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Fornika
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Bewertungen

Insgesamt 378 Bewertungen
Bewertung vom 25.05.2021
Letzte Ehre
Ani, Friedrich

Letzte Ehre


gut

Fariza Nasri ermittelt im Fall einer 17Jährigen, die nach einer Party im Haus des mütterlichen Lebensgefährten spurlos verschwand. Spuren gibt es keine, doch Nasri ist nicht umsonst die Königin des Zuhörens, in ihren Verhören gibt jeder mehr Preis als geplant. So durchleuchtet sie Stück für Stück Finjas Leben und stößt dabei auf Ungereimtheiten, die immer größere Schrecken hervorbringen.
Fariza hätte man bereits aus beispielsweise „All die unbewohnten Zimmer“ kennen können, doch auch ohne Vorkenntnisse lässt sich dieser literarische Krimi gut lesen. Er wird aus Farizas Sicht erzählt, was es auch dem Neuleser leicht macht sich mit der Figur zu identifizieren. Ich mochte diese Figur ganz gerne, ihre Schwächen und Fehler machen sie sehr menschlich, und gerade ihre Reaktionen auf die persönlichen Verstrickungen fand ich sehr authentisch, sie haben Fariza lebendig gemacht. Die „Bösewichte“ dieses Romans haben es in sich, auch wenn die Häufung der unterschiedlichsten menschlichen Abgründe fast schon etwas redundant daher kommt. Trotz aller Scheußlichkeiten sollte man von „Letzte Ehre“ keinen reinen Krimi erwarten, da der Fokus immer auf den Charakteren und weniger auf dem Verbrechen liegt. Ich wurde mit Anis Stil leider nicht so richtig warm, sodass mich zwar die beklemmende Handlung fesseln konnte, aber die Ausführung nicht gar so sehr.

Bewertung vom 25.05.2021
Der Abstinent
McGuire, Ian

Der Abstinent


gut

Im Jahr 1867 hat Ire O’Connor die prekäre Aufgabe in Manchester für die Polizei seine eigenen Landsleute zu bespitzeln. Der Unabhängigkeitskampf ist in vollem Gange, die Fronten verhärtet, die Methoden beider Seiten brutal. So gerät O’Connor zusehends ins Visier der Freiheitskämpfer, während die eigenen Kollegen bei der Polizei ihn nicht ernst nehmen. Er steht buchstäblich im Kreuzfeuer.
Eine der großen Stärken des Autors liegt darin, eine zwingende, düstere, fast greifbare Stimmung zu erzeugen. Schon nach wenigen Sätzen ist man mittendrin in den Unruhen, streift mit James durch die aufgewühlte Stadt. Die Handlung baut auf historischen Gegebenheiten auf, für den Leser ist Fakt und Fiktion aber nicht mehr voneinander zu unterscheiden, weil alles sehr authentisch wirkt. Eigenes Hintergrundwissen zum irischen Freiheitskampf schadet nicht, ich hätte Einzelheiten ohne sicherlich nicht immer richtig einschätzen können, da McGuire nicht viel Hintergrundinfos liefert.
O’Connor und sein Widersacher Doyle waren für mich nicht so richtig greifbar, sie wirken als Figuren nicht ganz ausgereift. Sie verkörpern jeder für sich eine Seite der Medaille, aber wirken immer eher auf ihre Funktion für die Geschichte beschränkt und eben nicht richtig lebendig. McGuire kann Spannung aufbauen, lässt die Handlung aber auch schon mal etwas vor sich hindümpeln, was dann irgendwann auch die tolle Atmosphäre nicht mehr wettmachen konnte. Das Ende passt zur Stimmung, der Umbruch kurz zuvor war mir aber etwas zu abrupt, so richtig rund wirkt die Handlung für mich hier nicht mehr. Insgesamt mochte ich den Roman trotzdem, wobei für mich die erste Hälfte definitiv der stärkere Teil war und die Begeisterung so zum Ende einen kleinen Dämpfer bekam.

