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Benutzername: 
RebeccaWinter
Wohnort: 
Wolke7

Bewertungen

Insgesamt 4 Bewertungen
Bewertung vom 02.10.2024
Wohnverwandtschaften
Bogdan, Isabel

Wohnverwandtschaften


ausgezeichnet

Der Verlag Kiepenheuer & Witsch hat „Wohnverwandtschaften“ als gebundenes Buch in rotem Einband mit petrolfarbigem Lesebändchen herausgebracht. Im Schutzumschlag sind diese Farben stimmig aufgenommen. Hier werden Teller und Besteck als Ausschnitt eines gedeckten Tisches gezeigt. Der mittlere Teller ist zerbrochen.
Damit stimmt die Buchgestaltung ideal auf das Thema einer Wohngemeinschaft ein, die sich nicht als Zweckgemeinschaft, sondern als Wahlfamilie versteht. Denn wie in einer Familie durch verwandtschaftliche Verbindungen so ist auch in der WG von Jörg, Murat, Anke und Constance das gemeinsame Essen zentrale Zeit der Gemeinsamkeit.
Was sich in den ersten Kapiteln sehr locker, teilweise lustig und etwas flappsig liest, bekommt schnell Tiefgang. Jeder Bewohner hat seine eigenen Probleme und Bedürfnisse. Doch man kümmert sich gegenseitig, hört zu, zeigt Interesse. So werden auch Schwierigkeiten, die alle angehen, gemeinschaftlich in einer positiven, einander zugewandten Weise angegangen.
Trotzdem die Vier sehr unterschiedliche Biographien und Charaktere haben, passen sie zusammen „wie die Zutaten eines Teigs“ und besitzen gemeinsam mehr Stärke und Rückhalt aneinander.
Die lebensecht beschriebenen Personen mir sofort ans Herz gewachsen – besonders der optimistische Murat, der das Leben so genießen kann.
Die Autorin Isabel Bogdan hat mit diesem Roman Leichtigkeit mit Tiefsinn verbunden, Humor und Optimismus mit zu bewältigenden Schicksalsschlägen.
Mir hat das Buch sehr gefallen. Es ist unterhaltsam auf einem hohen Niveau und hat bei mir ein positives Lebensgefühl hinterlassen.
Sehr empfehlenswert!!

Bewertung vom 18.08.2024
Ich komme nicht zurück
Khayat, Rasha

Ich komme nicht zurück


sehr gut

Der Schutzumschlag zeigt eine farbenfrohe, abstrakte Darstellung einer aufgegangenen Sonne. Der Einband selbst ist in Orange gehalten. Das vermittelt einen optimistischen Eindruck.
Dem entgegen steht zunächst die Erzählung, angesiedelt in der Corona-Zeit mit bedrückenden Bildern von Einsamkeit und Unsicherheit. Doch es gibt positive Ausblicke und so ist die Buchgestaltung vielleicht doch stimmig.
Die Protagonistin Hanna, die zusammen mit den Freunden Cem und Zeyna in Kindheit und Jugend ein untrennbares Dreigespann bildet, fühlt sich nach dem Tod ihrer Großeltern ziel- und orientierungslos. Die Freundschaft zu Cem besteht in ihrem Erwachsenenleben noch fort, zu Zeyna ist der Kontakt abgerissen. Als Leser wird man in die Suche nach Halt und dem Versuch erneut Vertrautheit herzustellen mitgenommen.
Der Umgang der Autorin Rasha Khayat mit Sprache ist sehr kreativ. In der Erzählung passt das. Das Weglassen des Personalpronoms, Aufzählungen, Wiederholungen und zeitliche Abfolgen. Für mich überflüssig habe ich kapitelübergreifende Satzwiederholungen empfunden.
Der Handlungsfaden ist insgesamt nicht neu und überraschend, jedoch ist die Atmosphäre sehr gut geschildert.

Das Buch hat trotzdem viele Themen wie die Flüchtlingsproblematik, Ausländerhass und Terror aufgegriffen wurden keinen nachhaltigen Eindruck bei mir hinterlassen.

Bewertung vom 18.08.2024
Nur nachts ist es hell
Taschler, Judith W.

