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Aus Liebe zum Lesen
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Rannungen

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Insgesamt 203 Bewertungen
Bewertung vom 20.11.2022
Unlearn Patriarchy
Alizadeh (dariadaria), Madeleine;Bücker, Teresa;Gümüsay, Kübra

Unlearn Patriarchy


ausgezeichnet

„Weg mit dem Patriarchat!“ das habe ich selbst schon oft genug gerufen. Doch was dann? In „unlearn patriarchy“ versuchen 15 Autor*innen einen Weg aus alten patriarchalen Strukturen zu finden und das so tief in uns und und unserer Gesellschaft verankert Patriarchat zu verändern, neu zu denken, zu „unlearnen“.

Jeder Beitrag widmet sich einem anderen Schwerpunkt, wie Arbeit, Bildung oder Wissenschaft und jeder Text ist so individuell, wie die Person, die ihn geschrieben hat. Naturgemäß haben mich einige Beiträge mehr angesprochen, mehr überzeugt als andere, so z. B. gleich der erste „unlearn sprache“ von Kübra Gümüsay oder „unlearn politik“ von Kristina Lunz.

Was alle Texte aber gemein haben, ist die Brisanz, die Aktualität und Wichtigkeit der Thematik und dass alle einen neuen Weg bestreiten möchten und dass es diese neuen Wege gibt, dass es viele Möglichkeiten gibt, unsere Zukunft neu und besser zu gestalten. Obwohl ich schon einige Zeit im Thema bin, konnte ich so viel Neues lernen und bin tief beeindruckt von den Ideen und Botschaften der Schreibenden.

Leute, lest dieses Buch und lasst euch von vielen tollen Texten inspirieren!

Bewertung vom 13.11.2022
Mein HYGGE HOME
Wiking, Meik

Mein HYGGE HOME


sehr gut

Seit einigen Jahren erlangt der Begriff „Hygge“ weltweit Bekanntheit. Meik Wiking beschreibt dessen Bedeutung in seinem neuen Buch „Mein Hygge-Home – Ein Wohnbuch mit Herz und Seele“ so: „Hygge ist die Kunst, eine schöne Atmosphäre zu kreieren“.

Der Glücksforscher Wiking widmet sich seit vielen Jahren am Institut für Glücksforschung den Dingen, die das Leben lebenswert machen. Dazu gehört für viele Menschen ein schönes, gemütliches, eben hyggeliges Zuhause. Neben eigenen Forschungsarbeiten stützt sich der Autor auf zahlreiche weitere Studien z. B. der WHO und zeigt viele davon anschaulich in Diagrammen und Schaubildern auf.

In Infotafeln bietet Meik Wiking kurze Tipps, wie man oft mit wenig Aufwand ein heimeligeres Gefühl aufkommen lassen kann, sei es mit der richtigen Beleuchtung, Teppichen und Kissen oder Pflanzen. Es geht aber um so viel mehr, wie dem Bevorraten, dem Anbauen von Gemüse und dem gemütlichen Beisammensein mit anderen Menschen, denn auch dazu kann ein Heim dienen und so Bedürfnisse des Menschen stillen und damit sein Glücksgefühl steigern.

Das Buch ist dem Thema entsprechend als Wohlfühlbuch gestaltet, mit vielen ansprechenden Fotos und Grafiken, übersichtlichen Schaubildern und gut strukturierten Texten. Ich hätte mir ein paar mehr konkrete Tipps gewünscht, z. B. zur Farbgestaltung. Dennoch war das Lesen angenehm und interessant und den ein oder anderen Tipp kann man direkt umsetzen.

Bewertung vom 12.11.2022
Sieben Kinder - eine Welt : Komm, ich zeige dir, wie ich lebe
Lamothe, Matt

Sieben Kinder - eine Welt : Komm, ich zeige dir, wie ich lebe


sehr gut

Wie leben eigentlich die Kinder in Peru oder Indien? Wenn ihr und eure Kinder sich diese Frage schon mal gestellt habt, dann ist Matt Lamothes Buch „Sieben Kinder – Eine Welt“ genau das richtige für euch.