Bewertung vom 21.04.2021
Die vierte Schwester
Atkinson, Kate

Die vierte Schwester


ausgezeichnet

Privatermittler Jackson Brodie soll den Vermisstenfall der kleinen Olivia aufklären, sie ist aus dem heimischen Garten spurlos verschwunden; vor knapp 30 Jahren. Jetzt haben ihre Schwestern neue Spuren aufgetan und hoffen auf das Geschick des Detektivs. Das wird noch von anderen in Anspruch genommen wie von dem Exanwalt Theo, der auch nach 10 Jahren noch den Mörder seiner Tochter sucht oder Shirley, die verzweifelt nach ihrer Nichte fahndet. Brodie muss alle Bälle in der Luft halten und gerät dabei selbst ins Visier.
Vorliegender Roman ist schon vor einigen Jahren herausgekommen und wird gerade neu aufgelegt. Umso besser, denn sonst wäre mir die Reihe um Jackson wahrscheinlich entgangen, die mich mit diesem ersten Teil wirklich überzeugen konnte. Der Aufbau der Handlung ist ungewöhnlich und verschachtelt, in kurzer Zeit werden sehr viele Personen eingeführt, und so ist es auch mir nicht immer leicht gefallen, den Überblick zu behalten. Aber Dranbleiben lohnt sich, denn Jacksons Fälle haben es in sich. Es handelt sich mitnichten um einen einfachen Krimi, sondern auch um einen Blick hinter so einige vermeintlich heile Familienfassaden. Vieles kam unerwartet, manches klärt sich erst ganz zum Schluss, und so bauen die verschiedenen Erzählstränge einen unwahrscheinlichen Lesesog auf, dem ich mir nur schwer entziehen konnte. Atkinsons Schreibstil hat mir schon an ihren anderen Romanen gefallen, und so war ich auch hier wieder davon begeistert. Ein britischer Humor mischt sich ebenso unter wie auch immer wieder unverhofft fast schon absurde Figuren auftauchen, langweilig wird hier gar nichts und jede Seite hält neue Überraschungen bereit. Atkinson spielt mit ihren Figuren und dem Leser, wirft einen neckischen bis bitterbösen Blick auf die britische Gesellschaft und unterhält dabei scheinbar mühelos. Mir hat Brodies ungewöhnlicher erster Auftritt sehr gut gefallen und so bin ich auf seine weiteren Fälle mehr als gespannt.

Bewertung vom 07.04.2021
Der gekaufte Tod
Mack Jones, Stephen

Der gekaufte Tod


ausgezeichnet

Vor einem Jahr hat August in seiner Heimatstadt Detroit alle Zelte abgebrochen, um mit seinem neu gewonnen Reichtum die Welt zu sehen und alles hinter sich zu lassen. Jetzt ist er zurück, doch noch bevor er sich wieder eingerichtet hat, holt ihn die Vergangenheit ein. Nicht nur ist quasi der gesamte Polizeiapparat schlecht auf ihn zu sprechen, sondern eine alte Bekannte begeht zudem Selbstmord, kurz nachdem sie August um Hilfe bat. Der ist jetzt erst recht skeptisch, und so kämpft er nicht nur gegen den Verfall seines Viertels, sondern auch für die lückenlose Aufklärung ihres Todes.
Stephen Mack Jones hat mich mit seinem Krimidebüt umgehauen, alles, aber auch wirklich alles war wie perfekt auf mich und meinen Lesegeschmack zugeschnitten. Angefangen mit August Snow, der als Hauptfigur sicherlich nicht aus der 08/15-Kiste gezogen wurde. Halb Afroamerikaner – halb Mexikaner, aufgewachsen in Mexicantown, einem eher ärmlicheren Stadtteil Detroits, das prägt. August hat zwar ein liebevolles Elternhaus, aber er ist auch ein Kind seines sozialen Umfelds, das merkt man in seiner grundsätzlichen Einstellung, aber auch in vielen Kleinigkeiten. Anhand seines Beispiels thematisiert der Autor viele heiße Eisen wie Rassismus, Korruption und die Annahme, dass Recht und Gerechtigkeit eben doch nicht immer identisch sind. Ich mochte Augusts freche, aber kluge Art von Anfang an. Detroit als Handlungsort ist ebenfalls gut gewählt, der Verfall der Autostadt spiegelt sich in allen Schichten des Romans wieder. Die Handlung entwickelt sich rasant und brutal, Jones‘ Stil ist schnell und trotzdem nicht leichtlebig. Er legt mit „Der gekaufte Tod“ einen wirklich packenden Krimi vor, der mich die Übersetzung der nächsten Snowfälle kaum erwarten lässt.

Bewertung vom 07.04.2021
Hard Land
Wells, Benedict

Hard Land


sehr gut

Kind sein ist wie einen Ball hochwerfen. Erwachsenwerden ist, wenn er wieder herunterfällt.

Im Sommer `85 muss Sam dem drohenden Ferienaufenthalt bei seinen verhassten Cousins entfliehen und nimmt kurzerhand einen Aushilfsjob im heimischen Kino an. Das soll in wenigen Monaten schließen, die verbliebenen Angestellten ziehen weiter aufs College, alles fühlt sich ein wenig nach Abschied an. Zudem lebt Sam mit der ständigen Angst um seine Mutter, die vor Jahren an Krebs erkrankt ist. Doch dann wendet sich für ihn das Blatt, und der Sommer wird für ihn einer der prägendsten seines Lebens.

