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MostWanted
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Bewertung vom 13.01.2011
Aus dem Leben eines kleinen Mannes
Artmann, Swen

Aus dem Leben eines kleinen Mannes


sehr gut

Swen Artmann wird für sein Erstlingswerk definitiv keinen Literaturpreis bekommen. Er wird auch keinen Weltbestseller landen oder einen deutschlandweiten Verkaufserfolg schaffen - dafür fehlt ihm und seinem Buch die Werbung und die professionelle Vermarktung. Ich bin mir aber sicher, dass das Buch die Chance hat, regional ein Erfolg zu werden. Das Buch tritt unaufgeregt, menschlich und entspannt an, um Menschen mit Alltagsgeschichten für einige Stunden aus ihrem Alltag zu reißen. Und das gelingt prächtig.
Das Buch beschreibt auf humorvolle Weise einen 46-jähigen Finanzbeamten aus Billerbeck/NRW, der sich den Luxus gönnt, nach Höherem und Größerem zu trachten. Er gönnt sich zudem den Luxus, eine leicht verschobene Selbstwahrnehmung zu haben und zudem mit seinem Leben nicht wirklich zufrieden zu sein, obschon er eigentlich alles hat. Und so erlebt dieser Karl Bauer verschiedenste Episoden und Geschichten, die ihn oft als faktischen Verlierer, zudem aber auch immer wieder als moralischen Gewinner outen. Die einzelnen abgeschlossenen Storys sind teilweise hervorragend recherchiert, sehr dicht an der Realität und überaus komisch und tragisch zugleich. Karl Bauer ist ein Kerl, wie er auch als Nachbar neben einem leben könnte, und wahrscheinlich kennt jeder in seinem Umfeld einen Karl Bauer, wenn er nicht sogar bei sich selbst Anteile dieses herzlichen Hauptdarstellers entdeckt. Diese Tatsache macht es ungemein einfach, diesen Typen zu mögen.

Der Autor hat keinen Druck, da er sein Werk im Selbstverlag veröffentlicht hat. Er kann machen, was er will, und ob er nun einen Nachfolger für dieses Buch schreibt und wann er das tut, liegt ausschließlich an ihm selbst. Und das ist der Vorteil, wenn man keine fordernde Industrie im Rücken hat. Man merkt dem Buch an, dass der Autor, besonders während der letzten Kapitel, Spaß am Schreiben hatte. Und dieser Spaß, diese Freude überträgt sich eins zu eins auf den Leser, so dass man sich nach dem Lesen dieses 224-starken Buches entspannt und mit einem lachenden und einem weinenden (gerührten) Auge zurücklehnt und sich einfach nur gut fühlt. Sollte Artmann an sein zweites Buch mit einer ähnlichen Freude herangehen, wie er sie scheinbar während der letzten 100 Seiten gehabt hat, kann man fast erwarten, dass die Fortsetzung noch besser, sicherer und souveräner wird.

Für ein Erstlingswerk, welches ohne Lektorat und Verlag in Eigenregie entstanden ist, macht dieses Buch einen sehr guten Eindruck. Artmann ist kein Genie, er ist kein Wunderkind und er ist auch nicht die Entdeckung des Jahres. Aber er hat Talent, Fantasie, Schreiblust und einen guten Riecher für wahre, nachvollziehbare Gefühle, Charaktere und Geschichten - und er schreibt weil er will, nicht, weil er muss!

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