Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Magnolia
Wohnort: 
Bayern

Bewertungen

Insgesamt 621 Bewertungen
Bewertung vom 08.05.2024
Im Netz des Mörders (eBook, ePUB)
DeMelly, Nicky

Im Netz des Mörders (eBook, ePUB)


sehr gut

Ein Kerl – hart wie Stahl

Wieder mal ist Ben versumpft, der Alkohol lässt ihn nicht los und nun hat er auch noch sein Handy verloren. War es in der Kneipe, als ihn einer angerempelt hat – vielleicht mit der Absicht, um sein Telefon mitgehen zu lassen? Er kann sich nicht erinnern. Nun, er hat eh genug intus, wankt heimwärts und ist grad noch so in der Lage, seine Cloud zu öffnen. Was er da sieht, verschlägt ihm die Sprache. Zuvor, noch in der Kneipe, denkt Ben nicht das erste Mal zurück an eine Szene auf einem Dach, als er Karl von dem Versuch, nach unten zu springen, abhalten will. Was ihm aber nicht gelingt.

„Enthält Szenen mit Folter und sexueller Gewalt.“ Diese Triggerwarnung lese ich, bevor ich mich in dem „Netz des Mörders“ verfange. Denn es gehört schon eine gehörige Portion Abgebrühtheit dazu, diese extremen Szenen auszuhalten. Es geht unbarmherzig, ja brutal zur Sache.

Kriminalkommissar Ben Kollang scheint ins Fadenkreuz eines Killers geraten zu sein, der vor nichts zurückschreckt. Eine gute Freundin von ihm verschwindet, in seiner Cloud sind verstörende Aufnahmen von einem gefesselten Opfer zu sehen, auf seiner Fußmatte findet er zu Tode gequälte Tiere, seine Wohnungstür ist offen, obwohl er weiß, dass er diese zugesperrt hat. Noch mehr Anzeichen sprechen dafür, dass er verfolgt und genauesten beobachtet wird.

Ben ist hart im Nehmen, auch scheint er ständig auf Krawall gebürstet zu sein. Trotzdem er ein guter Polizist ist, zieht er sein eigenes Ding durch. Nicht mal ein durchaus tragischer Unfall hält ihn davon ab, aufzustehen und weiterzumachen und selbst eine drohende Suspendierung nimmt er nicht ernst. Er ist ein Mann der Tat. Man kennt seine Vorgeschichte, auch bekommt man Einblick in sein Seelenleben, er hat durchaus einen weichen Kern, der sich zuweilen gut hinter seiner harten Schale versteckt.

Nicky DeMelly hat rund um ihren Hauptakteur eine packende Story verfasst, die es in sich hat. Nicht nur einmal habe ich mich gefragt, wie es Ben immer wieder gelingt, sich aufzurappeln. Gut, ein Thriller darf überzeichnen und doch war es ab und an ein Zuviel des Heldentums. Dennoch folge ich gespannt dem Geschehen, habe so gar keine Ahnung, wer hinter diesen perfiden Machenschaften stecken könnte. Und bin ob der Auflösung so verblüfft wie fassungslos. Der Autorin ist ein wendungsreicher Thriller gelungen, der tief in menschliche Abgründe blicken lässt.

Bewertung vom 06.05.2024
Traubenfest / Périgord-Krimi Bd.4
Dubois, Julie

Traubenfest / Périgord-Krimi Bd.4


sehr gut

Getrübte Festtagsstimmung

Julie Dubois hat den nunmehr vierten Périgord-Krimi vorgelegt, auch mit „Traubenfest“ ist ihr ein vielschichtiger Kriminalroman mit viel Lokalkolorit gelungen, den zu lesen es sich lohnt. Neben Großtante Léonies Kochkünsten und ihren stets kredenzten Köstlichkeiten spürt man die idyllische Landschaft und trifft so mach liebgewonnene Figur aus den Vorgängerbüchern wieder.

