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bookloving
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Munich

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Insgesamt 321 Bewertungen
Bewertung vom 08.03.2023
Die Prinzregentenmorde / Fräulein Anna, Gerichtsmedizin Bd.1
Aicher, Petra

Die Prinzregentenmorde / Fräulein Anna, Gerichtsmedizin Bd.1


ausgezeichnet

*Vielversprechender Auftakt*
„Fräulein Anna, Gerichtsmedizin - Die Prinzregentenmorde“ ist der gelungene Auftakt einer neuen vielversprechenden historischen Roman-Serie aus der Feder einer unter dem Pseudonym Petra Aicher schreibenden Bestseller-Autorin.
Diese abwechslungsreiche Geschichte sorgt mit ihrer ansprechenden Mischung aus fesselnden Nachforschungen zu einem tragischen Kriminalfall, zarter Liebesgeschichte und faszinierenden historischen Einblicken für gute Unterhaltung.
Angesiedelt vor dem historischen Hintergrund der ausgehenden Ära des Prinzregenten Luitpold bis hin zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs entspinnt sich eine abwechslungsreiche Handlung rund um den tragischen Tod einer alternden, einst gefeierten Schauspielerin, die mich mit tollem Zeit- und Lokalkolorit rasch in ihren Bann gezogen hat. Gekonnt nimmt uns die Autorin mit auf eine aufregende Zeitreise von 1912 bis 1914 in die bayerische Haupt- und Residenzstadt München und vermittelt mit ihren lebendigen und atmosphärischen Beschreibungen ein stimmiges Bild der damaligen Zeit, spannende Einblicke in die Münchener Gesellschaft und das Alltagsleben der einfachen Münchener Bürger. Wir erleben die blühende Metropole im Wandel der Zeiten zwischen Wirtschaftsaufschwung und Wohlstand, althergebrachten Traditionen, bayerischer Gemütlichkeit und dem ausschweifenden Treiben der Adeligen, Künstler und Literaten.
Äußerst aufschlussreich sind dabei die Einblicke in das Leben der Frauen zu jener Zeit in einer von Männern dominierten Welt – die einen führen ein Leben ohne Rechte und abhängig von Vater oder Ehemann, während die anderen sich in einer arrangierten Ehe mehr für ihren Status und Reichtum interessieren und ihren Ehemännern große Freiräume zubilligen.
In den gut recherchierten zeitgeschichtlichen Rahmen sind zudem interessante historische Fakten eingestreut und bekannte historische Persönlichkeiten eingewoben.
Im Mittelpunkt der vielschichtigen Geschichte steht mit der jungen Krankenschwester Anna Zech eine trotz ihrer einfachen Herkunft bemerkenswerte, selbstbewusste Protagonistin, die als Obduktionsassistentin in der Münchner Gerichtsmedizin beginnt und schon bald in ihrer ungewöhnlichen Arbeit aufgeht. Als zweite Hauptfigur lernen wir den jungen adligen Friedrich von Weynand kennen, der seiner unglücklichen Ehe zu entfliehen versucht, sich als proletarischer Journalist Fritz Nachtwey ausgibt und in München Skandalgeschichten für eine Zeitung recherchiert. So entlockt er mit seinem Charme auch der unbedarften Anna nach ihrer ersten Obduktion wichtige Details zu der berühmten Wasserleiche aus der Isar und verfasst hierzu einen brisanten Zeitungsartikel.
Mit ihrem leichten, abwechslungsreichen Erzählstil versteht die Autorin es hervorragend, uns von Beginn an gemeinsam mit den sympathischen Protagonisten in die farbenprächtige historische Vergangenheit abtauchen zu lassen. So erleben wir mit, wie sich Anna allmählich dem arrogant und etwas schnöseligen wirkenden Fritz annähert, sein Doppelleben entlarvt und die beiden sich schließlich anfreunden. Rasch werden wir hineingezogen in die spannenden Nachforschungen des allmählich gut eingespielten Ermittlerduos zu den mysteriösen Todesumständen. Diese treten allerdings wegen der vielen privaten Verwicklungen immer wieder in den Hintergrund und erstrecken sich so (fast wie im wirklichen Leben) über einen sehr langen Zeitraum. Geschickte Perspektiv- und Schauplatzwechsel sorgen für Dynamik und lassen die Spannung rasch ansteigen. Neben amüsanten Episoden sorgen auch etliche unerwartete Wendungen für Abwechslung. Der packende, recht verzwickte Fall lädt zum Miträtseln ein und konnte mich mit der stimmigen Auflösung am Ende sogar sehr überraschen.
Etwas schade fand ich allerdings, dass wir bis auf wenige höchst aufschlussreiche Episoden nur selten einen Blick in die herausfordernde Arbeit in der Gerichstmedizin werfen konnten. Gerne hätte ich noch mehr über Annas Arbeit und ihre höchst amüsanten Interaktionen mit den beiden etwas wunderlichen Kollegen erfahren.
Die Autorin hat ihre verschiedenen Charaktere lebendig und mit viel Liebe ausgearbeitet, so dass sie mit ihren Eigenarten sehr lebensnah wirken. Sie versteht es, ihre Figuren zum Leben zu erwecken und uns die Gedankenwelt ihrer Charaktere glaubwürdig näher zu bringen. Insbesondere die sympathische, facettenreiche Hauptfigur Anna ist mir rasch ans Herz wachsen und ich bin sehr gespannt, wie sie sich im 2. Band weiterentwickeln wird.

