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JohnnyZombie

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Insgesamt 119 Bewertungen
Bewertung vom 14.07.2023
Der Kalte Krieg der Generationen
Pantel, Johannes

Der Kalte Krieg der Generationen


ausgezeichnet

Inzwischen ist allgemein bekannt, dass es in naher Zukunft immer mehr alte Menschen in Deutschland geben wird. Da bleibt Panik vor dem Versagen des Rentensystems und den steigenden Pflegekosten bei einem jetzt schon maroden Gesundheitssystem nicht aus.

Im Gegensatz zu den aufmerksamkeitsheischenden Kommentaren und Artikel zu dem Thema, die den kompletten Zusammenbruch der Gesellschaft infolge einer "Überalterung" prophezeien oder sogar davon sprechen, dass "die Alten" gar keinen ruhigen Lebensabend mehr verdient haben, weil sie "den Jungen" die Klimakrise eingebrockt hätten, wird das Thema hier sehr differenziert und ohne Schuldzuweisungen beleuchtet.

Beim Einstieg helfen zum Beispiel die Statistiken, in denen gezeigt wird, dass tatsächlich in naher Zukunft der Anteil der über 67-Jährigen stark ansteigen wird, und ein grober Überblick darüber, in welche Generationen die Menschheit normalerweise eingeteilt wird - samt dem Hinweis, dass die Übergänge fließend sind und mensch sich hüten sollte, Stereotypen für bare Münze zu nehmen und seine Vorurteile nicht zu hinterfragen.

Besonders eingegangen wird außerdem auf die momentane Coronakrise, infolge derer es immer wieder zu erschreckenden Überlegungen in Richtung einer Triage kommt, die alten Menschen ein geringeres Recht auf Leben als jüngeren zuspricht. Es werden aber auch andere Krisen, die sich am Horizont abzeichnen, wie der Klimawandel und die Herausforderungen, die auf das deutsche Rentensystem zukommen, einbezogen, was umso deutlicher macht, wie wichtig es ist, es eben nicht zu einem Krieg der Generationen kommen zu lassen.

Allerdings werden nicht nur Probleme aufgezeigt und gesellschaftlich allgemein akzeptierte Vorurteile infrage gestellt, es werden auch Lösungsvorschläge angeboten. Dabei wird nicht so getan, als wäre ein Patentrezept gefunden worden, dem die Gesellschaft nur folgen muss, stattdessen werden verschiedene Ansätze vorgestellt und auch auf die Notwendigkeit, andere Formen der Diskriminierung wie Rassismus und Sexismus zu bekämpfen, eingegangen.

Bewertung vom 14.07.2023
Drei Worte weiter
Matthaei, Silke;Schließer, Johanna;Wälz, Sabine

Drei Worte weiter


ausgezeichnet

In "Drei Worte weiter" sammeln sich über 40 Kurzgeschichten zu allen möglichen Themen. Was sie verbindet, ist, dass den vier Autorinnen eine gewisse Anzahl von Worten (meist drei) vorgesetzt worden ist, zu denen sie dann eine Geschichte abliefern mussten.

Genau das macht den Reiz dieser Anthologie aus. Es ist sehr interessant, zu lesen, wie die Autorinnen die Wörter interpretiert haben und dass manche Geschichten in eine sehr ähnliche Richtung gehen und andere gerade gar nicht.

Und obwohl vier Autorinnen an dem Buch beteiligt sind, ist es sehr angenehm und flüssig zu lesen. Ich könnte nicht sagen, dass mir einer der Schreibstile viel besser gefallen hätte oder ein anderer gar nicht, denn das Gesamtkonzept ist sehr stimmig.

Auch das Genre ist nicht durchgehend gleichbleibend. In einigen Geschichten ändert es sich als überraschende Pointe, andere bieten schon von Anfang an Abwechslung durch Science Fiction. Insgesamt dreht es sich in den meisten Storys allerdings um normale Menschen und deren alltägliche Begebenheiten.

