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Benutzername: 
Hennie
Wohnort: 
Chemnitz

Bewertungen

Insgesamt 260 Bewertungen
Bewertung vom 17.03.2021
Lockvogel
Prammer, Theresa

Lockvogel


gut

Ein Fall von #metoo? - Wohl eher nein!
Das war meine zweite Begegnung mit der Autorin Theresa Prammer. Nach den „Mörderischen Wahrheiten“ (2. Band einer Trilogie) las ich nun den „Lockvogel".

Antonia Lorenz, genannt Toni, eine Schauspielelevin kommt unerwartet und vollkommen unverschuldet in eine trostlose Lage. Ihr Freund verschwindet spurlos und mit ihm die Ersparnisse und der wertvolle Schmuck von Tonis Großmutter. Wie soll sie nun für deren Seniorenresidenz aufkommen? Außerdem steht Tonis Verbleib an der Schauspielschule auf tönernen Füßen. Dicker kann es für sie nicht kommen. Das Chaos ist vorprogrammiert. Sie faßt den Entschluß Edgar Bluhms Detektei für die Suche nach Felix zu beauftragen. Doch ohne Geld? Da kommt Toni der Zufall zu Hilfe.

Geschickt verbindet die Autorin mehrere Ereignisse miteinander, die Notlage von Toni, die ebenfalls prekäre Situation, in der sich Detektei und Detektiv befinden und die plötzlich auftretende Klientin mit der gut gefüllten Geldbörse. Das ist im wesentlichen das Grundkonstrukt der Geschichte.
Die beiden Protagonisten kommen sympathisch daher und sind ein ungewöhnliches, liebenswertes Ermittlerpaar. Edgar Bluhm wird als ein etwas depressiver Detektiv mit einer Menge von Problemen dargestellt. Seine beständige Geldnot durch eine schlechte Auftragslage, sein miserabler Gesundheitszustand summieren sich zu einer Reihe von Schwierigkeiten, die er nicht mehr unter Kontrolle bekommt, seit er ohne seinen Kompagnon arbeiten muss. Warum das so ist, erfährt man erst gegen Ende des Romans. Als nun Frau Steiner, die besagte Klientin, in die Detektei kommt, beschließt Brehm, dass ihm Schauspielschülerin Toni als Lockvogel in der Filmbranche behilflich ist. Es ist teilweise recht vergnüglich zu lesen, wie sich die Geschichte entwickelt. Mehr ist Kommissar Zufall verantwortlich bei der Aufklärung der möglichen Affären des Filmmoguls und eines Todesfalls, als die wie ein blindes Huhn durch die Gegend laufende Toni. Sie hat mehr Glück als Verstand, obwohl sie bei den Recherchen im Internet talentiert ist.
Das optimistische Ende läßt für die Zukunft Tonis, ihrer Großmutter und für Edgar Brehm hoffen.

Der unterhaltsame Krimi spielt in Wien. Es ist ein Krimi der eher ruhigen Sorte. Ich finde die Erzählung stimmig und vielseitig wegen der angesprochenen Themen, aber die Spannung fehlt doch weitgehendst. Ein Fall von #metoo? – das ist für mich eher eine Fehlanzeige.

Meine Bewertung: Weder sehr gut noch ganz schlecht, daher 3 Sterne.

Bewertung vom 01.03.2021
Tote Vögel singen nicht
Klinger, Christian

Tote Vögel singen nicht


weniger gut

Wer tötete Schneewittchen?
Bereits der allererste Satz kann eine feinsinnige Seele schon zusammenzucken lassen. Aber das sollte man bei einem Thriller aushalten können. Da geht es schon mal ruppig zu. Allerdings gehörte diese Story für mich nicht zu diesem Genre.

Der Klappentext und das Cover in seiner morbiden Zartheit (die tote Blaumeise auf ihrem weißen Blütentotenbett) ließen mich einen spannenden Thriller erwarten. Die Hauptfigur heißt Cosinus Gauß (für diesen Namen gibt es von mir ein Daumenhoch). Er ist ein erfolglos agierender Anwalt und gerät für ein einvernehmliches Treffen zum Sex mächtig in die Bredouille. Eine seltene Krankheit (POTS - Posturales orthostatisches Tachykardiesyndrom) läßt ihn urplötzlich und zu ungünstigsten Zeiten in Ohnmacht fallen. Sein Erwachen in dem Hotelzimmer neben der blutigen weiblichen Leiche ist schrecklich und die Situation für ihn stellt sich aussichtslos dar! Alle Indizien weisen auf ihn als Täter! Cosinus beginnt sofort mit den Ermittlungen, weil jede Minute zählt.

