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Dajobama

Bewertungen

Insgesamt 130 Bewertungen
Bewertung vom 03.12.2021
606
Fox, Candice

606


gut

606 – Candice Fox
606 Häftlinge brechen aus einem Hochsicherheitsgefängnis in der Wüste Nevadas aus. Schade nur, dass diese Zahl dann im Prinzip keinerlei Bedeutung mehr hat. Es sind nämlich nur sehr wenige Ausbrecher, deren Geschichte näher beleuchtet wird und die dieser Roman ein Stück weit begleitet.
John Kradle ist einer dieser Entflohenen. Er sieht in dem Massenausbruch die große Chance, endlich seine Unschuld zu beweisen. Für diesen Mord an seiner Familie, den jemand anders begangen haben muss. Doch seine ehemalige Aufseherin ist ihm dicht auf den Fersen und wird ihm seine Mission nicht leicht machen.
Der Plot klingt ungewöhnlich und spannend. Ich hätte mir noch etwas mehr Überlebenskampf in der Wüste von Nevada gewünscht. Stattdessen verlagert sich das Geschehen recht schnell in die größeren Städte und wird extrem actionlastig. Spannend sind einige Szenen durchaus, leider fehlte mir jedoch eine emotionale Bindung zu den Figuren, die es ermöglicht hätte, wirklich mitzufiebern. So blieb die Handlung über weite Teile für mich zu distanziert und die Figuren mehr oder weniger blutleer. Schade, denn gerade John Kradle hätte sehr wohl Potential gehabt.
Unzählige Zufälle, Figuren, die Halsschüsse mal eben so wegstecken – naja vielleicht bin ich einfach nicht so der Action-Leser. Für mich war es davon zu viel und an Gefühlen zu wenig. So konnte mich das Buch leider nicht durchgehend fesseln.
Ich würde also sagen, ganz ok, aber auch gut, dass es zu Ende ist. 3 Sterne.

Bewertung vom 27.11.2021
Das Glück findet dich / Firefly Creek Bd.2
Kaliner, Lilian

Das Glück findet dich / Firefly Creek Bd.2


ausgezeichnet

Das Glück findet dich – Firefly Creek (2) – Lilian Kaliner
Dies ist der zweite Band um die fünf Bennett-Brüder, die eine Rinderfarm in Australien betreiben. Nachdem mir der erste Band um Liz und Ethan bereits ganz hervorragend gefallen hat, war die Fortsetzung natürlich ein Muss. Grundsätzlich kann man die einzelnen Bücher auch unabhängig voneinander lesen, trotzdem macht es einen besonderen Reiz aus, wenn man die Figuren und deren Vorgeschichten zum großen Teil bereits kennt. So fühlt es sich an, nach Hause zu kommen zu einer Familie, die herzlicher kaum sein könnte.
Hier geht es nun um den ruhigen der Brüder – Jim, der untypischerweise plötzlich zu Gefühlsausbrüchen neigt, wenn es um die neue Landtierärztin Kat geht. Diese muss ihr Können erst beweisen, denn einige Farmer stehen der jungen Frau skeptisch gegenüber. In den Bennetts findet sie schnell Freunde, die ihr das Ankommen in der neuen Stadt Firefly Creek erleichtern. Zu Jim fühlt sie sich ganz besonders hingezogen. Doch Probleme aus Kats Vergangenheit drohen sie einzuholen und sämtliche Erfolge zunichtezumachen…
Kat ist wunderbar. Sie ist frech und unkonventionell. Quirlig und furchtlos geht sie alle Probleme an und bringt ihre Mitmenschen damit gehörig aus dem Konzept. Dabei hat sie ein Händchen für Mensch und Tier. Nur mit Jim will es nicht so einfach klappen…
Die Bennett-Brüder sind ein chaotischer Haufen, die füreinander und für andere einstehen und die herzlicher nicht sein könnten. Auch wenn der ein oder andere eine rauere Schale hat, sind sie immer füreinander da. Die fünf sind wirklich herzzerreißend, auch wenn der Ton mal härter wird. Aber am Ende findet sich immer eine Lösung. Es ist eine Freude die Brüder und ihre Liebesgeschichten zu begleiten.
Der Schreibstil ist fesselnd und einfach wunderbar. Die Seiten fliegen nur so dahin und am Ende ist man traurig, die Familie schon wieder verlassen zu müssen. Auf jeden Fall freue ich mich bereits auf den dritten Band dieser tollen Liebesgeschichten-Reihe. 5 Sterne und eine große Leseempfehlung für Liebesgeschichten-Leserinnen!