FAZIT
Ein vielversprechender Auftakt einer unterhaltsamen historischen Roman-Reihe um ein sehr gegensätzliches Ermittlerduo! Mit sympathischen Charakteren, tollem historischen Flair, einer kurzweiligen Handlung und einem verzwickten Kriminalfall!

Bewertung vom 03.03.2023
Banksy und der blinde Fleck (eBook, ePUB)
Jaumann, Bernhard

Banksy und der blinde Fleck (eBook, ePUB)


sehr gut

*Interessanter Kunstkrimi*
Der spannende Krimi "Banksy und der blinde Fleck" des deutschen Autors Bernhard Jaumann ist der dritte Band der interessanten Kunst-Krimi-Reihe, in deren Mittelpunkt die Münchner Kunstdetektei von Schleewitz steht.
Dieser Band lässt sich auch ohne Vorkenntnisse aus den vorangegangenen zwei Bänden problemlos lesen.
Jaumanns vielschichtig angelegter Krimi dreht sich um den weltberühmten britischen Streetart-Künstler Banksy, der mit seinen Werken gesellschaftliche Missstände anprangert. Da er als eine Art Phantom nie persönlich in Erscheinung tritt, ist seine Identität trotz vieler Spekulationen um seine Person bis heute ein Geheimnis.
Der Autor hat sich eine vielversprechende Ausgangsidee für seinen interessanten Kunstkrimi ersonnen. In seine Handlung lässt er eine Menge wissenswerter Hintergrundinformationen über den inzwischen weltweit anerkannten Künstler Banksy, seine bekannten Werke sowie seinen Protest gegen die Kommerzialisierung der Kunst und zudem das stimmig eingefangene Münchner Lokalkolorit einfließen.
Bei ihrem neuen Fall wird die Kunstdetektei von Schleewitz beauftragt, herauszufinden, was es mit den an verschiedenen sozialen Brennpunkten in München auftauchenden Ratten-Graffitis auf sich hat, die laut einiger Kunstkenner und Berichten der Medien zweifelsfrei Banksy zugeschrieben werden könnten. Da mit echten Banksy Stencils im internationalen Kunsthandel horrende Erlöse zu erzielen sind, wäre die Verifizierung der mysteriösen Graffitis eine große Sensation und für viele ein Bombengeschäft. Gebannt folgt man den Nachforschungen der drei Kunstexperten der Detektei, die herausfinden sollen, ob der Graffitiaktivist tatsächlich in München unterwegs ist oder die Pieces von Nachahmern stammen. Doch die Suche nach der Wahrheit gestaltet sich äußerst schwierig.
Schon bald beginnt man aufgrund eines fehlenden Bekennervideos und bei der Vielzahl der weiter auftauchender Graffiti zu erahnen, dass Trittbrettfahrer vom Banksy-Hype profitieren und sich mit den Fake-Kunstwerken eine goldene Nase verdienen wollen.
Während der Autor sich zunächst Zeit nimmt, die Story aufzubauen, zieht die Spannung mit immer neuen Details und zutage tretenden Puzzleteilchen schließlich an. Zudem streut Jaumann geschickt Textpassagen mit Berichten über tragische Unglücksfälle in seine Handlung ein, die bewegende Einzelschicksale aus der Vergangenheit schildern. Auch wenn man diese zunächst nicht richtig zuordnen kann, ist klar, dass sie offenbar einen Bezug zu den Orten haben, an denen die „Banksys“ gesprayt wurden.
Im Mittelteil geraten die Ermittlungen leider etwas ins Stocken, so dass sich diese etwas in die Länge ziehen. Es entspinnt sich schließlich aber eine wendungsreiche Handlung mit vielen Nebenakteuren und einer Vielzahl an rätselhaften Erkenntnissen, die für gute Unterhaltung und jede Menge Stoff zum Mitraten sorgt. Zum Ende hin nimmt die Handlung zunehmend an Tempo auf und die Jagd des Ermittlungsteams nach dem Münchner Banksy wird enorm fesselnd. Die überraschende Auflösung des Falls ist sehr überzeugend und hat mich sehr nachdenklich zurückgelassen.
Seine Protagonisten Rupert, Max oder Klara hat der Autor zwar mit einigen Ecken und Kanten angelegt, doch wirkten sie auf mich nicht sehr lebendig und blieben bis zum Ende seltsam blass, so dass ich mit den drei grundverschiedenen Charakteren der Kunstdetektei von Schleewitz nicht sehr warm geworden bin und auch ihre Handlungen nicht immer nachvollziehen konnte.
Hervorragend ist es Jaumann gelungen, uns in die faszinierende Welt der Kunst zu entführen. So lässt er uns sehr aufschlussreiche Blicke hinter die Kulissen der geldgierigen Kunstszene und skrupellosen Kunstvermarktung werfen.