Soweit ist das ein guter Ansatz für eine spannende Geschichte. Doch aus der Sicht von Cosinus zerfasert das Geschehen hauptsächlich mehr und mehr zu einer Charakterisierung seiner unsympathischen Person. Da nur aus der Ich-Perspektive über die ca. 190 Seiten berichtet wird, die Stimmungen und Gefühle der Hauptfigur im Zentrum sind, erhalten die anderen Charaktere keinen Tiefgang. Den Figuren, einschließlich Gauß, bleibt keine Zeit zur Entwicklung. Probleme werden nur angerissen und kommen eruptiv zumeist in verbalen Ausdrücken zum Vorschein.
Die Sprache ist schon ziemlich derb, vulgär, ätzend und vor allem sexistisch. Das wirkte abstoßend und nervte mich mit der Zeit sehr. Es kam mir bald nur noch gewollt und aufgesetzt vor, irgendwie künstlich. Das Arschloch habe ich so der Figur des Cosinus Gauß nicht abgenommen, lieber Autor Christian Klinger.
Trotz der guten Einfälle (Treuetest-Agentur, die seltene Krankheit, die Verstrickungen mit der Politik u.a.m.) überwiegt in der Handlung das Negative. Cosinus gerät von einer heiklen Lage in die nächste, wobei seine Gesamtsituation vor dem Mord eh schon prekär war. Deprimierend!
Der explosive Schluß paßt damit ins Gesamtbild, ein irres, überzogenes Ende. Leider insgesamt eine Geschichte, die mich nicht überzeugen konnte. Ein wie versprochen rasant geschriebener Thriller war es nicht!

Wem ich dieses Buch empfehlen soll? Vielleicht am ehesten noch Männern, die sich an der Sprache und am Frauenbild des Cosinus Gauß nicht stören?

Mehr als zwei Sterne möchte ich für diese Story nicht vergeben.

Bewertung vom 25.02.2021
Die Tierolympiade - Leserabe ab Vorschule - Erstlesebuch für Kinder ab 5 Jahren
Wich, Henriette

Die Tierolympiade - Leserabe ab Vorschule - Erstlesebuch für Kinder ab 5 Jahren


ausgezeichnet

OLYMPIADE IM ZOO
Da mich die Leseprobe entfernt an meine Fibel der ersten Klasse (schon über 60 Jahre her) erinnerte, wollte ich das farbenfrohe Buch unbedingt lesen und es danach meiner 5jährigen Nichte übergeben.

Zum Inhalt:
Pia, das kleine Pony, der schöne Flamingo Fred und der schlaue Affe Ali sind Tiere im Zoo. Sie leiden furchtbar unter Langeweile und beschließen deshalb gemeinsam eine Olympiade zu veranstalten. In einem Wettkampf mit verschiedenen Diziplinen wollen sie schauen, wer die besten Ergebnisse erzielen kann. Sie rennen, schwimmen, spielen Ball, berücksichtigen gegenseitig ihre Schwächen und vor allem ihre Stärken. Am Ende haben sie alle gewonnen. Was für ein herrliches Bild auf dem Siegerpodest. Wie die Bremer Stadtmusikanten stehen Pony, Schimpanse und Flamingo aufeinander auf der höchsten Stufe, alle auf dem 1. Platz!

Meine Meinung:
Das ist eine wunderbare Geschichte, die aufzeigt, dass jedes der Tiere seine ganz speziellen Qualitäten hat. In der Gemeinschaft kommen sie besonders zum Tragen und obendrein macht es noch gehörigen Spaß, wenn man fest zusammenhält.
In einfacher Sprache wird die Olympiade zwischen den drei unterschiedlichen Tieren beschrieben. Dabei ergänzen kleine Bilder den Text. Die Buchstaben sind ausreichend groß in einer angenehmen Schrifthöhe. Sie harmonieren gut mit den farbigen Zeichnungen. So eignet sich das Buch wunderbar zum Vorlesen für die kleineren Kinder im Vorschulalter. Auch für die ersten selbstständigen Leseversuche der Erstklässler sollte sich der Erfolg recht bald einstellen. Die Tierolympiade ist ein hübsch illustriertes Leseabenteuer für Kinder etwa ab 4 Jahren.
Fünf unterschiedliche Rätsel, die Kindern Freude machen, komplettieren das Buch.
Am Ende befindet sich eine Wörterliste zum Ausklappen. Sie hilft evtl. bei der Identifikation der Bilder, was aber sicher nicht notwendig sein wird, da sie sich selbst erklären.