Hard Land hat mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt und dabei schnurstracks in die 80er katapultiert. Filme, Musik, Lebensgefühl, in vielen Kleinigkeiten macht der Autor das Jahrzehnt erlebbar. Sams Geschichte hätte auch in jedem anderen Jahr funktioniert, aber ich hatte bei diesem Ausflug in die 80er besonders Spaß. Die Erzählung ist sehr lebendig, und hat mich schnell in ihren Bann gezogen. Das Städtchen Grady ist nach der Schließung einer großen Fabrik am Scheideweg, noch ist nicht klar, ob die Stadt eine Zukunft hat. Das ist eine schöne Parallele zu Sams Leben. Der macht im Laufe der Handlung eine ziemliche Veränderung durch, von Anfang an ist er aber sehr reflektiert, was mir an ihm sehr gut gefallen hat. Mit seinen neuen Freunden muss man erst warm werden, doch dann schließt man sie auch ins Herz. Ich fand es ein wenig schade, dass Kirstie etwas klischeehaft daherkommt, die zwei Jungs sind handfester konstruiert. Auch die ein oder andere Nebenfigur (z.B. der Schulschläger) wirken etwas platt, doch insgesamt sind die Bewohner Gradys doch ganz gut gelungen. Der Erzählstil hat mir sehr gut gefallen, Wells erzählt auf berührende, empathische Weise von Sams Sommer. Immer wieder bereichern Wortneuschöpfungen oder das von Sam zu interpretierende, titelgebende Gedicht die Geschichte. Stilistisch hat für mich alles gestimmt. Ich fand das Ende etwas zu sehr auf Happy End getrimmt, ansonsten hat mich Wells‘ Geschichte aber ganz großartig unterhalten. Coming-of-Age-Geschichten gibt es zu Hauf, aber diese hat dem Genre noch etwas Neues abtrotzen können.

Bewertung vom 07.04.2021
Was wir scheinen
Keller, Hildegard E.

Was wir scheinen


gut

Im Sommer 1975 will sich Hannah Arendt eine letzte Auszeit gönnen, vom Alltag, aber nicht vom Denken. Im Tessin kommt sie zur Ruhe, und lässt dabei gleichzeitig wichtige Stationen in ihrem Leben vorüberziehen. Dazu zählt der Eichmannprozess `61, ihre Flucht aus Deutschland, viele prägende Gespräche mit Mentoren und anderen großen Denkern ihrer Zeit.

Hannah Arendt ist mir wie sicherlich den meisten ein Begriff, auch wenn ich über sie nicht allzu viel weiß. Nach der Lektüre bin ich ein bisschen schlauer, auch wenn man Kellers Roman nicht als Biografie verstehen sollte. Aber er gibt einen wirklichen guten Einblick in Arendts Denken. Dies geschieht oft in Dialogen mit anderen, z.T. namhaften Autoren bzw. Philosophen, z.T. in Fragerunden mit fiktiven Studenten. Dieser Umstand macht das Geschehen sehr lebendig, und zeigt wie facettenreich Arendts Wirken war. Auch Arendts eher stille Seite, ihre Liebe zur Lyrik wird deutlich; Gedichte sind immer wieder eingestreut, werden diskutiert, auf Postkarten verschickt, oder einfach nur genossen. Ich mochte diese kleinen Auflockerungen sehr. An den Stil der Autorin musste ich mich erst etwas gewöhnen, auch an die Zeitsprünge; zudem war mir nicht immer sofort klar, mit welchen Personen sich Arendt trifft, schreibt, spricht, was das Verständnis etwas erschwert hat. Ich hatte erwartet, dass der Prozess um Eichmann mehr Raum einnimmt, oder zumindest der Inhalt von Hannahs Buch stärker im Fokus steht. Zwar wird er immer wieder erwähnt, aber von Arendts Haltung erfährt man trotzdem nicht gar so viel. Der Roman wirkt insgesamt schon rund, trotzdem bleiben am Ende für mich noch Fragen offen, weil mir die Hintergrundinfos fehlen, sodass das Leseerlebnis und die Take-Home-Message sicherlich etwas gelitten haben.