Bewertung vom 20.11.2021
Oh William!
Strout, Elizabeth

Oh William!


sehr gut

Oh William! – Elizabeth Strout
Dies war mein erster Roman von Elizabeth Strout und – ja, der Schreibstil ist auf jeden Fall sehr eingängig und angenehm lesbar.
Lucy Burton blickt auf ein langes Leben zurück. Davon und insbesondere von ihrer Ehe mit ihrem ersten Mann William und den gemeinsamen Töchtern erzählt sie hier. Obwohl sie und William seit Jahrzehnten geschieden sind, verbindet die beiden eine intensive Freundschaft. Ein Leben lang haben die beiden sich gegenseitig begleitet. Als William nun Hilfe benötigt, ist es natürlich Lucy, die er darum bittet.
Es sind keine großen Geschehnisse, von denen hier erzählt wird. Vielmehr sind es die alltäglichen Sorgen und Schicksalsschläge um die es hier geht. All die kleinen Versäumnisse und Verletzungen, die man sich in einer Ehe gegenseitig zufügt. Sowohl Lucy als auch William haben Narben aus der Kindheit davongetragen, die wiederum ihre spätere Beziehung beeinflussten. Doch wie so oft sieht man die Verbindungen und Hintergründe erst später – zu spät.
Die Sprache ist sehr eindringlich, als würde Lucy vor einem sitzen und ihre Geschichte erzählen. So nah. Es herrscht eine melancholische Grundstimmung und es ist berührend, wie nahe sich Lucy und William stehen. Die beiden gehen sehr liebevoll miteinander um. Das ist schön zu lesen, aber auch traurig, denn die Geschichte steckt voller verpasster Gelegenheiten.
Elizabeth Strout hat eine wunderbar warmherzige Art und Weise, ihre Figuren zu zeichnen. Sensibel und verständnisvoll lotet sie Abgründe menschlicher Seelen aus, und was diese für unsere Beziehungen bedeuten.
Eine sehr ruhige Geschichte, quasi die Rückschau auf ein teils gemeinsames, teils getrenntes Leben, die von einer poetischen Sprache und der melancholischen Atmosphäre lebt.
Hat mir sehr gut gefallen! 4 Sterne.

Bewertung vom 09.10.2021
Das verbotene Turnier / Pferdeflüsterer-Mädchen Bd.3
Mayer, Gina

Das verbotene Turnier / Pferdeflüsterer-Mädchen Bd.3


ausgezeichnet

Pferdeflüsterer-Mädchen – Das verbotene Turnier
Das ist der dritte Band der Reihe. Es schadet auf jeden Fall nicht, wenn man zumindest einen der Vorgängerbände kennt, denn sonst sind es gleich recht viele Namen auf einmal, auch wenn das Wesentliche nochmal kurz erklärt wird.
Auch in diesem Band geht es wieder um ein spannendes Pferde-Abenteuer für Mädchen und um wichtige Themen wie Freundschaft und Mut. Es ist eingängig und fesselnd erzählt und macht einfach Spaß zu lesen. Ich als Erwachsene hatte das Buch in einer guten Stunde durchgelesen. Angedacht ist es für die Zielgruppe ab etwa 8 Jahren.
Besonderes Augenmerk wird auf eine gute, artgerechte Behandlung der Tiere gelegt.
Uns hat es wieder hervorragend gefallen. Deshalb 5 Sterne.

