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SBS

Bewertungen

Insgesamt 362 Bewertungen
Bewertung vom 19.01.2022
Der fürsorgliche Mr Cave
Haig, Matt

Der fürsorgliche Mr Cave


weniger gut

Terence Cave ist vom Schicksal hart getroffen. Der Antiquitätenhändler liebte vier Menschen in seinem Leben und drei davon sind bereits tot. Zuletzt starb sein Sohn bei einer Art Mutprobe direkt vor seinen Augen. Nun ist nur noch seine Tochter, sein Herzblatt übrig. Herzblatt will er um jeden Preis beschützen - und nicht nur er zahlt einen hohen Preis dafür.

Der Autor ist mir zwar schon länger ein Begriff, aber es war für mich erst das zweite Buch von ihm und da das erste eine lose Sammlung von Gedanken und Kurzgeschichten war, hatte ich nicht so richtig eine Idee, was mich hier erwarten würde. Schnell bemerkte ich, dass hier ein Vater einen langen Brief an seine Tochter schreibt – ein ganz gutes Vorgehen und die gewählte Form erschien mit auch ansprechend, doch schnell hat sich das Blatt gewendet.

Ich fand das Buch nicht durchgängig schlecht, aber doch an viel zu vielen Stellen sehr langatmig und zu ausschweifend. Leider war es dazu auch noch ziemlich vorhersehbar und das Ende gar nicht überraschend. Wendungen? Fehlanzeige. Es wird nur eine Eskalationsstufe nach der nächsten gezündet. Gut gelungen ist entsprechend die Darstellung der Spirale oder des Teufelskreises des Caveschen Wahns. Die Trauer ist so groß und daraus resultierten dann zunächst eine besondere Aufmerksamkeit und der Wille die Tochter zu beschützen. An sich spricht dagegen auch nichts und die Sorge sieht man dem Mann zu Beginn auch noch etwas nach, doch dann steigert sich sein Wahn immer und immer mehr. Natürlich hat er für alles eine „gute“ Ausrede und Begründung. Er ist also gar nicht wahnsinnig, sondern einfach nur sehr fürsorglich – meint er! Seine Regeln und Taktiken sind extrem und nicht ganz zu Unrecht vergleicht seine Tochter ihn mit Nazis und Despoten. Vielleicht fand ich das auch so beklemmend an der Geschichte? In jedem Fall musste ich mich immer wieder regelrecht zwingen weiterzulesen. Teilweise lag es aber auch an der befürchteten Langeweile – die dann in den meisten Fällen auch genauso kam. Ich war wirklich froh, als das Buch beendet war und ich denke, dass ich daraus so gar nichts mitnehmen werde. Menschliche Abgründe und die Ursachen kann man deutlich spannender präsentieren finde ich. Der Schreibstil war flüssig und wer gut zu lesen gewesen, hätte die Geschichte mich mehr angesprochen. Eine Empfehlung kann ich nicht aussprechen, aber ich werde dem Autor vermutlich noch einmal eine Chance geben, denn wie gesagt, war ja nicht alles schlecht.

Bewertung vom 29.12.2021
Die Früchte, die man erntet / Sebastian Bergman Bd.7
Hjorth, Michael;Rosenfeldt, Hans