Alles in allem werden hier unterhaltsame und kurzweilige Kurzgeschichten für Zwischendurch geboten. Da vergehen die ungefähr 250 Seiten wie im Flug.

Bewertung vom 14.07.2023
Irgendwann geht auch das vorbei
Rußmann, Pamela

Irgendwann geht auch das vorbei


ausgezeichnet

Nachdem die Pandemie der Fotografin und Journalistin Pamela Rußmann die normale Berufsausübung unmöglich gemacht hat, hat sie sich zu einem ungewöhnlichen Experiment entschieden: Interviews und Fotoshootings über die Webcam mit zahlreichen Frauen, die von ihrem Leben in der Corona-Zeit berichten.

Dadurch, dass die meisten Fotos während der Lockdowns in den Wohnungen der Frauen geschossen und sie während einer emotional aufwühlenden Zeit porträtiert worden sind, sind sie sehr persönlich und berührend.

Einige der Frauen sind auch nach einigen Monaten erneut interviewt worden, sodass die Veränderungen im Leben und Denken über das Jahr, in dem die Pandemie zu dem Zeitpunkt die Welt beherrscht hat, deutlich werden.

In den hier gebotenen Perspektiven können sich sicherlich die meisten Leute wiederfinden. Trotzdem fällt auf, dass die meisten Interviewpartnerinnen Frauen mit kreativen Berufen zwischen 30 und 50 sind, sodass ich einige abweichende Sichtweisen vermisst habe.

Insgesamt ist hier ein gelungenes Porträt unserer Zeit gelungen, das sowohl Menschen, die sie selbst durchleben oder durchlebt haben und denen, die zukünftig kommen, etwas bieten kann.

Bewertung vom 14.07.2023
Crossover (eBook, ePUB)
Ink, Fred

Crossover (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Sechs Personen, die verschiedener nicht sein könnten, wachen ohne Erinnerungen in einem verrotteten Laborkomplex auf und müssen bald feststellen, dass sie nicht alleine sind. In dieser fremdartigen Dimension werden sie zu den Gejagten.

Zuallererst seien die Charaktere lobend erwähnt: Obwohl es eine verhältnismäßig große Anzahl von Hauptfiguren gibt, fällt es einem leicht, sie auseinanderzuhalten, weil jede von ihnen eine einzigartige Persönlichkeit hat. Sie sind weit davon entfernt, alle sympathisch zu sein, aber genau das macht den Reiz auch aus. Besonders schön finde ich, dass keiner der Charaktere die Horror-Klischees komplett erfüllt, sondern jeder einzigartig ist.

Außerdem fokussiert sich die Story nicht nur auf das bloße Überleben der Charaktere, es gilt auch, die Hintergründe der Geschichte zu erkunden. Das sorgt für einige Plottwists und dafür, dass das Buch bis zur letzten Seite spannend bleibt.

Auch bei der Beschreibung der Welt und der Kreaturen, die sie bevölkern, hat sich der Autor Mühe gegeben. Es lauern Gefahren an jeder Ecke, die mensch sich dank der lebendigen Beschreibungen nur allzu gut vorstellen kann.

„Crossover“ ist wirklich kein 0815-Horror, sondern kommt mit vielen eigenen Ideen daher und bereichert das Genre. Wer zu einem spannenden und an vielen Stellen brutalen Pageturner nicht nein sagen kann, ist hier gut beraten.

Bewertung vom 14.07.2023
Scherben einer Göttin

Scherben einer Göttin


ausgezeichnet

In "Scherben einer Göttin" sammeln sich 18(!) Kurzgeschichten, die den Mythos um Lilith, die erste Frau Adams, die aus dem Paradies vertrieben worden ist, weil sie sich ihm nicht unterordnen wollte, aufgreifen und auf den Kopf stellen.