Fazit:
Ein schönes Kinderbuch mit tollen Illustrationen für Vorschulkinder und für Lesestarter (ca. 4 bis 6 Jahre)

Bewertung vom 18.02.2021
Kein Entkommen / Katja Sand Trilogie Bd.1
Wortberg, Christoph

Kein Entkommen / Katja Sand Trilogie Bd.1


ausgezeichnet

SEELISCHE ABGRÜNDE
Im ersten Teil der Trilogie "Trauma – Kein Entkommen“ berührte mich bereits im Prolog das brutale Schicksal des kleinen Kindes. In weiteren Abschnitten wurden die erbarmungslosen Erlebnisse noch vertieft. Wer in einem zarten Alter von drei Jahren schon diese immensen, seelischen Grausamkeiten erfahren musste, kann fürs Leben nur bleibende Schäden davontragen! Erst gegen Ende des Buches wird aufgeklärt, wer sich hinter diesem Kind, dessen Geschlecht noch nicht offenbart wird, verbirgt. Das ist der eine wesentliche Handlungsfaden, der sich durch die unglaubliche Geschichte zog.
In der Hauptsache geht es um die Münchner Mordermittlerin Katja Sand, die mit ihrem Kollegen Rudi Dorfmüller zwei seltsame Todesfälle aufzuklären hat. Die außergewöhnlichen Umstände wie die zwei jungen Männer ums Leben gekommen sind, lassen Katja nicht an Selbstmord glauben. Sie beginnt entgegen aller Widerstände, die ihr massiv entgegenschlagen, weiter in der Vergangenheit und im Umfeld der Opfer zu graben. Es kommt Unglaubliches ans Tageslicht. Die Wahrheit wurde vertuscht, um politischen Schaden abzuwenden, um Ansehen um jeden Preis zu erhalten! Menschenverachtend und skandalös!

Wie schon dem sehr passenden Titel zu entnehmen ist, spielt das Thema Trauma eine große Rolle. Neben den beruflichen Hindernissen trägt die Kommissarin auch private Probleme mit sich herum. Die haben zum einen mit ihrer pubertierenden Tochter zu tun, zum anderen betreffen sie Katjas Vergangenheit. Was da geschehen ist, wird wohl erst gegen Ende der Trauma-Reihe enthüllt. Es muss gravierend sein und setzt in mir eine gewisse Erwartung frei. Ich bin sehr gespannt auf die Fortsetzung der Reihe.
Den Schreibstil von Christoph Wortberg empfand ich als sehr wohltuend. Es geht auch ohne reißerische, blutrünstige Sprache! Die Kapitel sind in angenehmer Länge und ließen mich gespannt dem Geschehen folgen. Sinnvoll wurde die Geschichte in drei Teilen erzählt, Wasser, Eis und Feuer. Zum Schluß hin werden die beiden Fälle in sehr gewagter Art durch Katja aufgeklärt, wobei sie sich durch ihre Ermittlungen leichtsinnigerweise in große Lebensgefahr begibt.
Katja Sand erhält vom Autor einen wunderbaren Kollegen als Partner an die Seite gestellt. Rudi Dorfmüller ist einfach ein dufter Typ von der Marke Kumpel, der immer da ist, wenn er gebraucht wird. Seine größte Liebe allerdings gehört seinem goldfarbenen 77er-Granada mit Vinyldach. Mal schauen, ob sich da nicht noch etwas entwickelt zwischen ihm und der alleinerziehenden Kollegin...

Das Buch vermochte mich gut zu unterhalten und bekommt von mir die Höchstbewertung!