Die Früchte, die man erntet / Sebastian Bergman Bd.7


sehr gut

Ein Heckenschütze verbreitet in einer schwedischen Kleinstadt Angst und Schrecken. Innerhalb einer Woche werden drei Menschen getötet und es ist kein richtiges Motiv erkennbar. Tötet der Täter wahllos oder gibt es eine Art System? Wie kann die Reichsmordkommission um Leiterin Vanja Lithner den Täter stoppen? Ihr Vater Sebastian arbeitet wieder als Psychologe und Vanja bittet um etwas Unterstützung – aber bitte ohne sich in die Ermittlungen einzumischen.
Wer hinter den Anschlägen steckt und warum, davon bekommt der Leser schnell eine Ahnung und bald auch eine Gewissheit und dennoch bleibt es spannend. Denn die Reichsmordkommission tappt im Dunkel. Und das sehr lange… für meinen Geschmack fast ein bisschen zu lange. Doch irgendwann platzt der Knoten und ich dachte: Hm, wie soll das gehen? Es ist doch noch einiges an Buch übrig, aber hier kommt eine Geschichte auf, die es nicht minder in sich hat. Ein Buch, zwei spannende Fälle und entsprechende Showdowns, das klappt sicher nicht in jedem Buch, hier jedoch hat es mich auf ganzer Linie überzeugt. Ich kann gar nicht sagen, ob mich die Heckenschützengeschichte oder Billy mehr unterhalten haben. Es waren völlig verschiedene Fälle und Herangehensweisen, beide gleichermaßen spannend und mit nur jeweils ein paar kleineren Längen, die nicht so ins Gewicht fallen.
Gefallen haben mir besonders die facettenreichen Charaktere, wobei ich mir zumindest bei einem doch deutlich weniger Facetten gewünscht hätte – Billy - aber das ging den Protagonisten im Buch sicher ganz genauso. Das Privatleben der Protagonisten spielt eine große Rolle, aber genau in dem Maß, wie es für ich gut gepasst hat. Und auch hier – wie beim Fall, oder vielmehr den Fällen – gibt es die eine oder andere überraschende Wendung und Andeutungen, die so manches versprechen. Die bereits in diesem Band ausgeführten Aspekte haben mich auch überzeugt, die anderen haben Appetit auf den Nachfolgeband gemacht. Dies und der Schreibstil haben mich regelrecht gezwungen zu lesen. Irgendwie war es mir kaum möglich das Buch aus den Händen zu legen und das, obwohl man das eine oder andere schon irgendwie vorausahnen kann.
Es ist bereits der siebte Teil der Reihe und ich hatte nur ein, zwei der Vorgänger gelesen und daher ein wenig Sorge, dass ich einfach nicht so mitkommen könnte – es war nicht der Fall. Selbst als absoluter Neueinsteiger wird man alles verstehen, vielleicht nicht so sehr, wie Kenner der Reihe, aber dennoch gut genug, um einfach nur sehr gut unterhalten zu sein. Dennoch ist es natürlich besser sich an die Reihenfolge zu halten, zumal mit diesem Band logischerweise zu den Vorgängern gespoilert wird.

Bewertung vom 28.12.2021
Die Enkelin
Schlink, Bernhard

Die Enkelin


sehr gut

Kaspar kommt nach Hause und glaubt, dass Birgit wieder dem Alkohol zu sehr zugesprochen hat. Doch es kommt viel schlimmer, seine Frau ist tot. Wer war Birgit wirklich? Warum hatte sie die Flucht in den Alkohol gesucht? Kaspar erkennt erst nach und nach das seine Frau einige Geheimnisse hatte und er sie gar nicht so richtig kannte. Ihr unvollendetes Buch gibt einigen Aufschluss und Kaspar versucht das Werk seiner Frau zu vollenden. Er startet eine Suche, die ihn in eine Welt führt, die ihm fremd ist, ihm aber auch eine (Stief-)Enkelin schenkt.

Die Geschichte hat mehrere Teile. Zum einen Birgits Tod und Kaspars Trauer, dann erfährt man durch Birgits Manuskript von ihrer Vergangenheit und weitere Teile werden eingebunden, zu denen äußere ich mich aus Spoilergründen nicht detaillierter. Kaspar und Birgit lernten sich in der DDR kennen und lieben. Kaspar wollte die Welt kennenlernen und fand seine große Liebe. Doch Birgit hat ein Geheimnis, sie ist schwanger. Von Kaspar unbemerkt bekommt sie ein Kind, dass sie ihrer Freundin Paula übergibt und dann in den Westen flüchtet. Birgit hatte mit dieser Entscheidung und dem Verschweigen vor Kaspar einige Schwierigkeiten und diese haben sie stark beeinflusst. Nun hatte sie geplant die Suche nach ihrer Tochter zu starten, aber sie kann es nicht. Nach ihrem Tod ist Kaspar auf der Suche, findet und erkennt, dass er etwas tun muss. Denn rechtes / völkisches Gedankengut kann und will er nicht gutheißen, Wie kann man da gegensteuern? Wir öffnet man Augen jener, die in ihrer Parallelwelt leben?