FAZIT
Ein unterhaltsamer Kunstkrimi rund um den berühmten Street-Art Künstler Banksy – mit einem verzwickten neuen Fall für die Kunstdetektei von Schleewitz, interessanten Einblicken in die Kunstszene und tollem Münchner Lokalkolorit!

Bewertung vom 26.02.2023
Der Donnerstagsmordclub und die verirrte Kugel / Die Mordclub-Serie Bd.3 (eBook, ePUB)
Osman, Richard

Der Donnerstagsmordclub und die verirrte Kugel / Die Mordclub-Serie Bd.3 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

*Der rüstige Donnerstagsmordclub wieder auf Mörderjagd*
„Der Donnerstagsmordclub und die verirrte Kugel“ vom britischen Autor Richard Osman ist bereits der dritte Band seiner gelungenen und etwas skurrilen Cosy Crime-Reihe, in deren Mittelpunkt die erstaunlich rüstigen Mitglieder des Donnerstagsmordclubs aus der Seniorenresidenz Coopers Chase stehen.
Einmal die Woche trifft sich das gewitzte Hobby-Ermittlerquartett bestehend aus Elisabeth, Joyce, Ibrahim und Ron um ungelöste Morde aufzuklären.
Dieser Krimi lässt sich auch ohne Vorkenntnisse der vorangegangenen Bände lesen, doch denke ich, dass es bei der Vielzahl der Figuren leicht unübersichtlich wird. Zudem finde ich, dass man die exzentrischen Charaktere des Donnerstagsmordclubs mit all ihren Eigenheiten und Vorgeschichten schon etwas kennen sollte, da sie nicht mehr ausführlich vorgestellt werden.
Um einen richtig gemütlichen Wohlfühlkrimi handelt es sich übrigens nicht, denn manchmal geht es ziemlich blutrünstig zur Sache. Mit seinem typisch britischen, subtil humorvollen Erzählstil und höchst amüsanten, schlagfertigen Dialogen konnte mich Osman wieder bestens unterhalten. Toller Wortwitz, viel Situationskomik sowie bisweilen recht abstruse Verwicklungen ließen mich immer wieder Schmunzeln.
Wie schon bei den anderen Bänden wird die eigentliche Handlung immer wieder von den aufschlussreichen Tagebucheintragungen von Joyce unterbrochen, die die Geschehnisse auf ihre unnachahmliche Art kommentiert und zusammenfasst. Schade nur, dass sie bei der turbulenten Handlung doch etwas zu kurz kommen.
Das Seniorenquartett beschäftigt sich diesmal mit einem10 Jahre alten Cold Case, der es in sich hat. Damals verschwand die junge Journalistin Bethany Waites und Co-Moderatorin des lokalen TV-Stars Mike Waghorn spurlos, als sie einem brisanten Fall von Steuerbetrug auf der Spur war. Auch wenn die Handlung recht langsam in Gang kommt, macht es wieder viel Spaß, die gewitzte Seniorentruppe bei ihren unorthodoxen, aber sehr einfallsreichen Ermittlungen zu diesem höchst verzwickten und wendungsreichen Fall zu begleiten. Das Polizisten-Duo Chris und Donna und natürlich auch der Bogdan als unentbehrliches Faktotum sind wieder mit von der Partie, und unterstützen die vier agilen Senioren, wo immer sie können.
Besonderes Highlight sind die lebendigen, vielschichtig gezeichneten Hauptfiguren mit ihren liebenswerten Eigenarten und Schrullen. Es macht großen Spaß, ihre unterhaltsamen Diskussionen zu verfolgen und mitzuerleben, wie sie ihre interessanten Fähigkeiten und Stärken bei Bedarf auszuspielen wissen.
Der neue rätselhafte Kriminalfall, der wieder viel Stoff zum Mitraten bietet, ist nicht die einzige Herausforderung für den Donnerstagsmordclub. Denn zu allem Überfluss wird Elisabeth mal wieder von ihrer Vergangenheit als Geheimdienstagentin eingeholt und von einem skrupellosen Widersacher vor eine nahezu ausweglose Entscheidung gestellt. Souverän meistern sie im eingespielten Team jedoch auch diese verzwickte Situation mit ihren bisweilen unorthodoxen Herangehensweisen. Während die sonst so souveräne Elizabeth sich hier einen unverzeihlichen Patzer erlaubt, überrascht die etwas naiv wirkende Joyce wieder auf ganzer Linie.
Auch die zahlreichen Nebenfiguren mit ihren Hintergrundgeschichten sind interessante Charaktere, die mit ihren Handlungen für viel Spannung und beste Unterhaltung.
Nach einigen unerwarteten Wendungen überschlagen sich die Ereignisse schließlich regelrecht und gipfeln in einem spannenden Finale. Kaum zu glauben, dass es ihnen mit ihren Tricks und cleveren Kombinationsgabe wieder gelingt, den überaus raffinierten Mörder zu stellen! Für mich war die Auflösung eine große Überraschung, mit der ich überhaupt nicht gerechnet hatte.
Ich bin schon sehr gespannt auf eine Fortsetzung und freue mich auf ein Wiedersehen mit dem schrulligen Team des Donnerstagsmordclubs und ihren netten Freunden.

