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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Heinz Herbert
Wohnort: 
Offenbach am Main

Bewertungen

Insgesamt 5 Bewertungen
Bewertung vom 08.08.2012
Nomad
James, Russell

Nomad


ausgezeichnet

Gleich vorab für den Schnellleser: ein grandioses, bisher einzigartiges Werk. Kaufen. Es ist jeden Cent wert.
Im Einzelnen: Russell James hat in seinem relativ jungen Leben (aktuell 50 Jahre) schon einiges an beruflicher Erfahrung gesammelt. Nicht nur als Künstler, denn bevor er sich einen Namen als *Mode- und Beautyfotograf machte, arbeitete der in Perth/Australien geborene Allrounder auch als Fabrikarbeiter und Polizist einer Spezialeinheit. Vielleicht hat ihn sogar diese frühere Betätigung dafür prädestiniert, genau hinzusehen oder ganz anders zu schauen. Er hat in seiner künstlerischen Laufbahn bereits für *Victoria’s Secret* gearbeitet und seine Aufnahmen bereicherten die Cover von *Sports Illustrated* und dem Männermagazin *GQ*. Er drehte Werbefilme und scheute sich auch nicht, bei *America’s Next Topmodel* als Jurymitglied mitzuwirken.
Somit ist es kein Wunder, dass er Models wie Heidi Klum, Gisele Bündchen oder Stars wie Barbara Streisand und Hugh Jackman u.v.a.m. vor die Linse bekam. Nur was er daraus machte, das war immer ungewöhnlich. Das Geheimnis seines Erfolges ist auch, dass bei ihm die Models – meist befreit von Glamour – eher natürlich, ja fast verwundbar wirken. Er führt das auf seine Fähigkeiten zurück, alles Sexuelle auszublenden und eine Kumpelebene, eine gemütliche, fast familiäre Basis bei der Arbeit zu schaffen.
Der Bildband *Nomad – Two worlds* ist sein aktuellstes Fotoprojekt und soll offenbar einen Beitrag zum Versöhnungsprozess der weißen Bevölkerung Australiens mit den Aborigines leisten, die unter Vertreibung und Unterdrückung der weißen Einwanderer, bis hin zum Massenmord über lange Jahrzehnte zu leiden hatten. Diese Arbeit kam offensichtlich seinem Drang nach Authentizität entgegen; er findet in dem Gesicht eines alten Mannes eine ähnliche Schönheit wie in dem eines Supermodels – und genau das kann er zeigen, wie wohl kaum ein anderer. Und so ist es glaubhaft, wenn er sagt, er habe dieses Projekt eher für sich gemacht, da es sicherlich die Konsumindustrie weniger interessieren würde, in der es zu viele Produkte *ohne Seele und Herz* gebe, zu viele *geplünderte Ideen*.
Und so begab er sich auf eine Reihe von Ausflügen zu und gemeinsam mit Aboriginefamilien, wo er viel über ihre Kultur und deren Wechselwirkungen lernte.
Das Ergebnis: „Jedes Bild in der Sammlung erzählt einen Teil einer Geschichte … den Kampf der alten Zivilisationen mit der modernen Welt. … Ob es eine Person, das Meer, ein Felsen ist – jedes Foto, das ich auswähle, repräsentiert etwas, das ich in dem Thema gesehen habe.“
In der Mitte des Bildbandes befindet sich eine faszinierende Serie von unglaublichen Landschaften und einigen der bekanntesten und vielleicht schönsten Menschen dieser Zeit. Diese Fotos – wie andere zuvor – sind nachbearbeitet, um die traditionellen, kulturellen Geschichten aus der Sicht einheimischer Künstler hervorzuheben, wodurch die Fotografien zu einem bisher so nie gesehenen Gesamtkunstwerk mutieren.
Ein Bilderrausch, der die Bezeichnung *Kunstfotografie* in bisher unerreichte Ebenen führt.
Schlichtweg ein Wahnsinn, der das Herz eines jeden Fotografen tief berührt und seine Sichtweise auf jedes fotografische Objekt verändern wird.
Der t-Neues-Verlag hat sich bei diesem Bildband hinsichtlich Kommentierung und Bildbeschreibung auf den englischen Text beschränkt, was bedauerlich ist, aber wohl der kaufmännischen Kalkulation geschuldet ist. HMcM