Bewertung vom 15.02.2021
Erinnerungen aus Glas
Dobson, Melanie

Erinnerungen aus Glas


gut

Großes geschichtliches Thema
Zu meinen Lieblingsgenres gehört die Art Literatur, zu der ich zunächst „Erinnerungen aus Glas“ rechnete (am Ende war es dann doch leider nicht ganz so rund für mich). Es ist die Historie, die auf zwei oder mehreren Zeitebenen spielt, welche mich begeistern kann. Wenn dann noch Familiengeschichte dazukommt, bin ich nicht zu halten.

Im Juni 1933: In den Niederlanden, im kleinen Ort Giethoorn stellen Kinder im Spiel den Widerstandskampf gegen Spanien nach. Josie und Samuel, die Geschwister, und Klaas, der Sohn des Dorfarztes. Sie lernen bald darauf Eliese kennen, ein jüdisches, deutsches Mädchen. Sie ist 10 Jahre alt und mit dem Vater aus Deutschland geflohen und bei einer niederländischen Familie untergekommen. Erst neun Jahre später in Amsterdam erfolgt die nächste Begegnung mit den Protagonisten. Josie und Samuel sind inzwischen tatsächlich im Widerstand. Eliese hat einen kleinen Jungen, der ein Geheimnis bleiben muss. Der Vater heißt William Kingston und befindet sich in Amerika. Sie registriert in der Hollandschen Schouwburg die jüdischen Bürger aus dem Getto, bevor sie von Westerbork aus in die KZs abtransportiert werden. Zufällig trifft sie auf Josie, die im gegenüberliegenden Kinderheim arbeitet. Gemeinsam schmieden sie einen gefährlichen Plan...
75 Jahre später prüft die junge Ava Drake als Direktorin der gemeinnützigen Kingston-Stiftung in Uganda die Hilfsprojekte von Landon West. Unerwartet ergibt sich eine Verbindung zwischen seiner und ihrer Familiengeschichte. Avas darauffolgende Recherchen bringen unfassbare Zusammenhänge ans Licht. Es ist eine Geschichte, die neben familiären Verknüpfungen, die tiefen und verbrecherischen Beziehungen zum Naziregime aufzeigen…

Der Roman umspannt drei Kontinente und umfaßt einen zeitlichen Bogen, der von 1933/1942/1946 bis in die Gegenwart reicht. Bereits zu Beginn der Story wurde ich darauf vorbereitet, dass es massive Spannungen, tiefgreifende Konflikte in der superreichen Kingston-Familie gibt. Geld und Macht spielen immer noch eine große Rolle. Die wohltätige Stiftung ist der Deckmantel für eine ruchlose Vergangenheit.
Es geht schnell, manchmal abrupt zwischen den Kapiteln in den Zeiten hin und her. In den Abschnitten ohne Zwischenüberschriften berichtet Ava aus der Ich-Perspektive. Durch sie wird der zeitliche Bogen von 1942 in die Gegenwart geschlagen. Immer mehr kommt über William Kingston, über sein mächtiges Glasimperium und seine unheilvollen, ungeheuerlichen Verstrickungen mit Hitler-Deutschland ans Tageslicht. Im Wechsel von Vergangenheit und Gegenwart wird über das perfide Tun der Nazis, über ihre perfekte, unmenschlich agierende Maschinerie, um die Juden in die Lager abzutransportieren, berichtet. Ava ist das Bindeglied zwischen den Generationen und ihre Nachforschungen decken große Teile der Wahrheit auf.

Fazit:
„Erinnerungen aus Glas“ war insgesamt interessant zu lesen, aber an einigen Stellen fand ich, dass Melanie Dobson für die 362 Textseiten zu viel gewollt hat! Weniger an verwandtschaftlichen Verstrickungen wäre gut gewesen! Einige Erläuterungen in Glossar-Form hätte ich gut gefunden (Puttkamer-Liste, Lager Westerbork, Ort Giethoorn...)
Was mich verwunderte, war die häufige Ansprache an Gott, die nicht mehr zeitgemäße Ausdrucksweise. In der Vergangenheit und angesichts der unmenschlichen Umstände kann ich das verstehen, aber in der Gegenwart (bei Landon in Uganda) kommen mir die antiquierten, religiösen Formulierungen (bspw. „die Gnade und das Licht Gottes") wie aus der Zeit gefallen vor. Mein Leseeindruck wurde jedoch davon nicht wesentlich beeinträchtigt.