FAZIT
Eine unterhaltsame Fortsetzung dieser skurrilen, amüsanten Cosy Crime-Reihe – mit tollem britischen Humor, liebenswerten Charakteren und einem verzwickten Cold Case!

Bewertung vom 25.02.2023
Krähengekrächz (eBook, ePUB)
Maron, Monika

Krähengekrächz (eBook, ePUB)


sehr gut

*Kurzweilige Hommage an die Krähen*
In ihrer Erzählung „Krähengekrächz“ widmet sich die deutsche Schriftstellerin Monika Maron den Krähen – jenen faszinierenden Tieren, die die Menschheit von Beginn an begleiten und zum Gegenstand vieler Mythen und Märchen wurden.
Dieser schmale Erzählband ist übrigens mit gleichem Titel bereits 2016 beim S. Fischer Verlag erschienen.

Durch ihre Intelligenz, Eleganz, Furchtlosigkeit und Unabhängigkeit ziehen diese Rabenvögel uns unweigerlich in den Bann. Auch die Autorin ist von diesen bemerkenswerten Vögeln angetan und von ihrer Selbstbestimmtheit sehr beeindruckt. Anlässlich einer Recherche zu einem neuen Roman beginnt Maron sich mit den Krähen eingehender zu beschäftigen. Äußerst unterhaltsam und kurzweilig schildert sie, wie sie beginnt die Vögel mit Futter zu ködern und sogar in die Wohnung zu locken. Auch auf ihren Spaziergängen sucht sie ihre Nähe, versucht sich mit ihnen anzufreunden und widmet sich voller Enthusiasmus ihren ausgiebigen Krähenbeobachtungen. Neben ihren aufschlussreichen Betrachtungen des Verhaltens geht sie auch der Frage nach dem Verhältnis zwischen Mensch und Tier nach und zieht Parallelen.
Darüber hinaus spürt sie den faszinierenden Vögeln schließlich auch in Kunst und Literatur nach. So präsentiert sie uns beispielsweise eindrucksvolle Rabenlyrik und erläutert uns die interessante Bedeutung der Raben in der Mythologie und verschiedenen Kulturen.
Ähnlich wie Monika Maron es ergangen ist, konnte ich mich beim Lesen der Faszination für Rabenvögel und der Ehrfurcht vor ihnen kaum entziehen und möchte mich gerne noch mehr mit ihnen beschäftigen.

FAZIT
Ein charmantes und zugleich interessantes Erzählbändchen über Krähen und was sie so besonders macht! Eine kurzweilige Lektüre, die zum Nachdenken anregt!

Bewertung vom 24.02.2023
Saubere Zeiten
Wunn, Andreas

Saubere Zeiten


sehr gut

*Faszinierende Familiengeschichte*
In seinem tiefgründigen Roman „Saubere Zeiten“ erzählt der deutsche Journalist und Debüt-Autor Andreas Wunn eine sich über mehrere Generationen erstreckende Familiengeschichte. Es ist eine bewegende Geschichte über Schuld und Verdrängung, fatale Missverständnisse, Familiengeheimnisse sowie die Schattenseiten von Erfolg.
Obwohl die Ausgangskonstellation des Romans von der eigenen Familiengeschichte inspiriert ist und einige Elemente auf wahren Begebenheiten beruhen, ist die Handlung hauptsächlich fiktiv.
Der Roman wird abwechselnd auf verschiedenen Zeitebenen erzählt. Zum einen verfolgen wir in einem Handlungsstrang die in der Gegenwart spielenden Ereignisse um die Hauptfigur Jakob, der sich mit der Vergangenheit seiner Familie zu beschäftigen beginnt, und erfahren zum anderen in Rückblicken mehr über lange zurückliegende, teilweise verhängnisvolle Geschehnisse. So tauchen wir ein in das Schicksal der Unternehmerfamilie Auber, erleben den Aufstieg zu großem Wohlstand zu Deutschlands Wirtschaftswunder-Zeit, als der Großvater Theodor ein legendäres Waschmittel erfand, und werden schließlich Zeugen des selbstverschuldeten, tragischen Absturzes in die Pleite Mitte der 1950ger Jahre. Nach und nach bringt Jakobs Spurensuche in den hinterlassenen Aufzeichnungen seines Vaters und Tagebucheinträgen seines Großvaters etliche dunkle Geheimnisse, traurige Gewissheiten und auch Überraschungen ans Licht. In Anspielung auf den vielsagenden Buchtitel deckt er bei seiner Aufarbeitung so einige unbekannte Kapitel in der Geschichte dieser Unternehmerfamilie auf, bei denen nicht alles so sauber war, wie viele annahmen.
Eingehend beleuchtet Wunn auch die schwierigen Vater-Sohn-Beziehungen der Familie. Sehr anschaulich zeigt er die Folgen von fehlender Zuneigung und Sprachlosigkeit zwischen den Generationen auf sowie die Notwendigkeit diese fatalen Verhaltensmuster zu erkennen und zu durchbrechen.
Je mehr sich der Protagonist Jakob im Laufe seiner Recherchen über Parallelen im Leben seines Großvaters, Vaters und ihm bewusst wird und die familiären Vergangenheit aufarbeitet, desto besser gelingt es ihm, sein Verhalten und seine eigenen Beziehungen zu überdenken, sich zu öffnen und zu sich selbst zu finden.
Wunn hat seine Charaktere vielschichtig und lebensnah ausgearbeitet. Leider ist es mir nicht gut gelungen, eine Nähe zu den Figuren aufzubauen und mich in sie hineinzuversetzen. Insbesondere bei Jakob als, der sein bisheriges Leben und seine Ehe sehr nüchtern und mit einer erschreckenden Distanziertheit hinterfragt, habe ich eine gewisse Emotionalität vermisst, die seine Wandlung widerspiegelt. Dies hätte der Geschichte insgesamt mehr Tiefgang verliehen, so dass diese mich hätte mehr berühren können.