Er stellt uns neben den oben genannten Ländern auch Kinder aus Japan, dem Iran, Uganda Italien und Russland vor. Alle diese Kinder und ihre Familien gibt es wirklich und sie haben Matt Lamothe von ihrem Leben erzählt, sodass dieser daraus ein Buch machen konnte.

Auf jeder Doppelseite widmet er sich einem Thema, wie Essen, Schule, Schlafen, Helfen im Haushalt und vielen mehr. Der Alltag aller Kinder wird dann jeweils mittels einer Illustration und einem kurzen Text erklärt. Dabei gibt es interessante Unterschiede zu entdecken, aber auch Gemeinsamkeiten. Allen voran der Sternenhimmel, der für alle Kinder gleich ist, was illustratorisch toll gemacht ist. Überhaupt gefallen uns die realitätsnahen Zeichnungen mit Liebe zum Detail sehr gut.

Uns hätte es gut gefallen, wenn die Übersicht oder die Weltkarte, auf der alle Kinder zu finden sind zum Ausklappten gewesen wären, dann hätte man nicht immer wieder blättern müssen, um zu wissen, über wen man gerade liest. Denn durch die Aufteilung nach Themenbereichen statt nach den einzelnen Kulturkreisen oder Ländern werden Unterschiede gut sichtbar, aber die Übersicht über alle Kinder leidet darunter etwas.

Dennoch ein interessantes und lehrreiches Buch, das den Kindern die Unterschiede und Gemeinsamkeiten verschiedener Kulturkreise näherbringt.

Bewertung vom 05.11.2022
Meine Grenze ist dein Halt
Imlau, Nora

Meine Grenze ist dein Halt


ausgezeichnet

Als Mutter von 3 Kindern komme ich regelmäßig an meine Grenzen – oder darüber hinaus. Das muss man als Mama doch aushalten, oder? Nora Imlau widmet sich in ihrem neuesten Buch „Meine Grenze ist dein Halt“ ebendiesen Grenzen der Eltern und zeigt, dass auch diese wichtig sind.

Nora Imlau wird den meisten Eltern, die sich mit bedürfnisorientierter Erziehung beschäftigen, bekannt sein. Dass sich diese Form der Erziehung aber nicht nur um die Bedürfnisse der Kinder dreht, zeigt sie in ihrem Grenzen-Buch. Denn es gilt immer, die Grenzen beider Seiten zu erfassen und abzuwägen, wie man beide am besten wahrt. Wie dieser Spagat funktionieren kann, erklärt sie anschaulich und bringt viele Beispiele aus dem Alltag dazu. Außerdem gibt es viele Übungen, die sie auch in ihren Workshops einsetzt und die entsprechend erprobt sind.

Mir gefällt auch hier der wertschätzende Ton der Autorin. Statt starre Dogmen aufzustellen, versucht sie, ihre Erkenntnisse zu vermitteln, aber ermutigt immer wieder, die eigene Situation im Auge zu behalten und entsprechend den eigenen Weg zu wählen und das umzusetzen, was die eigene Familie im Moment braucht und was ihr weiterhilft.

Nora Imlau schafft es einmal mehr, ein wichtiges Thema in Sachen Erziehung verständlich und alltagstauglich zu besprechen.

Bewertung vom 04.11.2022
Kerl aus Koks
Brandner, Michael

Kerl aus Koks


gut

Ich muss zugeben, ich habe mich ein bisschen in das Cover von Michael Brandners „Kerl aus Koks“ verliebt. Dieser kleine verschmitzt grinsende Junge, von Kohle bedeckt, ist das Sinnbild für eine Ruhrpott-Kindheit. Und genau solch eine erlebt der Protagonist Paul in den 50er und 60er Jahren: Fußballspielen mit den Jungs, Pizza beim Italiener um die Ecke, erstes Anbandeln mit den Mädchen.

Soweit hat mir die Geschichte gut gefallen. Auch die Figuren, vom liebenden Stiefvater über die grantelnde Mutter bis hin zum kleinen Paul selbst finde ich gelungen. Der Erzählstil ist locker, mit Witz und Charme. Als Paul älter wird flacht die Erzählung dann allerdings ab und es kam mir vor, wie eine lose Aneinanderreihung von Liebschaften, Jobs und Weggefährten in endloser Spirale. Erst zum Schluss hin gewinnt die Geschichte wieder etwas Tiefe.