Dabei ähnelt überraschenderweise keine Geschichte der anderen und es werden Genres von Horror über Fantasy bis sogar Science Fiction aufgegriffen.

Wie es den Autor:innen immer wieder gelungen ist, die alte Geschichte umzudeuten, in die heutige Zeit zu übertragen und mit neuen Wendungen auszustatten, hat mich immer wieder positiv überrascht.

Dazu kommt, dass jede Story flüssig geschrieben ist und Lust auf mehr macht. Es hat keine Geschichte gegeben, die auch hätte weggelassen werden können, denn alle bieten eine neue, interessante Perspektive.

Der einzige Wermutstropfen ist, dass es eben nur Kurzgeschichten sind, die kleine Fenster in diese interessanten Welten geöffnet haben, von denen ich an vielen Stellen gerne mehr gelesen hätte.

Bewertung vom 14.07.2023
Streicheln oder Schlachten
Sebastian, Marcel

Streicheln oder Schlachten


ausgezeichnet

In "Streicheln oder Schlachten" stellt Autor Marcel Sebastian die menschliche Beziehung zu nichtmenschlichen Tieren, hauptsächlich verkörpert durch die beiden Gegensätze der "Haus-" und "Nutztiere", dar. Aber auch der Zusammenhang mit der Klimakrise und Alternativmodelle für diese Beziehung bekommen ihren Platz eingeräumt.

Der Autor schafft es, auf vergleichsweise wenigen Seiten die komplizierte Situation mitsamt ihren historischen Hintergründen und den zukünftigen Konsequenzen, die folgen werden, wenn wir sie nicht ändern, realistisch abzubilden.

Auch dadurch, dass viele Themen nur angerissen werden können und die vielen Quellenangaben weitere Informationen versprechen, werden Leser:innen dazu animiert, sich noch tiefgehender mit dem Thema auseinanderzusetzen - Eine Empfehlung, die auch im Buch selbst so ausgesprochen wird.

Aber nicht nur die harten Fakten werden angesprochen, es gibt auch Vorschläge, wie wir unsere eigene Sichtweise kritisch hinterfragen und die gesellschaftlichen Zusammenhänge ändern können. Besonders gefreut hat mich dabei, dass es in dem Abschnitt nicht um reine Konsum- und Wahlentscheidungen geht.

Ich kann dieses Buch bedenkenlos jeder Person empfehlen, die einen informativen und trotzdem angenehm zu lesenden Überblick über unseren Umgang mit nichtmenschlichen Tieren bekommen möchte.

Bewertung vom 14.07.2023
Die Rückkehr des Waldes
Caligo, Lucian

Die Rückkehr des Waldes


ausgezeichnet

Als der längst besiegt geglaubte Wald wiedererwacht und seine Wurzeln nach der alten Fessel ausstreckt, werden die dort lebenden Menschen vor schwierige Entscheidungen gestellt: Sollen sie ihre liebgewonnene Heimat aufgeben oder sich einem schier übermächtigen Feind stellen? Können und wollen sie überhaupt gegen die Natur selbst bestehen?

Mich hat der erste Band der Weltenwurzel-Saga gleich von der ersten Seite gepackt. Die Prämisse, dass hier nicht gegen Ritter oder typische Monster gekämpft wird, sondern der Wald selbst zurückschlägt, ist im Fantasy-Genre einzigartig und die Kämpfe gegen Wurzeln und Tiere des Waldes von Wölfen bis Insekten sind actionreich beschrieben.

Besonders angetan haben es mir auch die Charaktere. Mensch lernt sie mit ihren Schwächen kennen und sie überraschen immer wieder mit ihrer Menschlichkeit. Hier wurde wirklich darauf geachtet, sie dreidimensional zu gestalten, was bei der Anzahl der Protagonist:innen besonders beeindruckend ist.