FAZIT
Eine fesselnd erzählte Familiengeschichte und ein interessantes, facettenreiches Portrait einer Unternehmerfamilie, das nachdenklich stimmt und vielleicht auch dazu anregt, sich etwas näher mit der eigenen Familiengeschichte zu beschäftigen.

Bewertung vom 16.02.2023
Raben (eBook, ePUB)
Bugnyar, Thomas

Raben (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

*Fesselnde Entdeckungsreise in die faszinierende Welt der Rabenvögel*
In seinem lehrreichen Buch „Raben“ nimmt uns der international renommierte Rabenforscher Thomas Bugnyar mit auf eine fesselnde und unterhaltsame Entdeckungsreise in das Leben, Denken und Fühlen der Rabenvögel.
Bekannt sind sie für ihre verblüffende Intelligenz, clevere Benutzung von Werkzeugen und ihr außergewöhnlich soziales Miteinander. Doch was steckt tatsächlich hinter den Verhaltensweisen und dem komplexen Sozialverhalten dieser faszinierenden Vögel, die seit jeher als Kulturfolger Begleiter der Menschen sind?
Äußerst spannend ist es also „Das Geheimnis ihrer erstaunlichen Intelligenz und sozialen Fähigkeiten“ zu ergründen – wer wäre hier geeigneter als der österreichische Biologe und Verhaltensforscher Thomas Bugnyar. Bereits seit seiner Dissertation stehen Raben und Krähen im Mittelpunkt seiner kognitionsbiologischen Studien. Als Professor für Kognitive Ethologie an der Fakultät für Lebenswissenschaften der Universität Wien mit seinem Wissenschaftlerteam erforscht er die Evolution von Intelligenz, soziale Intelligenz und die höheren kognitiven Fähigkeiten bei Vögeln und Primaten. Zudem ist er Leiter der Forschungsstation Haidlhof im österreichischen Bad Vöslau.
Dank der gelungenen Unterstützung von Patricia McAllister-Käfer präsentiert uns Thomas Bugnyar seine spannenden wissenschaftlichen Erkenntnisse sehr allgemeinverständlich und abwechslungsreich. Gekonnt gibt Bugnyar uns Einblicke in die interessante, aber auch sehr anspruchsvolle Arbeit der Kognitionsbiologie. Darüber hinaus räumt er mit vielen Mythen und Vorurteile auf, die den Rabenvögeln angedichtet werden.
Er versteht es hervorragend, uns die Aufgabenstellungen und Herangehensweise der Verhaltensforschung sehr lebendig und kurzweilig zu vermitteln, so dass das Lesen auch für Laien richtig Spaß macht! Die vielen eingebundenen Fotos der tierischen Probanden in Verbindung mit farblich abgesetzten Kapitel-Überschriften lockern den Text zudem angenehm auf, veranschaulichen Erklärungen und Beispiele und sorgen für Abwechslung.
Anschaulich erläutert er verschiedenste Verhaltensexperimente mit ausgetüfteltem Versuchsdesign, deren oberstes Ziel es natürlich ist, aussagekräftige Muster zu erkennen und möglichst schlüssige Kausalzusammenhänge als Ergebnis zu erhalten. Vor allem das Einflechten persönlicher Erlebnisse und Anekdoten machen den Autor und sein Team höchst sympathisch. So erfahren wir über die ausgeprägte Neophobie der Raben, ihre Bewegungsmuster und lernen zudem vieles über ihre erstaunlich komplexen und kognitiv höchst anspruchsvollen Fähigkeiten. Diese zeigen sich beipielsweise in ihren ausgeprägten Hang zum Bluffen und Tricksen sowie ihre beeindruckenden Versteck- und Plündertaktiken. Äußerst faszinierend sind auch die Informationen über die hochentwickelten Kommunikationsfähigkeiten, die Ausbildung individueller Persönlichkeiten und die komplexen Sozialbeziehungen der Raben, die manchmal erstaunliche Gemeinsamkeiten mit uns Menschen aufweisen.
Bugnyars hohe Wertschätzung für „seine" faszinierenden Studienobjekte spürt man auf jeder Seite dieses Buchs und seine große Begeisterung für seine Forschungsarbeit ist ansteckend. Neben dem interessanten „Wissenstransfer“ weckt er Verständnis für das bisweilen widersprüchliche Rabenverhalten und appelliert an den Schutz dieser wundervollen Tiere, über die es noch viel zu erforschen gibt.