Zwei vermisste Mädchen und ein Mordfall trüben die Festtagsstimmung im Périgord, Marie Merciers Wochenende ist vollgepackt mit Arbeit. Gilt es doch, die 16jährige Emma, die Tochter der Winzerin Jeanne Laroussine, zu finden. Kaum hat das mehrtägige Traditionsfest Félibrée begonnen, ist Emma, die mit ihrer Mutter hinter dem Verkaufsstand ihres Winzerbetriebes war, verschwunden. Die Winzerin macht Marie unmissverständlich klar, dass die Suche nach ihrer Tochter Vorrang vor allem anderen hat. Marie ermittelt mit ihrem Kollegen Richard in alle Richtungen und als ein zweites Mädchen abgängig ist, stellt sich die Frage, ob die beiden sich gekannt haben. Kurz danach wird eine männliche Leiche gefunden – auch dieser Tote und die Umstände, die zu seinem Tod geführt haben, geben viele Rätsel auf.

Sie finden einen blutgetränkten Pullover mit einer DNA, die zweifellos zugeordnet werden kann und doch nicht einzuordnen ist, der Fund eines größeren Geldbetrages und ein Testament werfen viele Fragen auf, auch ist von einem lange zurückliegenden Unfall die Rede, eine Spur führt bis nach Spanien und nicht zuletzt sind es geheimnisvolle Fotos mit einem unklaren Motiv. Sind all diese Indizien verwertbare, brauchbare Hinweise?

Ganz schön viel, was da auf Marie und Richard einstürzt. Sie hat ihrer Großtante Léonie versprochen, mit ihr zum Fest zu gehen. Dieses Versprechen wird sie nicht einlösen können. Nur gut, dass Maries Lebenspartner Michel und Léonie sich bestens verstehen und die beiden sich auf dem Fest so manche Gaumenfreude gönnen. Die Beschreibungen all dieser kulinarischen Leckerbissen gehören unbedingt dazu, genau so die malerische Landschaft des Périgord, auch darf natürlich George mit seinen Hängebauchschweinen Augustine und Joseph nicht fehlen.

Sowohl die Vermisstensuche als auch die Mordermittlungen sind abgeschlossen, Marie kommt endlich zur Ruhe und kann sich von Léonie verwöhnen lassen, auch wird ihr Michel ihre anstehenden Urlaubstage versüßen, da bin ich mir ganz sicher. Es war eine wiederum spannende Lektüre, die nächste Herausforderung für die charmante Kommissarin Marie Mercier lässt bestimmt nicht lange auf sich warten.

Bewertung vom 06.05.2024
Solange ich dich suche
Weiß, Josefine

Solange ich dich suche


sehr gut

Loslassen und Neubeginn

Adens Mutter Janet hat nicht mehr lange zu leben und nun ist es ihr sehnlichster Wunsch, sich von ihrer Tochter, die sie viele Jahre nicht mehr gesehen hat, zu verabschieden. Vor vielen Jahren ist Aden gegangen und hat den Kontakt zu ihrem früheren Leben abgebrochen. Janet weiß nur so viel, dass sie in Whitecastle, südlich von Edinburgh gelegen, ein neues Leben anfangen wollte und so bittet sie Maggie, ihr ihre Tochter zurückzuholen.

Maggie kann es gar nicht glauben, dass ihre Freundin aus Kindertagen sich diese ruhige Gegend als Rückzugsort ausgesucht hatte, war sie doch in London keiner Party aus dem Weg gegangen und – wie Maggie Aden gekannt hat - passte sie schon allein durch ihr auffällig Äußeres ganz bestimmt nicht in eine ländliche Idylle.

In Whitecastle angekommen, muss sie feststellen, dass keiner Aden je gesehen hat. Sie mietet sich bei Dean, der Airbnb anbietet, ein. Ihr Aufenthalt dauert länger als gedacht und nicht nur die Suche nach ihrer vermissten Freundin gestaltet sich schwierig, auch gibt es zwischen Maggie und Dean so manche Differenzen, auch wenn die beiden sich zueinander hingezogen fühlen. Und doch ist es Dean, der in den unmöglichsten Momenten abblockt, sie schroff zurückweist. Einem Katz- und Mausspiel ähnlich.