Gewisse Startschwierigkeiten hatte ich mit diesem Buch, denn Kaspar war mir irgendwie nicht richtig greifbar und auch seine Frau war mir ein wenig suspekt. Das Problem gab sich jedoch schnell und gerade die Aufzeichnungen von Birgit haben ein tiefes Verständnis bei mir bewirkt. Und vor allem mein Mitgefühl für Kaspar geweckt. Und meine Bewunderung, dass er – allen Widerständen zum Trotz – Birgits Suche startet. Sein Durchhaltevermögen ist beeindruckend und ich finde es spannend, wie sich diese deutsch-deutsche Geschichte entwickelt. Nicht alles, nicht jeder Charakter, wirkte auf mich bis ins Detail glaubwürdig, doch mein Interesse war kontinuierlich hoch und es regt zum Nachdenken an. Wie stark beeinflussen uns unsere Eltern? Ist gut gemeint, auch gut gemacht? Wird er seiner Enkelin einen anderen, weltoffenen Weg zeigen können? Richtige Auswege und den Königsweg bietet der Roman nicht, aber er regt unheimlich zum Nachdenken an und das fand ich auch gut, denn einfach Lösungen gibt es hierfür nicht.

Hauptsächlich berichtet Kaspar aus seiner Sicht und chronologisch, aber es gibt auch einige Rückblicke in die deutsch-deutsche Geschichte. Haupthandlungsorte sind Berlin und Sachsen, was ich als passend empfand, anderes fand ich weniger authentisch, wenig realistisch und zu überzogen. Aber das fällt unter dem Strich nicht zu sehr ins Gewicht, denn in Summe ist der Roman unterhaltsam und interessant.

Bewertung vom 25.12.2021
Was bleibt, wenn wir sterben
Brown, Louise

Was bleibt, wenn wir sterben


sehr gut

Der Tod, das Sterben, die Trauer – all das sind Teile es Lebens und noch wird viel zu selten darüber gesprochen. Das war auch bei der Autorin der Fall, bis sie binnen dreier Monate, erst die Mutter, dann den Vater verlor. Mit ihrer Trauer kam sie weniger gut zurecht, aber sie beschloss einen offensiven Weg. Die Journalistin wurde zur Trauerrednerin und setzt sich ganz bewusst mit dem Thema auseinander. Nun lässt sie ihre Leser an Persönlichem, Geschichten Verstorbener und den Umgang mit der Trauer teilhaben.
Mir gefiel, dass das Buch von seiner Grundlage her positiv ist – trotz des schwierigen Themas. Es kommt auch kein mahnender Zeigefinger, der gemäß Ratgeber sagt, wann welche Trauerphase ist, wie man zu trauern hat und dergleichen. Im Gegenteil, die Autorin wendet sich dem Thema sehr sensibel zu – deutlich sensibler, als es ihre Mitmenschen teilweise nach ihrem schweren Verlust waren. Es gibt entsprechend auch keine harte Abfolge der Themen, vielmehr gleiten die kurzen Kapitel ineinander über – den roten Faden jedoch nie verlierend.

Fand ich viel Neues in dem Buch? Bis auf die Death Cafes, deren Existenz mir bis zum Lesen unbekannt war – eigentlich gar nichts Neues und trotzdem hat mir das Buch in kleinen Häppchen gelesen, gut gefallen und neue Perspektiven aufgezeigt. Mir gefiel auch ausgesprochen gut, wie offen die Autorin war bezüglich ihrer eigenen Trauer. Wie die Arbeit einer Trauerredner abläuft, wusste ich bereits, sonst wären das bestimmt Einblicke gewesen, die hier vielleicht lobend Anerkennung gefunden hätten. Nicht neu, aber dennoch gut, dass die Autorin sich dafür einsetzt, dass sich Menschen schon im Vorfeld Gedanken machen, wie sie gerne bestattet würden, welche Musik sie sich wünschen würden und dergleichen. Das sind Dinge, die es den Angehörigen leichter machen in einer Phase, die so schon schwierig genug ist. Und allgemein finde ich es sehr gut, dass sie den Tod und die Trauer mit dem Buch aus der einer Tabuzone zu holen versucht.

Mich hat das Buch zum Nachdenken angeregt und bestärkt in einiges Dingen – zum Beispiel sich dafür stark zu machen, dass Trauernde das tun dürfen, wie sie es wollen und brauchen und nicht, wie es die Gesellschaft so erwartet. Zudem spendet das Buch aus Hoffnung und Trost, wenn man sich entsprechend von der Autorin eine Weile durch das Buch tragen lässt.