FAZIT
Ein lehrreiches und unterhaltsames Sachbuch über das Leben und Fühlen der Raben und ein faszinierender Ausflug in die Kognitionsbiologie! Eine ganz besonders mitreißende Lektüre - für alle Raben-Fans und alle, die es noch werden wollen!
Zu Recht findet sich „Raben“ auf der Shortlist zum Wissenschaftsbuch des Jahres 2023!

Bewertung vom 15.02.2023
Wenn nicht jetzt, wann dann? (eBook, PDF)
Gaßner, Manuela

Wenn nicht jetzt, wann dann? (eBook, PDF)


ausgezeichnet

*Alles Wissenswerte zum Nachhaltigen Gärtnern*
Im Zeitalter der Wasser- und Luftverschmutzung, des Klimawandels, des Verlusts der Biodiversität und der Bodendegradation spüren wir immer deutlicher wie gefährdet die Natur ist. Dabei kann jeder einzelne einen wichtigen Beitrag zu ihrem Schutz leisten, denn auch im Kleinen können wir mit einem ressourcenschonenden Garten oder auf dem Balkon einen nachhaltigen und verantwortungsbewussten Beitrag leisten.
In ihrem sehr aufschlussreichen Sachbuch „Wenn nicht jetzt, wann dann? - Ressourcenschonend und nachhaltig gärtnern“ gibt uns die Autorin Manuela Gaßner eine Vielzahl an wichtigen Informationen, interessantem Hintergrundwissen und tollen Anregungen an die Hand.
Die promovierte Agrarwissenschaftlerin ist als Dozentin, Autorin und Keynote Speakerin ausgewiesene Expertin für die Themen Pflanzenernährung, nachhaltige Agrarwirtschaft, Urban Farming, Klimawandel und Konsumverhalten und beschäftigt sich zudem intensiv mit der Vermeidung von Müll und einem nachhaltigen Lebensstil.
Ehe man mit einer ganzheitlich nachhaltigen Bewirtschaftung des Gartens loslegen kann, ist es nicht nur für Einsteiger in die Thematik Nachhaltiges Gärtnern hilfreich, zunächst ein gewisses Grundlagenwissen zu erlangen, um die vielfältigen Zusammenhänge besser verstehen zu können. „Angesichts der Fülle an Informationen, Wissen, stetigen Veränderungen, komplexen Zusammenhängen und den lokalen wie globalen Auswirkungen unserer Handlungen, ist dieses Thema eine große Herausforderung.“
Ein Blick ins Inhaltsverzeichnis zeigt die Einteilung in folgende Themenbereiche:
Mensch & Ressourcen, Erde, Pflanzen, Wasser, Luft, Erdöl, Metalle, Holz & Papier, Strom, Enterresten, Unsere immateriellen Ressourcen und SERVICE
Zur besseren Übersicht und Lesbarkeit werden die einzelnen Ressourcen in eigenen Kapiteln behandelt, obwohl es eigentlich keine geschlossenen Kreisläufe gibt und alles miteinander interagiert.
Von Vertical Gardening, über Permakultur und bio-veganes Gärtnern bis hin zu Zero Waste hier finden wir viel Interessantes zum Nachlesen und viele wertvolle Tipps und Tricks für gutes, verantwortungsvolles Gärtnern. Die hierbei behandelten Themen sind höchst vielfältig, geben aufschlussreiche Einblicke und sind sehr anschaulich aufbereitet. So lassen sich praktisches Wissen und spannende Anregungen auch im eigenen Garten gut umsetzen.
Die Autorin erklärt sehr verständlich, wie man wertvolle Ressourcen schonend einsetzt, fruchtbare Boden fördert, nachhaltig düngt, Kreislaufwirtschaft betreibt, Wasser und Energie spart, Müll vermeidet und den Garten für seltene Tier- und Pflanzenarten attraktiv gestaltet. Bereits beim Pflanzenkauf sollte man für den nachhaltigen Anbau regionale Arten und Sorten auswählen und auf eine umweltschonende Produktion von Pflanzen und Saatgut achten. Nicht zuletzt geht die Autorin auch auf die immateriellen Ressourcen ein, denn schließlich ist ein Garten auch ein Ort von Glück, Zufriedenheit und Gemeinschaft sowie der allgemeinen Gesundheit zuträglich
Sehr gut gefallen haben mir auch die praktischen DIY-Tipps für Upcycling, Recycling und zum Verwerten von Gemüse und Obst, die dabei helfen, Zero-Waste-Kreisläufe im eigenen Garten einfach zu etablieren. Letztlich ist das Geheimnis eines ökologischen Gartens stets ein ausgewogenes Geben und Nehmen – eine wichtige Message, die ich aus diesem Buch mitnehmen konnte.
Die schönen stimmungsvollen Farbfotos mit inspirierenden Impressionen in unterschiedlichen Formaten sind ein besonderes Highlight dieses gelungenen Handbuchs und illustrieren den Inhalt hervorragend. So nimmt man das Buch immer wieder gerne zum Stöbern zur Hand.
Aufgelockert wird der Text neben den Bildern auch durch unterschiedliche Formatierungen und farblich abgesetzten Kästen mit tabellarischen Zusammenstellungen, wichtige Zusatzinformationen sowie übersichtliche Illustrationen. Kästchen für besonders wichtige Informationen lässt sich das Sachbuch gut lesen und wirkt freundlich und kurzweilig. unterschiedliche Formatierung auch abwechslungsreich und leserfreundlich aufgebaut.
Abgerundet wird das Buch unter der Rubrik „Service“ mit einer Zusammenstellung interessanter und nützlicher Links zu weiterführender Literatur, einem alphabetischen Register zum Nachschlagen sowie einem Bildnachweis.