Bewertung vom 13.03.2021
Der Junge, der das Universum verschlang
Dalton, Trent

Der Junge, der das Universum verschlang


ausgezeichnet

Elis Kindheit und Jugend im Brisbane der `80er ist wirklich nicht einfach. Der Vater hat sich schon vor Jahren abgesetzt, die Mutter und ihr Lebensgefährte versinken in einem gefährlichen Dealermilieu. Wäre da nicht Elis schweigsamer Bruder Gus und ihr quasi-Kindermädchen Ex-Häftling Slim, auch Eli wäre schnell versumpft. Doch so schlagen sich die zwei Brüder durch, und werden schneller erwachsen als manch anderer.

Eli und Gus‘ Geschichte hat mich wirklich gepackt. Die beiden erfahren viel Schlechtes, wachsen in bestenfalls seltsamen Verhältnissen auf, und doch zeigen sie viel Empathie, Gerechtigkeitssinn und den festen Willen, das Richtige zu tun. Elis Figur steht klar im Vordergrund, nicht zuletzt deswegen, weil sein Bruder beharrlich seit Jahren schweigt. Die Beziehung der beiden ist sehr eng, mit kleinsten Gesten können sie sich verständigen, und doch hat Gus als der Ältere seine Geheimnisse. Der Alltag hat für die beiden einige Fallstricke bereit, immer wieder gibt es Rückschläge, wenn es für die Brüder gerade einen Hauch von besser zu laufen scheint. Wie sie, v.a. Eli danach immer noch weitermachen können, mit Witz und Verstand, fand ich sehr beeindruckend. Slim, der ja nun wahrlich kein Paradebeispiel ist, kann Eli trotzdem mit seinen subtilen Ratschlägen und der Tatsache, dass er einfach für ihn da ist, aus so mancher Klemme helfen. Ich mochte Slim sehr, und fand ihn für die Handlung sehr bereichernd. Der Roman wird von Figuren dominiert, die nicht aus der 08/15-Trickkiste stammen, was die Geschichte erst recht interessant macht. Auch der Stil ist nicht von der Stange, wer geradlinige Erzählungen mag, wird sich hier sicherlich schwer tun. Ich mochte die Ausschweifungen sehr, und war auch vom Erzählstil an die Seiten gefesselt. Dalton hat in diesem Roman seine eigene Kindheit und Jugend verarbeitet, was diesen Roman noch wertvoller und interessanter machte. Ich mochte ihn sehr.

Bewertung vom 24.02.2021
Denn Familie sind wir trotzdem
Duken, Heike

Denn Familie sind wir trotzdem


sehr gut

Das Mädchen Flo erzählt ihrem Tagebuch alles: von ihrem Alltag, ihrer Mutter Ina, ihrem Opa Paul. Der wuchs zusammen mit seinem Bruder beim gemeinsamen Onkel auf, einem grausamen und strengen Mann. Von klein auf gedrillt, fällt Paul schnell auf die Versprechen der Nationalsozialisten herein. Eine Generation später hat sich auch Ina an der Nase herumführen lassen: allein und schwanger steht sie da, weit weg in einem fernen Land.

Heike Duken hat in ihrem Roman in weiten Teilen die Geschichte ihrer eigenen Familie verarbeitet; das zeigt sich in Fotos und dem entsprechenden Nachwort. In vielen Dingen steht ihre Familie jedoch beispielhaft für die Nachkriegsgeneration, für die dunklen Flecken, die viele Familien auch mal totgeschwiegen haben. Die Figuren wirken authentisch und lebendig, gerade Flo kann man schnell ins Leserherz schließen. Dukens Stil empfand ich oft als recht distanziert, einzig Flos (v.a. zu Beginn) sehr kindlichen Tagebucheinträge/Briefe haben den Ton etwas aufgelockert. Gerade Pauls Kindheit ist natürlich durch diese Art zu Erzählen leichter zu ertragen, ich konnte mich trotzdem bis zuletzt nicht so ganz damit anfreunden. Die Konstruktion des Romans ist sehr gelungen, die Geschichten der einzelnen Familienmitglieder greifen trotz Zeitsprüngen sehr gut ineinander, sodass sich ein rundes Bild ergibt. Das Ende hat mir nicht ganz so gut gefallen, auch weil es doch im Gegensatz zur vorherigen Handlung konstruiert wirkt. Insgesamt habe ich Dukens Roman gerne gelesen, für Fans von Familiengeschichten sicherlich ein guter Fang.

Bewertung vom 21.02.2021
Leichenblume / Heloise Kaldan Bd.1
Hancock, Anne Mette

Leichenblume / Heloise Kaldan Bd.1


gut

Vor einigen Jahren ist der stadtbekannte Anwalt Mossing brutal ermordet worden. Die Täterin Anna ist seitdem auf der Flucht. Und so staunt Journalistin Heloise nicht schlecht, als sie eines Tages genau von dieser Frau einen Brief erhält. Einen sehr persönlichen Brief, obwohl sie Anna doch noch nie begegnet ist. Der damalige Ermittler Erik wird eingeschaltet und nimmt die Spurensuche wieder auf.

