Blick zu erkennen.
Und genau diese geschärfte Sichtweise legt Florence Given an den Tag, wenn sie den weiblichen Körper, Schönheitsideale und (Selbst-) Beschränkungen von Frauen kritisch unter die Lupe nimmt und gleich einer Chirurgin freien Willen und Entscheidungsautonomie von patriarchalen Denkmustern und Grenzziehungen trennt. Und dabei Erstaunliches zu Tage befördert.
Für Given steht fest: Es ist Zeit, die rosarote Brille abzunehmen! Denn „der patriarchalische Käfig, der uns zurückhält, befindet sich jetzt in unseren eigenen Köpfen“. Hört sich nicht nur erschreckend an, hat auch Hand und Fuß und unzählige Anknüpfungspunkte an die doch so unterschiedlichen Lebenswelten und -modelle der Leser*innen. Oder anders gesagt: Auch ich selbst habe mich in zahlreichen Ausführungen und Beispielen wiedererkennt. Schmerzhaft. Aber auch notwendig.
Doch wie sagt Given weiter: Wir können nichts ändern, was uns nicht bewusst ist! Und das ist auch der Ausgangspunkt für ihren Drei-Punkte-Plan. Jäten, Pflanzen, Blühen! Denn nach dem Aufdecken von Glaubenssätzen und Gewohnheiten gibt sie lebensnahe und ganz praktische Impulse und Anleitungen, um die Samen für all die Ideen und Ziele zu pflanzen, die Frau für sich selbst will – und deren Früchte sie in der Phase des Blühens erntet.
Tatsächlich hat mich das Buch über viele Kapitel eiskalt erwischt. Warum? Weil ich mich für selbstreflektiert und aufgeklärt halte. Und trotzdem zahlreiche Fallen ausfindig gemacht habe, in die ich nur zu gern tappe, immer wieder. Und selbst nicht mal als solche wahrgenommen habe. Aus diesem Grunde: Das Buch ist Pflichtlektüre, Konfrontationstherapie und Ideengeber für Reflektionen und Wünsche. Und Seelenstreichler und Herzenswärmer gleich dazu.

Bewertung vom 01.11.2024
Okaye Tage
Mustard, Jenny

Okaye Tage


sehr gut

Himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt – Liebe kann eine Achterbahnfahrt sein. Sie kann Endorphine und ungeahnte Höhen bereithalten und einen dann wieder ins Bodenlose stürzen und alles um einen herum grau und farblos werden lassen. Und den einen Menschen zum Mittelpunkt der eigenen Welt machen.
So geschieht es Sam mit Luc und Luc mit Sam. Was mit einer Begegnung, einem flüchtigen Gespräch begann, findet nun nach über zehn Jahren seine überraschende Fortsetzung. Und wird sofort zu etwas ganz Großem, etwas, was Kopf, Herz und den Sommer in London einnimmt. Denn eines steht fest: Nach nur wenigen Monaten muss Sam die Stadt und damit auch Luc wieder verlassen. Und ihre Beziehung ist beendet. Ein kalter, sauberer Schnitt, so ist es geplant. So soll es für Sam sein.
Das Ultimatum vor Augen, verlieren sich Sam und Luc ganz ineinander und ihrem gemeinsamen Leben. Gehen gemeinsam über Grenzen, sind zügellos, trunken vor Liebe und Alkohol. Und sind mit dem Abschied voneinander mit einer Leere konfrontiert, die sich auch systematisch, mit Plan und Disziplin nicht füllen lässt. Und sie zu einem großen Schritt veranlasst.
Doch ist Liebe allein genug? Ist sie für ein gemeinsames Leben erprobt, belastbar? Trägt sie durch Kompromisse und über Herausforderungen, Schwierigkeiten hinweg?
Bei allem, was sie eint, so verschieden sind Sam und Luc – und so ist auch ihre Sicht auf sich, ihr Gemeinsames und das, was sie trennt. Wir als Leser*innen können eben diese Sichtweisen erleben, wird die Geschichte doch in einem Wechsel mal aus der einen, mal aus der anderen Perspektive erzählt. Ergibt dadurch ein Ganzes, füllt Leerstellen, gibt Klärung. Und vor allem hält es Spannung und Lesefreude durchgehend auf einem hohen Niveau – der Roman macht Spaß! Wenn auch die Handlung das eine oder andere Mal erwartbar scheint.