Ich empfehle das Buch gerne weiter und vergebe 4 Sterne.

Bewertung vom 22.12.2021
Abgetrennt / Paul Herzfeld Bd.3
Tsokos, Michael

Abgetrennt / Paul Herzfeld Bd.3


gut

Herzfeld ist zurück am Institut und stürzt sich direkt wieder in die Arbeit und genug zu tun gibt es wie immer. Da tauchen Extremitäten auf, eine Explosion in einem Eros-Center und einiges mehr fordern den Rechtsmediziner.

Vorweg: An sich hat mir das Buch schon gefallen, aber vieles war vorhersehbar und vor allem hat mich ein bisschen geärgert, dass das Buch netto deutlich weniger Seiten hat, als es den Anschein hat. Die lange Leseprobe zu „Abgefackelt“, also Band zwei der Trilogie fand ich recht witzlos. Nicht nur, dass man wohl kaum eine Trilogie mit Band drei beginnt, man hätte sich durch „Abgetrennt“ auch selbst unheimlich gespoilert. Das kann Tsokos definitiv besser, aber ganz abwerten kann und will ich das Buch nicht. Gelesen habe ich es – trotz Vorhersehbarkeit und manchem, was arg konstruiert wirkte– ganz gerne und auch ruckzuck, weil die kurzen Kapitel einen regelrecht durch das Buch peitschen und die Geschichte an sich schon Potenzial birgt. Der Schreibstil ist gewohnt flüssig, auch der Showdown ist weitgehend gelungen und ich fand die verschiedenen Handlungsorte super, weil sie die Mehrheit im Urlaub mit eigenen Augen sah, aber unter dem Strich war es nur eine mittelmäßige Leistung und vielleicht ist es ganz gut, dass diese Reihe hier endet. Herzfeld ist ein gelungener Charakter, aber er bleibt dem Tsokos-Fan ja erhalten.
Die pathologischen Inhalte haben mir sehr zugesagt und ich fand das auch wieder ziemlich gut präsentiert.

Die beiden Vorgänger waren deutlich stärker, hatten das gewisse Etwas und haben mich besser unterhalten, dennoch lohnt sich der Abschluss – wenn man die Vorgänger bereits gelesen hat.

Bewertung vom 18.12.2021
Die falsche Zeugin
Slaughter, Karin

Die falsche Zeugin


ausgezeichnet

Leigh ist Anwältin und wird von einem Mandaten angefordert, der ihr irgendwie bekannt vorkommt. Er wird beschuldigt zahlreiche Frauen vergewaltigt und schwer verletzt zu haben. Dann erkennt Leigh wen sie da vor sich hat und sie beschleicht ein ungutes Gefühl. Doch es wird noch viel schlimmer kommen…

Schon der Beginn in 1987 hat es in sich und gibt Slaughter-Neulingen einen guten Einblick in das, was sie noch erwartet. Da ich Slaughter-Fan bin, habe ich erst gar nicht nach dem Klappentext geschaut, sondern einfach das Buch besorgt. Klar, sie überzeugt mich nicht immer, aber wirklich enttäuscht hat sie mich noch nie - hier auch nicht, soviel sei schon verraten.

Leigh ist, genauso wie ihre Schwester Calllie, an sich ein sehr sympathischer Mensch, aber die Umstände haben beide stark verändert. Jede geht mit den erlittenen Traumata anders um, nur wirklich aufgearbeitet haben es beide nicht und das führt bei der einen zu einer sehr harten Schale und Schuldgefühlen, bei der anderen mündet all das in selbstzerstörerischem Verhalten und starkem Drogenkonsum. Die beiden verlieren einander immer wieder aus den Augen, dabei sind sie nicht nur durch ihre Kindheit in einem gewalttätigen Elternhaus, sondern auch durch ein dramatisches Ereignis, von dem niemand ahnt, auf immer miteinander verbunden. Genau dieses Geheimnis bedroht nun ihre Leben und das Leben ihrer Lieben. Es scheint keinen Ausweg zu geben, ihr Gegenspieler hat sie in der Hand… Dieser Gegenspieler und auch weitere Charaktere sind facettenreich ausgearbeitet.