Leider konnte mich „Kerl aus Koks“ nicht so gut unterhalten, wie ich es mir gewünscht habe. Der erhoffte Ruhrpott- und Paul-Charme sind nur im ersten und letzten Teil spürbar.

Bewertung vom 30.10.2022
Nachmittage
Schirach, Ferdinand von

Nachmittage


sehr gut

Endlich gibt es wieder mal ein neues Buch von Ferdinand von Schirach. Mit „Nachmittage“ hat er den zweiten Essayband nach „Kaffee und Zigaretten“ veröffentlicht.

Dass Ferdinand von Schirach erzählen kann, dürfte sich mittlerweile herumgesprochen haben. Auch in seinem neuen Buch unterhält er uns mit seinem Erzähltalent und so fliegt man nur so durch das gewohnt dünne Buch. Die einzelnen Kapitel sind unterschiedlich lang. Mal bestehen sie nur aus ein paar Gedankenfetzen, dann wiederum sind es richtige Geschichten mit spannendem Plot.

Besonders gut haben mir die Erzählungen gefallen, die an seine früheren Bücher, wie „Verbrechen“ oder „Strafe“ erinnern. Oft denkt man nach der Einleitung, man wüsste schon, wie es weitergeht und am Ende überrascht uns der Autor doch immer wieder aufs Neue.

Wie schon im ersten Essayband, haben sich auch hier stärkere und schwächere Kapitel abgelöst und so bleibt für mich ein schönes Lesevergnügen für die kommenden kalten Nachmittage, allerdings kein herausragendes, wie bei seinen früheren Büchern.

Bewertung vom 24.10.2022
Little Stories of Your Life
Pashby, Laura

Little Stories of Your Life


sehr gut

Wie schafft man es, interessante Post zu erstellen? Das dürfte ja für die meisten unter uns ein interessantes Thema sein. Bloggerin Laura Pashby zeigt in ihrem Buch „Little Stories of Your Life”, wie man interessante Geschichten erzählt.

Beginnend bei ihrer eigenen Geschichte, ihrem eigenen Weg zum Bloggen und Journaling ermutigt sie, mit dem Schreiben zu beginnen, denn jeder habe etwas zu erzählen. Sie erklärt, wie man seinen Fokus ändern und achtsamer durchs Leben gehen kann und zur eigenen Kreativität findet. Einige Übungen ermutigen zudem, direkt mit dem Schreiben zu beginnen.

An einigen Stellen werden mir Pashbys Erläuterungen zu ausufernd und wiederholen sich. In ihren Kernaussagen finde ich es dennoch hilfreich. Was mir zu kurz kommt, ist der Bereich Fotografie. Gerade für das Bloggen ist das Foto ja mindestens die halbe Miete. Hier finden sich leider nur wenige Tipps und vergleichsweise wenige Informationen.

Nichtsdestotrotz kann Laura Pashbys Buch dazu ermuntern, vom eigenen Leben zu erzählen - ob ganz privat im Tagebuch oder auf Social Media.

Bewertung vom 08.10.2022
Verbrenn all meine Briefe
Schulman, Alex

Verbrenn all meine Briefe


ausgezeichnet

Kann sich Wut über Generationen hinweg wie ein roter Faden durch eine Familie ziehen? Der schwedische Autor Alex Schulman stellt sich genau diese Frage in seinem neuen Roman „Verbrenn all meine Briefe“.

Sein alter Ego Alex begibt sich auf eine Reise in die Vergangenheit seiner zerstrittenen Familie und rekonstruiert die Ereignisse des Jahres 1932, die die Ehe seiner Großeltern nachhaltig geprägt haben. Auch wenn wir es hier mit einem Roman zu tun haben, sind die Figuren real. Großvater Sven Stolpe war ein bekannter schwedischer Schriftsteller und Literaturkritiker und hat in dieser Funktion seinen Kontrahenten Olof Lagercrantz zeitlebens verrissen. Dass dieser Hass nicht von ungefähr kommt, ergründet Alex Schulman in seinen Recherchen.