Bewertung vom 07.10.2021
Wie schön wir waren
Mbue, Imbolo

Wie schön wir waren


ausgezeichnet

Wie schön wir waren – Imbolo Mbue
Seit Jahrzehnten leiden die Bewohner des kleinen afrikanischen Dorfes unter dem amerikanischen Ölkonzern Pexton, der ihr Land verschmutzt und das Wasser vergiftet. Immer wieder sterben Kinder an dem schädlichen Trinkwasser. Eine junge Frau sieht eine Chance – Bildung. Sie will lernen, wie man sich gegen geldgierige Konzerne wehren kann.
Imbolo Mbue schildert Kosawa, das afrikanische Dorf und dessen Bewohner sehr liebevoll und detailgetreu. Es herrscht großer Zusammenhalt – und eine noch größere Ohnmacht angesichts des Ölkonzerns und der sterbenden Kinder. Der Grund für das jahrzehntelange Dulden und Durchhalten liegt wohl in tief verwurzelten Traditionen und Aberglauben. Die Menschen lieben ihr Dorf und denken gar nicht daran, ihm den Rücken zu kehren um anderswo einen Neuanfang zu wagen. Generationen leiden und sterben an der vergifteten Umwelt, bis endlich einige Dorfbewohner beschließen, sich zu wehren. Doch wie so oft geht es um Geld und Macht, die Kleinen haben keine Lobby.
Die Autorin, selbst aus Kamerun stammend, hat eine sehr besondere Erzählweise. So wird die Geschichte abwechselnd von verschiedenen Dorfbewohnern erzählt. Als Leser lernt man die unterschiedlichsten Sorgen und Nöte kennen und einen wunderbaren Einblick in dieses Dorfleben. Liebevoll und sehr detailreich, teilweise märchenhaft, dann wieder poetisch führt Imbolo Mbue gekonnt durch die Handlung. Es ist ein irgendwie fremdartiger Schreibstil, doch sehr eingängig und fesselnd.
Besonders der tiefe Einblick in Traditionen und Bräuche eines afrikanischen Dorfes hat mich sehr begeistert. Über vieles denken wir im Westen heute anders, trotzdem wurden die Gedanken und Handlungen immer schlüssig erklärt.
Für mich war das ein ganz besonderes Leseerlebnis, das sicherlich lange im Gedächtnis bleiben wird. Deshalb 5 Sterne.