Josefine Weiss entführt mich nach Schottland. Ihre Landschaftsbeschreibungen lassen Bilder entstehen, da möchte ich am liebsten sofort meine Koffer packen. Daneben und vor allem geht es um Maggies Suche nach Aden und um das Auf und Ab zwischen ihr und ihrem Vermieter. Viel Unausgesprochenes steht den beiden im Weg, diese Geheimniskrämerei hat mich zwischendurch ganz schön genervt. Der einnehmende Schreibstil der Autorin hat dies dann einigermaßen wieder wettgemacht, ich hätte mir eine etwas reifere, erwachsenere Verhaltensweise der beiden Hauptakteure gewünscht. Thematisiert werden Zuneigung und Liebe, Verlust und Trauer inklusive der schmerzhaften Trauerbewältigung, Loslassen und Neubeginn. Eine bittersüße Liebesgeschichte und mehr, kurzweilig dargeboten.

Bewertung vom 04.05.2024
Die Verlierer
Hammesfahr, Petra

Die Verlierer


ausgezeichnet

Klug durchdachte Story

Das Verschwinden seiner Frau meldet Fred Keller erst dann, als sein Schwager ihn des Mordes an Kirsten verdächtigt. Was sollte er auch sonst denken – Fred kehrt ohne sie nach einer Woche Campingurlaub im Bayerischen Wald zurück. Seine Erklärung, dass Kirsten, kaum dass sie angekommen sind, losgejoggt ist, ihr Handy aber im Wohnwagen gelassen hat, klingt ziemlich abenteuerlich. Warum er so lange gewartet und auch nicht nach ihr gesucht hat, kommt nicht nur Kirstens Bruder komisch vor. Noch dazu fehlt auch von ihrem 13jährigem Sohn Til jede Spur.

Die Kommissarin Rita Voss wird auf den Fall angesetzt und bald hat sie es mit weiteren vermissten Frauen zu tun. Alle sind sie alleinerziehend oder in einer neuen Beziehung, den jeweiligen Vätern wird das Umgangsrecht zu ihren Kindern verweigert - Verlierer sind sie alle.

„Psycho-Spannung“ lese ich auf dem Cover, das einen sich im Dickicht verlierenden Waldweg zeigt. Gut möglich, dass in dieser düsteren Umgebung sich so mancher verliert oder wie auch immer abhanden kommt.

Petra Hammesfahr lässt Carli erzählen. Er war zwölf, als Vater wegzog, sein Bruder gerade mal sieben und die Kleinste noch nicht geboren. Was es mit Carli auf sich hat, wird so nach und nach sichtbar. Dieser Erzählstrang wechselt sich ab mit dem von Daniela und dem der Ermittlungsarbeit. Wobei mir die Polizisten seltsam entrückt vorkommen. Es herrscht ein nüchterner Ton, der bei Metzner – er ist Ritas Vorgesetzter - zuweilen ins Sarkastische abdriftet. Er lässt sie deutlich spüren, dass er von ihrer These eines zweifachen Mordes nichts hält.

Neben den eher emotionslosen Ermittlern hat Carli viel zu berichten, seine Geschichte berührt mich sehr und ist zugleich äußerst beklemmend. Was es mit Carli auf sich hat, welche Rolle er hier einnimmt, erschließt sich mir nicht gleich. Er wächst auf in einem Umfeld, das ihn prägt. Erst Jahre später merkt er, was alles hätte anders laufen sollen. Gehört er zu den Verlierern?

Was ich letztendlich von Carli erfahre, lässt mich staunend zurück. Und nicht nur diese Figur hat es in sich, die klug durchdachte Story fesselt ungemein. Ein Psycho-Thriller der eher leisen Töne, der keine Actionszenen braucht, um die Leser in seinen Bann zu ziehen.