Bewertung vom 11.05.2012
Sennentuntschi
Keine Informationen

Sennentuntschi


ausgezeichnet

Ein sensationell guter Film!
Vorab: Das Sennentuntschi (Sennenpuppe) ist ein verbreitetes Sagenmotiv. Und das im gesamten deutschsprachigen Alpenraum. Einsame Sennen und Hirten schaffen sich aus Langeweile eine weibliche Puppe. Sie füttern sie aus Jux, sprechen mit ihr und nehmen sie zu sich ins Bett. Unmittelbar vor der Alpabfahrt wird eine solche Puppe – der Sage nach – lebendig und beginnt zu sprechen. Und sie rächt sich ggbfls für die Übeltaten, welche die Sennen ansonsten an ihr vollzogen. Sie zwingt im schlimmsten Fall einen der Sennen, bei ihr zu bleiben und zieht diesem die Haut vom Leib, zum Zeichen dafür, dass ihr Leidensweg beendet ist. Sie kehrt den Spieß um und macht die geilen Männer zu Puppen. Und sie lebt!
Vielleicht sollten Kritiker diesen Hintergrund kennen, bevor sie sich äußern. Michael Steiner hat ein fesselndes Alpendrama geschaffen, das sich als Mysterythriller entwickelt, der von der ersten bis zur letzten Minute fesselt und fast im Minutentakt dem Zuschauer Nerven abfordert.
Es beginnt ganz normal im Stil eines *Tatorts*. Ein kleines Kind (Zeitraum: *heute*) in Begleitung der Mutter beim Pilzesuchen. Ein Lichtreflex verleitet das Kind, an einer bestimmten Stelle zu suchen. Es findet eine skelettierte Hand. Eine vermummte Gestalt verschwindet. Schnitt. Der Zuschauer wird ins Jahr 1975 zurück versetzt.
Der Absinth bringt einen rustikalen, wenngleich vereinsamten Sennen (grandios Andrea Zogg), seinen scheinbar depperten Buben Albert (sehr beeindruckend Joel Basman) und den Stadtflüchtling Martin (sich steigernd Carlos Leal) dazu, eine Puppe zu basteln. Was dann passiert, meint jeder Leser, sich vorstellen zu können.
Dem ist aber nicht so. Das können Sie sich nicht ausmalen! Der Film liefert etwas ab, was Ihre gröbsten Fantasien kaum zulassen werden, denn es folgt: Zeitsprung und radikaler Szenenwechsel.
Eine sprachlose Frau (fantastisch Roxane Mesquida) sucht ein Bergdorf und den Dorfpolizisten Reusch (überzeugend Nicholas Ofczarek) im wahrsten Sinne des Wortes *heim*. Der Pfarrer (glaubhaft Ueli Jäggi) dreht durch und hetzt die Dorfmeute auf die Frau und die Jagd beginnt.
Gewalt, Rache, Sex, Sünde, Flucht, Hatz, Verwirrung und Aufklärung, das ist die Würze dieses Gänsehautschockers, in dem Realität und Trugbilder sich auf verschiedenen Zeitebenen und Schauplätzen mischen.
Wer sich dadurch verwirren lässt, hat den Film nicht verdient. Ein Wahnsinnsteil! HMcM

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 16.04.2012
Golf Resorts, Top of the World
Maiwald, Stefan