Bewertung vom 17.09.2021
Der Kolibri - Premio Strega 2020
Veronesi, Sandro

Der Kolibri - Premio Strega 2020


gut

Der Kolibri – Sandro Veronesi
Dieser Roman wurde mit dem italienischen Premo Strega 2020 ausgezeichnet. Und wie so oft bei preisgekrönten Werken war es mir irgendwie von allem zu viel.
Im Wesentlichen wird hier das Leben des Augenarztes Marco Carrera erzählt. Dieser ist ein ewiger Verlierer, ein typisches Opfer des Lebens, das sich von Schicksalsschlag zu Schicksalsschlag treiben lässt, ohne sich je davon zu erholen.
Das Raffinierte an der Erzählweise ist die Anordnung der einzelnen Fragmente als großes Puzzle. Willkürlich springt die Handlung zwischen Ereignissen in Marcos Leben vor und zurück – gekennzeichnet einzig durch die Angabe der jeweiligen Jahreszahl in der Kapitelüberschrift. Dieses Vorgehen ist spannend – fügen sich doch die einzelnen Teile nach und nach zu einem Gesamtbild zusammen. Allerdings wird man immer wieder aus dem Lesefluss herausgerissen und muss sich komplett neu orientieren.
Auch der Inhalt der verschiedenen Episoden ist besonders. Vieles erscheint märchenhaft, auf jeden Fall sehr kreativ. An Ideen scheint es Herrn Veronesi auf keinen Fall zu mangeln. An manchen Stellen fühlte ich mich an gewisse südamerikanische Autoren erinnert (wie nannte sich das noch… magischer Realismus?).
Das Nachwort am Ende des Buches bringt hier etwas Licht ins Dunkel. Scheinbar hat Veronesi etliche Ideen (bekannter?) italienischer Autoren aufgegriffen. Bei mir bleibt auch hier wieder eher ein Gefühl der Unzulänglichkeit zurück. Es gibt so einiges, was man nicht wirklich ernst nehmen kann. Zweifellos ist auch das beabsichtigt, nur erschließt sich mir das wahre Wesen dieses Werkes nicht. Es wirkt vieles sehr künstlich, zwanghaft zu einer Geschichte gepresst.
Inhaltlich ist die Psychoanalyse ein großes immer wiederkehrendes Thema. Beispielsweise der eingebildete Faden am Rücken der Tochter…. Allerdings ist Marco ein großer Kritiker ebendieser Psychoanalyse, scheinbar sieht er darin den Quell allen Übels. Hm, ich bin mir nicht sicher, was der Autor uns mit diesem Werk sagen will. So wie ich mir sicher bin, dass ich sehr vieles darin nicht verstanden habe. Die Familiengeschichte ist wohl nur vorgeschoben, aber worum geht es eigentlich? Ist dies eine Abrechnung mit allen möglichen Dingen, beispielsweise eben der Psychoanalyse? Es ist ein Werk, das furchtbar komplex ist. Offenkundig eine Familiengeschichte, die recht leicht zu greifen ist. Allerdings kann ich das was dahinter liegt, nicht fassen.
Dann auch noch eine Liebesgeschichte, die Jahrzehnte andauert und sich im Prinzip auf Briefkontakt beschränkt. Einige Briefe sind abgedruckt – furchtbar überzeichnet, irgendwie unpassend und unbegreiflich, warum diese beiden unglücklichen Figuren es partout nicht geschafft haben sollen, zusammen zu kommen. Auch hier: was will der Autor damit ausdrücken? Ich komm nicht dahinter.
Insgesamt also ein einigermaßen gut lesbarer Roman über eine Familiengeschichte, serviert als Puzzle. Zurück bleibt ein unbefriedigendes Gefühl, soviel nicht verstanden zu haben, nur an der Oberfläche gekratzt zu haben. Sprachlich und inhaltlich total überfrachtet – eine anstrengende Lektüre, für die ich auch recht lange gebraucht habe.
Auch wenn ich der Meinung bin, dass dies schriftstellerisch eine großartige Leistung ist, hat es mir trotzdem nicht wirklich gefallen. 3 Sterne!

Bewertung vom 11.09.2021
Stärker als die Nacht / April & Storm Bd.1
Ashley, Karen

Stärker als die Nacht / April & Storm Bd.1


sehr gut

April and Storm – Stärker als die Nacht
Eine wunderbare Liebesgeschichte um April, die gerade eine schwere Erkrankung überstanden hat und Storm, dessen Gesicht von Narben entstellt ist und der ein schweres Geheimnis mit sich herumschlägt.
April braucht dringend einen Mitbewohner und lässt ausgerechnet den geheimnisvollen Storm bei sich einziehen. Sofort fliegen die Fetzen, allerdings auch die Funken. Beide tragen große Päckchen mit sich herum und tun sich schwer damit, ihren Gefühlen nachzugeben.
Sprachlich fand ich den Roman angemessen, die Story berührend und fesselnd. Bis zur letzten Seite war mir allerdings nicht klar, dass es sich hierbei um den Auftakt einer Trilogie handelt – somit endet dieser Teil mit einem fiesen Cliffhanger….. tja, ein Grund, die Autorin im Auge zu behalten.
Hat mir insgesamt gut gefallen – 4 Sterne