Ich fand Leichenblume als Auftakt zu einer neuen Serie nicht schlecht, auch wenn den Figuren schon noch etwas Profil fehlt. Einen Vergleich mit Nesbo oder Adler-Olsen halte ich aber doch für sehr hoch gegriffen. Eine Journalistin als „Ermittler“ eröffnet immer interessante Möglichkeiten einen Kriminalfall zu entwickeln, und Heloise macht ihren Job wirklich gut. Ich fand ihre Figur recht sympathisch, es hat Spaß gemacht mit ihr dem Rätsel der Briefe nachzugehen. Die sind als Aufhänger gut gewählt, denn natürlich machen Annas Andeutungen neugierig, bringen sie doch immer wieder neue rätselhafte Hinweise. Als Heloise „offizieller“ Gegenpart fungiert Erik als Mann des Gesetzes. Ihn fand ich noch ein wenig blass, seine Perspektive oft langweiliger als Heloises, so ganz sympathisch war er mir auch nicht. Mal sehen, ob sich das in den Folgebänden ändern wird. Die Handlung hat mir insgesamt ganz gut gefallen, auch wenn ich die Erklärung des Motivs nicht ganz so aufregend fand, zu oft schon hat man ähnliches gelesen. Trotzdem ist der Fall gut aufgebaut, durch die Perspektivwechsel zwischen Heloise und Erik werden einige Dinge unterschiedlich beleuchtet und auch der Erzählstil hat mir gut gefallen; nicht sehr reißerisch, sondern eben nordisch distanziert, wie man es von anderen skandinavischen Autoren kennt. Insgesamt fand ich Leichenblume nicht schlecht, Luft nach oben ist allerdings noch vorhanden.

Bewertung vom 03.02.2021
Die Rache des Lombarden / Aleydis de Bruinker Bd.3
Schier, Petra

Die Rache des Lombarden / Aleydis de Bruinker Bd.3


ausgezeichnet

Noch keine zwei Jahre ist es her, dass Aleydis nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes nicht nur dessen Geldwechselstube, sondern auch seine zwielichtige Schattenwelt geerbt hat. Die möchte Aleydis eigentlich gerne zerschlagen, doch das ist gar nicht so einfach, wird ihre Aufmerksamkeit doch an ganz anderer Stelle gebraucht. Ihre Mündel werden entführt, das Sorgerecht ihr streitig gemacht. Zum Glück stehen ihr nicht nur ihr Gesinde, sondern auch der Gewaltrichter Vinzenz van Cleve zur Seite.
Mit diesem Band endet die Reihe um Aleydis, die Witwe des Geldwechslers Golatti. Leider, möchte ich sagen. Doch Petra Schier hat mit diesem letzten Band der Trilogie das berühmte I-Tüpfelchen verpasst, sodass ich die Lektüre trotz Abschied sehr genossen habe. Wie schon bei den Vorgängern erwartet den Leser eine gelungene Mischung aus Spannung, Historie und ein kleines bisschen Romantik. Köln im Jahre 1424 wird sehr lebendig und detailreich dargestellt, in vielen Kleinigkeiten wird deutlich welch Recherchearbeit im Roman steckt. Viele der Figuren kennt man schon aus den vorherigen Bänden (die man schon vorher gelesen haben sollte), aber es gibt natürlich neue Seiten zu entdecken. Gerade Vinzenz lässt Blicke auf den weichen Kern hinter der harten Schale zu, sodass einiges in ein neues Licht gerückt wird. Ich fand die Handlung bis auf wenige Ausnahmen sehr stimmig; dass Aleydis die Entführung ihrer Mündel zwar entsetzt, sie aber dagegen vergleichsweise wenig unternimmt, passte für mich nicht so recht zu der taffen und sonst sehr tatkräftigen jungen Frau. Ihre quirlige Art mochte ich natürlich trotzdem und so bin ich mit dem Ende für diese sehr sympathische Protagonistin mehr als zufrieden ; ) Der sehr angenehme Erzählstil sorgt zusätzlich zur abwechslungsreichen Handlung dazu, dass sich das Buch schwer aus den Händen legen lässt. Dank des Nachworts hat man als Leser noch etwas länger zu grübeln und so ist der Abschied doch nicht ganz so hart. Sollte es allerdings doch irgendwann einmal Neues von Aleydis und Vinzenz geben – ich wäre sofort dabei.