Golf Resorts, Top of the World


ausgezeichnet

*Golfer sind Genussmenschen* und sie werden ihre Freude an diesem prachtvollen Fotobildband haben, ihre Sinne intensiv mit diesen farbenfrohen Bildern ausreizen.
Eine virtuelle Golfreise zu den schönsten Plätzen der Welt, auf denen wir uns sehr wohl eine 18er Runde vorstellen können, samt dem *Drink danach*, am Ende gar ein Dinner unter wolkenlosem Himmel, gezaubert von einem Sternekoch?
Nur wenige von uns werden diese *Best-of-Golfresorts* aus eigenem physischem Erleben kennen. Ich selbst konnte nur einmal die Atmosphäre des Turnberry Resorts in Schottland genießen (siehe S. 42 ff) und ich kostete die Gänsehaut aus, die mich unvermittelt überkam, als ein Dudelsackbläser die zurückkehrenden Spieler am späten Nachmittag begrüßte. Da erst verstand ich die These meines *englischen* Freundes (Berufsmusiker): „Ein Dudelsack klingt tatsächlich nur auf schottischem Boden“, und er nahm sich verwundert die Stöpsel aus den Ohren.
Jedenfalls bringt dieser fulminant gestaltete Fotobildband dem schnell interessierten Betrachter und Leser die wirklich herrlichsten Golfplätze der Welt nahe und zwar durch wunderschöne, oft beeindruckende und immer künstlerische Aufnahmen, einen aufhellenden individuellen, kurzen Begleittext, verbunden mit der jeweiligen Parcourzeichnung, der Angabe des Designers sowie den notwendigen Kontaktadressen.
Eine Anregung für den *Normalgolfer* allemal, und davon gibt es selbst in Deutschland mehr als man vermuten möchte. Diese jahrhundertealte Ballsportart hat längst einen festen Platz im deutschen Sportkalender und Hunderttausende an registrierten Spielern versuchen – mehr oder weniger erfolgreich, meist aber fit und lustvoll – ihren Ball mit möglichst wenigen Schlägen in das Loch zu spielen.
Ein gelungener Bildband, der über die Kontinente hinweg Sahnestücke dieses Sports zeigt, der zugleich anregt, sich näher mit diesem Sport zu befassen, der längst – auch in Deutschland – zum Breitensport gezählt werden darf, wie nicht zuletzt die umfangreichen Angebote im Internet für jede Leistungsstufe und Geldbeutel zeigen. HMcM

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.03.2012
The Mercedes-Benz 300 SL Book
Staud, René

The Mercedes-Benz 300 SL Book


ausgezeichnet

Nachdem ich erstmals Anfang der 1970er Jahre in diesem ausgeliehenen, atemberaubenden 300 SL Coupé sitzen und damit auch fahren durfte, hatte ich auf ewig mein Herz an diese Modellreihe verloren. Dieses sensationelle Fahrzeug ist der Weltöffentlichkeit erstmals auf der International Motor Sports Show in New York am 6.2.1954 vorgestellt worden und kostete den Wahnsinnspreis von DM 29.000,00. Zugegeben: Ein Fahrzeug dieser Modellpalette als Eigentümer zu besitzen, blieb auch für den bisherigen Rest meines Lebens ein ewiger Traum, was mich aber nie daran hinderte, die 300 SL Serie in meinen Träumen zu hegen.
Nachdem über lange Jahre hinweg die Fans des *Flügeltürers* sich immer wieder auf einen aktualisierten legitimen Nachfolger des 1954er Modells freuen durften, kam es 2009 zur vorläufig letzten Präsentation dieser Form des SLS in einer AMG-Version.
Der Mythos Mercdes-Benz SL ist jedoch lebendiger denn je, und der Fotograf René Staud widmet sich bereits seit Jahrzehnten dieser Baureihe. Staud ist einer, der wie kein Zweiter, Automobile in Szene zu setzen in der Lage ist. Er schießt die ersten Bilder für bald jeden neuen Aston Martin, setzt Audi ins rechte Licht und wenn Mercedes ein neues Modell kreiert, dauert es gar nicht lange, bis ein solches Teil von ihm abgelichtet wird, lange bevor es auf einer Messe zu sehen ist.
Um bei einem Auto alle Details herauszuarbeiten, braucht man großes, gleichmäßiges Licht", sagte Staud in einem Spiegelinterview und bezeichnete seine Erfindung des *Magicflashs* (Blitzwannen oder Lichtstraßen von bis zu neun Metern Länge und drei Metern Breite) als das, was ihm die perfekte Ausleuchtung ermöglicht und wodurch sich seine Aufnahmen von denen der Kollegen unterscheiden.
Mit dem vorliegenden Fotobildband ist ihm wieder einmal ein Meisterwerk der Fahrzeugfotografie gelungen, auch wenn er sagt, sein *bestes Autofoto* müsse er erst noch machen.
Es ist eine wahrhaftige Freude, die meisterlich in Szene gesetzten *Sportlich Leichten* in rund 230 meist großformatigen Abbildungen zu bestaunen, denn durch Stauds fotografische Meisterleistung kommt zu keiner Sekunde das Gefühl einer Wiederholung auf.
Für jeden Freund von Auto, Technik und Design ist dieser Band ein Highlight, das durch ein knappes Vorwort von Paolo Tumminelli, die prägnanten Texte von Jürgen Lewandowski und eine Biografie von René Staud, eine gelungene Ergänzung erfährt.
Bis hin zum Index und den Modellspezifikationen: 304 Seiten, die faszinieren. HMcM