Die Handlung wartet auch immer wieder mit Plottwists auf. Gerade, wenn mensch sich vermeintlich an eine Situation gewöhnt hat, kommt schon die nächste Überraschung. Eine von ihnen ist zum Beispiel das interessante Magiesystem, von dem ich so noch nirgends sonst gelesen habe, aber auch das Ende hat es noch einmal richtig in sich.

"Die Rückkehr des Waldes" ist erfrischend und originell wie schon lange kein Fantasy-Buch mehr. Ich bin extrem gespannt, wie die Saga weitergeführt und welches Schicksal die Figuren weiterhin ereilen wird und kann es kaum erwarten, den nächsten Band endlich in die Finger zu kriegen.

Bewertung vom 14.07.2023
Urban Sketching ganz einfach
Linker-Wenzel, Antje

Urban Sketching ganz einfach


ausgezeichnet

Urban Sketching, was ist das überhaupt? Eine Frage, die sich wahrscheinlich viele stellen. Dieses Buch bietet nicht nur die Antwort auf diese Frage - es geht darum, mit Bleistift und Radiergummi bewaffnet seine Umgebung abzubilden, egal ob realistisch oder nicht -, sondern lädt Anfänger:innen ein, es selbst zu versuchen.

Was mich besonders angesprochen hat, ist, dass hier von Anfang an klargemacht wird, dass häufig weniger mehr ist: Es braucht keine tausend Utensilien und jahrelange künstlerische Ausbildung, um seiner Fantasie freien Lauf zu lassen.

Die Anleitungen zeigen Schritt für Schritt, wie sich ein Bild verändert, während der Begleittext erklärt, welche Techniken angewandt worden sind und warum das so dargestellt worden ist. Dadurch ist es leicht, die Verfahren zu verstehen und für sich selbst anzueignen.

Dabei wird eigentlich alles aufgegriffen, was mensch aus seinem Alltag abbilden wollen könnte: Gebäude von altbacken bis modern, Menschen in Bewegung oder herumsitzend, Tiere, Fahrzeuge, Straßenschilder...

"Urban Sketching ganz einfach" vermittelt die Basics des Themas gut und ist dabei wirklich Anfänger:innen-freundlich, von den nachvollziehbaren Anleitungen bis zu den aufmunternden Worten, die die Angst vorm Scheitern lindern.

Bewertung vom 14.07.2023
Jeder und die Anderen
Böhm, Maximilian

Jeder und die Anderen


ausgezeichnet

Wie so viele Menschen ist der Protagonist auf der Suche nach der Wahrheit. Im Gegensatz zu den meisten wagt er jedoch, einen Schritt weiterzugehen, sein altes Leben hinter sich zu lassen und sich nach seinem Sprung ins Unbekannte treiben zu lassen.

Dabei trifft er auf die verschiedensten Leute und hört sich an, wie und ob sie ihre Wahrheit gefunden haben. Durch ihre individuellen Geschichten, die Art, wie sie sich mitteilen und auch ihren Dialekt heben sich diese Menschen voneinander ab und so gleicht kein Abschnitt dem Anderen.

Manche sind felsenfest davon überzeugt, dass sie den Sinn ihres Lebens gefunden haben, andere sind noch selbst auf der Suche. Und auch, wohin seine eigene Suche den Protagonisten am Ende des Buches führt, ist stimmig und rundet die Handlung perfekt ab.

Besonders gefallen hat mir, wie natürlich und ungezwungen diese Begegnungen zustande kommen. Es ist leicht vorstellbar, dass mensch selbst solche Gespräche mit Fremden führen könnte, wenn mensch sich die Zeit nehmen würde und ein offenes Ohr hätte.

"Jeder und die Anderen" ist nicht nur eine Reise durch Raum und Zeit, sondern auch eine in das eigene Innenleben. Es zeigt auf, was wir in diesen Zeiten nicht häufig sehen: Dass jeder Mensch Teil eines Ganzen ist und auch Geschichten, die nicht glamourös genug für eine Social Media-Präsenz sind, es wert sind, erzählt zu werden.