Bewertung vom 02.02.2021
Die siebte Zeugin / Eberhardt & Jarmer ermitteln Bd.1
Schwiecker, Florian;Tsokos, Michael

Die siebte Zeugin / Eberhardt & Jarmer ermitteln Bd.1


ausgezeichnet

EIN HOFFNUNGSLOSER FALL?
Mit „Die siebte Zeugin“ eröffnet Michael Tsokos (Rechtsmediziner) gemeinsam mit Florian Schwiecker (ehemaliger Strafverteidiger) eine neue Justiz-Krimi-Reihe.

Schauplatz des Kriminalromans ist Berlin. Der eher unscheinbar wirkende Verwaltungsbeamte Nikolas Nölting fährt an einem Sonntagmorgen mit seinem Fahrrad zu einer Bäckerei. Den davor stehenden Polizisten schlägt er nieder, entwendet ihm die Dienstwaffe und schießt im Laden um sich. Ein Mann wird tödlich getroffen, zwei weitere Kunden angeschossen. Nölting wird verhaftet und schweigt..
Auf eher ungewöhnliche Weise sucht sich die Ehefrau Nöltings einen Anwalt für ihren Mann. Rocco Eberhardt nimmt sich des aussichtslosen Falles an, für ihn eine Herausforderung gegen seinen ewigen Widersacher, dem arroganten, unsympathischen Staatsanwalt Dr. Bäumler.
Warum hat der sonst unauffällige Nölting so extrem gehandelt? Das will der ehrgeizige Strafverteidiger unbedingt herausfinden, obwohl sein Mandant die Aussage weiterhin beharrlich verweigert. Dafür muss es Gründe geben!

Obwohl man als Leser von Anfang an einbezogen ist, die Tat „miterlebt", war dieser Krimi spannend. Die Kapitel sind durchgehend kurz bis sehr kurz (104 Kapitel bei 318 Textseiten) sowie mit der genauen Örtlichkeit, Tag/Datum und Uhrzeit überschrieben. Man ist ständig im Bilde, auf der Höhe der Ermittlungen. Der Spannungsbogen bleibt hoch, weil sich immer neue Faktenlagen ergeben. Rocco Eberhardt bleibt trotz Niederlagen beharrlich und holt sich Beistand durch den Rechtsmediziner Dr. Justus Jarmer und seinem besten Freund, dem Privatdetektiv Tobias Baumann. Sie geben entscheidende Impulse, um die irre Geschichte des biederen Beamten aufzuklären. Es geht hart auf hart zu, da auch die Berliner Unterwelt und deren Clankriminalität eine entscheidende Rolle spielen.
Die endgültige Entscheidung im Fall Nölting bringt die Aussage der siebten Zeugin, die auch titelgebend ist. Fast hatte ich schon gedacht, das wird nichts mehr!
Mir hat gut gefallen, dass auch Einblicke in Rocco Eberhardts Privatleben gewährt wurden. Das führt dann zum Ende des Krimis zu einem Cliffhanger, der mich erwartungsvoll auf den nächsten Fall in Bälde blicken läßt. Dann möchte ich auch gern mehr vom Rechtsmediziner Jarmer erfahren, der hier etwas zu kurz kam.

Fazit:
Authentisch und sehr gut erzählter Krimi! Ich spürte die Fachkenntnis der beiden Autoren und freue mich auf weitere Folgen.

Von mir gibt es die Höchstbewertung und eine unbedingte Lese- und Kaufempfehlung für alle Freunde des guten Kriminalromans.

Bewertung vom 26.01.2021
Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid
Schröder, Alena

Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid


ausgezeichnet

Frauenschicksale einer Familie über ein Jahrhundert
Das Buch wurde mit einem sehr ungewöhnlichen, aber ausdrucksstarken Buchtitel versehen. Was es damit auf sich hat, wird anhand der Lebenslinien von vier (eigentlich fünf) Frauen über Generationen von 1922 bis in die Gegenwart nachgezeichnet. Alena Schröder erzählt eine umfassende Familiengeschichte.
Der Einstieg in die Story beginnt im Jahr 1922 in Warnemünde mit der jungen Senta. Sie ist lebenslustig und voller Pläne, die sich recht bald zerschlagen als sie ungewollt schwanger wird und heiratet. Sie will raus aus der einengenden Situation und trifft eine Entscheidung, die weitreichend sein wird, für sie und ihre Nachkommen.