Gerade der Umstand, dass die Ereignisse auf realen Begebenheiten basieren, die Erzählung aber dennoch der Fantasie des Autors entsprungen sind, übt auf mich eine große Faszination aus. Der Erzählstil hat mich von der ersten Seite an gefesselt und auch wenn man erahnen kann, was sich zugetragen hat, entwickelt die Geschichte Spannung.

Alex Schulman konnte mich sowohl sprachlich als auch durch eine interessante Geschichte begeistern. Große Leseempfehlung.

Bewertung vom 05.10.2022
Wir doch nicht
Burgard-Arp, Nora

Wir doch nicht


ausgezeichnet

Was passiert, wenn wir rechte Fundamentalisten an die Macht kommen lassen? Genau dieses Szenario hat Nora Burgard-Arp zum Schauplatz ihres Romans „Wir doch nicht“ aus dem unabhängigen Katapult-Verlag gemacht.

Mathilda lebt in nicht allzu ferner Zukunft in Hamburg. Nachdem die LfD (Ähnlichkeiten zu bekannten Parteien bewusst gewählt) und deren Nachfolgepartei Deutschland um Jahrhunderte zurückgeworfen hat, wird das Leben für alle, die nicht zur Kategorie weiße Männer gezählt werden, zum Alptraum. Nach und nach wird sich Mathilda dessen bewusst und mit ihrer vorgeschriebenen Rolle immer unzufriedener.

Was ein bisschen wie „ A Handmaids Tale“ anmutet, ist keine Adaption desgleichen, sondern vielmehr eine weitere Dystopie, die sich als gar nicht so unwahrscheinlich entpuppt und entsprechend beängstigend ist. Was mir sehr gut gefällt, ist die Darstellung der teils auch sehr subtilen Unterdrückungen – so entsteht beim Lesen ein immer mulmigeres Gefühl.

Die Charaktere, allen voran die Protagonistin, sind mir ein bisschen zu blass geblieben und konnten mich nicht ganz überzeugen. Dafür war vielleicht ein bisschen wenig Zeit auf gut 200 Seiten und während ich Zeitsprünge und Rückblenden für ein stilistisch wertvolles Mittel halte, waren es mir hier vor allem zu Beginn zu viele und zu abrupte, sodass ich einige Zeit gebraucht habe, um in den Text zu kommen.

Nichtsdestotrotz hat Nora Burgard-Arp einen wichtigen und spannenden Roman geschrieben, der eindringlich zeigt, was passiert, wenn wir uns dem Machtstreben und der Propaganda rechtsextremer Gruppen nicht lautstark entgegensetzen.

4,5/5

Bewertung vom 03.10.2022
Die Verlassenen -
Jügler, Matthias

Die Verlassenen -


sehr gut

Ist über die DDR nicht eigentlich schon alles erzählt? Vielleicht. Auf mich übt dieses Kapitel der Geschichte dennoch einen gewissen Sog aus, sodass ich Matthias Jüglers Roman „Die Verlassenen“ gar nicht erst auf meinen SuB wandern lassen, sondern gleich gelesen habe.

Johannes wächst bei seinem Vater in Halle auf. Die Mutter ist schon vor einiger Zeit gestorben. Eines Tages bringt ihn sein Vater zu Oma und verschwindet wortlos aus seinem Leben. Als er später einen Brief findet, beginnt er, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Die DDR spielt nur eine kleine Rolle, vielmehr geht es um Beziehungen von Menschen.

Matthias Jüglers Schreibstil ist sehr eingängig und entsprechend schnell hatte ich das Buch fertiggelesen. Durch gekonnt eingesetzte Zeitsprünge und dezent gesetzte Hinweise, schafft es der Autor Spannung zu erzeugen und so fiebert man bis zum Schluss der Aufklärung der damaligen Umstände in Johannes‘ Familie hin. Genau hier liegt allerdings für mich die Schwachstelle des Romans, denn mir blieben zu viele Fragen offen.

Auch die Charaktere, allen voran der Protagonist, blieben mir bis zum Schluss sehr unnahbar, sehr diffus, ihre Handlungen an einigen Stellen nicht nachvollziehbar. Dennoch konnte mich das Buch gut unterhalten. Manchmal muss man eben, wie Johannes, mit offenen Fragen leben.