Bewertung vom 11.09.2021
Die Leuchtturmwärter
Stonex, Emma

Die Leuchtturmwärter


sehr gut

Die Leuchtturmwärter – Emma Stonex
Bisher hab ich mich tatsächlich noch nie genauer mit Leuchttürmen oder dem Beruf des Leuchtturmwärters auseinandergesetzt. Emma Stonex hat sich hier vom spurlosen Verschwinden dreier Leuchtturmwärter im Jahr 1900 inspirieren lassen. Sie verlegt die Geschichte ins Jahr 1972 vor die Küste von Lands End und macht einen spannenden, stimmungsvollen Roman daraus.
Vor der Küste Cornwalls verschwinden kurz nach Weihnachten drei Leuchtturmwärter – Arthur, Bill und Vincent. Die schwere Tür des Leuchtturms ins von innen verriegelt, die Uhren sind stehengeblieben – was ist passiert? Ein Handlungsstrang begleitet direkt die Leuchtturmwärter, der zweite spielt zwanzig Jahre später. Die drei Frauen der verschwundenen Männer hadern nach wie vor mit den Geschehnissen, haben kaum in ein normales Leben zurückgefunden.
Emma Stonex taucht tief ein in das Leben der Leuchtturmwärter. Die Einsamkeit, das Enge Zusammenleben dreier Männer, die Sehnsucht nach der Familie. Es ist sehr eindringlich und detailliert beschrieben. Auch die Auswirkungen langer Aufenthalte auf dem Leuchtturm. Es ist ein entbehrungsreiches Leben im Turm, man muss mit Einsamkeit gut zurechtkommen.
Zuhause die Frauen, die auch zwanzig Jahre später nicht abschließen können, mit den Geschehnissen. Die Handlungsstränge greifen ineinander. Die Männer verhalten sich zu Hause komplett anders als auf dem Turm, scheinen geradezu dorthin fliehen zu wollen. Vor unglücklichen Ehen, vor der Vergangenheit.
Im weiteren Verlauf kommen immer mehr kleine oder größere Geheimnisse ans Tageslicht, die immer wieder ganz neue Sichtweisen eröffnen.
Eine ganz große Rolle spielt immer wieder das Meer. Die Beschreibungen sind bildgewaltig und wunderschön. In erster Linie wird es unberechenbar dargestellt, wild, gefährlich. Jeder der Männer hat eine ganz eigene Beziehung zum Meer und seine Gründe, diesen Beruf gewählt zu haben.
Diesen besonderen Roman habe ich sehr gerne gelesen. Eine spannende und atmosphärische Geschichte, die mich gefesselt hat.
4 Sterne

Bewertung vom 11.09.2021
Reise durch ein fremdes Land
Park, David

Reise durch ein fremdes Land


sehr gut

Reise durch ein fremdes Land – David Park
So fremd ist dieses Land gar nicht, das der Protagonist Tom in diesem Roman durchquert. Es ist seine Heimat Großbritannien. Ein Wintereinbruch kurz vor Weihnachten macht die Landschaft fremd für ihn. Er ist unterwegs um seinen Sohn Luke nach Hause zu holen, der krank in seinem Studentenzimmer liegt.
Tatsächlich begleiten wir Tom ausschließlich auf seiner einsamen, stundenlangen Autofahrt durch die Winterlandschaft. Sonst passiert eigentlich nichts. Dieser komplette Roman beschäftigt sich mit Toms Gedanken und Erinnerungen, was doch ziemlich interessant ist, denn da ist noch etwas, das in Tom gärt, von dem man aber lange Zeit nicht genau weiß, was es ist.
Anfangs wirkt es geradezu verbissen, übertrieben, diese Motivation bei Wind und Wetter viele Kilometer zurückzulegen, um diesen Sohn nach Hause zu holen. Nach und nach erfährt man, dass da noch mehr ist. Tom hat etwas gutzumachen, denn da ist noch ein weiterer Sohn und eine große Schuld. Tatsächlich erfährt der Leser erst bei der Hälfte des Buches, was denn eigentlich passiert ist.
Obwohl das Ziel ganz genau feststeht, gleicht diese Fahrt einer Irrfahrt (der Erinnerungen und Gefühle). Als Fotograph hat Tom einen besonderen Blick auf Dinge, auf Menschen. Auch zu den Erinnerungen gibt es jeweils ein Foto. Eines hat er ganz weit in den Tiefen seiner Kamera versteckt. Ihm will er sich nähern auf dieser Fahrt.
Es ist ein sehr leises, nachdenkliches Buch. Obwohl es ganz wunderbar geschrieben ist, mit tollen poetischen Gedanken, hat es doch auch seine Längen. Teilweise wirkt es etwas einschläfernd, dennoch hat es eine besondere, intensive Atmosphäre.
Ich tat mich Anfangs etwas schwer in die Geschichte zu kommen, zu viele nebulöse Andeutungen. Sobald sich der Nebel etwas lichtete, mochte ich es aber sehr.
4 Sterne!