In der Gegenwart besucht die 27 jährige Hannah wöchentlich ihre 95 jährige Großmutter Evelyn im Altenheim im Westen Berlins. Die alte, grantige Dame läßt die Enkelin jedes Mal ein auf mich deprimierend wirkendes Ritual absolvieren in ihrem Zimmer. Niemand kann es ihr eigentlich recht machen. Sie ist auf der einen Seite des Lebens überdrüssig, auf der anderen möchte sie doch noch teilhaben, schwankt zwischen Überlebenswillen und der Hoffnung des baldigen Ablebens. Bei einem Besuch findet Hannah zufällig einen Brief, den Evelyn aus Israel erhielt. Sie wird darin als Erbin eines einst geraubten und nun verschollenen Kunstvermögens genannt. Davon will sie aber nichts wissen, sträubt sich dagegen und verwehrt Hannah nähere Auskünfte. Hannah nimmt sich der Sache an und erfährt nach und nach wie auch der Lesende die Hintergründe.

Es wird eine aufregende Reise in die deutsche Geschichte mit tiefen, emotional ergreifenden Einblicken in die Lebenswege von Urgroßmutter Senta, Großmutter Evelyn, Mutter Silvia und Hannah, die vorerst letzte der Familie. Die Kunstwerke sind dabei der Aufhänger, die alles miteinander verbinden und zusammenhalten. Gekonnt und immer nachvollziehbar in den verschiedenen Zeiten erzählt, bringt die Autorin die großen Themen der Judenverfolgung, das Grauen des 2. Weltkrieges, die Verblendung der Menschen (hier großartig dargestellt in der Figur der Tante Trude - Tante von Evelyn) und nicht zuletzt die besonderen Mutter-Tochter-Beziehungen zur Sprache. Dabei wertet, verurteilt Alena Schröder nicht. Sie läßt die wunderbar herausgearbeiteten Charaktere für sich selbst sprechen. Mit steigender Neugier verfolgte ich die Geschichte in den wechselnden Perspektiven von Ort und Zeit und war sehr gespannt wie diese enden wird.
Ich hatte dann zum Schluß den Eindruck, dass Hannah sich vieles für das eigene Leben mitnehmen konnte, sich ein Lebensziel, eine Richtung für sie abzeichnete.

Für mich ist der Roman ein gelungenes Debüt und ich empfehle es mit der Höchstbewertung.

Bewertung vom 21.01.2021
Mopsa - Eine Maus kommt ganz groß raus
Habersack, Charlotte

Mopsa - Eine Maus kommt ganz groß raus


ausgezeichnet

Von einer kleinen Maus, die auszog, um Schauspielerin zu werden
Die Geschichte um die Maus Mopsa beginnt damit, dass ihre Heimat nicht genau verortet wird. „Wann und wo die Geschichte spielt kann ich euch leider nicht sagen, denn es ist eine Mäusegeschichte“. Doch für mich als erwachsene Leserin gibt es da schon einige Hinweise anhand von Begriffen wie bspsw. Paradeiser, Liwanzen, Hofrat und die Art und Weise, wie die Menschen leben, ohne elektrisches Licht und Pferdekutschen. Ein wichtiger Hinweis ist auch die Mode. Aber es ist nicht wichtig für den Fortgang des Geschehens.
Mopsa ist die Hauptfigur, lebt mit ihrem Bruder Otto und ihren Freunden auf dem Dachboden des Rathausturmes einer Stadt. Ihnen allen könnte es recht gut gehen, wenn sie nicht von einem tyrannischen, häßlichen, ungepflegten Mäusekönig beherrscht würden. Während er faul und vor sich hin stinkend auf seinem Thron sitzt, läßt er alle für sich arbeiten. Als Mopsa von einem Beutezug nichts zum Essen für den selbsternannten Herrscher mitbringt, wird sie von ihm aus dem Rathaus verwiesen. Ihr Bruder Otto begleitet sie und von nun ab sind sie auf sich selbst angewiesen.
Mit Mopsas Lebensmotto „Immer der Schnauze nach und nie den Mut verlieren“ lassen die vielfältigsten Abenteuer nicht lange auf sich warten.