Zwischendurch hatte ich auch mal eine Lesepause eingelegt, nicht, weil mich das Buch nicht gefesselt hätte, sondern einfach, weil ich nicht mehr in diese Welt aus Kindesmissbrauch, Gewaltexzessen und Drogenkonsum eintauchen wollte. Gewöhnlich bin ich nicht so ein Sensibelchen, aber hier ist es echt heftig, wirkt super authentisch und ich denke, dass man sich eine Pause auch gönnen darf. Inhaltlich bleibt sowieso das Wichtigste dank der eindrücklichen, bildhaften Sprache sehr präsent – ob man das nun will oder nicht. Aber das ist nun einmal typisch Slaughter. Sie geht über Grenzen und das schätze ich auch so an ihren Büchern. Hier ist nichts weichgespült, sondern schonungslos, brutal. Mir erscheint es auch authentisch, soweit man das als „braver“ Leser, der sich in solchen Kreisen nie bewegt hat, beurteilen kann. Gelungen ist auch der schwarze Humor, der immer und immer wieder durchkommt und mich auch manches Mal – wenn auch mit ein wenig Wiederwillen - ein bisschen schmunzeln ließ.
Als ich das Buch dann weiterlas, hat es mich gut unterhalten und ich fand es einfach nur spannend. Vieles ist nicht ganz so, wie es zunächst den Anschein gemacht hatte, einiges ist echt überraschend und vor allem hat die Autorin wieder auch einiges an Raffinesse an den Tag gelegt – ich möchte da nicht ins Detail gehen, um nicht zu viel zu verraten.
Was ich jedoch direkt verrate: Das Buch spielt hauptsächlich 2021 und mal da, mal dort bemerkt man auch die Coronapandemie. Es ist nicht zu exzessiv eingebaut, aber manche wollen davon ja möglichst wenig wissen oder zumindest beim Lesen das Thema abschalten, daher diese Info.

Insgesamt hat mich dieses Buch mindestens so sehr gefesselt wie es mich abgestoßen hat. Genau das habe ich erwartet und daher kann ich nicht anders, als das Buch zu empfehlen und mit 4,5 Sternen zu bewerten.

Bewertung vom 16.12.2021
Wo kommen wir denn da hin / Offline-Opa Bd.1
Habicht, Günter

Wo kommen wir denn da hin / Offline-Opa Bd.1


gut

Günter Habicht ist pensioniert und hat nun extrem viel Freizeit. Die nutzt er, um seine Frau und die gesamte Nachbarschaft an den Rand des Wahnsinns zu treiben. Er kontrolliert und notiert einfach alles, was seiner Meinung nach nicht ganz ordentlich läuft….und das ist so einiges.

Plötzlich Rentner und Günter weiß nichts mit sich anzufangen. Genau hier setzt die Geschichte an. Da gibt es die Elterntaxis, denen der Unterschied zwischen „Halten“ und „Parken“ nicht klar ist – eine willkommene Abwechslung zu Brigittes Plan ihre Ehe mittels Beziehungsratgeber etwas Frische zu verleihen. Die Tücken des Rentnerlebens und des Empty-Nest sind an sich gut dargestellt und treffen genau den Kern des Problems, aber Günter ist eben keine Renate und ich hatte zwar einige Lacher beim Lesen, aber in Summe war es einfach nicht so, wie erhofft. Ich werde von Günter- falls nochmal was kommen sollte – nichts mehr lesen, während Renate immer und immer wieder eine Chance bekommt.

Sprachlich hat mich auch das eine oder andere immer wieder mal etwas gestört, z.B. „Ich sag Sie mal was…“. Vielleicht haben mich die Probleme aus der männlichen Sicht auch einfach nicht überzeugt, ich weiß nicht so recht. In jedem Fall ist es ein bisschen weniger amüsant, wie erhofft. Er ist Klischee durch und durch (genau wie erwartet bei dieser Art Buch), aber irgendwie zündete das nicht immer bei mir.

Unter dem Strich war es für zwischendurch einmal ganz nett, aber Renate hat Kultstatus und den sehe ich bei Günter nicht.