Bewertung vom 03.05.2024
Mord unterm Reetdach / Kristan Dennermann ermittelt Bd.1
Weißmann, Eric

Mord unterm Reetdach / Kristan Dennermann ermittelt Bd.1


sehr gut

Locker-leichte Krimiunterhaltung

„Mord unterm Reetdach“ ist der Auftakt einer Krimi-Reihe um den Immobilienmakler Kristan Dennermann, der den Reichen und Schönen Luxusimmobilien auf Sylt vermittelt und wie nebenbei Licht ins dunkle Treiben so manch zwielichtiger Gestalten bringt. Einen Insel-Kommissar gibt es schon auch, der aber eher Kristan im Visier hat als dass er sich unvoreingenommen ans Ermitteln machen würde.

Als Hinnerk Petersen in seinem Garten gefunden wird, ist Kristan hautnah dabei - er stolpert sozusagen über seine Leiche. Unterwegs ist Kristan mit seinem Corgi, als der Witterung aufnimmt und losrennt. Kristan hinterher, er stürzt unglücklich und verstaucht sich dabei den Fuß. Kurz muss er weggetreten sein, denn als er wieder zu sich kommt, liegt er direkt neben dem Toten.

Petersens Anwesen steht zum Verkauf und bald stellt sich heraus, dass seine Söhne leer ausgehen sollen, was den beiden natürlich so gar nicht behagt. Interessenten gibt es einige, darunter eine millionenschwere, ziemlich exaltierte Lady, die mit Raffinesse und körperlichem Einsatz alle Register zieht, um an dieses begehrte Objekt zu kommen. Derweilen wollen Gerüchte um eine Dame vom horizontalen Gewerbe um den alten, krebskranken Petersen nicht verstummen.

Auch auf Sylt ist nicht alles eitel Sonnenschein, das Böse lauert hier wie überall. Kristan, der von Hella, seiner Angestellten, Jamie Bond gerufen wird (sie ist für ihn Miss Honeypenny), wird stets von seinem Corgi, der auf den königlichen Namen Pince of Wales hört, begleitet.

Eric Weissmann ist einen locker-leichten Krimi gelungen, Inselfeeling inbegriffen. Sylt zeigt sich von seiner feudalen Seite und ja, so mach überkandideltes Wesen gehört natürlich auch dazu. Kristan erhält Botschaften, er wird bedroht und bringt sich nicht nur einmal in Gefahr. Aus seiner Sicht wird der Fall und das ganze Drumherum erzählt und durchleuchtet und nicht nur das, auch von ihm selber erfährt man so einiges. Sogar Wagner und sein Musikdrama Tristan und Isolde - oder eher Kristan und Isolde - hat seinen Auftritt. Der Fall ist nicht ohne, er hat einiges zu bieten, denn so etliche schrille Typen tummeln sich hier, maskiert als ehrbare Bürger. Es ist ein atmosphärischer, spannender und zielführender Sylt-Krimi, der zum Miträtseln einlädt, den ich gern gelesen habe und der mich auch so manches Mal hat schmunzeln lassen.

Bewertung vom 01.05.2024
Krähentage / Gruppe 4 ermittelt Bd.1
Cors, Benjamin

Krähentage / Gruppe 4 ermittelt Bd.1


ausgezeichnet

Absolut brillant

„Härter, blutiger, spannender…“ O ja, Benjamin Cors „Krähentage“ sind Spannung pur. Ein Thriller, der mich gefangen hält – von der ersten bis zur letzten Seite. Atemlos folge ich dem Killer, kann nicht glauben, was ich da lese. Von einem, der keine Hemmungen kennt.

„Auf Wiedersehen, Frau Nowak. Sie hatten ein schönes Leben.“ Vor zwei Tagen ist sie laut Gerichtsmediziner gestorben und doch hat sie eine Nachbarin gestern noch lebend gesehen. Wie kann das sein? Die 84jährige wird in ihrer Wohnung gefunden und trotzdem sie alleine gelebt hat, finden die Ermittlerinnen Mila und Lucy darin auch Krähen. Eine davon hat die beiden beim Öffnen der Wohnungstür attackiert und nicht genug damit, diese Vögel haben die alte Frau ganz schön zugerichtet.

Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt für das neu zusammengestellte Team, Gruppe 4 genannt. Geleitet von Jakob Krogh und Mila Weiss vervollständigen Lucy Chang, Tuure Salo (genannt Der Finne), Ludger Palm und Frauke Ibsen das Ermittlerteam.