Die entzückend erzählte Geschichte, die in der Vergangenheit spielt, läßt sich wunderbar in die Gegenwart und in die Realität übertragen. Sehr unterhaltsam werden die Abenteuer der kleinen, kecken Mopsa, die so gerne Schauspielerin werden möchte, kindgerecht dargeboten. Vom fiesen „Mausbeuter“ Tartar, über das reimende Äffchen mit dem Leierkastenmann, Bobby, dem gelehrigen Wellensittich bis hin zur Erläuterung des Unterschiedes von Demokratie und Diktatur konnte mich das farbenprächtig bebilderte Buch (von Illustratorin Laura Fuchs) begeistern.
Besonders niedlich finde ich, dass die kleine Mäusedame immer ihre Eichelhandtasche dabei hat.

Das ab und zu fremdsprachige und veraltete Begriffe sowie schwierige Wörter wie Axolotl, Chamäleon, Panoptikum... oder eine Schauspielerin wie Eleonora Duse Erwähnung finden, sollte zum Nachschlagen und Erklären genutzt werden. Dem Vergnügen des Lesens tut das keinen Abbruch.

Fazit:
„Mopsa“ ist ein zauberhaftes farbenreiches Bilderbuch mit einer wundervollen, abenteuerlichen, unterhaltsamen, humorvollen Mäusegeschichte. Ich als zweifache Großmutter hatte meine Freude dran. Nun geht es in Kinderhände!

Ich bewerte es mit fünf von fünf Sternen und empfehle es gerne weiter für Kinder ab 5 Jahre und den erwachsenen Lesern!

Bewertung vom 14.01.2021
Der Mädchenwald
Lloyd, Sam

Der Mädchenwald


sehr gut

EINE WOCHE IN HÖCHSTER LEBENSGEFAHR
Elissa ist ein 13 ½ jähriges Mädchen. Sie nimmt an einem, von ihr lang ersehnten Jugendschachturnier, teil. In einer Pause wird sie vom Parkplatz weg entführt und kommt in einem dunklen, feuchtkalten Verlies zu sich. Sie ist angekettet. Recht bald erkennt das intelligente, junge Mädchen, dass sie gewisse Regeln ihres Entführers befolgen muss, wenn sie überleben und ihre Mutter Lena wiedersehen will. Das legt ihr der Junge Elijah nahe, der sie täglich besucht in ihrem Gefängnis. Sein Verhalten ist äußerst widersprüchlich und sie merkt bald, dass sie ihm nicht vertrauen kann und verfolgt eine Strategie. Wird sie entkommen?
Meine Meinung:
Die Verwirrung, die mich beim Lesen dieses Thrillers erfaßte, fängt eigentlich schon mit dem Titel an. Statt „Der Mädchenwald“ hatte ich ständig Märchenwald im Hinterkopf. Dieser Eindruck verstärkte sich noch mit zunehmendem „Kennenlernen" der Hauptperson Elijah. Er nennt den Wald so, der Mädchenwald mit seinen Erinnerungsbäumen. Und da gibt es bei ihm noch Hänsel und Gretel und das Lebkuchenhaus, den Knöchelchensee, die Schrottstadt und Zauber-Anni.
Die Story wird aus der Sicht von drei Personen entwickelt. Das ist zum einen die entführte Elissa, der 12jährige Junge Elijah und die Polizistin Mairéad, die leitende Ermittlerin.
Es ist nicht einfach zu lesen, da sich die zeitlichen Aspekte ständig ändern. Auch wechseln die Erzählperspektiven. Elijah ist der Ich-Erzähler. Für die beiden weiblichen Hauptpersonen wurde die auktoriale Sichtweise gewählt. Da musste ich sehr aufpassen, aufmerksam sein. Es wechselt ständig zwischen Tag 1, Tag 2, Tag 3 und Tag 6 sowie zwischen den drei Personen hin und her. Obwohl Elijah nicht dumm zu sein scheint, empfand ich ihn schnell als etwas zurückgeblieben, irgendwie komisch. Er kennt kein Handy, kein Internet. Warum? Ist alles real, was er dem Mädchen schildert? Es stellten sich bei mir sehr viele Fragen ein. Elissa wiederum ist ganz schön pfiffig. Durch ihr Schachspiel hat sie logisches Denken verinnerlicht und nutzt das sehr clever. Sie ist ein wirklich kluges und tapferes Mädchen, kommt aber bald an die Grenzen ihrer Belastbarkeit, ihres Durchhaltevermögens. Die ganzen Umstände sind maximal verstörend. Als Leserin glaubte ich ein ums andere Mal etwas nicht richtig verstanden zu haben, so rasant sind die Ereignisse, die der Autor Sam Lloyd geschehen läßt.