Nur nachts ist es hell


sehr gut

Der Zsolnay-Verlag hat den Schutzumschlag des gebundenen Buchs mit einem farblich veränderten Motiv des impressionistischen Gemäldes „Going home“ von Tom Roberts aus dem Jahr 1889 ausgestattet. Sehr hilfreich ist eine Ahnentafel der Familie am Ende des Romans.
Die Autorin Judith W. Tischler hat dieses Buch als Fortsetzung ihres Romans „Über Carl reden wir morgen“ geschrieben. Dieses Buch habe ich nicht gelesen. Möglicherweise ist es hilfreich die Vorgeschichte zu kennen, doch auch ohne dieses Wissen ist es leicht den Ereignissen zu folgen.
Erzählt wird aus der Sicht der Protagonistin Elisabeth Brugger, die ihr Leben ihrer Großnichte Christina erzählt. Aber man hat durch die Ansprache an Christina immer wieder das Gefühl selbst, als Leser, gemeint zu sein.
Das bewegte und ereignisreiche Leben umfasst die Zeit der Belle Époque, den ersten und den zweiten Weltkrieg, reicht bis in die 70er Jahre. Dabei werden neben der persönlichen Geschichte die historischen Zusammenhänge, Zeitströmungen und bedeutende Entwicklungen geschildert, so dass sich ein gutes Gesamtbild ergibt. Interessant fand ich auch die vielen Nebengeschichten, Lebensläufe von zum Teil nur Randfiguren. Ein bisschen wie die Matrjoschka-Puppen.
Meine Erwartung, dass das Hauptthema Frauenrechte wären, hat sich nicht bestätigt. Aber das macht gar nichts. Vielmehr hat es mir sehr gefallen, dass es kein Heldentum gibt und die Protagonistin im Rahmen ihrer Möglichkeiten handelt, jedoch „höhere Ziele“ dem familiären Anspruch und Ängsten unterordnet. Das macht „Elisabeth“ lebensnah und glaubwürdig.
Der Roman hat für mich viel von einem Bericht, zumal mit einer gewissen Distanz zum Geschehen erzählt wird. Dazu kommt, dass es für mich keine Identifikationsfigur gibt. Damit bleibe ich selbst distanziert und weniger berührt von den doch insgesamt tragischen und ergreifenden Geschehnissen. Das erscheint mir als das einzige Manko.
Insgesamt eine breitaufgestellte Familiengeschichte, die ich sicher nochmals lesen werde – nach der Lektüre des ersten Bandes.

Bewertung vom 02.04.2024
Der Sommer, in dem alles begann
Léost, Claire

Der Sommer, in dem alles begann


ausgezeichnet

Über die Ostertage war ich hier und doch fort - in der Bretagne. Der Regen klatschte an die Fensterscheiben und es war der Regen und der Wind um das kleine Dorf Le Bois d én Haut. Salz-Karamell auf der Zunge und den Kopf vergraben im Buch. Am Nachmittag bin ich aufgetaucht. Benommen, überrascht von diesem Büchlein. Was für ein Glück, es gelesen zu haben!

Das Cover des Schutzumschlages zeigt eine wohl bretonische Landschaft am Meer in süßlich anmutendem Abendlicht. Und führt damit völlig aufs Glatteis. Das Meer spielt nur eine Nebenrolle, tatsächlich ist die Geschichte im Innern der Bretagne angesiedelt. Hier ist der Wald um das Dorf die bestimmende Kulisse. Auch hat die Erzählung überhaupt nichts Verträumtes, Romantisches.
Ein weiteres Manko ist für mich der Klappentext, der zu viel verrät (zum Glück habe ich den erst nach dem Roman gelesen).
Insgesamt finde ich daher, dass die Buchgestaltung besser hätte sein können.

Der Roman selbst ist meisterhaft:

Die Begegnung der jungen Helene mit der kapriziösen Pariserin Marguerite, die familiären Verstrickungen und die Entwicklung der Geschichte sind spannend und die Handlung steigert sich zu einem beklemmenden Ende. Selbst aus einem kleinen Dorf stammend und in einem anderen kleinen Ort wohnend, empfand ich die Personen absolut authentisch, den Handlungsfaden stimmig und die Atmosphäre sehr gut vermittelt. Das dörfliche Leben mit seinem geregelten, aber auch einengenden Leben. Alte Bräuche, touristisch überhöht zum Mummenschanz. Und die Sehnsucht nach Mehr mit Angst vor dem Neuen.
Vielleicht wird der erste Roman von Claire Lèost auch noch ins Deutsche übersetzt. Ich wünsche es mir. Und vielleicht gibt es bald ein weiteres, neues Buch von dieser wunderbaren Schriftstellerin.
Meine absolute Leseempfehlung!