Es bleibt nicht bei dem einen Opfer, weitere folgen. Allen gemein sind diese Krähen, die vorher ausgehungert werden, um sich – einmal losgelassen – auf die vom Täter Auserwählten zu stürzen. Er, dieser Serienkiller, ist den Lesern bekannt. Seine Gedanken, seine Vorbereitungen, seine Vollendung dessen – all das lese ich. Und bin zutiefst geschockt. Wie kann ein Mensch auf derart grauenvolle Weise agieren? Er ist hochintelligent, bringt komplexe Abläufe zusammen, das Resultat ist so verblüffend wie unmenschlich. Eine hochgradig gestörte Person, deren tödliche Spur sich durch mehrere Leben zieht, gönnt den Ermittlern keine Atempause.

Auch die Ermittler, allen voran Jakob und Mila, haben ein Vorleben. Mila will verstehen, wie Jakob tickt. Will so viel wie nur möglich von ihm wissen, denn sie müssen sich blind aufeinander verlassen können. Und das können sie auch, wenngleich sie sich nicht alles offenbaren, Geheimnisse bleiben. Nicht nur diese beiden Charaktere sind bestens gezeichnet. Sie sind hart im Nehmen, arbeiten effizient, immer am Limit. Und die Gruppe 4 wird von einem ehemaligen Polizisten unterstützt, einem Profiler, dem sein bärbeißiger Ruf vorauseilt.

„Krähentage“ ist mein erstes Buch von Benjamin Cors, mein letztes wird es bestimmt nicht sein. Ich bin schlichtweg begeistert, meine dunkle Thrillerseele lacht. Wenngleich die Handlung so gar nicht zum Lachen ist, denn eher das Gegenteil ist der Fall. Ich habe schon viele gute, weniger gute und auch schlechte Thriller gelesen, dieser hier gehört zu den Besten. Ein absolut herausragender Thriller, das Lesen ist ein Hochgenuss für jeden Thriller-Fan.

Bewertung vom 01.05.2024
Böhmische Hoffnung
Lindberg, Karin

Böhmische Hoffnung


sehr gut

Unterhaltsamer Auftakt der Lemberg-Saga

Dezember 1937. Kaum war sie daheim, landet sie auch schon im Straßengraben. Ihren Wunsch, sich hinters Steuer zu setzten, sie beide heimwärts zu fahren, kann er ihr – trotzdem sie keinen Führerschein hat - nicht abschlagen. Alba wird von Ferdinand, ihrem Bruder, mit dem familieneigenen Automobil abgeholt und es kommt, wie es kommen muss. Nur gut, dass am Fahrzeug – bis auf einige Dreckspritzer - keinerlei Spuren sichtbar sind. Der Auftakt der historischen Lemberg-Saga beginnt rasant.

Die Lembergs besitzen Webereien im Sudetenland. Es gilt, diese zu erhalten und damit nicht nur den Wohlstand der Familie zu sichern, auch geht es um die Arbeitsplätze der Arbeiter. Und natürlich wird es Ferdinand, der älteste Sohn, einmal sein, der seinem Vater Carl an der Firmenspitze zu gegebener Zeit nachfolgt. Sehr zum Missfallen von Alba, die sich brennend für die Firmeninterna interessiert. Ihr größter Wunsch ist es, sich in die Webereien mit einzubringen, ein Leben als höhere Tochter und später dann als Ehefrau und Mutter mit den damit verbundenen Pflichten kann sie sich nicht vorstellen. Ganz anderes ihre jüngere Schwester Charlotte, die ihre Zeit im Internat mehr schlecht als recht absolviert. Sie will mit ihren siebzehn Jahren was erleben und trickst dafür so ab und an. Bleibt noch Kilian, der eher kränkliche, jüngste Spross. Nicht zu vergessen Helene, die vermögende Mutter der Hausherrin und Carls Gemahlin Emilie.