Bewertung vom 27.10.2024
Antichristie
Sanyal, Mithu

Antichristie


ausgezeichnet

Wenn Ihr in den verbliebenen Wochen dieses Jahres nur noch ein Buch lesen könnt: Greift zu „Antichristie“! Legt es Freund*innen unter den Weihnachtsbaum, und lasst sie mit diesem Wunderwerk ins neue Jahr starten!
Warum ich so euphorisch bin? Es liegt nicht an der goldenen Herbstsonne in meinem Gesicht und den bunten Blättern vor meinen Füßen – okay, vielleicht ein wenig. Doch vor allem ist es dieses grandiose Gesamtpaket von Roman, das mich die vergangenen Tage und Wochen in seinen Bann gezogen hat, eine Geschichte vor meinen Augen und in meinem Kopf hat abspielen lassen und mir so viel neues Wissen, Einsichten und Denkanstöße vermittelt hat.
Und ganz wichtig und nicht zu vergessen: Die Sprache hat Witz, die Handlung Humor. Und das, obwohl das Sujet ein ernstes ist, ein grausames Kapitel der britischen Geschichte und des Leids der Menschen Indiens in der Kolonialzeit des Empires. Historische Figuren und Ereignisse vermischen sich mit Fiktion und einer Lebendigkeit, die sie die Jahrzehnte überbrücken und in der Gegenwart wieder auferstehen lässt.
Durga ist Teil dieser Fiktion und zugleich Mittelpunkt und verbindendes Element zwischen einem Heute im Jahre 2022 – zum Zeitpunkt des Todes Queen Elisabeth II. – und den indischen Revolutionären im Londoner India House des beginnenden 20. Jahrhunderts. Und neben dem fantastischen Motiv der Zeitreise, allerlei Skurrilem wie einem Locked Room-Mord und Doctor Who als Zitategeber und Referenz geht es doch und vor allem um den Widerstand junger Inder im Herzen des Königreichs gegen ihre Unterdrücker und die Heterogenität und Trennung innerhalb des großen Subkontinents Indien in Form von Religionen, Abstammung, Kasten.
Mithu Sanyal vollbringt das Kunststück, aus dieser Vielzahl an Themen, Einflüssen und einem reichen Figurenensemble ein großartiges Ganzes zu erschaffen, das beim Lesen ebenso viel Vergnügen wie Nachdenklichkeit erzeugt. Und Zugang zu Geschichte und Ereignissen vermittelt, die aus eurozentristischer Sicht oftmals verborgen scheinen.