Bewertung vom 10.12.2021
Berauscht vom Leben
Libaire, Jardine;Ward, Amanda Eyre

Berauscht vom Leben


weniger gut

Ein Leben ohne Alkohol – aus meiner ganz individuellen Sicht nichts Besonderes, denn bis auf wenige Ausnahmen trinke ich einfach nichts, das Verlangen fehlt einfach. Dass es für andere schwierig ist ohne diese Droge, die mitten in der Gesellschaft etabliert ist, auszukommen ist aber ebenso klar. Was ich genau von dem Buch erwartet hatte, kann ich nicht einmal sagen, aber da es nun einmal vor mir lag, habe ich es einfach einmal angefangen. Die Idee, dass zwei abstinente Autorinnen erzählen, wie und warum sie dem Alkohol den Rücken gekehrt haben und wie sie sich in ihrem „neuen“ Leben zurechtfinden – die Idee hatte was für sich.
Zu Beginn war ich von den extrem kurzen Kapiteln überrascht und habe mal da, mal dort eines gelesen – ganz wie mir der Sinn danach stand. Schnell habe ich jedoch gemerkt, dass der rote Faden fehlt. Es sind einfach scheinbar wahllos zusammengestellte Anekdoten und Gedankenschnipsel. Vieles sehr amerikanisch (das kann man den Autorinnen natürlich nicht ankreiden), mehr noch scheint banal, einiges wiederholt sich in leicht abgewandelter Form und ein Großteil war einfach nur wenig aussagekräftig. Dazwischen gab es immer wieder aber auch Perlen, die das Thema sehr gelungen unter die Lupe legte, Verständnis für die Schwierigkeiten Dritter schufen etc. Leider werde ich manche dieser Perlen vielleicht auch nicht entdeckt haben, denn irgendwann fand ich das Buch einfach nur fad und habe mich durch die Kapitelchen durchgearbeitet, um es überhaupt noch zu beenden.
Konkrete Tipps und Tricks bekommt man kaum welche, oder ich habe sie als solche nicht erkannt. Einem Alkoholiker wird das Buch wahrscheinlich kaum bis gar nicht helfen.
Die Haltung – dass ein Leben ohne Alkohol sehr glücklich und zufrieden sein kann, oft mehr noch als eines mit Alkohol -, Idee und einige Geschichten fand ich gut – nur leider bin ich keine Perlentaucherin und mag es zumindest ein bisschen an einem roten Faden entlanggeführt zu werden.

Bewertung vom 29.11.2021
Das Leben, ein großer Rausch / Die Polizeiärztin Bd.2
Sommerfeld, Helene

Das Leben, ein großer Rausch / Die Polizeiärztin Bd.2


sehr gut

Berlin 1922-1923. Polizeiärztin Magda Fuchs muss sich um Doris Kaufmann kümmern, die Silvester mit einem Messer angegriffen wurde. Genau an diesem Punkt endete der erste Band. Wie ergeht es Doris? Was steckt hinter dem Angriff? Wie entwickeln sich die Frauen in den Goldenen Zwanzigern in Berlin weiter? Hier bekommt man Frauenschicksale aus den verschiedenen Blickwinkeln und zudem noch einen gesellschaftskritischen Einblick in eine Zeit, die alles andere als golden war.
Magda ist Polizeiärztin und eröffnet ihre eigene Praxis. Sie übernimmt die Praxis in ihrer Pension und als Hilfe dient ihre Pensionswirtin, eine Frau, die Haare auf den Zähnen hat. Sie ist auch die Mutter von Celia, die ihr Medizinstudium vorantreibt und auf eigenen Beinen stehen möchte – trotz ihrer Verbindung zu Edgar, dem Spross eines extrem reichen Unternehmers. Das ist auch gar nicht so einfach. Schwer hat es auch Doris, die versucht ein „Glanz“ zu werden. Und dann geht in der Gegend auch noch der Schlitzer um. Er greift Frauen, vor allem Prostituierte an und verletzt oder tötet sie gar mit einem Stich in den Bauch. Ich fand, dass der Fall über das gesamte Buch schon recht selten vorkam, mir ein bisschen zu selten. Das fand ich wirklich schade, denn da hätte man sicher noch ein bisschen mehr daraus machen können. An sich war der Fall aber gut und stimmig, der Hintergrund klasse und ich tappe auch lange im Dunkeln bzw. war auf einer ganz anderen Schiene unterwegs. Falsche Fährten zu legen ist das Ding der beiden Autoren. Mindestens genauso gut haben sie die gesellschaftlichen Hintergründe auch rund um Inflation, Armut und Elend in Berlin dargestellt. Perfekt ist die Situation der Frauen dargestellt und die Schicksale sind gut miteinander verwoben. Das bietet neben dem Fall schon einiges an spannenden Momenten, die mich nur so durch das Buch fliegen ließen. Die Kulisse und die Atmosphäre waren sehr gut dargestellt, es gab zahlreiche interessante Fakten, die in die Fiktion eingebunden wurden und die Charaktere sind einfach super gezeichnet. Vielschichtig waren sie schon in Teil eins, aber sie entwickeln sich auch gut weiter. Der Schreibstil ist flüssig und gut zu lesen.
Wie erwähnt, hatte mir der erste Band schon sehr gut gefallen und dieser schließt nahtlos an den vorherigen an. Man kann theoretisch auch mit diesem Band starten, empfehlenswert ist es allerdings nicht, denn es wird schon auf einiges aus dem ersten Band angespielt und manches baut auch darauf auf. Unter dem Strich kann ich das Buch sehr gut weiterempfehlen und ich freue mich schon auf das nächste Abenteuer mit Magda, Celia und Co.