Also, ich fand "Mädchenwald" äußerst spannend und trickreich geschrieben mit vielen Wendungen und überraschenden Elementen.

Fazit:
Ich erhielt einen tiefen Einblick in menschliche Abgründe, aber am Ende fehlten mir erklärende Infos zu den Tätern. Bei mir blieben sehr viele Fragen unbeantwortet, ungeklärt. Die persönliche Tragik um die Polizistin hätte der Autor straffen oder ganz auslassen können, um mehr die Hintergründe zu beleuchten. So hinterließ die Story bei mir verstärkt den Eindruck von einem bitterbösen Märchen.
Insgesamt dennoch ein beeindruckender Thriller, der mich gut unterhalten konnte trotz der genannten Einschränkungen.

Meine Bewertung:
4,5 Sterne von 5 Sternen und die unbedingte Lese- und Kaufempfehlung für alle Fans von psychologisch verzwickten Thrillern.

Bewertung vom 15.12.2020
Zeit der Wunder / Kinderklinik Weißensee Bd.1
Blum, Antonia

Zeit der Wunder / Kinderklinik Weißensee Bd.1


sehr gut

BEGINN DER MODERNEN KINDERHEILKUNDE
Als „Die große Kinderärztin-Saga" wird der erste Band von Antonia Blum angekündigt. Da bin ich natürlich neugierig geworden, wie viele Bücher noch zu erwarten sind. Gefunden habe ich die Fortsetzung „Kinderklinik Weißensee – Jahre der Hoffnung", die im September 2021 erscheinen soll.

Es beginnt mit dem Jahr 1898 in Lübars bei Berlin. In einer ärmlichen, windschiefen Kate bemüht sich die todkranke Mutter ihrer größeren Tochter einen schönen Geburtstag zu bereiten. Marlene wird 6 und Emma ist 4 Jahre alt. Doch die Mutter verstirbt vor den Augen ihrer Töchter. Die beiden Mädchen kommen ins Waisenhaus. Dann erfolgt ein großer Zeitsprung ins Jahr 1911. In Berlin - Weißensee wird die erste Kinderklinik Deutschlands eröffnet und die Lindow-Schwestern haben das große Glück dort ihre Ausbildung zur Kinderkrankenschwester anzufangen.

Mit historischem Hintergrund – es regiert Kaiser Wilhelm in Preußen - wird die Lebensgeschichte von Marlene und Emma Lindow sehr emotional erzählt. Ich erhielt Einblicke in die Anfänge der Kinderheilkunde und in die Erkenntnisse der damaligen Zeit, bspw., dass Kinder keine kleinen Erwachsenen sind. Mit viel Herz und sehr liebevoll werden die kleinen Patienten betreut.
Anschaulich und in einfachem Sprachstil berichtet die Autorin Antonia Blum nicht nur über die Klinik und der ihr angeschlossenen Milchkuranstalt, sondern auch über die massiven Schwierigkeiten, denen die Waisenschwestern in ihrer Ausbildung ständig ausgesetzt sind. Sie werden wegen ihrer familiären Herkunft ausgegrenzt, müssen sich mehr beweisen als die jungen Damen aus vornehmen Hause. Ihre Außenseiterrolle kommt hervorragend zum Ausdruck. Vor allem Marlene schlägt offener Haß und unverhohlener Standesdünkel entgegen. Heute nennt man das Mobbing.

Nicht so gut gefiel mir, dass die Handlung so durchschaubar war. Das private Geschehen um Emma und Marlene wurde mir stellenweise zu sentimental. Als Gegenpol dazu fand ich die gefühlvollen, innigen Szenen an den Betten der kranken Kinder sehr schön. Die Figur des kleinen Fritz Schmittke (auf dem Cover wunderbar dargestellt - Der kleine Junge mit den Hosenträgern) und die des Pförtners mit der typischen „Berliner Schnauze" und mit seinem Wellensittich Jacki werden mir in wundervoller Erinnerung bleiben.

Insgesamt gesehen ist der erste Band ein gut gelungenes Buch. Ich empfehle es und freue mich auf die Fortsetzung.