Bewertung vom 05.10.2024
Scandor
Poznanski, Ursula

Scandor


ausgezeichnet

Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit – das ist, was Philipp, Tessa und die weiteren Mitspieler*innen sprechen müssen, wollen sie die fünf Millionen Preisgeld gewinnen. Und sich nicht ihren schlimmsten Albträumen stellen müssen. Klingt einfach? Nicht aber, wenn Scandor Deinen Arm umschließt. Denn Scandor hört, spürt und bewertet alles. Und lässt Deinen Alltag damit zum Spießrutenlauf werden.
Doch diese Konsequenz wird Philipp und Tessa erst nach und nach bewusst. Wenn sie ihre Freund*innen vor den Kopf stoßen, Kund*innen mit schonungsloser Ehrlichkeit verärgern und sich zunehmend sozial isolieren. Und wäre das allein nicht schon genug, um die eigene Spielteilnahme wieder und wieder in Frage zu stellen und Nerven und Kräfte mehr und mehr schwinden zu lassen, häufen sich auch die merkwürdigen Zufälle und rätselhaften Begegnungen und Verbindungen. Was steckt wirklich hinter dem Wettbewerb? Und verfolgen die Spielmaster möglicherweise ein ganz eigenes Ziel?
Wer Poznanski und ihre Jugendbücher kennt, weiß: Bis zum Schluss, bis zur allerletzten Zeile bleibt es spannend und rätselhaft. Nimmt die Autorin uns mit auf Irrwege, führt uns in Sackgassen und setzt uns Verschwörungen, Staunen und ganz viel Überraschung und Nervenkitzel aus. Und weiß einfach großartig zu unterhalten! Und all das finden wir auch in „Scandor“ – verbunden mit der erschreckenden Vorstellung, dass jemand Drittes tiefen Einblick in unser Innerstes, in unser Selbst nehmen kann.
Wäre das bei mir möglich: Der Wahrheitsgehalt dieser Besprechung ist 100 %. Scandor würde es bestätigen.

Bewertung vom 21.09.2024
Pi mal Daumen
Bronsky, Alina

Pi mal Daumen


ausgezeichnet

Lieblingsbuch! Und zwar auf ganzer Linie.
Die Geschichte hat mich ins Herz getroffen, ohne dabei rührselig zu sein. Hat mich zum Lachen gebracht mit einem Witz und Humor, der punktgenau und passend ist. Und hat mich an das Buch gefesselt, die Nacht zum Tag gemacht.
Doch vor allem lässt sie mich nun wehmütig zurück, denn scheinbar bin ich noch nicht bereit, Moni und Oscar ziehen zu lassen. Mich von den Marotten und Besonderheiten des jungen Mathematikgenies zu verabschieden und auch Moni ein hoffnungsvolles „Auf Wiedersehen“ zu sagen, der lebenserfahrenen und patenten Mutter, Großmutter und Studentin, deren Herz so groß wie ihre Handtasche ist. Und auch die Mathematik werde ich vermissen, die vage Vorstellung von einer Wissenschaft, die das Leben, unsere Welt, das gesamte Universum zu erklären vermag und dabei für diejenigen, die sie zu durchdringen vermögen, Klarheit, Ordnung und den Blick in die tiefsten Tiefen und höchsten Höhen verspricht. Während alle anderen nur Zahlen, Symbole und Formeln sehen.
Doch, was mich wirklich überrascht, ist, wie sehr mir die Geschichte gefallen hat! Das Cover ist wunderschön, ein Eyecatcher, hat mich aber auch auf eine gänzlich andere Fährte geführt. Und wird samt Inhalt nun meinem Mann in die Hand gedrückt, der sich schon über mein verzücktes Lächeln und lautes Lachen gewundert hat. Und die brennende Nachttischlampe zur Schlafenszeit.
Wenn die Tage nun kürzer werden, darf „Pi mal Daumen“ für ein wenig wärmenden Sonnenschein zwischen den Seiten auf keinen Fall fehlen! Kombiniert mit einer Tasse Kamillentee – Oscars Lieblings- und einzigem Getränk in der Unimensa.

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.09.2024
Halbnah
Stadler, Anna Maria