Karin Lindberg hat ihre Saga in einer Zeit angesiedelt, in der die Deutschen im Sudetenland zwar geduldet, aber doch nicht gern gesehen sind. Die Aufträge brechen den Lemberg-Webereien weg, damit einhergehend sind die Arbeitsplätze gefährdet. Der Unmut der Arbeiter ist spürbar, denn als Deutschstämmige haben sie wenig Hoffnung, von einer tschechischen Firma eingestellt zu werden. Auch der Judenhass ist in diesem Landstrich bereits spürbar.

Der vielschichtig angelegte erste Band führt alle hier Agierenden gut ein. Ich hege für die einen Sympathien und spüre für so manch anderen eine gar heftige Abneigung. Die Gesellschaft ist geprägt von Standesdünkel und dem vorgezeichneten Weg, den sich jeder zu unterwerfen hat. Von einer Frau wird erwartet, dass sie sich standesgemäß verheiratet, sehr zum Missfallen von Alba. Sie ist intelligent, technikaffin und verliebt sich in den falschen Mann. Daneben sind es einige Geheimnisse von mehreren Mitgliedern der Familie, die angedeutet, aber noch nicht näher ausgeführt werden.

Gerne lese ich von diesen Zeiten, vom Beginn des Nationalsozialismus und den Schicksalen drumherum. Vom Sudetenland und den Bewohnern dieses Landstriches, in dem „Böhmische Hoffnung“ spielt, habe ich bis jetzt eher wenig gelesen. Gut finde ich, dass zur besseren Orientierung vorab eine Böhmen-Karte abgedruckt ist. Auch das Personen-Register ist anfangs hilfreich. Bald konnte ich sie alle gut zuordnen, der einnehmende Schreibstil hat ein Übriges getan. Die Lembergs mit all ihren Sorgen, ihren Geheimnissen und auch ihrer Lieben und Leidenschaften haben mich in ihr Leben gelassen, sie lassen mich nun neugierig zurück, im zweiten Buch werde ich sie alle wiedersehen.

Bewertung vom 28.04.2024
Opfer 2117 / Carl Mørck. Sonderdezernat Q Bd.8
Adler-Olsen, Jussi

Opfer 2117 / Carl Mørck. Sonderdezernat Q Bd.8


sehr gut

Spannender achter Fall für das Sonderdezernat Q

Es ist schon einige Zeit her, dass ich vom Sonderdezernat Q nicht genug bekommen konnte. Von Carl Mørck, von Assad und von Rose und noch so einigen mehr. Sie alle hatten mir Hochspannung pur mitsamt schlaflosen Nächten beschert. Gut, nicht sie - diese so ausdrucksstark erschaffenen Charaktere - sind es, die dafür verantwortlich waren. Denn eigentlich ist es Jussi Adler-Olsen, der sie erschaffen, der jeden einzelnen mit seinem unverwechselbaren, sehr individuellen Profil ausgestattet hat. Mit Carl Mørcks achtem Fall bin ich Wiedereinsteiger, sein Team vom Sonderdezernat Q für Cold Cases der dänischen Polizei ist mir nach wie vor präsent und hat wiederum bei mir viel Eindruck hinterlassen. Trotzdem hat es eine Weile gedauert, bis ich so richtig mitfiebern konnte.

Alles beginnt mit einer Szene am Strand von Zypern, ähnliches dürfte uns leider viel zu bekannt sein durch die beinahe täglichen Bilder von Bootsflüchtlingen, die den Weg in die Freiheit oftmals nicht schaffen.

Diese Tote am Strand, die als Opfer 2117 angezeigt wird, scheint eine von den vielen Bootsflüchtlingen zu sein, für Assad ist das Bild ein Schock. Er meint, nicht nur diese Tote zu erkennen, auch diejenigen, die mit entsetzter Miene dahinter stehen, lassen ihn erstarren. Joan Aiguader, ein katalanischer Journalist, sieht seine große Chance gekommen, als er diese Bilder sieht. Er fliegt kurzerhand nach Zypern und bietet seine Recherchen einer Zeitung an. Nicht ahnend, dass er dadurch in die nachfolgenden Geschehnisse involviert wird. Gleichzeitig treibt ein hochgradig gestörter Gamer seinen ganz eigenen Plan voran.