Bewertung vom 20.03.2012
industrious

industrious


ausgezeichnet

Alleine die Maße 28 x 36 x 4 cm, bei rund 3,5 kg Gewicht, Einführungstexte fünfsprachig, 40 großformatige Abbildungen von Industriegelände und 114 Porträtaufnahmen, ganz überwiegend im Format 23,5 x 31,5 cm (sonst größer), allesamt in beeindruckender Schwarz-Weiß-Fotografie und dann dieser sensationell günstige Preis.
Nun gut, dieser unglaubliche Bildband entstand anlässlich des hundertsten Firmenjubiläums der Holcim Ltd., einer der weltweit größten Zementproduzenten, mit Hauptsitz in Rapperswil-Jona in der Schweiz, die sich damit auch selbst feiert.
Darüber hinaus jedoch hat der Fotograf Marco Grob, mit seinen Kollegen Hiepler und Brunier aus einem Jubiläumsbildband ein beachtliches Kunstwerk der Schwarz-Weiß-Fotografie geschaffen.
Das Fotografenteam Hiepler/Brunier konnte sich ungehindert in den Steinbrüchen, den Zement- und Betonwerken dieses Global Players Holcim bewegen, und Marco Grob suchte sich unter circa 80.000 Mitarbeitern des Konzerns die interessantesten Gesichter aus.
Eben diese Porträts sind es dann auch, die das Buch prägen, denn die Physiognomie der abgebildeten Personen ermöglicht eine Reise zu allen möglichen Kulturen.
Der Konzernleitung ist offensichtlich bewusst, was dieses Unternehmen ausmacht, nämlich Menschen und Anlagen. Die sollten mit dem Medium *Bild* dokumentiert und der Nachwelt erhalten bleiben, als Resultat einer hundertjährigen Erfolgsgeschichte.

Die Gratwanderung, die aus einem Jubiläumsbildband ein fotografisches Meisterwerk werden ließ, ist weitgehend gelungen. Die Aufnahmen diverser Industrielandschaften sind faszinierend, die Porträts von außergewöhnlicher Brillanz und Ausdruckstärke.
Jede Fotografie ist mit einer informativen Bildunterschrift versehen.
Was ich vermisste, sind durchlaufende Seitenzahlen und eine Auflistung der Fotografien mit Seitenangabe. Sie werden lange suchen, wenn Sie *Eddie O’Brien Gladstone, Australia* oder das Werk *Huaxin China* nochmals ansehen wollen. Und: Vermisst habe ich *den Menschen bei der Arbeit*. Aber vielleicht hat man bewusst auf diese Thematik verzichtet, um nicht noch ein paar Kilogramm mehr auf den Band zu packen, von dem ich schon jetzt keine einzige Fotografie missen möchte. Deshalb nur vier Sterne? Nein, der Preis gleicht den Mangel aus.

In jedem Fall werden die Fans der Schwarz-Weiß-Porträt- und Industriefotografie begeistert sein, und der stark subventionierte Preis des Fotobandes lässt den Kauf auch für jeden an beeindruckender Fotografie interessierten ein Akt ohne Reue sein. HMcM