Halbnah


sehr gut

Die Stadt als Ort der Begegnungen, des sozialen Miteinanders aber auch eines Vakuums, das von den Menschen mit ihren unterschiedlichen Geschichten, Bedürfnissen und Wünschen gefüllt wird – „Halbnah“ bietet für all dies einen Raum, Auffangbecken und Projektionsfläche. Und gleich Perlen an einer Kette reihen sich Ausschnitte der einzelnen Leben und Handlungsfragmente aneinander.
Drei Frauen sind es, die wir begleiten in einer zeitlich klar begrenzten Gegenwart und einer Vergangenheit, die weit und breit ist. Kata und Mira verbindet eine gemeinsame Kindheit, ein Aufwachsen als Schwester und Pflegekind und ein Verhältnis der räumlichen Distanz und emotionalen Nähe. Sarah erscheint dagegen in einem Prozess des Loslassen und des Infragestellens ihrer sozialen Bindungen und Beziehungen. Mit Blick auf ihren Lebensgefährten Elias folgt auf ihre emotionale Entfremdung ein Weggang aus der gemeinsamen Wohnung und damit eine Trennung. Stück für Stück. Karton für Karton. Ein Zueinanderfinden mit Benjamin, auf welchen sie Sehnsüchte und die Hoffnung auf eine erfüllte Partnerschaft projiziert, findet anders als von ihr erhofft jedoch nur in kleinen Schritten statt.
„Halbnah“ ist viel und sperrt sich gegen eine Zuordnung in Genres und Kategorisierungen, die eigenen literarischen An- und Zielsetzungen nur wenig Raum lassen. Es ist die Beschreibung des Alltags der jungen Frauen, die uns Einblicke in Denken und Handeln einer Generation und doch dreier Individuen gewährt. Zugleich sind es die poetischen Elemente und die Klugheit in Aussagen und Betrachtungen, die ein Verweilen in Kopf und Gedanken schaffen – und eine Fortsetzung im Bezug zu eigenen Ansichten und Leben.
Nur die Perlen auf der Kette reihen sich in Teilen in Abständen, die lose und in ihrer Verbindung nicht eindeutig sind. Bevor sie abreißen – so wie auch der beschriebene Tag so plötzlich zu enden vermag.

Bewertung vom 09.09.2024
Lieferdienst
Hillenbrand, Tom

Lieferdienst


ausgezeichnet

Die Geschichte ist rasant. Hat Tempo und gibt ordentlich Gas.
Und das hat sie gemein mit den Bringern der großen Lieferdienste in einem neuen Berlin der Zukunft. Denn flink, findig und mit Blick auf die Konkurrenz gnadenlos müssen auch diese sein, bricht doch mit jeder Bestellung, die aufgegeben wird, ein gnadenloses Wettrennen um die schnellste Zustellung los. Und die eigens aus dem 3D-Drucker produzierte Ware droht bei Niederlage wertlos zu werden.
So weit, so erschreckend. Und ein Albtraum des Kapitalismus. Und für all diejenigen, die wissen, dass auch die neuste GameStation – so die Konsole der Zukunft – Ressourcen zieht. Von Arkadis, einem „Vollblut-Bringer“ des Unternehmens Rio, sind jedoch vor allem Kraft und Nerven gefordert, als er nicht nur Zeuge der Ermordung seines legendären Kollegen Airbox sondern in dessen Folge auch in Geheimnisse und Abgründe hineingezogen wird, welche den Fortbestand des bisherigen Liefersystems in Frage zu stellen drohen.
Es ist also dramatisch. Mysteriös. Und hoch spannend! Denn Airbox‘ Mission ist mit Lug und Trug, Fallstricken und Sackgassen, Explosionen und vor allem der schärfsten Currybulette Neu-Berlins gepflastert. Und auch die Leser*innen sind gefragt, wenn sie in ein Feuerwerk an kreativen Einfällen und originellen Wortschöpfungen eintauchen, die auf den ersten Seiten noch ins Auge springen mögen – dann jedoch Teil des stimmigen Settings und eines runden Gesamtbildes werden. Und einfach jede Menge Spaß machen!
Hillenbrand kanns! Mich maßlos unterhalten. Mich zum Lachen bringen. Und mich immer wieder mit einem „Das musst Du hören!“ Sätze und Passagen meinem Mann laut vorlesen lassen. Dem es wohl ebenfalls gefällt – zumindest ist das Buch nun direkt in seine begierigen Hände gewandert.