FAZIT
Ein informatives und empfehlenswertes Sachbuch rund um das Thema ressourcenschonend und nachhaltig Gärtnern - mit jeder Menge nützlicher Tipps und viel Hintergrundwissen!
Für alle Einsteiger, die einen bewussten und schonenden Umgang mit verschiedenen Ressourcen in ihrem Garten umsetzen wollen, sehr lehrreich!
Aber auch für ambitionierte Hobby-Gärtner finden sich hier noch viele hilfreiche Anregungen und Denkanstöße! Auf in den Garten!

Bewertung vom 29.01.2023
Aufblattelt (eBook, ePUB)
Parker, Martina

Aufblattelt (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

*Humorvoller Gartenkrimi*
Mit ihrem unterhaltsamen Gartenkrimi „Aufblattelt“ geht die im beschaulichen Südburgenland angesiedelte Krimi-Erfolgsserie der österreichischen Autorin Martina Parker bereits in die dritte Runde.
Das außergewöhnliche Cover dieses Gartenkrimis mit seinen dargestellten Motiven hat einen hohen Wiedererkennungsfaktor und stimmt einen sehr schön auf die Geschichte ein. Der vorliegende Krimi lässt sich übrigens problemlos auch ohne Vorkenntnisse aus den vorangegangenen zwei Bänden „Zuagroast" und „Hamdraht" lesen, da zum Verständnis wichtige Hintergrundinfos zu den Charakteren geschickt in die Handlung eingeflochten werden.
Schon das humorvolle, hintergründige Krimidebüt „Zuagroast“ hat mich mit der umtriebigen Lokaljournalistin Vera Horvath und den Gartenladies vom „Klub der Grünen Daumen“, deren vermeintlich harmlose, garten- und kräuterinteressierte Mitglieder es faustdick hinter den Ohren haben, sehr gut unterhalten können.
Auch im dritten Band darf wieder ausgiebig gelebt, geliebt, gegartelt und natürlich gestorben werden! Und so viel sei auch schon verraten – der Mörder ist nicht der Gärtner!
Martina Parker ist erneut ein abwechslungsreicher und spannender Wohlfühlkrimi mit viel Lokalkolorit, einer illustren Schar an interessanten Charakteren und einem verzwickten Fall gelungen – obendrein gewürzt mit allerlei Wissenswertem rund um Garten, heimische Pflanzen, Kräuter, Naturkosmetika und Heilmittelchen sowie einem winzigen Schuss Erotik. Trotz vieler humorvoller Szenen werden aber auch einige ernste Themen behandelt.
Sehr gut gefallen haben mir auch die stimmungsvollen, detailreichen Beschreibungen der burgenländischen Landschaft und der verschiedenen Schauplätze sowie zahlreiche mundartlich eingefärbte Dialoge, die für ein überaus lebendiges Lokalkolorit sorgen. Sicherheitshalber wird der wundervolle Dialekt übrigens in den Fußzeilen übersetzt.
Der unheilvolle Prolog mit der darin geschilderten, verstörenden Szene lässt sofort Spannung aufkommen, denn deren Bedeutung wird uns erst sehr viel später klar. So dauert es auch recht lange bis der eigentliche Kriminalfall in Gang kommt, denn zunächst werden wir in das fesselnde Setting eingeführt und lernen eine Menge schillernder Figuren wie beispielsweise die hochinteressante Adelsfamilie von Hohenfelsen kennen, die so manche überraschende Eigenheiten und erstaunlichen Geheimnisse aufzubieten haben. Für viel Unterhaltung und Abwechslung sorgen auch die Mitglieder des Gartenklubs als alte Bekannte mit einer ganzen Bandbreite speziellen Besonderheiten und Schrullen, die von der Autorin sehr lebendig und trotz gewisser Klischees recht authentisch charakterisiert werden. Jedem Kapitel vorangestellt werden wieder spannende bis skurrile Fun Facts aus der Tierwelt und Natur, die meist Bezug auf die darauffolgende Handlung haben.
Gekonnt zieht uns Martina Parker nach und nach in einen verwirrenden, ziemlich komplexen Fall hinein. Der geheimnisvolle alte Graf von Hohenfels, der hitzige Adoptivsohn als Umweltretter, seine nicht standesgemäße Braut Isabella, gewilderte Tiere im Wald, bis hin zur ersten Toten auf der Hochzeit – die vielen zunächst unzusammenhängenden Handlungsstränge geben viele Rätsel auf, so dass ich den Krimi gar nicht mehr aus der Hand legen mochte und mich gespannt mit auf die Jagd nach dem Mörder begeben habe.
Schon bald überschlagen sich die Ereignisse immer mehr und gipfeln schließlich in einem packenden Showdown. Die schlüssige Auflösung des Kriminalfalls hat mich übrigens sehr überrascht.