Zunächst werden die Hauptakteure umrissen, bis der Countdown ab Tag 13 rückwärts läuft. Für Assad ist es ein sehr persönlicher Fall, der ihn von einer ganz anderen Seite zeigt. Er gerät durch seine Vergangenheit mitten hinein ins unheilvolle Geschehen. Auch Carl hat mit persönlichen Problemen zu kämpfen und zwischendurch ist es dieser junge Mann, der das Dezernat mit seinen kruden Ideen, mit seinen Todesandrohungen, aufschreckt. Sie alle haben genug zu tun. Einmal Fahrt aufgenommen, entwickelt sich die Story rasant und wird zunehmend spannend.

Die reale Wirklichkeit zeichnet Adler-Olsen auch hier nach, wie schon in anderen Büchern zuvor. Die Handlung wird zunehmend komplex. Durch die kurzen Kapitel, die mit den Namen den gerade agierenden Personen überschrieben sind, bleibt sie dennoch übersichtlich. Gut, nicht nur Assads Einsatz scheint überzogen zu sein, was ich dann doch zugunsten der geradezu knisternden Spannung akzeptiere. Mein Einstieg in den achten Band war etwas holprig, das Ende jedoch verlangt nach mehr, nach den beiden letzten Fällen für das Sonderdezernat Q.

Bewertung vom 26.04.2024
Schatten über Monte Carasso / Moira Rusconi ermittelt Bd.3
Vassena, Mascha

Schatten über Monte Carasso / Moira Rusconi ermittelt Bd.3


ausgezeichnet

Ein rundum gelungener Krimi

Moira Rusconi ermittelt zum mittlerweile dritten Mal im wunderschönen Tessin. Schon in Montagnola, als sie einen Mord aufzuklären hatte, habe ich sie kennen- und schätzengelernt und nun folge ich ihr in die feudale Wellnessklinik Villa Carosso. Nun ja, Ambrogio, ihr Vater, hat sie dorthin eingeladen, denn er sollte einige Kilos leichter werden. „Erholung und Sport. Als ginge beides gleichzeitig.“ So klagt er schon im Vorfeld über seine bevorstehende Kur. Schon der Speiseplan mit viel gedünstetem Gemüse, Fisch und magerem Fleisch ist für ihn eine Herausforderung. Umso schöner, dass er gleich mal eine nette Tischnachbarin an seiner leidvollen Seite weiß.

Mascha Vassena hat mich bestens unterhalten, so viel sei schon mal verraten. Gleich auf den ersten Seiten lässt sie mich den Atem anhalten, eine Verfolgungsjagd wirft viele Fragen auf. Meine Neugier ist geweckt, ich muss dringend weiterlesen. Bald darauf wird eine Frau vermisst - aber nicht genug damit, es passiert noch so einiges mehr. Ispettrice Chiara Moretti ermittelt, Moira leistet ihr als Dolmetscherin gute Dienste, wobei sie schon ganz gerne auch ein wenig über ihre Befugnisse hinaus recherchiert. Durch ihre Alleingänge – zuweilen unterstützt von Ambrogio - entdeckt sie so einiges, das sie weiterbringt, wenngleich Chiara dies logischerweise ziemlich kritisch sieht.

„Moiras Gedanken verheddern sich zu einem unentwirrbaren Knäuel.“ Auch meinen Gedanken ergeht es ähnlich. Aus den vielen losen Fäden, die sich irgendwie ineinander verfangen haben, kristallisiert sich lange keine konkrete Spur heraus. Es sind so einige Gäste dieser Wellnessoase, die mir nicht ganz geheuer vorkommen und auch die Bediensteten mitsamt der Klinikleitung sind so gar nicht durchschaubar. Die Schatten, die sich über Monte Carasso ausbreiten, lichten sich erst dem Ende zu.

Neben den Ermittlungen sind es die Landschaftsbeschreibungen, die mich für dieses wunderschöne Fleckchen Erde dermaßen begeistern, dass ich am liebsten sofort meinen Koffer packen möchte. Ja, auch hier gibt es Verbrechen, auch hier gibt es Menschen, die eher hinterhältig und unehrlich sind. Die mit fiesen Methoden ihre mörderischen Absichten vorantreiben.