Bewertung vom 19.11.2021
In ewiger Freundschaft / Oliver von Bodenstein Bd.10
Neuhaus, Nele

In ewiger Freundschaft / Oliver von Bodenstein Bd.10


ausgezeichnet

Eine Frau ist verschwunden, ihr Vater im oberen Stockwerk angekettet und alle Vorzeichen stehen auf Kapitalverbrechen. Pia und Bodenstein samt Team nehmen die Ermittlungen auf. Schnell zeigt sich, dass sich das Opfer zahlreiche Feinde gemacht hat. Für Bücherwürmer besonders interessant: Die Ermittlungen führen mitten in einen Verlag, die Bücher- und Autorenwelt. Da geht es im Buch alles andere als beschaulich zu…

Ich habe mich sehr auf den neuen, bereits zehnten Band der Reihe gefreut und meine Hoffnungen bezüglich des „Wiedersehens“ mit Pia und Bodenstein sowie spannende Lesestunden, haben sich voll erfüllt. Dabei startet das Buch recht beschaulich, doch dann steigert sich die Spannung kontinuierlich und es kommt immer noch schlimmer. Das Buch hatte alles, was ich von einem neuen Neuhaus erwartet habe. Einen spannenden Fall, ein gelungenes Setting und die Portion Privatleben, die mich hier wirklich interessiert. Der Schreibstil ist gewohnt flüssig, mitreißend und gut zu lesen und das Lokalkolorit ist hier in einem sehr guten Maß da. Die Spannung ist fast durchgängig da und auch die „Verschnaufpausen“ zwischendurch, die sich dem Privatleben der Ermittler widmen sind unterhaltsam und selbst da gibt es richtig brisante Elemente…

Wer die Vorgänger kennt, kommt mit den ganzen Personen sehr gut zurecht, alle anderen müssen vielleicht mal da, mal dort einen Blick ins Personenregister werfen. Die Charaktere sind gut gezeichnet und man kann sich nicht nur in die Ermittler gut hineinversetzen. Bei einigen Charakteren fragt man sich immer wieder welches Spiel sie wirklich spielen. Und manche haben mich ganz schön an der Nase herumgeführt. Die Autorin versteht es sehr gut falsche Fährten zu legen und hat mich sehr überrascht, mit dem Verlauf, aber auch mit dem Ende des Buches. So hatte ich das nun wirklich sehr, sehr lange nicht kommen sehen und dennoch war es an sich schlüssig und logisch. Auf die Idee muss man erst einmal kommen.

Wer Fan ist, wird dieses Buch trotz seiner Stärke wieder sehr schnell gelesen haben. Auch anderen kann ich dieses Buch empfehlen. Folgerichtig gibt es nach diesem Loblied, dass sich die Autorin aus meiner Sicht einfach verdient hat, volle fünf Sterne für diesen Taunus-Pageturner.