FAZIT
Ein unterhaltsamer Wohlfühlkrimi - mit wundervollen Charakteren, großartigem Humor, tollem Lokalkolorit und allerlei nützlichem Gartenwissen!
Ein empfehlenswertes Lesevergnügen mit ganz besonderem regionalen Charme!

Bewertung vom 28.01.2023
Agent Sonja
Macintyre, Ben

Agent Sonja


ausgezeichnet

*Fesselndes Portrait einer Top-Spionin*
Mit dem beeindruckenden Buch „Agent Sonja“ beweist der erfolgreiche britische Bestsellerautor und Spionageexperte Ben Macintyre erneut, dass er sein Handwerk versteht. Bereits nach dem kurzen Einstieg wird deutlich, dass wir es nicht mit einem nüchtern erzählten Sachbuch zu tun haben, sondern uns ein packender, temporeich erzählter Roman erwartet, der sich bisweilen wie ein fesselnder Agententhriller liest.
Hierin widmet er sich der unglaublichen, aber wahren Biografie von Ursula Kuczynski (1907- 2000) - einer faszinierenden Frau und legendären Topagentin für den russischen Geheimdienst, die ein außergewöhnlich bewegtes Leben führte, während ihrer Agententätigkeit unter dem Codenamen „Sonja“ um die halbe Welt reiste und bei ihren Einsätzen teilweise extreme Risiken auf sich nahm sowie maßgeblichen Einfluß auf die Weltgeschichte während des 2. Weltkriegs und für den Kalten Krieg hatte.
Ben Macintyre versteht es hervorragend seine aus verschiedenen Quellen akribisch recherchierten Fakten, Informationen und historischen Hintergründe zu einer äußerst spannenden und faszinierenden Geschichte zu verweben. Geschickt lässt er viele Originalzitate in seinen Text einfließen. Ergänzt wird das Ganze durch zwei in den Text eingeschobene Teile mit sehr interessanten Schwarz-Weiß-Fotografien von Ursula, ihrer Familie und ihren vielen Weggefährten aus dem umfangreichen Fotoarchiv der Familie, die das Erzählte veranschaulichen und die damalige Zeit zum Leben erwecken.
Wie der Autor in seinem ausführlichen Nachwort erläutert, standen ihm Unmengen an Quellenmaterial aus verschiedenen Archiven wie MI5-Akten aus dem Britischen Nationalarchiv, Dokumente aus dem Deutschen Bundesarchiv sowie Staatssicherheitsakten aus dem Stasi-Archiv zur Sichtung zur Verfügung. Zudem konnte er für sein Buch auf viele Briefe, Bücher und Dokumentationen zurückgreifen, darunter auch Ursulas Romane, Sachbücher und ihre Memoiren „Sonjas Rapport“. Außerdem konnte er für sein beeindruckendes Werk auch auf tatkräftige Unterstützung von Ursulas beiden Söhnen zählen.
Bereits die ersten Kapitel, in denen wir miterleben wie aus dem jungen energiegeladenen deutsch-jüdischen Mädchen Ursula, das der Kommunistischen Partei Deutschlands beitrat, mit ihrem Ehemann Rudi Hamburger nach Shanghai ging, dort Mutter wurde und schließlich vom berühmten sowjetischen Agent Richard Sorge Anfang der 1930er Jahre für den sowjetischen Geheimdienst rekrutiert wurde, klingen abenteuerlich und scheinen eher einem fesselnden Agententhriller entsprungen zu sein.
Gekonnt gewährt Macintyre uns aufschlussreiche Einblicke in Sonjas Spionagetätigkeit in China, der Mandschurei, Polen, Schweiz und schließlich Großbritannien und erzählt über interessante Details aus ihrem Privatleben und nachhaltig prägenden Geschehnissen während ihres umtriebigen Doppellebens als unerschrockene, hocheffiziente sowjetische Geheimdienstoffizierin einerseits und fürsorgliche Mutter von drei Kindern und unauffällige Hausfrau andererseits. Dabei beleuchtet der Autor auch anschaulich die emotionalen Herausforderungen, die das unstete Leben, die äußerst gefährlichen Spionageoperationen und ihre Verantwortung als Mutter mit sich brachten. Eher durch unglaubliches Glück blieb sie von Stalins Säuberungsaktionen verschont und konnte sich mehr als einmal einer Enttarnung durch knappe Flucht entziehen. Fesselnd ist es auch, die Motivation für ihre Agententätigkeit und ihre unerschütterliche Liebe zum Kommunismus zu ergründen. Ganz nebenbei erfahren wir auch eine Menge faszinierender Details aus den interessanten Biografien ihrer Weggefährten wie Agnes Smedley oder Richard Sorge und ihrer Familie.

FAZIT
Facettenreiches Portrait einer außergewöhnlichen Frau und hochdekorierten sowjetischen Top-Spionin – sorgsam recherchiert, kenntnisreich aufgearbeitet und unglaublich spannend und temporeich erzählt!