„Schatten über Monte Carasso“ ist ein rundum gelungener Krimi, eingebettet ins schöne Tessin. Wellness nicht unbedingt inbegriffen, denn dafür geht es doch ziemlich kriminell zu. Moira Rosconi ermittelt – ich hoffe auf noch viele spannende, unterhaltsame Kriminalfälle vor malerischer Kulisse.

Bewertung vom 24.04.2024
Das Echo der Gezeiten
Frank, Rebekka

Das Echo der Gezeiten


ausgezeichnet

Nes und Tilla und das Meer

Vom Meer, vom Tauchen und von einem Schiffswrack erzählt Rebekka Frank. Und von zwei Frauen, die mehrere Jahrhunderte trennen und die doch so viel verbindet.

Nes lebt im 17. Jahrhundert, ihre Geschichte beginnt im Oktober 1633, als sie mit ihrer Mutter Belanca auf der Insel namens Strand ankommt. Sie suchen bei einer Handvoll Frauen Schutz - den Beginen, eine religiöse Laiengemeinschaft. Im zweiten Erzählstrang ist es Tillas Geschichte, sie beginnt 1955. „Wir werden gemeinsam nach Elba gehen“ meint ihr Vater. Tauchen sollen Tilla und ihr kleiner Bruder lernen. Schon lange träumt sie davon, die Unterwasserwelt zu erobern. In St. Peter aufgewachsen ist ihr die Nordsee vertraut und nicht nur das, sie fährt gern mit ihrer Großmutter hinaus, die ihr dann von den Schiffswracks an der nordfriesischen Küste erzählt. „Genau hier, tief unter uns, liegt es. Ein fast vergessenes, uraltes Wrack.“

Tilla ist gerüstet zum Tauchgang, das Wrack wartet schon unter einer dicken Schlammschicht - schon das sehr aussagekräftige Cover lädt ein, diesen Roman näher zu betrachten.

In diesem Roman hat Rebekka Frank Historie mit Fiktion verflochten. Ihr Erzählstil ist so einnehmend, er hat eine regelrechte Sogwirkung, sodass es schwer fällt, das Buch wegzulegen. Die beiden Zeitebenen werden im Wechsel erzählt, wobei ich sowohl den Erzählstrang um Nes als auch den um Tilla als sehr intensiv empfunden habe. Müsste ich mich entscheiden, welche Zeitebene mir mehr zugesagt hat – es würde mir schwerfallen. Nes und Tilla, ihre Protagonistinnen, sind starke, unerschrockene Frauen, ihrer Zeit weit voraus. Tilla etwa, die in Hamburg als eine der wenigen Frauen studiert, hat es in der patriarchalisch geprägten Gesellschaft wahrlich nicht leicht. Noch in den 1960er Jahren gab es an den Hochschulen diese Altnazis, die – als hätten sie keine Schuld auf sich geladen - wie selbstverständlich unterrichten konnten. Die Autorin bindet noch so einiges an Zeitgeschichtlichem mit ein wie etwa die Hamburger Flut 1962, auch lese ich von der verheerenden Burchardiflut am 11. und 12. Oktober 1634, die Nes und die Bewohner auf Strand in Angst und Schrecken versetzt haben.

Als Nes auf die Insel Strand kam, waren Pellworm und Nordstrand noch verbunden. Die Illustration zum Schluss veranschaulicht dies gut, auch ist das Konvent, in dem Nes und Belanca Zuflucht finden - neben den im Roman erwähnten Orten - eingezeichnet. Vorne, auf der Klappeninnenseite, ist die Nordseeküste um 1960 abgedruckt. Beide Karten leisten zur besseren Orientierung gute Dienste.

Schade. „Das Echo der Gezeiten“ war trotz seiner 576 Seiten viel zu schnell ausgelesen und zugleich schön, dass ich den Roman lesen durfte. Ein Buch, das mich ab Seite eins in seinen Bann gezogen hat. Ein Buch, das ich nicht missen möchte.