Bewertung vom 11.09.2021
Heute beißen die Fische nicht
Westman, Ina

Heute beißen die Fische nicht


ausgezeichnet

Heute beißen die Fische nicht – Ina Westman
Ein Sommer auf einer kleinen Insel auf den finnischen Schären. Schon auf der ersten Seite wird klar, dass bei der kleinen Familie, bestehend aus Emma, Joel und Fanni etwas ganz und gar nicht stimmt. Die drei haben sich zurückgezogen vor der Welt, weil Emma Ruhe braucht. Sie hat eine Narbe am Kopf, kann sich aber nicht mehr erinnern, was eigentlich passiert ist. Sie hat Schmerzen, ist erschöpft. Vor allen Dingen hat sie Halluzinationen. Sie sieht Menschen, die mit ihrem früheren Leben zu tun haben. Bald verschwimmen die Grenzen zwischen Wahrheit und Wahn. Die Vergangenheit liegt im Nebel, nichts ist mehr gewiss.
Joel ist verzweifelt, bemüht sich um Geduld und gibt die Hoffnung nicht auf. Und Fanni ist erst fünf und braucht ihre Eltern. Sie versteht noch nicht wirklich, was hier geschieht. Aber das versteht selbst Emma nicht.
Ein toller Roman, der mitreißend erzählt ist. Gerade anfangs geht es viel um die Vergangenheit. Man lernt die frühere Emma kennen, eine mutige, starke und selbstbestimmte Frau, die heute nur noch ein Schatten ihrer selbst ist. Der Leser erfährt vom Kennenlernen und der Anfangsphase der Beziehung zu Joel. Emmas Gesundheitszustand wird zwar von Anfang an thematisiert, erst nach und nach wird aber erst das wahre Ausmaß offenbar. Sehr lange tappt man auch darüber im Dunkeln, was eigentlich genau passiert ist. Nur soviel: es wird alles aufgelöst. Dafür war ich sehr dankbar.
In der Gegenwart passiert eigentlich nicht so sehr viel. Es ist ein Sommer, in dem die kleine Familie monatelang abwartet und darauf hofft, dass sich Emmas Zustand bessert. Es sind vielmehr die Rückblicke in die Vergangenheit, die sehr viel Licht ins Dunkel bringen und den Figuren die nötige Tiefe verleihen.
Diese Geschichte ist absolut fesselnd erzählt, ab der ersten Seite war ich voll und ganz in der Handlung und wollte wissen, was es mit dieser Narbe auf sich hat. Gerade im psychologischen Bereich ist dieser Roman sehr stark. Er beleuchtet schonungslos die Gefühle und Gedanken der einzelnen Figuren und deren Entwicklung durch die extrem veränderte Situation. Erleichtert wird das, indem jeder Charakter aus der eigenen Sicht erzählt. Teilweise sogar die gleichen Begebenheiten. Es ist faszinierend, wie unterschiedlich manches wahrgenommen wird, auch wenn alle Beteiligten sich bemühen.
Eine weitere große Rolle spielt der Klimawandel. Beide, Emma und Joel, haben es sich einmal zur Lebensaufgabe gemacht, die Welt zu retten. Joel hält sehr stark an seinen Idealen und selbst vorgegebenen festen Regeln fest, während Emma dies aufgegeben zu haben scheint. Ein ständiges Streitthema.
Ein wunderbares Buch, mit toller Sprache und einer immer aktuellen Handlung mit psychologischem Tiefgang vor einer beeindruckenden Naturkulisse. 5 Sterne und eine große Leseempfehlung!